Urteil des BGH vom 04.04.2001

BGH (elterliche sorge, antrag, einleitung des verfahrens, gemeinsame elterliche sorge, mutter, beschwerde, sache, verhandlung, inkrafttreten, vater)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 147/99
vom
4. April 2001
in der Familiensache
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Der XII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2001 durch den Vor-
sitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß
des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts
Dresden vom 30. August 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das Oberlandesge-
richt zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.500 DM.
Gründe:
I.
Die Parteien, die am 13. Oktober 1984 die Ehe schlossen, haben zwei
Töchter, Juliane, geboren am 14. Juni 1983, und Anna, geboren am 3. Dezem-
ber 1986. Seit der im Herbst 1995 erfolgten Trennung der Parteien leben die
Kinder bei der Mutter (Antragstellerin). Diese reichte am 19. April 1996 den
Scheidungsantrag ein und beantragte an dem selben Tag, ihr die elterliche
Sorge für beide Töchter zu übertragen. Ihrem Begehren stimmte der Vater
(Antragsgegner) zunächst zu. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
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Amtsgericht - Familiengericht - vom 15. September 1998 kündigte die Mutter
an, daß sie einen Antrag auf alleinige elterliche Sorge stellen werde. Am 8.
Januar 1999 reichte sie einen entsprechenden Schriftsatz vom selben Tag ein,
in dem sie erklärte, den Antrag vom 19. April 1996 ausdrücklich aufrechtzuer-
halten bzw. einen neuen Antrag zu stellen. Im Termin zur Fortsetzung der
mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 1999 wiederholte die Mutter den
Antrag aus dem Schriftsatz vom 8. Januar 1999; der Vater beantragte dage-
gen, die gemeinsame elterliche Sorge aufrechtzuerhalten.
Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschie-
den und die elterliche Sorge der Mutter übertragen. Mit seiner hiergegen ge-
richteten Beschwerde hat der Vater sein Begehren auf Aufrechterhaltung der
gemeinsamen elterlichen Sorge weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die
Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und festgestellt, daß
das die Regelung der elterlichen Sorge betreffende Teilverfahren in der Haupt-
sache als erledigt gelte; den Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen
elterlichen Sorge hat es als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich
die Mutter mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde, mit der sie die Wie-
derherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erstrebt.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit
begründet, daß seit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes
(KindRG) am 1. Juli 1998 der zur Erlangung der alleinigen elterlichen Sorge
nach § 1671 Abs. 1 BGB notwendige Antrag die Qualität eines echten Sachan-
trages habe. Demgegenüber habe der Antrag eines Elternteils nach § 1671
BGB in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung nur einen Vorschlag dar-
gestellt; einem Antrag nach § 1672 BGB a.F. sei lediglich als Voraussetzung
für die Einleitung des Verfahrens Bedeutung zugekommen. Einen nach § 1671
Abs. 1 BGB erforderlichen Sachantrag habe die Antragstellerin innerhalb der
Dreimonatsfrist des Art. 15 § 2 Abs. 4 KindRG nicht gestellt. Deshalb gelte
nach dieser Übergangsvorschrift die Hauptsache als erledigt. Der Antrag vom
8. Januar 1999 sei unzulässig, da es sich bei der Dreimonatsfrist um eine Aus-
schlußfrist handle, wie sich aus dem Gesetzeszweck ergebe.
2. Diese Auffassung begegnet, wie die weitere Beschwerde zutreffend
geltend macht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Nach Art. 15 § 2 Abs. 4 KindRG ist eine Folgesache, die die Regelung
der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB a.F. betrifft, als in der Hauptsache er-
ledigt anzusehen, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem
1. Juli 1998 ein Elternteil beantragt, daß ihm das Familiengericht die elterliche
Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Das Verfahren soll
damit nur fortgeführt werden, wenn klargestellt ist, daß ein solcher Antrag ge-
stellt ist. In bestimmten Fällen wird diese Voraussetzung auch erfüllt sein kön-
nen, wenn ein entsprechend eindeutiger Antrag schon vor Inkrafttreten des
Gesetzes gestellt worden ist (Begründung des Regierungsentwurfs zum
KindRG, BT-
Drucks. 13/4899, S. 146).
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Diesen Anforderungen wird, wie der Senat nach Erlaß des angefochte-
nen Beschlusses entschieden hat, genügt, wenn bereits vor dem 1. Juli 1998
ein eindeutiger Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt
worden ist und der antragstellende Elternteil hieran in dem weiteren Verfahren
uneingeschränkt festgehalten hat (Senatsbeschluß vom 24. Mai 2000 - XII ZB
72/97 - DAV 2000, 704, 705 = NJW-FER 2000, 278). Das war hier der Fall. Die
Mutter hatte bereits am 19. April 1996 beantragt, ihr die elterliche Sorge zu
übertragen und in der mündlichen Verhandlung vom 15. September 1998 - mit
Rücksicht auf das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreform-
gesetzes - angekündigt, einen "Antrag auf alleinige elterliche Sorge" zu stellen.
Damit hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie an ihrem früheren Be-
gehren unverändert festhalten wollte. Deshalb waren die Voraussetzungen ei-
ner Fortführung der Folgesache elterliche Sorge erfüllt.
3. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst befinden, da das Beschwerdegericht
- aus seiner Sicht folgerichtig - bisher keine Feststellungen darüber getroffen
hat, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die
Mutter dem Wohl der Kinder am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Die Sache ist deshalb zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an
das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Blumenröhr Krohn Ger-
ber
Sprick Weber-Monecke