Urteil des BGH vom 28.07.2008

BGH (anlageberater, verschulden, rechtsirrtum, prospekt, anleger, beratung, prüfung, zpo, zeuge, streitwert)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 264/08
vom
17. September 2009
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter
Dr. Ellenberger und Dr. Matthias
am 17. September 2009
beschlossen:
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte zu 3).
Die Kostenentscheidung im Urteil des 21. Zivilsenats des Ober-
landesgerichts München vom 28. Juli 2008 bezüglich der Kosten
erster und zweiter Instanz wird abgeändert und wie folgt neu ge-
fasst:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des
Klägers tragen der Kläger, die Beklagte zu 1) und die Beklagte
zu 3) jeweils 1/3. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten
der Beklagten zu 2). Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten
zu 1) und 3) tragen diese jeweils selbst.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt für die Zeit bis
zur Erledigungserklärung 53.685,65 €, für die Zeit danach bis zu
9.000 €.
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Gründe:
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Die auch in der Revisionsinstanz zulässige Erledigungserklärung führt
dazu, dass gemäß § 91 a ZPO über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu
entscheiden ist, ohne dass dabei schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen
abschließend geklärt werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September
2006 - IV ZR 28/05, VersR 2007, 84, Tz. 2 m.w.N.).
1. Bei der danach vorzunehmenden summarischen Prüfung hätte das
Berufungsurteil voraussichtlich keinen Bestand gehabt, soweit die Berufung
gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts in Bezug auf die Beklagte
zu 3) zurückgewiesen worden ist. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand
hätte die Klage gegen die Beklagte zu 3) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt
der schuldhaften Verletzung eines Beratungsvertrages Erfolg gehabt.
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a) Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
ein Anlageberater, der seinen Kunden unter Verwendung eines fehlerhaften
Prospektes über eine bestimmte Fondsanlage berät, nicht darlegungs- und be-
weispflichtig dafür ist, dass er den Prospektfehler in dem Beratungsgespräch
richtig gestellt hat.
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aa) Im Ansatz zutreffend ist, dass derjenige, der Schadensersatz wegen
einer fehlerhaften Beratung geltend macht, dafür die Darlegungs- und Beweis-
last trägt, wobei aber die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beach-
ten sind (st. Rspr., vgl. u.a. Senatsurteil vom 27. Juni 2000 - XI ZR 174/99,
WM 2000, 1685, 1686 m.w.N.).
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bb) Das Berufungsgericht hat aber verkannt, dass derjenige Anlagebera-
ter, der - was vorliegend unstreitig ist - dem Anlageinteressenten in dem Bera-
tungsgespräch einen Verkaufsprospekt vorlegt und diesen zur Grundlage seiner
Beratung macht, obwohl dieser Prospekt fehlerhaft ist, den Anleger falsch bera-
ten hat. Die Pflichtverletzung des Anlageberaters steht aufgrund der Übergabe
des falschen Prospektes (vgl. zur Fehlerhaftigkeit des Prospektes BGH, Urteil
vom 6. März 2008 - III ZR 298/05, WM 2008, 725, Tz. 22, vgl. auch Senatsbe-
schlüsse vom 19. Mai 2009 - XI ZR 342, 345, 346/08) fest. Sie entfällt nur dann,
wenn er diesen Fehler berichtigt hat. Dafür, dass er dies getan hat, ist aber der
Anlageberater und nicht etwa der Anleger beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom
5. März 2009 - III ZR 17/08, WM 2009, 739, Tz. 14 m.w.N. zur Plausibilitätsprü-
fung). Vorliegend kommt hinzu, dass der Zeuge J. nach dem eigenen
Vortrag der Beklagten zu 3) unstreitig den Prospektfehler nicht berichtigt hat.
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b) Auch die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 3)
treffe kein Verschulden, weil sie sich auf das Prospektprüfungsgutachten habe
verlassen dürfen, ist rechtsfehlerhaft. Das Verschulden der Beklagten zu 3) wird
vermutet (§ 282 BGB aF). Der Aufklärungspflichtige muss, wenn er sich entlas-
ten will, darlegen und beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (BGH, Urteil
vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542, Tz. 18).
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aa)
Ein
Anlageberater ist nach der Rechtsprechung des Senats
(BGHZ 178, 149, Tz. 12 m.w.N.) selbst zur Überprüfung des Prospektes ver-
pflichtet. Er kann sich hierzu zwar eines Gehilfen bedienen (Senat aaO, Tz. 16);
die Beklagte zu 3) hat aber vorgetragen, die frühere Beklagte zu 2) nicht beauf-
tragt zu haben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war der Prospekt-
fehler auch nicht "extrem schwer" feststellbar, sondern unmittelbar aus dem
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Prospekt ersichtlich, so dass ihn die Beklagte zu 3) bei der ihr obliegenden ge-
botenen kritischen Prüfung hätte erkennen können.
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bb) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann sich die Be-
klagte zu 3) auch nicht auf einen Rechtsirrtum berufen, da sie bereits für eine
fahrlässige Falschberatung haftet und bei Fahrlässigkeit das Verschulden nur
dann entfällt, wenn der Rechtsirrtum unvermeidbar war (vgl. BGHZ 118, 201,
208). Der Vortrag der insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten
zu 3) vermag einen solchen unvermeidbaren Rechtsirrtum nicht zu belegen. Es
gab im Zeitpunkt des Beratungsgesprächs entgegen ihrer Ansicht keine Recht-
sprechung, die es einer Bank, die im Rahmen eines Beratungsvertrages Kapi-
talanlegeempfehlungen abgibt, erlaubt hätte, ihrer Prospektprüfungspflicht nicht
nachzukommen. Das Gegenteil ergab sich aus dem Bond-Urteil des erkennen-
den Senats (BGHZ 123, 126, 129).
2. Die Beklagte zu 3) hat daher die Kosten des Revisionsverfahrens zu
tragen. Die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ist wie geschehen
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abzuändern. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des Nichtzulassungsbe-
schwerdeverfahrens bleibt es bei der Kostenentscheidung des Senatsbeschlus-
ses vom 19. Mai 2009.
Wiechers Joeres Mayen
Ellenberger Matthias
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 31.07.2006 - 27 O 2831/05 -
OLG München, Entscheidung vom 28.07.2008 - 21 U 4527/06 -