Urteil des BGH vom 01.02.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 37/07 Verkündet
am:
25. September 2008
Heinzelmann,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 328 a.F.
Verpflichtet sich der vom Veräußerer einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung
mit der Bauleitung beauftragte Architekt diesem gegenüber zur Erstellung von Bau-
tenstandsberichten, die Grundlage für die von den Erwerbern bei der finanzierenden
Bank zu beantragende ratenweise Auszahlung des Erwerbspreises sein sollen,
kommt dem Vertrag drittschützende Wirkung zugunsten der Erwerber zu.
BGH, Urteil vom 25. September 2008 - VII ZR 37/07 - OLG Schleswig
LG
Itzehoe
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die
Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und den
Richter Halfmeier
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom
1. Februar 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf
die Berufung des Beklagten zu 2 die Klage abgewiesen worden
ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger nehmen den Beklagten zu 2, einen Architekten, wegen un-
richtiger Bautenstandsberichte auf Schadensersatz in Anspruch.
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Der am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Beklagte zu 1 war Ei-
gentümer eines eingeschossigen Zweifamilienhauses. 1995 erwirkte er auf der
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Grundlage der von dem Beklagten zu 2 gefertigten Pläne eine Baugenehmi-
gung für den Ausbau von zwei Dachgeschosswohnungen. Im gleichen Jahr
wurde auch der Anbau zweier Balkone baurechtlich genehmigt.
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Unter Bezugnahme auf die Baugenehmigung begründete der Beklagte
zu 1 Wohnungseigentum mit drei Miteigentumsanteilen.
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Die Kläger erwarben im Oktober 1996 von dem Beklagten zu 1 die im
Dachgeschoß noch zu errichtende Wohnung Nr. 2. Der Erwerbspreis war in fünf
Raten nach einem Zahlungsplan zu entrichten. Die für die Raten 2 bis 5 erfor-
derlichen Bautenstandsberichte waren im Auftrag des Beklagten zu 1 von dem
Beklagten zu 2, dem die Leistungen nach den Leistungsphasen 6 bis 8 des
§ 15 HOAI übertragen worden waren, zu erstellen. Mit einem zur Vorlage bei
der den Erwerbspreis finanzierenden Bank bestimmten Schreiben vom
8. Januar 1997 erklärte der Beklagte zu 2 verbindlich, der verantwortliche Bau-
leiter des Bauvorhabens zu sein und die von der Bank genehmigten und mit
Prüfvermerk versehenen Baupläne einschließlich der dazugehörigen Baube-
schreibung zu kennen. Er bestätigte, dass das Bauvorhaben nach diesen Plä-
nen errichtet werden solle. Außerdem gab er an, nach Baubeginn, Rohbaufer-
tigstellung und Bezug/Fertigstellung unter Beachtung der ihm überlassenen Un-
terlagen eine dem jeweiligen Bautenstand entsprechende Bestätigung ab-
zugeben.
Der Beklagte zu 2 hat vier Bautenstandsberichte gefertigt. Die Kläger
haben die letzte Rate, die aufgrund des fünften Bautenstandsberichts zu zahlen
gewesen wäre, nicht bezahlt. Die tatsächliche Bauausführung entspricht nicht
der im Erwerbsvertrag in Bezug genommenen Baugenehmigung. Außerdem
weisen sowohl das Sondereigentum als auch das Gemeinschaftseigentum teils
erhebliche Mängel auf.
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Die Kläger haben den Beklagten zu 1 mit Erfolg wegen Mängeln des Ob-
jekts auf großen Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Urteil ist inzwi-
schen rechtskräftig.
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Den Beklagten zu 2 haben die Kläger als Gesamtschuldner neben dem
Beklagten zu 1 auf Schadensersatz in Höhe von 159.593,75 € zuzüglich Zinsen
verklagt. Sie machen geltend, die Angaben des Beklagten zu 2 in den Bauten-
standsberichten 2 bis 4 seien unzutreffend gewesen. Der bescheinigte Bauten-
stand und damit verbunden der bescheinigte Bauwert sei jeweils nicht erreicht
gewesen. Die Auszahlung der Raten 2 bis 4 wäre nicht erfolgt, wenn ihnen und
den finanzierenden Kreditinstituten dies bekannt gewesen wäre. Weder sie
noch die finanzierenden Banken hätten Zahlungen für ein Bauvorhaben geleis-
tet, das nicht den genehmigten Bauplänen entsprochen habe.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 2 verurteilt, als Gesamtschuldner
mit dem Beklagten zu 1 an die Kläger zur gesamten Hand 90.738,61 € nebst
Zinsen zu zahlen. Es hat dem Architektenvertrag im Hinblick auf die zu erstel-
lenden Bautenstandsberichte drittschützende Wirkung zugesprochen. Das Be-
rufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten zu 2 die gegen ihn gerichtete
Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die
Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit der Beru-
fung des Beklagten zu 2 stattgegeben wurde und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.
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Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind die bis 31. Dezember 2001
geltenden Rechtsvorschriften anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
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I.
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Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das von den Klägern erwor-
bene Sondereigentum und insbesondere das Gemeinschaftseigentum viele,
teils auch schwerwiegende Mängel aufweist und die Kläger deshalb von dem
Beklagten zu 1 vollständige Rückabwicklung des Erwerbsvertrags und weiter-
gehenden Schadensersatz verlangen können. Es hat des Weiteren festgestellt,
dass die Bauausführung von der vertraglich in Bezug genommenen Bauge-
nehmigung abweicht. Einen Mangel der Werkleistung hat es daraus im Hinblick
auf die von ihm angenommene nachträgliche Genehmigung durch die Baube-
hörde nicht abgeleitet.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Klägern stehe gegen den
Beklagten zu 2 selbst dann kein Schadensersatzanspruch zu, wenn dieser den
mangelhaften Zustand des Bauvorhabens hätte erkennen können und müssen
und mithin die von ihm dem Beklagten zu 1 erteilten und von diesem mit Wis-
sen des Beklagten zu 2 an die finanzierenden Kreditinstitute weitergeleiteten
Bautenstandsberichte falsch gewesen seien. Selbst wenn man einem "schlich-
ten" Architektenvertrag potentiell drittschützende Wirkung zusprechen wollte,
fehle es für einen Schadensersatzanspruch der Kläger im konkreten Fall an
zwei zentralen Voraussetzungen. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte zu
1 ein besonderes Interesse gehabt habe, die Kläger in den Schutzbereich des
Architektenvertrags einzubeziehen. Außerdem fehle es an dem erforderlichen
Schutzbedürfnis, da die Kläger gegen den Beklagten zu 1 einen inhaltsgleichen
vertraglichen Anspruch hätten.
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Für einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB fehle es in Bezug
auf die Kläger an einer Schädigungsabsicht des Beklagten zu 2. Dieser habe
allenfalls die Banken, für die die Bautenstandsberichte bestimmt gewesen sei-
en, schädigen wollen; ein Schaden der Kläger sei allenfalls ein Reflex.
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II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Klägern einen Scha-
densersatzanspruch auf der Grundlage eines Vertrags mit Schutzwirkung für
Dritte abgesprochen hat, ist nicht tragfähig.
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1. Die Kläger waren in den Schutzbereich des zwischen den Beklagten
geschlossenen Architektenvertrags einbezogen.
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a) Der Beklagte zu 2 war von dem Beklagten zu 1 mit der Erstellung der
Bautenstandsberichte beauftragt. Er gab die Bautenstandsberichte nicht nur
gegenüber dem Beklagten zu 1 ab, sondern bescheinigte den Bautenstand je-
weils auf einem von ihm und dem Darlehensnehmer zu unterzeichnenden
"Auszahlungsauftrag für ein Grundschulddarlehen". Ihm war dementsprechend
bekannt, dass seine Bautenstandsberichte vor allem im Verhältnis zu Dritten,
nämlich zu der finanzierenden Bank und zu den die jeweiligen Auszahlungsauf-
träge als Darlehensnehmer erteilenden Klägern, von Bedeutung waren. Die Klä-
ger sind damit unmittelbar mit den von dem Beklagten zu 2 zu erbringenden
Leistungen in Berührung gekommen.
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b) Eines besonderen Interesses des Beklagten zu 1, die Kläger in den
Schutzbereich des Architektenvertrags einzubeziehen, bedurfte es nicht. Der
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Beklagte zu 2 war als bauleitender Architekt tätig und hat sich als solcher der
finanzierenden Bank gegenüber ausgewiesen. Seinen Bautenstandsberichten
kam daher eine besondere Beweiskraft zu. Sie waren in hohem Maße geeignet,
Vertrauen in die Richtigkeit der ausgewiesenen Bautenstände zu erwecken. Bei
dieser Sachlage steht die zu vermutende Gegenläufigkeit der Interessen des
Beklagten zu 1 und der Kläger deren Einbeziehung in den Schutzbereich des
Architektenvertrags nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - III ZR
368/03, BGH NJW-RR 2004, 1356; Urteil vom 7. Februar 2002 - III ZR 1/01,
BauR 2002, 814 = NZBau 2002, 229 = ZfBR 2002, 485; Urteil vom 2. April 1998
- III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 261; Urteil vom 10. November 1994 - III ZR
50/94, BGHZ 127, 378, 380).
2. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger scheitert auch nicht daran,
dass ihnen - wie das Berufungsgericht annimmt - ein gleichgerichteter Scha-
densersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1 zusteht. Der von den Parteien
vereinbarte Zahlungsplan orientiert sich an der Makler- und Bauträgerverord-
nung. Die Bautenstandsberichte 2 bis 5 dienten dem Zweck, dem Beklagten zu
1 nur Zahlungen zukommen zu lassen, die dem Wert des vertragsgemäß zu
erstellenden Bauvorhabens entsprachen und damit der Absicherung der Kläger
im Hinblick auf eine eventuell unzureichende Leistungserbringung durch den
Beklagten zu 1. In einem solchen Fall, in dem die Tätigkeit des Architekten ge-
rade dazu dient, die Kläger vor Überzahlung und damit letzten Endes vor einem
Verlust dieser Zahlung bei Zahlungsunfähigkeit ihres Vertragspartners zu
schützen, entfällt ihre Schutzwürdigkeit nicht deshalb, weil sie Schadensersatz-
ansprüche gegen den Beklagten zu 1 besitzen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai
2004 - III ZR 368/03, aaO; Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 220/03, BauR
2005, 1052, 1054 = NZBau 2005, 397 = ZfBR 2005, 460).
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3. Ein Schadensersatzanspruch kann den Klägern auch nicht deshalb
abgesprochen werden, weil - so die Ausführungen des Berufungsgerichts zu
§ 826 BGB - nicht ihnen, sondern nur der finanzierenden Bank ein Schaden
entstanden sei. Der Schaden ist den Klägern entstanden, weil sie die Bank zur
Auszahlung der jeweiligen Raten veranlasst haben und zur Zurückzahlung die-
ser Beträge aufgrund des mit der Bank geschlossenen Darlehensvertrags ver-
pflichtet sind.
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III.
Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen
haben, ob und inwieweit die jeweiligen Bautenstandsberichte fehlerhaft waren
und diese Fehlerhaftigkeit für die Auszahlung der Beträge nach dem Zahlungs-
plan kausal geworden ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Bauten-
standsberichte bereits dann objektiv fehlerhaft gewesen sein dürften, wenn
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nicht auf eine von der Baugenehmigung und der vertraglich vereinbarten Aus-
führung abweichende Bauausführung hingewiesen wurde. Denn der Beklagte
zu 2 hat gegenüber der Bank bestätigt, dass das Bauvorhaben nach den von
dieser genehmigten und mit Prüfvermerk versehenen Bauplänen errichtet wer-
den sollte. Auf die Frage, ob die geänderte Bauausführung zu einem späteren
Zeitpunkt baurechtlich genehmigt wurde, kommt es in diesem Zusammenhang
nicht an.
Dressler Kuffer Kniffka
Safari Chabestari Halfmeier
Vorinstanzen:
LG Itzehoe, Entscheidung vom 15.05.2003 - 3 O 18/01 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 01.02.2007 - 7 U 65/03 -