Urteil des BGH vom 13.10.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 112/07 Verkündet
am:
13. Oktober 2008
Vondrasek
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG § 46 Nr. 8; AktG §§ 241, 249; ZPO §§ 301, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
Ist in einem Verfahren die Klage eines Gesellschafters mit der allgemeinen Feststel-
lungsklage eines Dritten auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbe-
schlusses verbunden, ist ein Teilurteil über die Feststellungsklage des Dritten unzu-
lässig.
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07 - OLG Celle
LG
Hannover
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13.
Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Caliebe, Dr. Reichart und
Dr. Drescher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 18. April 2007 aufgehoben. Die
Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte wurde vom Kläger zu 2 und ihrem Gesellschafter N. ge-
gründet. Der Kläger zu 2 handelte dabei treuhänderisch für den Kläger zu 1.
Zwischen N. und dem Kläger zu 1 besteht Streit, ob dieser, der Kläger zu 2
oder der Kläger zu 3 Gesellschafter der Beklagten ist. In der Gesellschafterver-
sammlung vom 14. Mai 2004 wurde u.a. beschlossen:
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"Die Gesellschafter H. S. bzw. Dr. No.
bzw. Na. aus wichtigem Grund auszuschließen und eine
Ausschlussklage gegen die Gesellschafter zu erheben".
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Außerdem wurde beschlossen, den Gesellschafter N. zum besonde-
ren Vertreter der Gesellschaft für die Ausschlussklage zu bestimmen und Scha-
densersatzansprüche der Gesellschaft gegen S. , Dr. No. und
Na. geltend zu machen.
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Die Kläger haben beantragt festzustellen, dass diese Beschlüsse nichtig,
hilfsweise, dass sie unwirksam sind. Das Landgericht hat die Klage des Klägers
zu 1 durch ein Teilurteil für zulässig erklärt, festgestellt, dass er am Stammkapi-
tal der Beklagten beteiligt ist, und außerdem festgestellt, dass die Beschlüsse,
den Kläger zu 2 und zu 3 als Gesellschafter der Beklagten auszuschließen und
gegen sie Ausschlussklage zu erheben, unwirksam sind, ebenso die Beschlüs-
se, N. zum besonderen Vertreter der Beklagten für die Ausschlussklagen
gegen die Kläger zu 2 und 3 zu bestimmen und gegen die Kläger zu 2 und 3
Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Berufung der Beklagten hat
das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die angefochtene
Entscheidung als Endurteil neu gefasst wird, und hat die Beschlüsse der Ge-
sellschafterversammlung der Beklagten vom 14. Mai 2004 für unwirksam er-
klärt. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision
der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne den beim Landgericht
verbliebenen Teil des Verfahrens an sich ziehen. Das Urteil des Landgerichts
sei ein unzulässiges Teilurteil, weil die angegriffenen Beschlüsse keinen teilba-
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ren Inhalt hätten. Die Klageanträge seien als Beschlussanfechtung erfolgreich.
Die von der Gesellschafterversammlung der Beklagten gefassten Beschlüsse
seien inhaltlich unbestimmt, weil sie nicht erkennen ließen, gegen welche Per-
son sie sich richteten, sondern drei gleichwertige Varianten offen ließen.
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II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis noch zutreffend davon ausge-
gangen, dass es in der Sache selbst entscheiden durfte, weil das Landgericht
ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO). Nach
einem unzulässigen Teilurteil darf das Berufungsgericht den noch in erster In-
stanz befindlichen Teil an sich ziehen (BGH, Urt. v. 13. Oktober 2000
- V ZR 356/99, NJW 2001, 78). Das ist entgegen der Auffassung der Revision
auch ohne Antrag und ohne Einverständnis der Parteien möglich. § 538 Abs. 2
Satz 3 ZPO erlaubt nach einem unzulässigen Teilurteil die Zurückverweisung
ohne Antrag einer Partei, schreibt sie aber nicht vor.
Die vom Landgericht getroffene Teilentscheidung über die Klage einzel-
ner einfacher Streitgenossen war unzulässig, weil die Gefahr einander wider-
sprechender Entscheidungen besteht. Zwar muss gegenüber einfachen Streit-
genossen - wie hier einem Gesellschafter und mehreren Nichtgesellschaftern -
grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden (Sen.Urt. v.
1. März 1999 - II ZR 305/97, ZIP 1999, 580). Eine Teilentscheidung ist aber nur
zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Ver-
fahrensgegenstand ist (Sen.Urt. v. 4. November 2002 - II ZR 287/01,
DStR 2003, 563). Dies gilt auch bei Klagen von mehreren einfachen Streitge-
nossen (vgl. zu Klagen gegen mehrere Streitgenossen BGH, Urt. v. 12. Januar
1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035; Urt. v. 19.
Dezember 2002
- VII ZR 176/02, ZIP 2003, 594; Urt. v. 25. November 2003 - VI ZR 8/03,
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NJW 2004, 1452; Urt. v. 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03, VersR 2004, 785). An
dieser Unabhängigkeit fehlt es hier. Wenn in einem Prozess Klagen eines Ge-
sellschafters auf Feststellung der Nichtigkeit (entsprechend § 249 Abs. 1 AktG)
mit allgemeinen Feststellungsklagen von Nichtgesellschaftern (§ 256 Abs. 1
ZPO) verbunden sind, besteht die Gefahr von Widersprüchen, wenn in einem
Teilurteil nur über die allgemeine Feststellungsklage von Nichtgesellschaftern
entschieden wird. Die spätere Entscheidung über die Nichtigkeitsklage des Ge-
sellschafters kann auch Auswirkungen auf die allgemeine Feststellungsklage
eines Nichtgesellschafters haben. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesell-
schafterbeschlusses entsprechend § 249 Abs. 1 AktG hat über das Prozess-
verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hinaus Wirkung für und
gegen alle (vgl. Senat BGHZ 134, 364, 366; MünchKommAktG/Hüffer 2. Aufl.
§ 249 Rdn. 23; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 249 Rdn. 31; Zöllner
in Kölner Komm.z.AktG § 249 Rdn. 41). Es wäre nicht verständlich, wenn ein
Urteil, das einen Beschluss für nichtig erklärt, Wirkung für und gegen alle hat,
während die richterliche Feststellung eines schwerwiegenden Beschlussman-
gels nur die in §§ 249 Abs. 1, 248 Abs. 1 Satz 1 AktG genannten Personen bin-
det, obwohl beide Klage dasselbe materielle Ziel verfolgen, die richterliche Klä-
rung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen
jedermann.
Das Landgericht hat in der Annahme, dass allein der Kläger zu 1 Gesell-
schafter der Beklagten sei, vorab nur über die Feststellungsklage der Nichtge-
sellschafter entschieden. Alle Kläger haben beantragt festzustellen, dass die
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 2004 nichtig sind. Das
Landgericht hat festgestellt, dass die Beschlüsse, soweit sie die Kläger zu 2
und 3 betreffen, unwirksam sind. Über die Nichtigkeitsfeststellungsklage des als
Gesellschafter angesehenen Klägers zu 1 hat das Landgericht in seinem Teilur-
teil nicht entschieden.
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2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Beschlüsse der Gesell-
schafterversammlung der Beklagten entsprechend § 241 Nr. 5 AktG für unwirk-
sam erklärt.
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a) Das Berufungsgericht durfte nicht einheitlich auf die Klage aller drei
Streitgenossen auf Klägerseite die Beschlüsse für unwirksam erklären. Es hat
verkannt, dass grundsätzlich nur der Gesellschafter zur Erhebung der gesell-
schaftsrechtlichen Beschlussmängelklage befugt ist, nicht dagegen ein Dritter
(Sen.Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757). Die Anfechtungs-
befugnis steht nur dem nach § 16 Abs. 1 GmbHG zu bestimmenden rechtli-
chen, nicht auch dem wirtschaftlichen Gesellschafter oder dem Treugeber zu
(BGHZ 24, 119, 124; Sen.Urt. v. 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614).
Nichtgesellschaftern, auch dem Treugeber, steht nur die Möglichkeit offen, die
Nichtigkeit eines Beschlusses durch eine allgemeine Feststellungsklage nach
§ 256 Abs. 1 ZPO feststellen zu lassen, soweit sie ein Feststellungsinteresse
haben (vgl. Sen.Urt. v. 25. April 1966 aaO); auf ihre allgemeine Feststellungs-
klage hin kann ein Gesellschafterbeschluss nicht rechtsgestaltend für nichtig
erklärt werden. Da die Beschlüsse nur auf die Klage desjenigen Klägers, der
Gesellschafter ist, für nichtig erklärt werden können, hätte die Beschlussmän-
gelklage zweier Kläger abgewiesen werden müssen. Nur einer der drei Kläger
kann Gesellschafter sein.
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die angefochtenen Be-
schlüsse wegen inhaltlicher Unbestimmtheit für anfechtbar gehalten. Dabei
kann dahinstehen, ob ein inhaltlich unbestimmter Beschluss anfechtbar oder
nichtig ist. Die Beschlüsse sind nicht unbestimmt und lassen im Gegensatz zur
Auffassung des Berufungsgerichts erkennen, gegen wen sie sich richten. Ne-
ben dem Gesellschafter-Geschäftsführer N. hat die Beklagte nur einen wei-
teren Gesellschafter. Gegen ihn richten sich die Beschlüsse. In erster Linie soll
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die Ausschließungsklage gegen S. oder, falls er nicht Gesellschafter
ist, gegen Dr. No. oder, falls auch dieser nicht Gesellschafter ist, gegen
Rechtsanwalt Na. erhoben werden; Entsprechendes gilt für die Verfolgung
von Schadensersatzansprüchen. Wer im Verhältnis zur Gesellschaft Gesell-
schafter ist, bestimmt sich nach § 16 Abs. 1 GmbHG. In Anwendung dieser Vor-
schrift hätte das Berufungsgericht klären müssen, welcher von den drei Klägern
gegenüber der Beklagten angemeldet ist und demgemäß ihr gegenüber als Ge-
sellschafter gilt. Dass - wie das Berufungsgericht meint - ein wichtiger Grund
zum Ausschluss nicht in gleicher Weise für alle potentiellen Gesellschafter auf
dieselben Umstände gestützt werden kann, betrifft die sachliche Berechtigung
der Ausschließung, aber nicht die inhaltliche Bestimmtheit des Beschlusses.
III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechts-
streit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO).
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1. Das Berufungsgericht muss noch klären, wer zum Zeitpunkt der Be-
schlussfassung nach § 16 Abs. 1 GmbHG Gesellschafter der Beklagten war.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1 Gesell-
schafter der Beklagten ist, ohne eigene Feststellungen dazu zu treffen. Die
Feststellung des Landgerichts, der Kläger zu 1 sei Gesellschafter, auf die das
Berufungsgericht verweist, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das
Landgericht hat verkannt, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG als Gesellschafter
gilt, wessen Anteilserwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft
angemeldet ist. Soweit das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Aufhe-
bung des Zwischenfeststellungsurteils des Landgerichts auf sein am 21. März
2007 verkündetes Urteil im Verfahren 9 U 118/06 hingewiesen hat, kann dies
Feststellungen im vorliegenden Verfahren nicht ersetzen (§ 547 Nr. 6 ZPO),
weil es nicht zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits erging. Im Übrigen
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wurde das zitierte Urteil durch Urteil des Senats vom heutigen Tag
- II ZR 76/07 - aufgehoben.
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2. Mit der Klage sind weitere Beschlussmängel vorgebracht, zu denen
das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Der Senat weist vor-
sorglich darauf hin, dass die Anfechtung - wie das Berufungsgericht zutreffend
erkennt - nicht auf das Nichtbestehen eines Ausschlussgrundes oder von Scha-
densersatzansprüchen gestützt werden kann. Der Beschluss kann sich jedoch
als treuwidrig darstellen, wenn die Ansprüche von vornherein offensichtlich
ausgeschlossen und die Beschuldigungen aus der Luft gegriffen sind (vgl.
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BGHZ 97, 28, 36). Die von den Nichtgesellschaftern begehrte Nichtigkeitsfest-
stellung setzt zudem voraus, dass der Beschlussmangel entsprechend § 241
Nr. 1 bis 4 AktG zur Nichtigkeit führt.
Goette Kurzwelly Caliebe
Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 O 115/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 18.04.2007 - 9 U 21/07 -