Urteil des BGH vom 29.11.2013

BGH: beratung, blw, hof, landwirtschaftlicher betrieb, abstimmung, gerichtsbarkeit, form, erblasser, holz, kommunikation

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 4/12
vom
29. November 2013
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
LwVG § 9; FamFG § 38 Abs. 3 Satz 2
Ein im gerichtlichen Verfahren in Landwirtschaftssachen ergehender Beschluss muss
nur von den Berufsrichtern, nicht auch von den ehrenamtlichen Richterin unter-
schrieben werden.
GVG § 193 Abs. 1, § 194
In geeigneten Ausnahmefällen (hier: Beratung über einen nachträglich eingegange-
nen Schriftsatz) kommt die Telefonkonferenz unter gleichzeitiger Teilnahme sämtli-
cher beteiligten Richter in der technischen Form einer Konferenzschaltung, bei wel-
cher unter der Leitung des Vorsitzenden des Spruchkörpers jeder Teilnehmer jeder-
zeit von seinem Telefonapparat zeitgleich mit jedem anderen Teilnehmer kommuni-
zieren kann und alle Teilnehmer die gesamte Kommunikation mithören, als zulässige
Art der Beratung in Betracht. Die erstmalige Beratung als einzige Grundlage für die
Entscheidung in der Hauptsache muss jedoch zwingend im Beisein sämtlicher betei-
ligter Richter stattfinden.
HöfeO § 1 Abs. 3; HöfeVfO § 11 Abs. 1 Buchst. a
Ob beim Erbfall trotz des im Grundbuch eingetragenen Hofvermerks die Hofeigen-
schaft entfallen war, beurteilt sich danach, ob der Erblasser den landwirtschaftlichen
Betrieb endgültig eingestellt hatte.
BGH, Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 4/12 - OLG Oldenburg
AG Vechta
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am
29. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Czub und die ehrenamtlichen Richter Köhler und
Kröger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2012 und die Nachberatung
vom 4. September 2012 ergangene Beschluss des 10. Zivilsenats
- Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts
Oldenburg aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
2.500.000
€.
Gründe:
I.
Die Mutter der Beteiligten zu 1 bis 3 (im Folgenden: die Erblasserin) erb-
te 1963 landwirtschaftlichen Grundbesitz, der bis dahin innerhalb der Familie
bewirtschaftet worden war, und führte die Bewirtschaftung zunächst unter Mit-
wirkung eines Verwalters fort. In den 1980er Jahren wurde der landwirtschaftli-
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che Betrieb eingestellt; die zugehörigen Flächen und Gebäude wurden an Dritte
verpachtet bzw. vermietet oder zu landwirtschaftsfremden Zwecken genutzt.
Der Grundbesitz blieb im Grundbuch als Hof im Sinne der Höfeordnung einge-
tragen. 2005 bestimmte die Erblasserin in einer letztwilligen Verfügung, dass
der Beteiligte zu 2 ihren
„Hof im Sinne der Höfeordnung“ erhalten solle. 2010
verstarb sie.
Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht - Landwirtschaftsge-
richt - festgestellt, dass im Zeitpunkt des Erbfalls ein Hof im Sinne der höfe-
rechtlichen Vorschriften vorgelegen habe und der Beteiligte zu 2 Hoferbe ge-
worden sei; die Anträge der Beteiligten zu 1 und 3 auf Feststellung, dass es
sich nicht um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt habe, hat es zu-
rückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesge-
richt - Senat für Landwirtschaftssachen - nach mündlicher Verhandlung festge-
stellt, dass die betroffenen Grundstücke kein Hof im Sinne der Höfeordnung
bildeten und der Beteiligte zu 2 nicht Hoferbe geworden sei. Es hat über einen
nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatz des Beteiligten
zu 2 im Wege einer Telefonkonferenz unter Beteiligung der Berufsrichter und
der ehrenamtlichen Richter beraten. Die Beschwerdeentscheidung ist von den
Berufsrichtern, nicht aber von den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Beteiligte zu 2 die Wie-
derherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die durch den im Grundbuch ein-
getragenen Hofvermerk begründete Vermutung der Hofeigenschaft sei durch
die tatsächlichen Umstände widerlegt. Ein aktiver landwirtschaftlicher Betrieb im
Sinne einer landwirtschaftlichen Organisationseinheit sei seit ca. drei Jahrzehn-
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ten nicht mehr vorhanden. Es liege auch nicht nur eine vorübergehende Einstel-
lung vor; ein
„Wiederanspannen“ des landwirtschaftlichen Betriebs unter ver-
tretbaren wirtschaftlichen Bedingungen scheide aus. Die Anforderungen an die
Möglichkeit eines Wiederanspannens seien unter Berücksichtigung des Zwecks
der Höfeordnung, leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe in bäuerlichen
Familien durch Vererbung auf einen einzigen Erben zu erhalten, und im Rah-
men verfassungskonformer Auslegung mit Blick auf die Benachteiligung der
weichenden Miterben zu bestimmen. Danach könne die Höfeordnung nur zur
Anwendung kommen, wenn entweder eine hinreichend leistungsfähige und mit-
hin erhaltenswerte landwirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden sei oder jeden-
falls im Zeitpunkt des Erbfalls objektiv hinreichend gesichert erscheine, dass
diese von dem Hoferben ohne weiteres wieder hergestellt werden könne und
auch tatsächlich hergestellt werde. Es reiche nicht die abstrakte theoretische
Möglichkeit, dass in irgendeiner Weise auf dem Grundbesitz noch Landwirt-
schaft betrieben werden könnte. Das Beschwerdegericht sei nicht davon über-
zeugt, dass der Beteiligte zu 2 ein - an sich mögliches - Wiederanspannen des
Hofes vornehmen werde. Dazu fehle es an den erforderlichen konkreten objek-
tiven und realitätsgerechten Anhaltspunkten für ein sicher zu erwartendes Wie-
deranspannen und die Wiederherstellung einer selbständigen Betriebseinheit.
Eine Eigenbewirtschaftung sei im Vergleich zu der bisherigen Fremdverpach-
tung unwirtschaftlich. Der Beteiligte zu 2 verfüge über keine praktische landwirt-
schaftliche Erfahrung und müsse deshalb auf einen Betriebsleiter zurückgreifen.
Eine etwaige landwirtschaftliche Familientradition bestehe zumindest seit mehr
als drei Jahrzehnten nicht mehr. Soweit der Beteiligte zu 2 auf die Möglichkeit
der Betriebsübernahme durch seinen derzeit 14-jährigen Sohn verweise, be-
gegne das ebenfalls Bedenken. Zum einen komme es für die Frage des Wie-
deranspannens auf die Person des Beteiligten zu 2 an; zum anderen handele
es sich lediglich um eine theoretische Möglichkeit.
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Die Unterzeichnung der Beschwerdeentscheidung durch die Berufsrich-
ter hält das Beschwerdegericht für ausreichend. Die Unterschrift der ehrenamt-
lichen Richter sei auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfah-
ren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-
keit (FamFG) nicht erforderlich.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 1 Abs. 1 HöfeVfO, § 9 LwVG, § 70
Abs. 1 FamFG statthaft und nach § 71 FamFG auch im Übrigen zulässig. Dass
das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde mit Blick auf die Frage zugelas-
sen hat, ob die Entscheidung auch von den ehrenamtlichen Richtern unter-
schrieben werden müsse, führt nicht zu einer Beschränkung der Zulassung.
Denn eine solche Beschränkung ist nur hinsichtlich eines tatsächlich und recht-
lich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs möglich, auf
den auch die Partei selbst das Rechtsmittel beschränken könnte (st. Rspr., et-
wa BGH, Beschluss vom 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004,
1365 f.), nicht hingegen - wie hier - auf eine Verfahrensfrage, die Bedeutung für
den gesamten Prozessstoff hat.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 ist es allerdings rechtlich
nicht zu beanstanden, dass der Inhalt der mündlichen Anhörungen der Beteilig-
ten durch das Beschwerdegericht nicht protokolliert worden ist. Vielmehr durfte
dieses sich im Protokoll über die mündliche Verhandlung auf die Feststellung
beschränken, dass die Anhörungen erfolgten.
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a) Nach § 15 Abs. 5 LwVG, § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO sind die Aussagen
der vernommenen Parteien im Protokoll festzustellen. Das betrifft jedoch grund-
sätzlich nur die Aussagen im Rahmen einer Beweisaufnahme (vgl. dazu BGH,
Urteil vom 26. Juni 1963 - IV ZR 273/62, BGHZ 40, 84, 86), nicht hingegen - wie
hier - die bloße Anhörung der Beteiligten nach § 33 Abs. 1 FamFG (vgl. BGH,
Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 27/88, FamRZ 1989, 157, 158 zu § 141
ZPO).
b) Ausnahmsweise ist auch der Inhalt einer Parteianhörung zu protokol-
lieren, wenn sie als Beweis verwertet, also wie eine Parteiaussage gewürdigt
wird (BGH, Urteil vom 27. November 1968 - IV ZR 675/68, NJW 1969, 428,
429). Das ist hier entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2 nicht der Fall.
Die Beschwerdeentscheidung gibt lediglich tatsächliche Angaben des Beteilig-
ten zu 2 über die derzeitigen Miet- und Pachteinnahmen wieder; das Be-
schwerdegericht unterstellt sie als zutreffend, unterzieht die Angaben selbst
also keiner Beweiswürdigung. Es hat sie lediglich zur Sachaufklärung herange-
zogen, wie es dem Sinn und Zweck der Anhörung nach § 33 FamFG entspricht.
Dass das Beschwerdegericht das Ergebnis dieser Sachaufklärung - nämlich
jährliche Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ca.
34.000 Euro - im Rahmen der Gesamtwürdigung als Indiz gegen die Wahr-
scheinlichkeit eines Wiederanspannens verwertet, ändert daran nichts.
c) Soweit der Beteiligte zu 2 die inhaltliche Richtigkeit der von dem Be-
schwerdegericht wiedergegebenen Angaben in Zweifel zieht, handelt es sich
nicht um eine Frage der Protokollierungspflicht. Diese tatsächlichen Feststel-
lungen sind vielmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (§ 1 Abs. 1
HöfeVfO, § 9 LwVG, § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO). Die Bindungswir-
kung hätte der Beteiligte zu 2 nur durch einen Berichtigungsantrag entspre-
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chend § 320 ZPO beseitigen können. Zwar ist § 320 ZPO in Verfahren der frei-
willigen
Gerichtsbarkeit
grundsätzlich
nicht
anwendbar
(vgl.
BT-
Drucks. 16/6308, S. 197); ausnahmsweise ist aber ein Berichtigungsantrag
auch dort zulässig, soweit - wie vorliegend - Sachvortrag aus der mündlichen
Verhandlung verwertet worden ist (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl.,
§ 42 Rn. 23; zur früheren Rechtslage nach § 18 FGG: BayObLGZ 1965, 137,
139, und 1989, 51, 52; zur entsprechenden Anwendung des § 320 ZPO auf Be-
schlüsse i.S.d. § 329 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2010
- IX ZB 175/09, WM 2010, 976, 977).
2. Ebenso wenig rechtlich zu beanstanden ist, dass die Entscheidung
des Beschwerdegerichts nur von den Berufsrichtern und nicht auch von den
ehrenamtlichen Richtern unterschrieben ist.
a) Ob Beschlüsse, die im gerichtlichen Verfahren in Landwirtschaftssa-
chen ergehen, auch von den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben werden
müssen, ist umstritten. Zum Teil wird die Unterschrift aller an einem Beschluss
beteiligten Richter und damit auch der ehrenamtlichen Richter für erforderlich
gehalten (OLG Zweibrücken, RdL 2012, 152 f.; Ernst, LwVG, 8. Aufl., § 9
Rn. 67; ders., RdL 2012, 144). Zur Begründung wird angeführt, dass nach § 9
LwVG in Angelegenheiten des § 1 Nr. 1 und Nr. 2 bis 6 LwVG die Regelung des
§ 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG sinngemäß Anwendung finde; danach sei ein Be-
schluss zu unterschreiben, und zwar bei einem Kollegialgericht von allen Rich-
tern einschließlich der ehrenamtlichen Richter. Die Gegenmeinung legt die
Verweisung in § 9 LwVG im Wege teleologischer Reduktion dahingehend aus,
dass sich das Unterschriftserfordernis auf die Berufsrichter beschränke
(OLG Brandenburg, FGPrax 2012, 281, 282; im Ergebnis auch Keidel/Meyer-
Holz, FamFG, 17. Aufl., § 38 Rn. 78a; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim,
FamFG, 3. Aufl., § 38 Rn. 47; Rüntz in Bahrenfuss, FamFG, § 38 Rn. 12).
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b) Die letztgenannte Ansicht ist richtig.
aa) Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren
in Landwirtschaftssachen (LwVG) vom 21. Juli 1953 (BGBl. I S. 667) gab es für
die Britische Zone und in allen Landesverordnungen, die zur Durchführung des
Kontrollratsgesetzes Nr. 45 über die Aufhebung der Erbhofgesetze und die Ein-
führung neuer Bestimmungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke
vom 20. Februar 1947 (Amtsblatt des Kontrollrates S. 256) erlassen wurden,
Vorschriften darüber, welche Gerichtspersonen die in diesen Verfahren erge-
henden Beschlüsse zu unterschreiben hatten. Nach § 21 Abs. 3 der in der Briti-
schen Zone geltenden Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen (LVO)
vom 2. Dezember 1947 (Verordnungsblatt für die Britische Zone S. 157) war
der Beschluss bei dem Amtsgericht von dem Amtsrichter, bei dem Oberlandes-
gericht von dem Vorsitzenden und den beamteten Richtern zu unterzeichnen.
Nahezu alle anderen Durchführungsverordnungen enthielten inhaltsgleiche Re-
gelungen, nach denen der Beschluss des Landwirtschaftsgerichts von dem
Vorsitzenden und die Beschlüsse des Beschwerdegerichts von den beamteten
Richtern zu unterzeichnen waren (§ 46 Abs. 3, § 47 Abs. 5 der Badischen DVO
vom 11. Dezember 1948 [Badisches GVBl. S. 217]; § 33 Abs. 3, § 35 Abs. 3 der
AusführungsVO Württemberg-Baden vom 16. Juli 1947 [RegBl. Württemberg-
Baden S. 63]; § 49 Abs. 3, § 50 Abs. 5 des AusführungsG Württemberg-
Hohenzollern vom 2. Mai 1949 [RegBl. Württemberg-Hohenzollern S. 143]; § 31
Abs. 3, § 33 Abs. 3 BremDVO vom 19. Juli 1948 [BremGBl. S. 119]; § 31
Abs. 3, § 33 Abs. 3 HessDVO vom 11. Juli 1947 [HessGVBl. S. 44] und § 47
Abs. 3, § 48 Abs. 6 der DVO RP vom 11. Dezember 1948 [GVBl. RP S. 447]).
Lediglich nach § 19 Abs. 3 der BayDVO (BayGVBl. 1947, S. 180) musste der
Beschluss von dem Vorsitzenden und den Beisitzern unterschrieben werden.
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bb) Mit Inkrafttreten des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in
Landwirtschaftssachen am 1. Oktober 1953 sind die genannten Vorschriften
außer Kraft getreten (§ 60 Abs. 2 LwVG). Das Gesetz enthielt keine der Verfah-
rensordnung für Landwirtschaftssachen und den Durchführungsverordnungen
vergleichbaren Bestimmungen über die Unterzeichnung von Entscheidungen in
Landwirtschaftssachen. In § 21 Abs. 1 LwVG war lediglich festgelegt, dass das
Gericht durch begründeten Beschluss entscheidet. Im Übrigen waren die Vor-
schriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-
keit sinngemäß anzuwenden (§ 9 LwVG). In der Begründung des Gesetzent-
wurfs vom 28. Oktober 1952 (BT-Drucks. I/3819, S. 28) heißt es zu § 21 LwVG
u.a.:
„Über die Form der gerichtlichen Entscheidung enthält das Gesetz über
die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Bestimmung.
In Landwirtschaftssachen lässt sich jedoch eine solche Bestimmung
nicht ganz entbehren. Im Anschluss an die bisher geltenden Vorschriften
bestimmt Absatz 1 daher, dass das Gericht durch begründeten Be-
schluss entscheidet…
Weitere Vorschriften über die äußere Form des Beschlusses, die in
manchen bisher geltenden Bestimmungen enthalten sind, sind als ent-
behrlich nicht aufgenommen. Insbesondere bedarf es keiner Hervorhe-
bung, dass die Unterzeichnung der Beschlüsse durch die landwirtschaft-
lichen Beisitzer nicht erforderlich ist, da im Verfahren der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit keine dem § 315 ZPO entsprechende Vorschrift gilt.
In Rechtsprechung und Literatur bestand in der Folgezeit nur Unstimmig-
keit darüber, ob aufgrund der Verweisung in § 9 LwVG alle Berufsrichter die
Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts unterzeichnen müssen (vgl.
OLG Oldenburg, NdsRpfleger 1956, 198; Barnstedt/Steffen, LwVG, 7. Aufl.,
§ 21 Rn. 10; Pritsch, LwVG, § 21, S. 260; Wöhrmann/Herminghausen, LwVG,
§ 21 Rn. 11; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., Vorb. §§ 8 bis 18 Rn. 19; Kei-
del/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rn. 33; Briesemeister in Jansen, FGG, 3. Aufl.,
§ 25 Rn. 34; Schlegelberger, FGG, 7. Aufl., § 26 Rn. 18). Einigkeit bestand je-
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doch darüber, dass jedenfalls die Unterschriften der ehrenamtlichen Richter
nicht erforderlich waren (Barnstedt/Steffen, LwVG, 7. Aufl., § 21 Rn. 10; Pritsch,
LwVG, § 21, S. 260; Wöhrmann/Herminghausen, LwVG, § 21 Rn. 11; Keidel/
Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25 Rn. 33).
cc) Eine teilweise Änderung der Rechtslage erfolgte durch das Inkrafttre-
ten des Gesetzes zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom
8. November 1985 (BGBl. I S. 2065), welches die Zuständigkeit der Landwirt-
schaftsgerichte auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten in Landpachtsachen erwei-
terte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1a LwVG). Durch die gleichzeitige Einführung der Rege-
lung in § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG fand auf solche streitigen Landwirtschaftssa-
chen die Zivilprozessordnung Anwendung. Damit galt in diesen Fällen auch die
Vorschrift des § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach der ein Urteil von den Richtern zu
unterschreiben ist, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben. Danach waren
die Unterschriften der ehrenamtlichen Richter jedenfalls in diesen Verfahren
zunächst erforderlich.
dd) Mit dem Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember
1990 (BGBl. I S. 2847) wurde die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 LwVG um
den zweiten Halbsatz ergänzt, wonach die Vorschrift des § 315 Abs. 1 Satz 1
ZPO mit der Maßgabe gilt, dass es der Unterschriften der ehrenamtlichen Rich-
ter nicht bedarf. Damit stellte der Gesetzgeber sicher, dass die Unterschriften
der ehrenamtlichen Richter wieder in sämtlichen Landwirtschaftssachen ent-
behrlich waren. In der Begründung zu dieser Ergänzung (BT-Drucks. 11/3621,
S. 62) heißt es:
„In Landwirtschaftssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist es nicht er-
forderlich, dass die ehrenamtlichen Richter Entscheidungen, an denen
sie mitwirken, unterschreiben.... Dies gilt jedoch nicht in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten nach § 1 Nr. 1a LwVG, für die bis zum Inkrafttreten
des Gesetzes zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vom
8. November 1985 (BGBl. I S. 2065) das Prozessgericht zuständig war.
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Hier entscheidet das Landwirtschaftsgericht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1
LwVG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Nach § 315
Abs. 1 Satz 1 ZPO sind Urteile von den Richtern, die an der Entschei-
dung mitgewirkt haben, also auch von den ehrenamtlichen Richtern, zu
unterschreiben. Anders als im Strafverfahren (§ 275 Abs. 2 Satz 3 StPO)
und in den Verfahren der anderen Gerichtszweige … gibt es keine Vor-
schrift, die von diesem Erfordernis befreit. Dies hat bei Landwirtschafts-
gerichten zu Schwierigkeiten geführt, weil die ehrenamtlichen Richter im
allgemeinen weder im Gericht noch am Sitz des Gerichts anwesend
sind, wenn das Urteil abgesetzt worden ist, ohne dass sie deshalb im
Sinne des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO verhindert sind zu unterschreiben.
Das Gericht muss deshalb nicht selten die Akten oder den Urteilsentwurf
versenden oder die ehrenamtlichen Richter bitten, eigens zur Unter-
zeichnung des Urteils an den Ort des Gerichts zu reisen.
Die Unterzeichnung des Urteils durch die ehrenamtlichen Richter ist im
Verfahren in Landwirtschaftssachen ebenso wenig erforderlich wie im
Strafverfahren und in den anderen Gerichtszweigen. Im Interesse der
Verfahrenserleichterung soll § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO deshalb in den
streitigen Landwirtschaftssachen nur mit der Maßgabe anzuwenden
sein, dass es der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter nicht bedarf.
ee) Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Ange-
legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FamFG;
BGBl. I S. 2586), welches am 1. September 2009 in Kraft getreten ist, enthält in
§ 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG die ausdrückliche Regelung, dass ein Beschluss zu
unterschreiben ist. Daneben wurde der Wortlaut der Verweisung in § 9 LwVG
angepasst, so dass nunmehr in den in § 1 Nr. 1 und Nr. 2 bis 6 LwVG genann-
ten Angelegenheiten die Vorschriften dieses Gesetzes (statt des bisherigen
FGG) sinngemäß anzuwenden sind, soweit das Gesetz über das gerichtliche
Verfahren in Landwirtschaftssachen nichts anderes bestimmt. Aus dieser Ver-
weisung folgt aber nicht zwingend, dass die Unterschriften der ehrenamtlichen
Richter bei Beschlüssen in Landwirtschaftssachen erforderlich sind. Vielmehr
ergibt die an den üblichen Methoden orientierte Auslegung (vgl. BVerfG,
NJW 2003, 2004, 2007 f.) der Bestimmungen in § 9 LwVG, § 38 Abs. 3 Satz 2
FamFG, dass ein Beschluss in den in § 9 LwVG genannten Angelegenheiten
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auch weiterhin nicht von den ehrenamtlichen Richtern unterschrieben werden
muss.
(1) In § 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG werden die Personen, die den Be-
schluss unterschreiben müssen, nicht benannt. In der Entwurfsbegründung zu
der Vorschrift heißt es allerdings, dass eine Kollegialentscheidung alle Richter
zu unterschreiben haben, die daran mitgewirkt haben (BT-Drucks. 16/6308,
S. 195). Eine Einschränkung für ehrenamtliche Richter fehlt. Der Vorschrift
muss deshalb entnommen werden, dass die Unterschriften der an der Ent-
scheidung beteiligten Richter erforderlich sind, also aller Mitglieder des Kollegi-
ums (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 38 Rn. 78; Schulte-Bunert/
Weinreich/Oberheim, FamFG, 3. Aufl., § 38 Rn. 47; Rüntz in Bahrenfuss,
FamFG, § 38 Rn. 12; Gottwald in Bassenge/Roth, FamFG 12. Aufl., § 38 Rn. 8;
Bork/Jacoby/Schwab-Elzer, FamFG, § 38 Rn. 47; Horndasch/Viefhues/Reinken,
FamFG, 2. Aufl., § 38 Rn. 10; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 2. Aufl., § 38
Rn. 23; aA Simon in Kemper/Schreiber, FamFG, 2. Aufl., § 38 Rn. 12). Damit
liegt keine planwidrige Regelungslücke vor, die geschlossen werden muss (an-
ders OLG Brandenburg, FGPrax 2012, 281, 282).
(2) Jedoch ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Regelung
über die Verweisung in § 9 LwVG für die darin genannten Angelegenheiten
nicht beabsichtigt hat. § 38 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist daher im Wege der teleo-
logischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass die ehrenamtlichen Richter
in diesen Angelegenheiten ergangene Beschlüsse nicht unterschreiben müs-
sen.
(a) Die teleologische Reduktion einer Vorschrift - auch entgegen deren
Wortlaut - ist dann eine anerkannte Auslegungsmethode und verfassungsrecht-
lich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von ihm
gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung das
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gesetzgeberische Ziel deutlich verfehlen würde (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007
- IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 31 mwN; BVerfG, NJW 1997, 2230 f.
mwN). So verhält es sich hier. Die allgemeine Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 2
FamFG soll mit der Unterschriftsleistung eine Abgrenzung des Beschlusses von
einem bloßen Entwurf ermöglichen (BT-Drucks. 16/6308, S. 195). Dieses Ziel
ist in den in § 9 LwVG genannten Angelegenheiten auch dann nicht gefährdet,
wenn nur die Berufsrichter und nicht auch die ehrenamtlichen Richter einen Be-
schluss unterschreiben. Insoweit besteht kein Unterschied zu Urteilen, bei de-
nen die Unterschriften der ehrenamtlichen Richter nicht erforderlich sind (§ 48
Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LwVG). Das Unterschriftserfordernis bei Beschlüssen
widerspricht vielmehr dem Ziel der Verfahrenserleichterung, welches der Grund
für die Einführung der Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LwVG war
(siehe vorstehend unter dd). Denn die mit der Unterschriftsleistung der ehren-
amtlichen Richter verbundenen praktischen Schwierigkeiten bestehen bei Be-
schlüssen und Urteilen in gleicher Weise.
(b) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die bisheri-
ge einheitliche Rechtslage, nach der die Entscheidungen in Landwirtschaftssa-
chen nicht der Unterschriften der ehrenamtlichen Richter bedurften, aufgeben
und ein solches Unterschriftserfordernis für Beschlüsse in den in § 9 LwVG ge-
nannten
Angelegenheiten
einführen
wollte
(vgl.
OLG Brandenburg,
FGPrax 2012, 281, 282). Dies wird durch die Begründung zu der Regelung in
§ 9 LwVG deutlich, nach welcher die redaktionelle Änderung der Verweisung
lediglich als Anpassung aufgrund der geänderten Gesetzesbezeichnung vorge-
nommen wurde (BT-Drs. 16/6308, S. 195). Weitere Folgen aufgrund der Ver-
weisung hat der Gesetzgeber offensichtlich weder erkannt noch bedacht. Wenn
er die Entbehrlichkeit der Unterschriften der ehrenamtlichen Richter in den in
§ 9 LwVG genannten Angelegenheiten hätte aufgeben wollen, hätte es nahege-
legen, dies auf Urteile zu erstrecken. Denn es besteht kein Erfordernis, höhere
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formelle Anforderungen an die in den in § 9 LwVG genannten Angelegenheiten
ergangenen Beschlüsse zu stellen als sie für streitige, unter Anwendung der
Zivilprozessordnung zu entscheidende Landwirtschaftssachen nach § 48 Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 2 LwVG gelten (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 38
Rn. 78a; insoweit auch Ernst, LwVG, 8. Aufl., § 9 Rn. 67).
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Art und Weise, in welcher
das Beschwerdegericht über den nach der mündlichen Verhandlung eingegan-
genen Schriftsatz des Beteiligten zu 2 beraten hat. Das Abhalten einer Telefon-
konferenz war in diesem Fall zulässig.
a) Aus § 193 Abs. 1 GVG ergibt sich, dass jede Entscheidung eines Kol-
legialgerichts auf einer Beratung und Abstimmung der zur Entscheidung beru-
fenen Richter beruhen muss. Zwar kann eine Nachberatung im Fall der Verhin-
derung eines Richters unter Umständen auch ohne den verhinderten Richter
erfolgen (zur Beratung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung,
wenn über ein Urteil bereits abgestimmt, es aber noch nicht verkündet war, vgl.
BGH, Urteil vom 1. Februar 2002 - V ZR 357/00, NJW 2002, 1426, 1427 f.,
Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 192 GVG Rn. 1). Eine Verhinderung
- insbesondere der ehrenamtlichen Richter - ist hier aber nicht festgestellt; viel-
mehr ist über den nachträglich eingegangenen Schriftsatz unter ihrer Einbezie-
hung beraten worden.
b) § 194 GVG bestimmt die bei der Beratung und Abstimmung einzuhal-
tende Verfahrensweise. Innerhalb der dadurch vorgegebenen Grenzen ist die
Gestaltung der Beratung dem Gericht überlassen, wobei sich der Vorsitzende
im Rahmen seiner Leitungsbefugnis regelmäßig von Zweckmäßigkeitserwä-
gungen leiten lassen wird (Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 194 GVG
Rn. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Juli 1990 - 5 StR 221/89, NJW 1991, 50,
52). Unerlässlich ist die gegenseitige Verständigung der Gerichtsmitglieder, die
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- 15 -
in einer äußerlich wahrnehmbaren Weise zu erfolgen hat, so dass etwa die blo-
ße stillschweigende Duldung der Entscheidungsverkündung nicht ausreicht
(BGH, Urteil vom 25. Juni 1992 - 4 StR 265/92, NJW 1992, 3182; RGSt 42, 85,
87). Allerdings ist die Verständigung an keine Form gebunden; ihre Art ist der
Kritik der Prozessbeteiligten entzogen (BGH, Urteil vom 24. Juli 1990
- 5 StR 221/89, NJW 1991, 50, 52 zur Beratungsdauer; RGSt 42, 85, 87).
c) Die mündliche Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter ist
die Regel. Dem gleichstehen dürfte eine Beratung im Wege der Videokonfe-
renz, also bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung, wie sie im Rahmen der
mündlichen Verhandlung einschließlich der Beweisaufnahme zugelassen ist
(§ 32 Abs. 3 FamFG, § 128a Abs. 1 und 2 ZPO). Ausnahmsweise kommen aus
Zweckmäßigkeitsgründen auch vereinfachte Formen der Beratung und Ab-
stimmung in Betracht, etwa - über einfache Fragen - durch kurze, formlose Ver-
ständigung im Sitzungssaal (BGH, Beschluss vom 31. Juli 1992 - 3 StR 200/92,
NJW 1992, 3181 f.; Urteil vom 14. Juli 1971 - 3 StR 73/71, BGHSt 24, 170, 171;
RGSt 42, 85, 86 - jeweils zur Frage, ob nachträgliche Erkenntnisse aus der wei-
teren Verhandlung das zuvor beratene Ergebnis in Frage stellen; Kissel/Mayer,
GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 32) oder durch Entscheidung im sogenannten Umlauf-
verfahren, also durch schriftliche Beratung und Abstimmung aufgrund eines
Entscheidungsentwurfs (Senat, Urteil vom 28. November 2008 - LwZR 4/08,
NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil vom 24. April 2009 - LwZR 3/08,
juris Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110 abgedruckt]; BVerwG, NJW 1992,
257; BSG, Beschluss vom 11. Februar 2000 - B 2 U 324/99, juris Rn. 6 [für Ent-
scheidungen nach § 153 Abs. 4 SGG, an denen ausschließlich Berufsrichter
beteiligt sind]; ausdrücklich beschränkt auf Berufsrichter Keller in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a; ablehnend zum Umlauf-
verfahren insgesamt: Papsthart, DRiZ 1971, 18 f.; Künzl, ZZP 104 (1991), 150,
187 [bezogen auf ehrenamtliche Richter]). Voraussetzung ist, dass die beteilig-
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ten Richter mit dem vereinfachten Verfahren einverstanden sind (Senat, Urteil
vom 28. November 2008 - LwZR 4/08, aaO) und damit sichergestellt ist, dass
jederzeit in eine mündliche Beratung im Beisein sämtlicher beteiligten Richter
eingetreten werden kann, falls einer von ihnen dies wünscht oder ein neuer Ge-
sichtspunkt es erfordert.
d) Nicht ausreichend ist hingegen die telefonische Abfrage der Einzel-
meinungen der zur Entscheidung berufenen Richter (Senat, Urteil vom
28. November 2008 - LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil
vom 24. April 2009 - LwZR 3/08, juris Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110
abgedruckt]; BSG, NJW 1971, 2096 mit zust. Anm. Peters, SGb 1972, 321;
Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3, § 194 Rn. 4; Stein/Jonas/Jacobs,
ZPO, 22. Aufl., § 194 GVG Rn. 5; Wieczorek/Schütze/Schreiber, ZPO, 3. Aufl.,
§ 193 GVG Rn. 3, § 194 GVG Rn. 4; Germelmann/Matthes/Prütting/
Germelmann, AGG, 7. Aufl., § 60 Rn. 16; Künzl, ZZP 104 (1991), 150, 187; aA
MünchKommZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 194 GVG Rn. 6; Zöller/Lückemann,
ZPO, 30. Aufl., § 194 GVG Rn. 1: telefonische Abstimmung ausnahmsweise
möglich), also das Herbeiführen der Abstimmung im Wege von Einzeltelefona-
ten.
e) Die Zulässigkeit von Telefonkonferenzen unter gleichzeitiger Teilnah-
me sämtlicher beteiligten Richter in der technischen Form einer Konferenz-
schaltung, bei welcher unter der Leitung des Vorsitzenden jeder Teilnehmer
jederzeit von seinem Telefonapparat zeitgleich mit jedem anderen Teilnehmer
kommunizieren kann und alle Teilnehmer die gesamte Kommunikation mithö-
ren, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang offen geblieben (Se-
nat, Urteil vom 28. November 2008 - LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 f. Rn. 8;
Versäumnisurteil vom 24. April 2009 - LwZR 3/08, juris Rn. 8 [insoweit nicht in
GuT 2010, 110 abgedruckt]; für die Zulässigkeit: Zöller/Lückemann, ZPO,
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- 17 -
30. Aufl., § 194 GVG Rn. 1; Ernst, LwVG, 8. Aufl., § 48 Rn. 7; wohl auch Kissel/
Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3 aE; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a). Der Senat entscheidet diese Frage nunmehr da-
hin, dass die Beratung im Wege der Telefonkonferenz mittels Konferenzschal-
tung jedenfalls bei der Beratung über einen nachträglich eingegangenen
Schriftsatz zulässig sein kann.
(aa) Die Telefonkonferenz in der technischen Form einer Konferenz-
schaltung zeichnet sich dadurch aus, dass alle beteiligten Richter unter der Lei-
tung des Vorsitzenden gleichzeitig miteinander kommunizieren und auf diese
Weise ihre Argumente austauschen können (vgl. dazu Senat, Urteil vom
28. November 2008 - LwZR 4/08, NJW-RR 2009, 286 Rn. 8; Versäumnisurteil
vom 24. April 2009 - LwZR 3/08, juris Rn. 8 [insoweit nicht in GuT 2010, 110
abgedruckt]; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 193 Rn. 3 aE; Keller in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 61 Rn. 9a; allgemein zum Aspekt
des gleichzeitigen Austauschs: Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 192 Rn. 4, 193
Rn. 1; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 22. Aufl., § 193 GVG Rn. 2; Rüping,
NStZ 1991, 193 f.; Kleinknecht, GA 1961, 45, 49). Die Gefahr bleibender Miss-
verständnisse durch einzelne Hör- oder Übertragungsfehler ist im gemeinsa-
men Gespräch unter mehreren Beteiligten geringer als beim bloßen Abrufen der
Auffassungen durch Einzeltelefonate. Die Telefonkonferenz kommt damit der
mündlichen Beratung in Anwesenheit aller Beteiligten sehr nahe.
(bb) Dass - wie der Beteiligte zu 2 geltend macht - die Kommunikation
innerhalb der mündlichen Beratung im Beisein aller Richter durch zusätzliche
Mimik und Gestik unterstützt wird, erscheint demgegenüber nicht entscheidend.
Damit lässt sich der Inhalt der Beratung nicht maßgeblich beeinflussen. Ob und
inwieweit durch Körpersprache Zustimmung, zusätzlicher Erörterungsbedarf
oder Verständnisschwierigkeiten signalisiert werden, hängt so stark von den
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Ausdrucksformen der einzelnen Richterpersönlichkeit ab, dass Gestik und Mi-
mik nicht zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Beratung gezählt werden
können. Das zeigt sich eindrucksvoll in dem Fall der - grundsätzlich zulässigen -
Beteiligung eines blinden Richters (dazu BVerfG, NJW 1992, 2075).
(cc) In geeigneten Ausnahmefällen kommt somit die Telefonkonferenz
als zulässige Art der Beratung in Betracht. Voraussetzung dafür ist zunächst,
dass alle beteiligten Richter einverstanden sind und sichergestellt ist, dass je-
derzeit in eine mündliche Beratung im Beisein aller Richter eingetreten werden
kann, falls ein Richter dies wünscht oder ein neuer Gesichtspunkt es erfordert.
Weitere Voraussetzung ist, dass durch technische Vorkehrungen die gleichzei-
tige Kommunikation sämtlicher Teilnehmer unter der Leitung des Vorsitzenden
des Kollegialgerichts ermöglicht wird (Konferenzschaltung). Schließlich darf die
Beratung im Wege der Telefonkonferenz nicht die mündliche Beratung im Bei-
sein aller Richter ersetzen, sondern nur neben diese treten wie in dem Fall der
Beratung über einen nachträglich eingegangenen Schriftsatz. Die erstmalige
Beratung als einzige Grundlage für die Entscheidung in der Hauptsache muss
zwingend im Beisein sämtlicher beteiligten Richter stattfinden.
(dd) Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 ergibt sich nichts anderes
aus der Rechtsprechung des Senats, wonach bei einer Entscheidung, die im
Umlaufverfahren ergeht und von den ehrenamtlichen Richtern nicht unter-
schrieben wird (§ 48 Abs. 1 Satz 2 LwVG), deren erklärte Billigung in einer für
die Parteien und das Rechtsmittelgericht nachprüfbaren Weise festgehalten
werden muss (Senat, Urteil vom 20. April 2012 - LwZR 5/11, NJW-RR 2012,
879, 880 Rn. 12). In dem Regelfall der mündlichen Beratung im Beisein sämtli-
cher Richter folgt deren Billigung - auch die der nicht unterschreibenden ehren-
amtlichen Richter - aus dem Umstand, dass die Entscheidungsfindung unmit-
telbar auf dieser Beratung beruht. In dem Sonderfall des schriftlichen Umlauf-
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verfahrens kommt die Billigung der Berufsrichter durch deren Unterschrift unter
der Entscheidung zum Ausdruck; zum Nachweis der Billigung der nicht unter-
schreibenden ehrenamtlichen Richter bedarf es hingegen im Umlaufverfahren
eines anderen Nachweises ihrer Mitwirkung an der Entscheidungsfindung, näm-
lich einer entsprechenden Verlautbarung in den Akten. Bei der Beratung im
Wege der Telefonkonferenz kann sich die Tatsache der Mitwirkung der ehren-
amtlichen Richter ebenfalls nur durch eine Verlautbarung in den Akten ergeben.
f) Nach alledem ist das von dem Beschwerdegericht gewählte Verfahren
rechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Aktenvermerk des Vorsitzenden des
Beschwerdegerichts vom 4. September 2012 ergibt sich, dass an diesem Tag
der nach der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz
„im Rahmen
einer Telefonkonferenz unter Beteiligung der Berufsrichter und der ehrenamtli-
chen Richter nachberaten
“ wurde. In diesem Vermerk kommen die Art und
Weise der Beratung, das Einverständnis sämtlicher beteiligten Richter damit
und deren Mitwirkung an der Beratung hinreichend zum Ausdruck. Dem kann
der Beteiligte zu 2 nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass an der Nachberatung
entgegen § 192 GVG nicht alle zur Entscheidung berufenen Richter mitgewirkt
hätten und die Abstimmungsreihenfolge nach § 197 GVG verletzt worden sei.
Die Behauptung, einer der ehrenamtlichen Richter sei telefonisch erst einige
Tage nach der Telefonkonferenz erreicht worden, ist neuer Tatsachenvortrag,
welcher in der Rechtsbeschwerdeinstanz hier ausnahmsweise zulässig ist. Die
Feststellung in der Beschwerdeentscheidung, wonach der nachträglich einge-
gangene Schriftsatz vor der Beschlussfassung mit beiden ehrenamtlichen Rich-
tern beraten worden ist, ist nämlich für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bin-
dend im Sinne von § 1 Abs. 1 HöfeVfO, § 9 LwVG, § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG,
§ 559 ZPO, weil insoweit nicht das mündliche Parteivorbringen (§§ 314, 320
ZPO), sondern das bloße Prozessgeschehen betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom
10. März 1983 - VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030, 2032). Jedoch kommt dieser
35
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Feststellung die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde entsprechend § 418
ZPO zu (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 135/82, aaO). Diese Be-
weiskraft wird verstärkt durch den Aktenvermerk des Vorsitzenden des Be-
schwerdegerichts vom 4. September 2012, wonach der Schriftsatz an diesem
Tag
„im Rahmen einer Telefonkonferenz unter Beteiligung der Berufsrichter und
der ehrenamtlichen Richter nachberaten
“ worden ist. Die bloße Behauptung
eines abweichenden Geschehensablaufs - noch dazu ohne jede Glaubhaftma-
chung - vermag diese Beweiswirkung nicht zu erschüttern.
g) Ohne Erfolg macht der Beteiligte zu 2 geltend, nicht alle beteiligten
Richter, nämlich die ehrenamtlichen, hätten den nachträglich eingegangenen
Schriftsatz rechtzeitig vor der Entscheidungsfindung erhalten, damit sie dazu
Stellung nehmen oder gegebenenfalls Beratungsbedarf anmelden konnten.
Zum einen betrifft die Verfügung des Vorsitzenden des Beschwerdegerichts
vom 4. September 2012, nach welcher Ablichtungen des Schriftsatzes
„an übri-
ge Beteiligte
“ übersandt werden sollten, ersichtlich nicht die Übersendung an
die ehrenamtlichen Richter. Denn sie gehören nicht zu den Beteiligten. Zum
anderen ist es bei der Beratung im Wege der Telefonkonferenz über einen
nachgereichten Schriftsatz - anders als bei der Entscheidungsfindung im Um-
laufverfahren (siehe Senat, Urteil vom 20. April 2012 - LwZR 5/11, NJW-RR
2012, 879, 880 Rn. 11) - nicht notwendig, dass der Schriftsatz sämtlichen betei-
ligten Richtern vorher vorliegt. Denn insoweit ist die Situation nicht anders als
bei der Beratung im Beisein aller Richter, in welcher der Berichterstatter oder
der Vorsitzende des Kollegialgerichts den Inhalt eines solchen Schriftsatzes
vorträgt, ohne dass dieser den übrigen Richtern vorher zugegangen ist.
h) Schließlich rügt der Beteiligte zu 2 ebenfalls erfolglos, dass den eh-
renamtlichen Richtern kein geänderter Entscheidungsentwurf übermittelt wurde,
sie die endgültige Entscheidung also nicht billigen konnten. Beide Erfordernisse
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- Übersendung und Billigung eines Entscheidungsentwurfs - sind nur bei der
schriftlichen Beratung und Abstimmung über die Entscheidung im Wege des
Umlaufverfahrens notwendig (siehe Senat, Urteil vom 20. April 2012 - LwZR
5/11, aaO). Bei der Beratung und Beschlussfassung im Wege der Telefonkonfe-
renz erübrigt sich diese Vorgehensweise wegen der Möglichkeit der gleichzeiti-
gen verbalen Kommunikation zwischen sämtlichen Teilnehmern.
4. In der Sache hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts jedoch
keinen Bestand. Rechtsfehlerhaft verneint es die Hofeigenschaft und die Hofer-
benstellung des Beteiligten zu 2.
a) Das Beschwerdegericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass die
Hofeigenschaft auch bei fortbestehendem Hofvermerk entfallen kann, wenn
keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist (vgl. etwa Senat, Be-
schluss vom 26. Oktober 1999 - BLw 2/99, NJW-RR 2000, 292). Maßgeblich ist
insoweit, ob die landwirtschaftliche Betriebseinheit im Zeitpunkt des Erbfalls
bereits auf Dauer aufgelöst war (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 1999
- BLw 2/99, NJW-RR 2000, 292; Beschluss vom 28. April 1995 - BLw 73/94,
NJW-RR 1995, 1155, 1156; Beschluss vom 13. Mai 1982 - V BLw 20/81,
BGHZ 84, 78, 84; vgl. auch Senat, Beschluss vom 23. November 2012
- BLw 12/11, FamRZ 2013, 622 Rn. 35; OLG Hamm, RdL 2007, 97, 98; Lange/
Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 10. Aufl., § 1 Rn. 101; Faßbender in:
Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 115). Ob das der
Fall ist, ist weitgehend eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die von dem
Rechtsbeschwerdegericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Beschwer-
degericht sachlich-rechtlich den richtigen Ansatzpunkt gewählt und die notwen-
digen Tatsachen verfahrensfehlerfrei festgestellt hat (Senat, Beschluss vom
26. Oktober
1999
- BLw 2/99,
NJW-RR 2000,
292;
Beschluss
vom
28. April 1995 - BLw 73/94, NJW-RR 1995, 1155, 1156; Beschluss vom
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- 22 -
13. Mai 1982 - V BLw 20/81, BGHZ 84, 78, 84). In diesem Rahmen ist die Be-
schwerdeentscheidung jedoch zu beanstanden.
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kommt es bei der
Beurteilung, ob die landwirtschaftliche Betriebseinheit dauerhaft aufgelöst war,
nämlich nicht entscheidend darauf an, ob eine Wiederherstellung des landwirt-
schaftlichen Betriebs durch den potentiellen Hoferben hinreichend sicher zu
erwarten ist. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
16. Oktober 1984 (1 BvL 17/80, juris Rn. 45), auf welche sich das Beschwerde-
gericht stützt, gibt dafür nichts her. Denn an dieser Stelle gibt das Bundesver-
fassungsgericht nur die Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes wie-
der, die es in dem Verfahren eingeholt hatte. Die Hofeigenschaft ist vielmehr
von der Person des möglichen Hoferben unabhängig; entscheidend ist, ob der
Erblasser den Betrieb im Zeitpunkt des Erbfalls endgültig eingestellt hatte. Hier-
zu hat das Beschwerdegericht bisher keine ausreichenden, sondern wider-
sprüchliche Feststellungen getroffen. Zum einen meint es, es liege nicht nur
eine vorübergehende Betriebseinstellung mit der Möglichkeit einer jederzeitigen
Wiederaufnahme des landwirtschaftlichen Betriebs vor, sondern es sei ein end-
gültiger, dauerhafter Fortfall der landwirtschaftlichen Betriebseinheit anzuneh-
men (S. 10 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung). Zum anderen hält es in
dem nächsten Satz ein Wiederanspannen des Hofes für möglich.
c) Nur ein nach dem Willen des Erblassers lediglich vorübergehend ru-
hender (
„entspannter“) Betrieb kann wiederaufgenommen („wiederangespannt“)
werden, nicht hingegen ein bereits dauerhaft aufgelöster (Wöhrmann, Landwirt-
schaftserbrecht, 10. Aufl., § 1 HöfeO Rn. 142, 144; Steffen/Ernst, HöfeO,
3. Aufl., § 1 Rn. 41; zu dem Ausnahmefall des Rückgängigmachens der Hof-
aufgabe zu Lebzeiten des Erblassers vgl. Senat, Beschluss vom 28. September
2000 - BLw 13/00, juris Rn. 5; OLG Celle, RdL 2000, 193, 194; OLG Hamm,
40
41
- 23 -
AUR 2006, 243, 245; Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 1 HöfeO
Rn. 143; Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 47). Keinesfalls kann eine land-
wirtschaftliche Besitzung, die ihre Eigenschaft als Hof im Zeitpunkt des Erbfalls
bereits verloren hat, dennoch als Sondervermögen nach höferechtlichen
Grundsätzen vererbt werden (Senat, Beschluss vom 14. Mai 1987 - BLw 29/85,
FamRZ 1988, 497, 498; Beschluss vom 17. Oktober 2011 - BLw 7/11, juris
Rn. 13). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls
(wieder) ein potentieller Hoferbe zur Verfügung steht, der zur Wiederaufnahme
des Hofs bereit und in der Lage ist.
d) Hat der Erblasser hingegen in objektiv nachvollziehbarer Weise den
Betrieb lediglich vorübergehend eingestellt, wird der Hof auch dann nach Maß-
gabe der Vorschriften der Höfeordnung vererbt, wenn der Hoferbe den Betrieb
nicht
wieder
aufnehmen
will
(Faßbender
in:
Faßbender/Hötzel/
von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 115). In diesem Fall folgt aus der
Verfehlung des eigentlichen Zwecks der Sondererbfolge, nämlich der Erhaltung
landwirtschaftlicher Betriebe als Einheit, gegebenenfalls ein erhöhter Aus-
gleichsanspruch der weichenden Miterben (§ 13 HöfeO).
e) Ob ein möglicher Hoferbe im Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich willens
und in der Lage ist, den Betrieb wieder anzuspannen, ist eine Frage der - hier
nicht maßgeblichen - Wirtschaftsfähigkeit im Sinne des § 6 Abs. 6 HöfeO (Se-
nat, Beschluss vom 28. April 1995 - BLw 73/94, NJW-RR 1995, 1155, 1156).
Für die Beurteilung der Hofeigenschaft im Zeitpunkt des Erbfalls ist die Frage
nicht maßgeblich (Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 1 HöfeO
Rn. 143 f.; vgl. auch Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 46). Sie ist objektiv
zu beurteilen und kann nicht unterschiedlich nach der Person des möglichen
Hoferben bejaht oder verneint werden (Senat, Beschluss vom 28. April 1995
- BLw 73/94, NJW-RR 1995, 1155, 1156). Zwar kann sich der Umstand, dass
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43
- 24 -
ein zur Wiederanspannung des Betriebs bereiter Hoferbe zur Verfügung steht,
mittelbar auch auf die Hofeigenschaft auswirken - nämlich dann, wenn der Erb-
lasser noch zu Lebzeiten objektiv nachvollziehbar zu erkennen gegeben hat,
dass er ein Wiederanspannen des Betriebs gerade mit Blick auf diesen Hofer-
ben erwartet (vgl. auch Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 1
HöfeO Rn. 143; Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 47 zum Rückgängigma-
chen der Hofaufgabe zu Lebzeiten des Erblassers). Dann kann auch im Rah-
men der tatrichterlichen Prüfung, ob eine bloß vorübergehende Betriebseinstel-
lung vorlag, ob also der Erblasser in objektiv nachvollziehbarer Weise von einer
zukünftigen Wiederaufnahme ausging, berücksichtigt werden, ob das Vorhan-
densein eines geeigneten Hoferben diese Vorstellungen des Erblassers objektiv
stützte. Maßgeblich bleibt auch dann die Sicht des Erblassers, nicht aber - wie
von dem Beschwerdegericht angenommen - die Person des potentiellen Hofer-
ben.
f) Die Frage nach dem Bestehen und dem Wegfall der Betriebseinheit
lässt sich nicht isoliert aufgrund einer einzigen Tatsache beantworten. Erforder-
lich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Tatsachen
(Senat, Beschluss vom 28. April 1995 - BLw 73/94, NJW-RR 1995, 1155,
1156). Indizien können etwa der bauliche Zustand der Hofstelle, die über Jahr-
zehnte andauernde Stücklandverpachtung der Grundstücke, die lang andau-
ernde Bewirtschaftungsaufgabe durch den Erblasser und dessen Wille, den
ehemaligen Hof aufzuteilen, sein (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 1999
- BLw 2/99, NJW-RR 2000, 292 f.; Beschluss vom 28. April 1995 - BLw 73/94,
NJW-RR 1995, 1155, 1156; Beschluss vom 13. Mai 1982 - V BLw 20/81,
BGHZ 84, 78, 83 f.).
g) Ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist der Wille des Erblassers, dass von
seiner Hofstelle aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden kann oder soll
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- 25 -
(vgl. dazu Senat, Beschluss vom 28. September 2000 - BLw 13/00, juris Rn. 4
aE; Beschluss vom 22. November 1956 - V BLw 42/56, RdL 1957, 43, 44;
Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 1 HöfeO Rn. 143). Ein solcher
Wille wird gegebenenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Verhältnis-
se indiziert, zumal die auf eine Auflösung des Hofes hinweisenden Umstände
zumeist ohnehin auf den Willen des Hofeigentümers zurückgehen (Senat, Be-
schluss vom 29. März 2001 - BLw 20/00, RdL 2005, 180, 181; Beschluss vom
28. September 2000 - BLw 13/00, juris Rn. 4 aE; vgl. auch Senat, Beschluss
vom 28. April 1995 BLw 73/94, NJW-RR 1995, 1155, 1156; OLG Hamm,
RdL 2007, 97, 98). Allerdings kann der bloße Wille des Erblassers, seinen
Grundbesitz trotz Betriebseinstellung weiter als Hof zu behandeln und nach hö-
ferechtlichen Grundsätzen zu vererben, dann nicht entscheidend sein, wenn die
Voraussetzungen der Hofeigenschaft nach § 1 HöfeO objektiv entfallen sind,
wenn also im Zeitpunkt des Erbfalls bei realistischer Betrachtungsweise keine
Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Betrieb in Zukunft wieder aufge-
nommen werden könnte (OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 1274, 1276;
OLG Celle, RdL 2012, 50, 52 [die Rechtsbeschwerde gegen diese Entschei-
dung hat der Senat als unzulässig verworfen: Beschluss vom 17. Oktober 2011
- BLw 7/11,
juris];
Wöhrmann,
Landwirtschaftserbrecht,
3. Aufl.,
§ 1
HöfeO Rn. 143; Steffen/Ernst, HöfeO, 3. Aufl., § 1 Rn. 47; vgl. auch
BVerfGE 67, 348, 368 f.).
5. Nach alledem hat die Beschwerdeentscheidung keinen Bestand. Sie
ist aufzuheben (§ 1 Abs. 1 HöfeVfO, § 9 LwVG, § 74 Abs. 5 FamFG). Die Sa-
che ist zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerde-
gericht zurück zu verweisen, damit es die Frage, ob die Betriebseinheit im Zeit-
punkt des Erbfalls dauerhaft aufgelöst war, anhand der vorstehend aufgezeig-
ten rechtlichen Grundsätze erneut prüfen kann.
46
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V.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 19 Buchst. a, § 20
Buchst. b HöfeVfO.
Stresemann
Lemke
Czub
Vorinstanzen:
AG Vechta, Entscheidung vom 16.09.2011 - 2 Lw 85/11 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 04.09.2012 - 10 W 22/11 -
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