Urteil des BGH vom 18.10.2006

BGH (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, antragsteller, aufschiebende wirkung, gesetzliche vermutung, beschwerde, erlass, vollziehung, wiederherstellung, forderung, anordnung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 29/06
vom
18. Oktober 2006
in dem Verfahren
wegen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen den Widerruf der Zu-
lassung aus Gründen des Vermögensverfalls
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat am 18. Oktober 2006
durch die Vorsitzenden Richter Terno und Basdorf, die Richterin Dr. Otten, den
Richter Dr. Schmidt-Räntsch und die Rechtsanwälte Dr. Wosgien,
Prof. Dr. Quaas und Dr. Martini
beschlossen:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats
des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. Februar 2006 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der jetzt 57 Jahre alte Antragsteller ist seit dem 8. Juli 1991 als Rechts-
anwalt zugelassen. Am 27. Februar 2004 wurde gegen ihn ein Vertretungsver-
bot auf dem Gebiet des Zivilrechts für die Dauer von zwei Jahren verhängt.
Nach Bekanntwerden von fruchtlosen Zwangsvollstreckungen gegen den An-
tragsteller hat die Antragsgegnerin am 16. November 2004 die Zulassung des
Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen.
Den zulässigen Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat der
Anwaltsgerichtshof mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Februar 2006
zurückgewiesen. Am 7. März 2006 hat die Antragsgegnerin ihren Widerrufsbe-
scheid vom 16. November 2004 für sofort vollziehbar erklärt.
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Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs
rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende
Wirkung seiner sofortigen Beschwerde wiederherzustellen.
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II.
Der nach § 16 Abs. 6 Satz 5 i. V. m. § 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO zulässige
Antrag ist unbegründet.
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1. Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides durfte nach § 16
Abs. 6 Satz 2 BRAO nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öf-
fentlichen Interesse zu schon vor Bestandskraft des Widerrufsbescheids not-
wendiger Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten
war (Senatsbeschl. v. 19. Juni 1998, AnwZ (B) 38/98 BRAK-Mitt 1998, 235,
236). Diese Voraussetzungen lagen bei Anordnung der sofortigen Vollziehung
vor. Daran hat sich nichts geändert.
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2. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sofortige Be-
schwerde des Antragstellers zurückgewiesen und der Widerrufsbescheid Be-
standskraft erlangen wird.
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a) Im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof hat der Antragsteller zwar
Nachweise darüber vorgelegt, dass er Forderungen, auf die der Widerruf ge-
stützt war, vor Erlass des Bescheids größtenteils erfüllt hatte. Das belegt aber
nicht, dass bei Erlass des Widerrufsbescheids ein Vermögensverfall nicht vor-
gelegen hat. Der Antragsteller hat nämlich am 19. Oktober 2004 bei dem Amts-
gericht E. die eidesstattliche Versicherung abgegeben (1 M /04).
Der Vermögensverfall des Antragstellers wurde deshalb bei Erlass des Wider-
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rufsbescheids gesetzlich vermutet. Daran ändert es nichts, dass sich die An-
tragsgegnerin darauf nicht schon in ihrem Widerrufsbescheid, sondern erst in
dem Bescheid zur Anordnung seiner sofortigen Vollziehung gestützt hat. Diese
Vermutung hat der Antragsteller nicht entkräftet. Die Zahlungen erfolgten sämt-
lich erst unter dem Druck der Zwangsvollstreckung. Die Gläubiger, die die Ab-
gabe der eidesstattlichen Versicherung erwirkt haben, sind bis heute nicht voll-
ständig befriedigt. Auch zeigt ein Geständnis, das der Antragsteller in einem
allerdings noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren abgegeben
hat, dass er sich bei Erlass des Widerrufsbescheids in so beengten finanziellen
Verhältnissen befunden hat, dass er nicht davor zurückschreckte, wieder Man-
dantengelder zu veruntreuen. Trotz einer Verurteilung zu einer Geldstrafe we-
gen früherer Veruntreuungen von Mandantengeldern am 26. August 2004 be-
hielt der Antragsteller im September und Oktober 2004 etwa 20.000 € Manda-
tengelder für sich. Er wurde deshalb und wegen einer weiteren Tat am 20. Juni
2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.
Gegen ihn ist zudem am 27. Februar 2004 ein Vertretungsverbot im Bereich
des Zivilrechts für eine Dauer von zwei Jahren verhängt worden, weil er Man-
dantengelder nicht weitergeleitet hat.
b) An den finanziellen Verhältnissen des Antragstellers hat sich zwi-
schenzeitlich nichts geändert.
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Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls besteht nach wie vor,
weil der Antragsteller weiterhin im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts
E. (und des Amtsgerichts L. ) eingetragen ist und die dieser Eintra-
gung zugrunde liegenden Forderungen bis heute nicht vollständig erfüllt sind.
Im Verlauf des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof und auch im Verlauf des
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Verfahrens vor dem Senat sind zudem weitere Zwangsvollstreckungen gegen
den Antragsteller bekannt geworden.
Die Wiederherstellung geordneter finanzieller Verhältnisse hat der An-
tragsteller zudem nicht dargelegt. Dazu wäre eine vollständige Übersicht über
seine Verbindlichkeiten, seine Einnahmen und die Modalitäten der Schuldtil-
gung erforderlich. Daran fehlt es. Der Antragsteller hat zwar vorgetragen, seine
Schulden beliefen sich auf insgesamt 15.000 € und würden regelmäßig abge-
tragen. Das solle durch Einziehung einer Forderung in Höhe von 50.000 € er-
reicht werden. Er hat aber keine nachvollziehbaren Einzelheiten zu seiner For-
derung und ihrer Durchsetzbarkeit vorgetragen. Seine Darstellung vor dem Se-
nat widerspricht in wesentlichen Punkten seiner Einlassung vor dem Strafrichter
am 20. Juni 2006. Danach belaufen sich die Schulden des Antragstellers auf
50.000 €. Der Schuldner der angeblichen Forderung von 50.000 € ist zu einer
Zahlung nicht bereit. Derzeit ist der Antragsteller nach den Feststellungen des
Strafrichters nicht einmal in der Lage, seiner Tochter den geschuldeten Unter-
halt von 260 € im Monat zu zahlen.
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2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war und ist im überwiegen-
den öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchen-
den geboten (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 44, 105, 121; 48, 292, 296,
298; Senat, Beschl. v. 2. Juni 1993, AnwZ (B) 27/93, BRAK-Mitt. 1993, 171; v.
14. März 1994, AnwZ (B) 9/94, BRAK-Mitt. 1994, 176, 177; v. 19. Juni 1998,
AnwZ (B) 38/98, BRAK-Mitt. 1998, 235, 236). Der Antragsteller hat wiederholt
Mandantengelder veruntreut und ist deshalb mehrfach verurteilt worden. Seine
Berufshaftpflichtversicherung ist durch Nichtzahlung der Versicherungsbeiträge
seit dem 28. November 2005 unterbrochen. Ein ausreichender Schutz der
Mandanten lässt sich auch nicht durch ein Vertretungsverbot erreichen. Neben
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dem am 27. Februar 2004 verhängten Vertretungsverbot im Bereich des Zivil-
rechts für die Dauer von zwei Jahren ist zwar am 28. August 2005 noch ein wei-
teres Vertretungsverbot von einem Jahr im gleichen Bereich verhängt worden.
Das hat aber nichts gefruchtet. In der Begründung für den Sofortvollzug hat die
Antragsgegnerin unter anderen angeführt, der Antragsteller sei unter Verstoß
gegen das Vertretungsverbot vor dem Landgericht L. aufgetreten und
habe einen Gerichtskostenvorschuss seiner dortigen Mandantin in Höhe von
1.194 € nicht an das Gericht weitergeleitet, was zu deren erneuter Heranzie-
hung zur Zahlung der Gerichtsgebühren geführt habe. Deswegen sei ein weite-
res anwaltsgerichtliches Verfahren gegen den Antragsteller eingeleitet worden.
Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
Terno Basdorf Otten Schmidt-Räntsch
Wosgien Quaas Martini
Vorinstanz:
AGH Dresden, Entscheidung vom 10.02.2006 - AGH 35/04 (I) -