Urteil des BGH vom 10.11.2010

BGH (einstellung des verfahrens, stgb, stpo, umfang, zustand, verkehr, aufhebung, trunkenheit, last, alkohol)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 386/10
vom
10. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Vollrausches u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 10. November 2010 gemäß § 154
Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten
im Fall C II. der Urteilsgründe ein vorsätzlicher Voll-
rausch zur Last gelegt worden ist. Insoweit trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwen-
digen Auslagen des Angeklagten.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hagen vom 9. April 2010
a) im
Schuldspruch
dahin geändert, dass der Ange-
klagte des vorsätzlichen Vollrausches in drei Fällen
und der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr
schuldig ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die verbleiben-
den Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches
in vier Fällen und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu der Gesamt-
freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von drei
Monaten verhängt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis
von zwei Jahren angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner
auf zwei Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützten Revision.
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Soweit dem Angeklagten im Fall C II. der Urteilsgründe ein vorsätzlicher
Vollrausch zur Last gelegt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag
des Generalbundesanwalts aus verfahrensökonomischen Gründen nach § 154
Abs. 2 StPO ein, weil die Urteilsgründe einen Rausch des Angeklagten im Sin-
ne des § 323a Abs. 1 StGB nicht belegen. Der Anwendbarkeit des § 323a StGB
steht zwar nicht entgegen, dass der Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit
nicht allein durch den Alkohol, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Ur-
sachen herbeigeführt worden ist. Der objektive Tatbestand des § 323a Abs. 1
StGB setzt jedoch voraus, dass der Zustand des Täters seinem ganzen Er-
scheinungsbild nach als durch den Genuss von Rauschmitteln hervorgerufen
anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 StR 155/76, BGHSt 26,
363, 364 ff.; Beschluss vom 18. August 1983 - 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 53;
Urteil vom 26. Juni 1997 – 4 StR 153/97, NJW 1997, 3101, 3102; Beschluss
vom 9. Juli 2002 - 3 StR 207/02, BGHR StGB § 323a Abs. 1 Rausch 4; SSW-
StGB/Schöch § 323a Rn. 10; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 323a Rn. 13). Einen
solchen alkoholbedingten Rauschzustand des Angeklagten hat der Tatrichter,
der im Rahmen der Beweiswürdigung vom Konsum von drei bis vier Flaschen
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Bier und einer leichten Alkoholisierung des Angeklagten ausgegangen ist, nicht
dargetan.
In dem nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Umfang hat die
Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2
StPO).
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Die Einstellung des Verfahrens im Fall C II. der Urteilsgründe führt zum
Wegfall der Einzelstrafe von einem Jahr und zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Der Maßregelausspruch wird hiervon nicht berührt und kann bestehen bleiben.
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Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender