Urteil des BGH vom 18.01.2006

BGH (antragsteller, vermögensverfall, zulassung, rechtsanwaltschaft, höhe, zahlung, gefährdung, erlass, forderung, frist)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 79/04
vom
18. Januar 2006
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richterin Dr. Otten und die Richter
Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-Räntsch sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott,
Dr. Wosgien und Dr. Frey am 18. Januar 2006 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes
Sachsen-Anhalt vom 10. September 2004 wird zurückgewie-
sen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen
und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren ent-
standenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu er-
statten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wurde im Januar 2001 erneut zur Rechtsanwaltschaft
zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief die Zulassung mit Verfügung vom
29. April 2004 nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
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Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu-
rückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstel-
lers.
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II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der
Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwalt-
schaft ist mit Recht widerrufen worden.
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1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-
schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist,
es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet
sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffe-
nen Verfügung erfüllt.
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a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordne-
te, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldti-
teln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt
(st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. März 1991 – AnwZ(B) 73/90,
BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschluss vom 21. November 1994 – AnwZ(B) 40/94,
BRAK-Mitt. 1995, 126). Gegen den Antragsteller waren zum Zeitpunkt des Wi-
derrufs von zwei Gläubigern wegen Teilforderungen von 15.000 €, 10.000 € und
60.000 € Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden. Den wiederhol-
ten Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen
konkret und detailliert Stellung zu nehmen und die hierzu erforderlichen Nach-
weise vorzulegen, ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Dies geht zu sei-
nen Lasten.
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b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Inte-
ressen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Wider-
rufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derar-
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tigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsan-
walts mit Mandantengeldern.
2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen
Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.
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Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller
nicht dargetan. Er hat am 3. August 2004 vor dem Amtsgericht G. die ei-
desstattliche Versicherung abgegeben, so dass der Vermögensverfall nunmehr
gesetzlich vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 915 ZPO). Diese Vermu-
tung hat der Antragsteller nicht zu widerlegen vermocht. Auch im Beschwerde-
verfahren hat er es – trotz der ihm im Senatstermin vom 14. November 2005
hierfür nochmals eingeräumten Frist - an der hierfür grundsätzlich unerlässli-
chen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse
fehlen lassen.
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Dem Beschwerdevorbringen kann nicht einmal die derzeitige Höhe der
Forderung der Hauptgläubigerin, der D. B. AG, entnommen werden. Legt
man insoweit die Angaben des Antragstellers in der eidesstattlichen Versiche-
rung vom 3. August 2004 zugrunde, betrug diese vor der Zwangsversteigerung
seiner Grundstücke insgesamt ca. 550.000 € (vgl. Ziffer 12 des Vermögensver-
zeichnisses: „valutierte Grundschulden“). Selbst wenn man dem – nicht weiter
belegten – Vortrag des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 21. Juli 2005
folgt, wonach sich dieser Betrag durch den Erlös aus der Verwertung der
Grundstücke und durch Verrechnung mit einem Restkontoguthaben um insge-
samt 330.000 € verringert hat, würde die Restverbindlichkeit ohne Berücksichti-
gung angefallener Zinsen immer noch ca. 220.000 € betragen. Die vom An-
tragsteller angeführte vergleichsweise Regelung – Zahlung von 30.000 € gegen
Verzicht auf die Restschuld – erscheint nach dem vorgelegten Schriftverkehr
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höchst ungewiss. Eine entsprechende Zusage der D. B. AG hat der An-
tragsteller nicht vorgelegt.
Ähnlich verhält es sich mit der Forderung der weiteren Gläubigerin, der
LPG S. , in ursprünglicher Höhe von 55.398,47 € zuzüglich Zinsen. Deren
aktueller Stand wird vom Antragsteller ebenfalls nicht benannt. Insoweit hat er
zwar im Senatstermin vom 14. November 2005 ein Schreiben der Gläubigerin
vom 11. November 2005, in welchem sich diese mit der Begleichung der noch
offenen Gesamtverbindlichkeit im Wege von Ratenzahlungen einverstanden
erklärt hat, sowie einen vom 10. Oktober 2005 datierenden Darlehensvertrag
vorgelegt, in dem sich die Darlehensgeberin, die „Delikatfleischerei W.
Frau Ines S. “, zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 40.000 € ver-
pflichtet, von denen 30.000 € zur Zahlung an die D. B. und 10.000 €
zur Zahlung an die LPG S. bestimmt sind. Die tatsächliche Umsetzung
dieses Vertrages hat der Antragsteller aber ebenfalls nicht innerhalb der ihm
vom Senat eingeräumten Frist nachgewiesen.
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Das Beschwerdevorbringen ist auch nicht geeignet, einen Ausnahmefall
zu belegen, in dem eine Gefährdung der Rechtsuchenden durch den Vermö-
gensverfall verneint werden könnte. Weder der Umstand, dass der Antragsteller
den Vermögensverfall nicht verschuldet hat, noch der Gesichtspunkt, dass es
bisher bei ihm zu keinen Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Mandantengel-
dern gekommen ist, reichen hierfür aus. Die Möglichkeit neuer Vollstreckungs-
maßnahmen gegen den Rechtsanwalt, über die seine Gläubiger auf für seine
Mandanten bestimmte Gelder zugreifen können, begründet regelmäßig eine
Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Ein Sonderfall, vergleichbar
mit dem, der der Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2004 – AnwZ(B) 43/03
(NJW 2005, 511) zugrunde lag, ist hier ersichtlich nicht gegeben.
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3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich
die Beteiligten im Senatstermin vom 14. November 2005 mit einer Entschei-
dung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
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Hirsch Otten Ernemann Schmidt-Räntsch
Schott Wosgien Frey
OLG Naumburg, Entscheidung vom 10.9.2004 - AGH 6/04