Urteil des BGH vom 18.03.2014

BGH: nachschusspflicht, anleger, fonds, darlehen, insolvenz, treuepflicht, immobilie, verbindlichkeit, gesellschafter, einlage

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I Z R 1 7 1 / 1 3
Verkündet am:
18. März 2014
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem
bis zum 20. Februar 2014 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden und die
Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Bamberg vom 11. April 2013 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesell-
schafterin sowie Da
rlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten „E.
KG
(GmbH & Co.)“ (im Folgenden: KG),
einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erwor-
benen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditist be-
teiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Ver-
lustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Aus-
schüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditis-
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ten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsver-
bindlichkeiten der KG in Anspruch.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgen-
de Regelung:
„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesell-
schaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsver-
pflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussver-
pflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der
Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich
Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation.
Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die
gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten
gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB un-
berührt.“
Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik
„Rechtsform und Haftung“ folgende Hinweise:
„…Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nach-
schusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.
Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeit-
raum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4
HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditis-
tenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen.“
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für
den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da
die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise
vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das
Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung
der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Hö-
he von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darle-
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hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin
immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommandi-
tisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftli-
che Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin
erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte zahlte einen Teilbetrag der erhaltenen
Ausschüttungen in Höhe von 10.660,43
€, nämlich 3.451,22 € auf ein Treu-
handkonto.
Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der KG
in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsverein-
barungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis
30. August 2011.
Die auf Zahlung von 10.660,43
€ gerichtete Klage ist in beiden Instanzen
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-
folgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob der Beklagte einen Teil der erhaltenen Aus-
schüttungen bereits wieder zurückgezahlt habe, indem er im Januar 2009 einen
„Sanierungsbeitrag“ in Höhe von 3.451,22 € auf ein Treuhandkonto einbezahlt
habe. Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe die Rege-
lung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte ei-
nen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaf-
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tern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten,
gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB umfasse. Der
potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt
zur KG bewegt werden sollen.
Ferner verstoße eine Inanspruchnahme des Beklagten gegen
§ 242 BGB. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gegenüber
ihren Mitgesellschaftern verbiete es jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des
vorliegenden Falls, dass die Klägerin ihre drohenden Verluste auf die Anleger
abwälze. Die Klägerin schiebe bewusst die Insolvenz der KG durch die Stun-
dungsvereinbarungen hinaus, lasse aber jeweils einen Teilbetrag der Zinsen
fällig, um gegen die Mitkommanditisten vorgehen zu können. Das an sich nötige
Insolvenzverfahren würde dagegen die berechtigten Interessen aller Beteiligten
berücksichtigen.
II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nach-
prüfung nicht stand.
1. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ist
nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen. Die Vertrags-
klausel ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditis-
ten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105
Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht
getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mit-
gesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung
dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des
§ 305c Abs. 2 BGB bestehen würden (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom
8. Oktober 2013 - II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 19 ff.).
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2. Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt die Klägerin
auch nicht gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Klägerin muss
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb gegenüber den
Kommanditisten auf ihre Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirtschaft-
liche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften
nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu dürfen. Sie
sind im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach § 171 Abs. 1, § 172
Abs. 4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auf-
legt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurückfordern
wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die
Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen
wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin anders zu
behandeln wäre als andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, wen
sie in Anspruch nimmt (vgl. im Übrigen BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013
- II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 36 ff.).
III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3
ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus
folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe
eine fällige Forderung der Klägerin gegen die KG besteht, für die der Beklagte
in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Ebenso wenig hat das
Berufungsgericht geklärt, ob der Beklagte durch Zahlung eines Teilbetrags auf
ein Treuhandkonto seine Einlage teilweise wieder erbracht hat sowie ob ihm
Gegenansprüche gegen die Klägerin zustehen. Die Sache ist daher zur neuen
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Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem am 8. Oktober 2013
ergangenen Urteil (II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305) hin.
Strohn Reichart Drescher
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 26.09.2012 - 13 O 228/11 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 11.04.2013 - 1 U 130/12 -