Urteil des BGH vom 22.11.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 168/00
Verkündet am:
22. November 2001
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 14 Nr. 1
Der Auftraggeber kann nicht pauschal den Einwand mangelnder Prüfbarkeit der
Schlußrechnung erheben, wenn sein Planungsbüro die Schlußrechnung des Auf-
tragnehmers über erbrachte Leistungen geprüft und als prüfbar bezeichnet.
BGH, Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 168/00 - OLG Jena
LG Erfurt
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 15. März 2000 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von
217.938,84 DM und Zinsen abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsver-
fahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht noch Restwerklohn für erbrachte Leistungen geltend.
Die Beklagte schrieb 1997 den Komplettabriß einer Industrieanlage auf
der Grundlage der Ausschreibung ihrer Streithelferin, einem Planungsbüro,
aus. Die Streithelferin hatte ein umfangreiches Leistungsverzeichnis erstellt.
Die Klägerin füllte es aus und gab ein Angebot ab. Die Parteien schlossen als-
dann einen Pauschalpreisvertrag mit einer vorläufigen Vertragssumme von
964.911,93 DM; die VOB/B war vereinbart. Dieser Preis entsprach bis auf we-
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nige Pfennige dem von der Klägerin nach Einheitspreisen kalkulierten Angebot.
Nach Beginn der Bauarbeiten kam es zu Differenzen zwischen den Parteien,
so daß die Beklagte den Vertrag fristlos kündigte. Die Klägerin erteilte am
19. Mai 1998 Schlußrechnung über erbrachte und nicht erbrachte Leistungen.
Die Klägerin hat zunächst 681.369,14 DM geltend gemacht. Landgericht
und Berufungsgericht haben eine Kündigung aus wichtigem Grund bejaht. Sie
haben daher einen Anspruch der Klägerin für nicht erbrachte Leistungen ver-
neint und den verbleibenden Teil der Klage bezüglich erbrachter Leistungen in
Höhe von 217.938,84 DM wegen nicht prüfbarer Schlußrechnung als derzeit
unbegründet abgewiesen. Gegen letzteres richtet sich die Revision der Kläge-
rin.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhe-
bung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-
fungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält die Schlußrechnung über die erbrachten Lei-
stungen der Klägerin für nicht prüfbar. Einige Titel seien zwar anhand des nach
Einheitspreisen kalkulierten Angebots der Klägerin nachvollziehbar. Jedoch
werde bei den nicht vollständig ausgeführten Titeln jeweils nur ein bestimmter
Prozentsatz als erbracht angegeben; es werde nicht mitgeteilt, welche Arbeiten
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im einzelnen erbracht und welche nicht ausgeführt worden seien. Der Klägerin
seien Angaben zum Umfang ihrer ausgeführten Leistungen möglich gewesen,
da das Leistungsverzeichnis eine ausführliche Beschreibung enthalten habe.
Die Klägerin hätte die Grundlagen für die Ermittlung der Prozentsätze anhand
von Aufmaßblättern offenlegen müssen.
Daß sich die Beklagte mit der Schlußrechnung auseinandergesetzt ha-
be, ändere daran nichts. Sie habe nämlich gerügt, daß die Bewertung des
Bautenstandes nach Prozentangaben zur mangelnden Prüfbarkeit führe. Wenn
die Beklagte darüber hinaus bestreite, daß die Klägerin die von ihr der Schluß-
rechnung zugrunde gelegten Arbeiten überhaupt erbracht habe, so folge dar-
aus nicht die Prüfbarkeit der Schlußrechnung.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Prüfbarkeit der Schlußrechnung eines Auftragnehmers ist kein
Selbstzweck. Die Anforderungen an die Prüfbarkeit ergeben sich vielmehr aus
den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmen
und begrenzen Umfang und Differenzierung der für die Prüfung erforderlichen
Angaben der Schlußrechnung. In welchem Umfang die Schlußrechnung aufge-
schlüsselt werden muß, damit der Auftraggeber in der Lage ist, sie in der ge-
botenen Weise zu überprüfen, ist eine Frage des Einzelfalls, die abgesehen
von den Besonderheiten der Vertragsgestaltung und der Vertragsdurchführung
auch von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Auftraggebers und seiner
Hilfspersonen abhängt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 99/99,
BauR 2001, 251 = ZfBR 2001, 102).
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Auf dieser Grundlage ist die Schlußrechnung der Klägerin vom 19. Mai
1998 prüfbar. Die mit der Prüfung beauftragte Streithelferin der Beklagten hat
vorgetragen, jedenfalls der Bereich der angeblich von der Klägerin bis zur
Kündigung erbrachten Leistungen habe, wenn auch mit Schwierigkeiten, ge-
prüft werden können; diesen Sachvortrag hat sich die Beklagte ausdrücklich zu
eigen gemacht. Die Streithelferin der Beklagten hat ergänzend auf einen vor-
angegangenen Schriftsatz der Beklagten Bezug genommen, in dem die Be-
klagte zu fast jeder der in der Schlußrechnung aufgeführten Positionen sach-
lich Stellung genommen hatte. Bei keiner der dort geprüften Positionen hat sie
gerügt, aufgrund der Prozentangaben der Klägerin sei eine Prüfbarkeit ausge-
schlossen.
Der lediglich in allgemeiner Form erhobene Einwand der Beklagten zur
mangelnden Prüfbarkeit ist unbeachtlich.
Ullmann Haß Haus-
mann
Kuffer Kniffka