Urteil des BGH vom 11.03.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZR 261/12
vom
11. März 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GKG § 45
§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG findet keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage
lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich
rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden,
sondern unterschiedliche Vermögenspositionen (hier: voneinander abgrenzbare Teile
der Gesamtvergütung des Leasinggebers aus dem Leasingverhältnis) betreffen.
BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VIII ZR 261/12 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2014 durch die
Richterin Dr. Milger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Hessel und die Richter
Dr. Achilles, Dr. Bünger und Kosziol
beschlossen:
Auf die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klä-
gers wird die im Senatsbeschluss vom 21. Januar 2014 getroffene
Wertfestsetzung dahin abgeändert, dass der Streitwert für das
Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde 125.713,98
€ beträgt.
Gründe:
I.
Der Kläger, der mit der Beklagten einen in seinem (Fort-)Bestand streiti-
gen Leasingvertrag geschlossen hatte, ist erstinstanzlich mit seiner auf Mängel
des Leasinggegenstandes gestützten Klage auf Rückzahlung geleisteter Lea-
singraten
in Höhe von 27.058,70 € abgewiesen worden; zugleich hat das Land-
gericht einer von der Beklagten erhobenen Widerklage in Höhe von insgesamt
98.655,28 € stattgegeben, die auf Zahlung rückständiger Leasingraten ab Zah-
lungseinstellung des Klägers sowie auf Schadensersatz hinsichtlich der nach
Kündigung des Leasingvertrages wegen dieser Zahlungseinstellung noch aus-
stehenden abgezinsten Leasingraten für die Restlaufzeit des Leasingvertrages
gerichtet war. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt.
Der Senat hat durch Beschluss vom 21. Januar 2014 die Nichtzulas-
sungsbeschwerde zurückgewiesen und den Streitwert für das Beschwerdever-
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in Anwendung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 98.655,28 € festgesetzt.
Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit ihrer Ge-
genvorstellung, mit der sie für die Streitwertfestsetzung auch die Klageforde-
rung berücksichtigt wissen wollen.
II.
Die zulässige Gegenvorstellung hat Erfolg.
Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG sind die in einer Klage und in einer Wi-
derklage geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich zusammenzurechnen.
Allerdings ist nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren An-
spruchs maßgebend, wenn die einander gegenüberstehenden Ansprüche den-
selben Gegenstand betreffen. Letzteres ist unabhängig vom zivilprozessualen
Streitgegenstand bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage der
Fall. Diese Identität ist dann gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Wi-
derklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden statt-
gegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag not-
wendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (BGH, Be-
schlüsse vom 6. Oktober 2004 - IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 unter III 1;
vom 28. September 2011 - IV ZR 146/10, ZEV 2011, 656 Rn. 4).
Das ist hier an sich zwar der Fall. Denn der auf einen Wegfall der Ge-
schäftsgrundlage des Leasingvertrages gestützte Anspruch des Klägers auf
Rückerstattung der gezahlten Leasingraten schließt die für die anschließende
Vertragslaufzeit widerklagend geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rück-
ständiger Leasingraten und auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung hinsicht-
lich der nach verzugsbedingter Kündigung des Leasingvertrages noch ausste-
henden Leasingraten grundsätzlich aus, da rechtliche Voraussetzung dieser
Ansprüche ein Fortbestand des Leasingvertrages ist. Der genannte Identitäts-
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grundsatz greift jedoch dann nicht ein, wenn mit Klage und Widerklage lediglich
Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich
rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschnei-
den, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Dementspre-
chend gehen die Instanzrechtsprechung und das Schrifttum zutreffend vom Er-
fordernis einer Werteaddition nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG in
Fällen aus, in denen der Kläger aus einem streitigen Rechtsverhältnis einen
über geleistete Zahlungen hinausgehenden Rest- oder Mehrbetrag bean-
sprucht, während der Beklagte widerklagend die geleisteten Zahlungen als nicht
geschuldet zurückverlangt, da hierbei wirtschaftlich die aus dem Rechtsverhält-
nis geschuldete Gesamtvergütung den Gegenstand des Streits der Parteien
bildet (OLG Düsseldorf, NJW 2009, 1515; OLG Saarbrücken, OLGR 2009, 424;
Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl., § 45 GKG
Rn. 5 f.; Schindler in BeckOK GKG, Stand Januar 2014, § 45 Rn. 15;
Schumann, NJW 1982, 2800, 2802; jeweils mwN).
So verhält es sich auch hier. Denn wirtschaftlich ist der Kläger durch die
angegriffene Verurteilung nicht nur verpflichtet worden, der Beklagten die über
die geleisteten Leasingraten hinausgehende weitere Vergütung für die Rest-
laufzeit des Leasingvertrages beziehungsweise den für einen späteren Zeit-
raum an die Stelle der Vergütung tretenden Schadensersatz wegen Nichterfül-
lung zu zahlen. Ihm ist zugleich der von ihm erhobene Anspruch auf Rückzah-
lung der zuvor erbrachten Leasingraten aberkannt worden, so dass die Parteien
letztlich auch wirtschaftlich um die Summe der mit Klage und Widerklage ver-
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langten Beträge, nämlich um die vom Kläger nach dem Leasingvertrag zu zah-
lende Gesamtvergütung, gestritten haben.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 09.01.2012 - 3-15 O 61/11 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 27.06.2012 - 17 U 13/12 -