Urteil des BGH vom 11.06.2013

BGH: einziehung, gesellschafter, gesellschaftsvertrag, gesellschaftszweck, erfüllung, geschäft, vertretung, gerichtsverfahren, abgrenzung, quote

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 278/12
vom
11. Juni 2013
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die
Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie den Richter Sunder
beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil
des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
23. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Streitwert
: 92.641,68 €
Gründe:
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits deshalb als unbegründet
zurückzuweisen, weil die Klage mangels Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) der
Klägerin unzulässig ist und die Revision daher unabhängig davon, ob die Be-
schwerde zulassungsrelevante Rechtsfehler aufzeigt, der Klägerin schon aus
diesem Grunde nicht zum Erfolg verhelfen kann. Die Parteifähigkeit ist in jeder
Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai
2004 - XI ZR 40/03, BGHZ 159, 94, 98 mwN). Die Klägerin ist nicht parteifähig,
weil ihr Gesellschaftsvertrag unwirksam ist. Der Gesellschaftszweck der Kläge-
rin verstößt gegen § 3 und § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 RDG mit der Folge, dass der
Gesellschaftsvertrag nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. BGH, Beschluss vom
19. Juli 2011 - II ZR 86/10, juris Rn. 7 mwN - noch zum RBerG; s. auch BGH,
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Urteil vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, ZIP 2012, 2445 Rn. 34 ff.; Mann,
DStR 2013, 765 ff.).
2. Auf den vorliegenden Fall ist das Gesetz über außergerichtliche
Rechtsdienstleistungen - Rechtsdienstleistungsgesetz (Gesetz vom 12. De-
zember 2007, BGBl I, 2840 - RDG) anwendbar. Das RDG ist hinsichtlich der
hier maßgeblichen Vorschriften am 1. Juli 2008 in Kraft getreten, der Gesell-
schaftsvertrag der Klägerin wurde im November 2008 geschlossen. Nach § 2
Abs. 2 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf
fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung
als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), Rechts-
dienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes und gemäß § 3
RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch
oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt ist. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG
dürfen Inkassodienstleistungen nur bei der zuständigen Behörde registrierte
Personen erbringen, zu denen die Klägerin nicht gehört. Die Voraussetzungen
des Erlaubnistatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, dass die Klägerin
ein zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründeter Zusammenschluss
und ihre Einziehungstätigkeit für ihre Gesellschafter gegenüber der Erfüllung
der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung
ist, sind gleichfalls nicht gegeben.
a) Die Gesellschafter der Klägerin haben der Klägerin ihre Forderungen
lediglich zu Einziehungszwecken abgetreten. Auch für § 2 Abs. 2 RDG kommt
es wie zu der früheren Regelung in Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG für die Einordnung
als Inkassozession entscheidend darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der
Einziehung dem Abtretenden zukommen soll (BGH, Urteil vom 30. Oktober
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2012 - XI ZR 324/11, ZIP 2012, 2445 Rn. 13). Maßgeblich ist insoweit, ob die
Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser
andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche
Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (BGH, Urteil vom 30. Oktober
2012 - XI ZR 324/11, ZIP 2012, 2445 Rn. 14 mwN).
Nach
dem
Inhalt
des
Gesellschaftsvertrages
ist
hier
keine
- unschädliche - Vollabtretung der Forderungen auf die Klägerin erfolgt, sondern
die Zedenten (= die Gesellschafter) trugen weiterhin das volle wirtschaftliche
Risiko der Beitreibbarkeit ihrer Forderung. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass
sie jeweils entsprechend ihrer Quote an der von der Klägerin geltend zu ma-
chenden Gesamtforderung die Kosten des Prozesses tragen sollten, sondern
im Misserfolgsfalle verloren sie - nicht die Klägerin - die Forderung. Weiter soll-
ten nach § 5 des Gesellschaftsvertrages eventuelle Besonderheiten der Einzel-
ansprüche allein den Gesellschafter betreffen, in dessen Beziehungen zu der
Fonds-KG bzw. zu den ausgleichsberechtigten Kommanditisten sie vorliegen.
b) Die Klägerin sollte und hat die Einziehung der für sie wirtschaftlich
fremden Forderungen als eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2
Satz 1 Fall 2 RDG betrieben; die Einziehung der Forderungen war ihr
- alleiniger - Gesellschaftszweck; nur aus diesem Anlass ist sie gegründet wor-
den. Die Forderungseinziehung stellte sich nicht nur als Nebenleistung im Zu-
sammenhang mit einer anderen Haupttätigkeit im Sinne von § 5 RDG dar (zur
Einordnung der Forderungseinziehung nach § 5 RDG vgl. BGH, Urteil vom
30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, ZIP 2012, 2445 Rn. 26 ff.; Mann, DStR 2013,
765 ff.).
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c) Die nach dem Gesellschaftsvertrag von der Klägerin durchzuführende
Einziehungstätigkeit ist hier auch nicht etwa deshalb als nicht gegen das RDG
verstoßende Einziehungstätigkeit zu werten, weil ausweislich der Abtretungsur-
kunden und des Gesellschaftszwecks die Forderungen zur gerichtlichen Einzie-
hung abgetreten worden sind und § 3 RDG nur die Befugnis zur Erbringung von
außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen regelt. Die Beschränkung des An-
wendungsbereichs auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen dient lediglich
der Abgrenzung gegenüber der Vertretung von Rechtssuchenden in einem Ge-
richtsverfahren, deren Zulässigkeit anders als früher unter Geltung des Rechts-
beratungsgesetzes nun jeweils in den einzelnen Verfahrensordnungen beson-
ders geregelt worden ist (s. hierzu BT-Drucks. 16/3655 S. 33 bis 35).
d) Auf die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG kann
sich die Klägerin nicht berufen. Nach ihrem Gesellschaftszweck fehlt es bereits
an der Wahrung gemeinschaftlicher Interessen, da die Klägerin lediglich zur
Bündelung der Einzelinteressen ihrer Gesellschafter gegründet wurde. Im Übri-
gen greift die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG nur ein, so-
weit die für die Mitglieder erbrachten Rechtsdienstleistungen gegenüber der
Erfüllung der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter
Bedeutung sind. Diese dienende Funktion fehlt, wenn die Gesellschaft - wie hier
die Klägerin - es zu ihrer Hauptaufgabe macht, Ansprüche der Mitglieder einzu-
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fordern. Rechtsdienstleistungsvereine oder -gesellschaften will das Gesetz ge-
rade nicht erlauben (vgl. Müller in Grunewald/Römermann, RDG, § 7 Rn. 22
sowie Römermann, BB 2011 S. 1556).
Bergmann
Strohn
Caliebe
Reichart
Sunder
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.09.2011 - 31 O 91/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.08.2012 - I-6 U 217/11 -