Urteil des BGH vom 10.08.2000

BGH (stgb, erwägung, belohnung, gewalt, verhalten, tochter, opfer, erfüllung, strafzumessung, verbindung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 343/00
vom
10. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. August 2000 beschlos-
sen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 9. Mai 2000 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-
gen.
Gründe:
Die Jugendschutzkammer hat den Angeklagten wegen sexuellen Miß-
brauchs von Schutzbefohlenen in 37 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit
mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der Ange-
klagte hat in sämtlichen Fällen massive sexuelle Handlungen an seiner zur Zeit
der Taten 14 und 15 Jahre alten Tochter vorgenommen; überwiegend ließ die-
se das Verhalten des Angeklagten widerstandslos über sich ergehen; in den
Fällen, in denen sie sich sträubte, setzte sich der Angeklagte gewaltsam hier-
über hinweg. Nach jeder Tat erhielt die Geschädigte Geld zur "Belohnung",
deren Höhe sich im Einzelfall auf bis zu 150,- DM belief. Durch das Verhalten
des Angeklagten hat die Geschädigte "jegliches Selbstwertgefühl" verloren.
Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Ausführung
bedarf nur folgendes:
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Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe die Geschädigte
gleichsam zum "Sexualobjekt degradiert", hält hier rechtlicher Überprüfung
stand:
a) Bei Straftaten, die ausschließlich gegen die sexuelle Selbstbestim-
mung gerichtet sind, kann allerdings allein der Umstand, daß der Täter den
Willen des Opfers durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt gebrochen und er es
dadurch zum Sexualobjekt degradiert hat, nicht strafschärfend berücksichtigt
werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vergewaltigung 1; BGH, Beschluß vom
3. März 1993 - 2 StR 24/93; BGH, Beschluß vom 30. März 2000 - 4 StR 80/00);
die sexuellen Handlungen wären nämlich strafrechtlich bedeutungslos, wenn
sie einvernehmlich erfolgt wären.
b) Hier liegen jedoch in allen Fällen (überwiegend ausschließlich) De-
likte gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Diese Bestimmung soll, unabhängig
von den Umständen des Einzelfalls, die Entwicklung des Opfers von sexuellen
Handlungen seiner Eltern oder eines Elternteils freihalten (vgl. BGHR StGB
§ 174 Abs. 1 Strafzumessung 2). Hier steht der strafschärfenden Erwägung,
der Täter habe über die Erfüllung des Tatbestandes hinaus das Opfer zum Se-
xualobjekt herabgewürdigt, nichts entgegen, soweit sie von den Feststellungen
getragen wird.
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c) Dies ist hier der Fall. Durch die ständige Verbindung zwischen der
Duldung von sexuellen Handlungen und einer finanziellen Belohnung hat der
Angeklagte seiner Tochter das Gefühl ihrer Käuflichkeit vermittelt und sie da-
durch zusätzlich herabgewürdigt.
RiBGH Dr. Boetticher hat
Urlaub und kann deshalb
nicht unterschreiben.
Nack Wahl Nack
Schluckebier Pfister