Urteil des BGH vom 17.10.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 4/05
vom
17. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 574
Hat das Beschwerdegericht über eine unzulässige Beschwerde rechtsfehlerhaft
sachlich entschieden und lässt es die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Zu-
lässigkeitsfrage zu, so ist das Rechtsbeschwerdegericht, wenn es die Zulässig-
keit von Beschwerde und Rechtsbeschwerde verneint, gehindert, die unzulässi-
ge Beschwerdeentscheidung aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2005 - II ZB 4/05 - OLG Hamm
LG Bielefeld
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Oktober 2005
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Münke, Prof. Dr. Gehrlein und Caliebe
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. Februar 2005 wird auf
Kosten der Kläger verworfen; ausgenommen hiervon sind die Ge-
richtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, die nach § 21
GKG wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben werden.
Geschäftswert: 150.000,00 €
Gründe:
I. Mit ihrer Vollstreckungsgegenklage wenden sich die Kläger gegen ein
rechtskräftiges Grundurteil des Oberlandesgerichts Hamm und gegen ein mit
der Berufung angefochtenes, im anschließenden Betragsverfahren ergangenes
Urteil des Landgerichts Bielefeld, durch das sie zur Zahlung von 908.054,38 €
Zug um Zug gegen Übertragung einer Kommanditbeteiligung verurteilt worden
sind. Auf Antrag der Kläger hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus
dem Zahlungsurteil vorläufig eingestellt. Diesen Beschluss hat das Oberlandes-
gericht auf die sofortige Beschwerde des Beklagten aufgehoben. Dagegen rich-
tet sich die - von dem Oberlandesgericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der
Kläger.
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II. Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, die seit jeher umstrittene
Frage, ob ein Einstellungsbeschluss mit der sofortigen Beschwerde angegriffen
werden könne, sei durch die Entscheidung des XII. Zivilsenats des Bundesge-
richtshofs vom 21. April 2004 (XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14 = NJW 2004,
2224) nicht sachgerecht gelöst worden. Der in dieser Entscheidung angenom-
mene Ausschluss eines Rechtsmittels gegen eine nach § 769 ZPO erlassene
Anordnung finde in der ZPO keine Grundlage. Die von ihm danach für zulässig
erachtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht für begründet gehal-
ten.
III. Die Rechtsbeschwerde der Kläger ist unzulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, wenn dies im Gesetz ausdrücklich
bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Berufungsgericht sie in dem
angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die erst-
genannte Alternative liegt nicht vor. Die auf Grundlage der zweiten Alternative
vorgenommene Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Berufungsgericht
ist aber für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbe-
schwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine
nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung ei-
ner Anfechtung unterworfen werden (BGH, Beschl. v. 21. April 2004 aaO
m.w.Nachw.). Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwer-
degericht nicht zulässig war (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02,
NJW 2004. 1112 m.w.Nachw.).
2. Der auf § 769 ZPO beruhende Beschluss des Landgerichts über die
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unanfechtbar. Das hat der
XII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 21. April 2004 (aaO) - anders als das
Beschwerdegericht für richtig hält - unter Einbeziehung sämtlicher relevanter
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Gesichtspunkte eingehend und überzeugend begründet. Das Beschwerdege-
richt war danach mangels Eröffnung der Beschwerdeinstanz nicht befugt, die
von dem Prozessgericht erlassene einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre-
ckung aufzuheben. Aus dieser auch für die Rechtsbeschwerde geltenden Er-
wägung der Unzulässigkeit des Rechtsmittels ist dem Rechtsbeschwerdegericht
die Aufhebung der - rechtlich verfehlten - Entscheidung des Berufungsgerichts
verwehrt.
Goette
Kraemer
Münke
Gehrlein
Caliebe
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 30.12.2004 - 2 O 451/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 15.02.2005 - 27 W 7/05 -