Urteil des BGH vom 23.05.2007

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 88/07
vom
23. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Anstiftung zum Betrug u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Betrug u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Mai 2007 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 28. Juli 2006 werden als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigun-
gen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat
(§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Bei der Prüfung der Strafbarkeit gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG
ging die Strafkammer bei der Feststellung der Insolvenzantrags-
pflicht wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1
GmbHG zutreffend von der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 der In-
solvenzordnung aus, die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 die Kon-
kursordnung ablöste. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zah-
lungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungs-
pflichten zu erfüllen. Auf die Merkmale der „Dauer“ und der „We-
sentlichkeit“ hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der
Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit bewusst verzichtet, um der
unter Geltung des alten Rechts (§ 102 KO) verbreiteten Neigung zu
begegnen, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit stark einzuengen
und damit eine über Wochen oder sogar Monate fortbestehende Il-
liquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären.
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Mit dieser Legaldefinition ist auch die frühere Rechtsprechung
überholt, wonach nur die von den Gläubigern „ernstlich eingeforder-
ten“ Verbindlichkeiten maßgebend waren. Entscheidend ist allein
der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine
Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der
Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist - weiterhin - die bloße Zah-
lungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen
Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen
zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist,
sich binnen zwei bis drei Wochen die benötigten Beträge darle-
hensweise zu beschaffen. Sonst liegt - von vorneherein - Zahlungs-
unfähigkeit vor (vgl. zu allem BGH wistra 2005, 432; Schulze-
Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz 18. Aufl. § 64 Rdn. 4
ff., § 84 Rdn. 25; Bieneck in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirt-
schaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 51 ff.). Der Senat versteht daher
die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. April 2007 (5 StR
505/06 Rdn. 4) unter Hinweis auf eine aus dem Jahr 1997 stam-
mende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum alten Konkurs-
recht (BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 1) gewählte
Formulierung, wonach Zahlungsunfähigkeit (im konkreten Fall seit
dem 1. Dezember 1999) im Sinne von §§ 64, 84 GmbHG „das nach
außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln
beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unterneh-
mens [sei], seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im We-
sentlichen zu begleichen“, dahingehend, dass damit nur noch die
Zahlungsstockung im Sinne des neuen Insolvenzrechts angespro-
chen werden sollte. Denn davon, dass der 5. Strafsenat die alte
Rechtsprechung trotz der neuen Legaldefinition des § 17 Abs. 2 In-
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sO für den Bereich des Strafrechts - unter Hintanstellung der Zivil-
rechtsakzessorietät der Strafnorm - perpetuieren und sich so über
die - ältere - Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesge-
richtshofs aus dem Jahre 2005 (BGH wistra aaO) hinwegsetzen
wollte, kann nicht ausgegangen werden.
Nack Wahl Kolz
RiBGH Dr. Graf befindet sich
in Urlaub und ist deshalb an der
Unterschrift gehindert.
Hebenstreit Nack