Urteil des BGH vom 13.12.2000

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, stgb, strafkammer, antrag, strafzumessung, schuld, waffe, beweisantrag, grund, nachteil)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 57/01
vom
15. März 2001
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbun-
desanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. März 2001 ge-
mäß §§ 44, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbrin-
gung von Verfahrensrügen wird auf seine Kosten als unzu-
lässig verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Stade vom 14. September 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit unerlaubter Ausübung der
tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe und mit
dem Führen derselben zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
1. Wie der Generalbundesanwalt näher dargelegt hat, ist das Wieder-
einsetzungsgesuch unzulässig, da infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge
die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt worden war und eine von der
Rechtsprechung anerkannte Ausnahmesituation zur Gewährung von Wieder-
einsetzung zur Ergänzung der bisherigen Revisionsbegründung nicht gegeben
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ist (st. Rspr., vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7). Im üb-
rigen weist der Senat daraufhin, daß die sachlichrechtlichen Ausführungen in
dem nachgereichten Schriftsatz vom 13. Dezember 2000 unbeschadet des
Fristablaufs vom Senat berücksichtigt werden konnten und mußten und daß die
beiden - verspäteten - Verfahrensrügen den Bestand des Urteils aus den
nachfolgend genannten Gründen ohnehin nicht hätten gefährden können.
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Die Strafkammer hat einen bedingten Tötungsvorsatz, der sich bei
den festgestellten Tatumständen und den vorausgegangenen Drohungen des
Angeklagten regelrecht aufgedrängt hatte, ohne Rechtsfehler bejaht. Daß sie
im Schuld- und Strafausspruch nicht berücksichtigt hat, daß sich dieser be-
dingte Tötungsvorsatz auf alle vier im Eingangsbereich befindlichen Gäste be-
zogen hatte, weil der Angeklagte auf diese Gruppe und nicht auf einen einzel-
nen von ihnen gezielt und dabei seine Waffe leer geschossen hatte, weshalb
er wegen versuchten Totschlags in vier tateinheitlich begangenen Fällen hätte
verurteilt werden müssen (vgl. BGH, Beschl. vom 6. September 2000 - 3 StR
226/00), beschwert ihn nicht.
b) Soweit die Verteidigung beanstandet, daß die Strafkammer nicht die
Voraussetzungen des § 213 StGB bejaht hat, übersieht sie, daß dies für den
Angeklagten nachteilig gewesen wäre, da der Strafrahmen des § 213 StGB mit
Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren höher als der zweifach gemilderte
Strafrahmen nach §§ 21, 23, 49 Abs. 1, 212 StGB ist. Im übrigen weist weder
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die Strafrahmenwahl noch die engere Strafzumessung einen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf.
3. Die verspäteten Verfahrensrügen hätten der Revision nicht zum Erfolg
verhelfen können. Ob der Beweisantrag zum Beweis der Tatsache, daß sich
der Angeklagte die Waffe zum Eigenschutz besorgt hatte, als bedeutungslos
hätte abgelehnt werden dürfen, kann dabei offen bleiben, da die Strafzumes-
sung auf einem etwaigen Fehler nicht beruhen würde. Die Strafkammer hat die
Strafe dem zweifach gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB entnommen und
dabei lediglich ergänzend berücksichtigt, daß tateinheitlich zwei Tatbestände
des Waffengesetzes verwirklicht worden sind. Dabei hat sie jedoch rechtsfeh-
lerhaft zu Gunsten des Angeklagten die Voraussetzungen einer - ohnehin
rechtlich zweifelhaften - erheblichen Minderung der Schuld nach § 21 StGB auf
Grund der erheblichen Alkoholisierung und Erregung des Angeklagten auch für
die Tatbestände des bereits seit Monaten begangenen Tatbestandes der Aus-
übung der tatsächlichen Gewalt und für das ebenfalls schon vor Trinkbeginn
erfolgte Führen der halbautomatischen Selbstladekurzwaffe angenommen.
Durch diesen Fehler zu Gunsten des Angeklagten wäre eine etwaig unterblie-
bene Berücksichtigung des Selbstschutzes bei der Gewichtung der Waffenver-
stöße mehr als ausgeglichen.
Der Antrag auf Einnahme eines Ortsaugenscheins "zur Klärung der
Sichtverhältnisse" stellt keinen Beweisantrag dar, da es an der Angabe einer
konkreten unter Beweis gestellten Tatsache fehlt.
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Der Schriftsatz des Verteidigers vom 26. Februar 2001, hier eingegan-
gen am 15. März 2001, hat bei der Beratung vorgelegen.
Kutzer Miebach Winkler
Pfister von Lienen