Urteil des BGH vom 29.04.2014

BGH: vergewaltigung, anstiftung, besuch, beihilfe, wiedergabe, zwang, anhörung, drohung, beweisantrag

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 4 3 6 / 1 3
vom
29. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 29. April 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Hannover vom 19. Juni 2013, soweit es ihn betrifft,
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung
in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Anstiftung zur Vergewaltigung zu
der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklag-
ten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen belästigte der Angeklagte die Geschädigte,
indem er sie "sexuell-handgreiflich" berührte. Als sie ihn zurückstieß, ohrfeigte
er sie. Dann führte er die Geschädigte in einen Raum und forderte sie zum
Oralverkehr auf, was sie verweigerte. Daraufhin schlug der Angeklagte sie er-
neut und stieß sie auf ein Bett. Mit der Drohung, es werde sonst "etwas
Schlimmes" passieren, zwang er sie, sich auszuziehen und entblößte sein
Glied. Weil die Geschädigte ihn nun verspottete, gab er ihr erneut eine Ohr-
1
2
- 3 -
feige, in deren Folge sie für kurze Zeit seiner wiederholten Aufforderung zum
Oralverkehr nachkam. Schließlich setzte sich der Angeklagte auf die Geschä-
digte und übte mit ihr ungeschützt den Geschlechtsverkehr aus. Dem Angeklag-
ten war bewusst, dass die Geschädigte diesen nur wegen der vorangegange-
nen Drohungen und der Schläge über sich ergehen ließ. Während die Geschä-
digte duschte, rief der Angeklagte entsprechend einer vorangegangenen Ab-
sprache den Mitangeklagten R. hinzu, dem er mitteilte, er könne mit der
Frau machen, was er wolle. Auch R. vergewaltigte die Geschädigte in der
Folge.
2. Mit einer - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts zulässi-
gen - Verfahrensrüge macht der Angeklagte als Verstoß gegen § 244 Abs. 3
Satz 2 StPO unter anderem geltend, das Landgericht habe sich in den Urteils-
gründen in Widerspruch zu einem Beschluss gesetzt, mit dem es einen Be-
weisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abge-
lehnt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 1996 - 4 StR 373/96, BGHR
StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 22; Urteil vom 26. Januar 2000
- 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; Meyer-Goßner/Schmitt-Meyer-Goßner,
StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 56 mwN). Die Beanstandung ist berechtigt.
Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die Vernehmung der Zeugin
F. zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die Geschädigte entgegen
ihren Angaben beim Besuch eines Swingerclubs, zu dem sie den früheren
- freigesprochenen - Mitangeklagten H. begleitet hatte, außer mit die-
sem auch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr hatte. Diesen Antrag
hat das Landgericht abgelehnt, weil die Tatsache, die bewiesen werden solle,
für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Es handele sich insoweit um eine
3
4
5
- 4 -
"Indiztatsache", die, selbst wenn sie erwiesen werde, keine zwingenden, son-
dern nur mögliche Schlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Geschädigten zuließe;
die Kammer wolle diese Schlüsse aber nicht ziehen.
Im Urteil hat das Landgericht seinen Feststellungen im Wesentlichen die
Aussage der Geschädigten zugrunde gelegt, die sie nach Einholung eines psy-
chiatrischen sowie eines aussagepsychologischen Gutachtens als glaubhaft
bewertet hat. Diese Bewertung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt,
dass die Geschädigte zu einer Vielzahl von Einzelheiten, die nicht unmittelbar
das Kerntatgeschehen beträfen, unzuverlässige und zum Teil widersprüchliche
Angaben gemacht habe. Denn sie habe auf wiederholte Vorhalte auch konstan-
te und sichere Bekundungen abgeben können, so etwa zu dem Besuch im
Swingerclub, zu dem sie stets ausgesagt habe, den Mitangeklagten H.
dorthin zwar begleitet, dabei aber ausschließlich mit diesem sexuellen Kontakt
gehabt zu haben. Darüber hinaus wird bei der Wiedergabe des Gutachtens der
aussagepsychologischen Sachverständigen, dem sich das Landgericht ange-
schlossen hat, als ein für die Aussagequalität sprechendes Realkennzeichen
gewertet, dass die Schilderungen der Geschädigten, sich in einem Swingerclub
konsequent einer Beteiligung entzogen zu haben, detailreich und konstant sei-
en. Damit ist das Landgericht in seinem Urteil vom Gegenteil der unter Beweis
gestellten Behauptung ausgegangen und hat sich zudem zu seiner Bewertung
im Ablehnungsbeschluss in Widerspruch gesetzt, es sei ohne Bedeutung, ob
die Geschädigte in dem Swingerclub auch noch mit anderen Männern neben
dem Zeugen H. sexuell verkehrt habe.
Auf diesem Fehler beruht die angefochtene Entscheidung, denn der Se-
nat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die widersprüchliche
6
7
- 5 -
Würdigung der Beweisbehauptung zu einer abweichenden Beurteilung der
Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten gelangt wäre.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Anstiftung im Sinne des § 26 StGB ist die vorsätzliche Bestimmung eines
anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Unter Bestim-
men ist die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die die-
sen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt. Zwar genügt für die
Anstiftung die Mitursächlichkeit der Willensbeeinflussung für das Verhalten des
anderen. Ein zu einer konkreten Tat bereits Entschlossener ("omnimodo
facturus") kann jedoch nicht mehr angestiftet werden; in einer Bestärkung sei-
nes Entschlusses kann lediglich eine (psychische) Beihilfe liegen (st. Rspr.; vgl.
Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 mwN). Ob der
Mitangeklagte R. vorliegend tatsächlich vom Angeklagten zur Vergewalti-
gung der Geschädigten bestimmt wurde oder bereits von vornherein hierzu ent-
schlossen war, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht eindeutig ent-
nehmen.
Becker
Pfister
Schäfer
Gericke
Spaniol
8
9