Urteil des BGH vom 07.08.2007

BGH (beihilfe, strafkammer, menge, stgb, transport, aufhebung, rauschgift, annahme, bar, flughafen)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 326/07
vom
7. August 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. August 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Kleve vom 26. April 2007 aufgehoben; jedoch bleiben die
Feststellungen insgesamt aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Einzelstrafe von
fünf Jahren verurteilt und unter Einbeziehung des "Urteils" der Strafkammer
vom 7. Juli 2006 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Mona-
ten gebildet.
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1. Der Strafausspruch ist - wie die auf die Sachrüge gestützte Revision
des Angeklagten zutreffend beanstandet - fehlerhaft. Die Strafkammer hat die
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Einzelstrafe dem Strafrahmen des § 29 a BtMG von einem bis fünfzehn Jahren
Freiheitsstrafe entnommen und bei der Strafrahmenwahl die zwingende Milde-
rung wegen Beihilfe gemäß §§ 27, 49 Abs. 1 StGB übersehen. Soweit das
Landgericht bei der Ablehnung eines minder schweren Falles den Umstand
berücksichtigt hat, dass der Angeklagte lediglich in weisungsabhängiger Form
tätig war, was die Tat in einem milderen Licht erscheinen lasse, wird dies der
Bedeutung nicht gerecht, die nach der Rechtsprechung dem Vorliegen vertyp-
ter Milderungsgründe für die Prüfung zukommt, ob es sich um einen minder
schweren Fall handelt. Wenn das Landgericht - was unter den gegebenen Um-
ständen freilich nahe gelegen hätte - die Annahme eines minder schweren Fal-
les auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes abgelehnt
hätte, wäre es verpflichtet gewesen, den Strafrahmen des Grundtatbestandes
gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern (so wie es dies in dem Verfahren gehand-
habt hatte, dessen Strafe es einbezogen hat).
2. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Um dem neuen Tat-
richter die Möglichkeit zu geben, bei seiner Strafzumessung von einem zutref-
fenden Schuldspruch auszugehen, hat der Senat - auf die unbeschränkt einge-
legte Revision - auch diesen mit aufgehoben, obgleich er nur einen Rechtsfeh-
ler zugunsten des Angeklagten aufweist.
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a) Die Annahme, dass der Angeklagte nur Beihilfe zum Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet hat, beruht auf einer
unzureichenden rechtlichen Würdigung. Die Erwägung, der Angeklagte habe
"lediglich die Anwerbung der Zeugin W. als Drogenkurierin für andere
übernommen" (UA S. 7), steht in Widerspruch mit der Feststellung auf UA S. 5,
wonach er ihr den Vorschlag unterbreitet habe, "für ihn" eine größere Menge
Rauschgift von Caracas nach Europa zu transportieren. Sie lässt zudem die
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weiteren festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten außer Betracht. Er hat den
Transport organisiert, ihr insbesondere Hotels und den Kontaktmann in Cara-
cas benannt, die Flugtickets für Hin- und Rückflug in seinem Reisebüro besorgt
und bar bezahlt, mit ihr während der Reise telefonisch Kontakt gehalten und ist
schließlich nach Madrid geflogen, um sie dort vereinbarungsgemäß am Flugha-
fen abzuholen und das Rauschgift zu übernehmen.
b) Auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf
die Entscheidung, ob die Tätigkeit eines an einem Rauschgiftumsatz beteiligten
Angeklagten als Beihilfe oder (Mit-)Täterschaft beim Handeltreiben zu bewer-
ten ist, nicht allein davon abhängig gemacht werden, ob er unmittelbar am Er-
werb oder Absatz der Betäubungsmittel beteiligt ist. Vielmehr ist der jeweils
konkrete Tatbeitrag insgesamt im Hinblick auf seine Bedeutung für das Ge-
samtgeschäft zu betrachten (vgl. BGH NStZ 2007, 288; zur Veröffentlichung in
BGHSt vorgesehen).
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c) Diesen Maßstäben wird die rechtliche Würdigung der Strafkammer
nicht gerecht. Hierbei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte
nicht nur die Anwerbung der Kurierin übernommen hatte, sondern den Trans-
port von Caracas nach Madrid als Kurierbetreuer maßgeblich gestaltete und
zudem die Drogen in Madrid zu übernehmen und für ihre Weiterbeförderung zu
sorgen hatte, was bereits erheblich gegen eine bloß untergeordnete Beteili-
gung spricht. In die Erörterung wäre auch einzubeziehen gewesen, dass so-
wohl die Vorverurteilung als auch die auffälligen Reise- und Geldbewegungen
gegen eine einmalige Verwicklung und für eine weitergehende Einbindung des
Angeklagten in eine Drogenschmuggelorganisation sprechen. Dies erfordert
eine neue tatrichterliche Bewertung.
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d) Da die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, bleiben
sie insgesamt aufrechterhalten. Dies hindert den neuen Tatrichter nicht, dar-
über hinausgehende Feststellungen insbesondere zur Straffrage zu treffen, die
allerdings mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen.
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Für die Gesamtstrafenbildung weist der Senat darauf hin, dass bei An-
wendung des § 55 StGB (anders als bei § 31 Abs. 2 JGG) nicht die früheren
Urteile, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden Strafen einzubeziehen sind
(allgemeine Praxis und st. Rspr.; vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 55
Rdn. 15).
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Tolksdorf Miebach Winkler
Pfister Hubert