Urteil des BGH vom 28.01.2002

Muskelaufbaupräparate Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 34/01
Verkündet am:
11. Juli 2002
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
:
ja
BGHR : ja
Muskelaufbaupräparate
UWG § 1
AMG § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5, §§ 21, 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 6a
HWG § 3a
LMBG § 1 Abs. 1
BGB § 312c Abs. 4
EWGRL 65/65 Art. 1 Nr. 2
EGRL 83/2001 Art. 1 Nr. 2, Art. 128
EGRL 7/97 Art. 14
EG VO 178/2002 Art. 2 Abs. 3 Buchst. d
EG Art. 28, Art. 30
a) Die in der Entscheidung "L-Carnitin" (BGH GRUR 2000, 528) vorgenommene Ab-
grenzung der Arznei- von den Lebensmitteln steht auch nach dem Inkrafttreten
der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmit-
telrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar
2002 im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff.
b) Mittel zur Verhinderung eines Muskelabbaus und zur Förderung der Regeneration
nach Trainingsphasen können grundsätzlich auch diätetische Lebensmittel sein,
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wenn und soweit sie den besonderen physiologischen Bedürfnissen einer Perso-
nengruppe gerecht werden und nicht überwiegend anderen Zwecken als der Er-
nährung dienen.
c) Dopingmittel wie insbesondere Steroide und Anabolika sowie diesen in den Wir-
kungen gleichstehende Präparate fallen wegen ihrer überwiegenden Bestimmung,
zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt zu werden, als
Mittel zur Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers grundsätz-
lich unter den Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG.
d) Die Bestimmung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG will nur solche Mittel vom Verbrin-
gungsverbot nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG ausnehmen, die im Ausland als Arz-
neimittel in Verkehr gebracht werden dürfen.
e) Das Verbringungsverbot nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG sowie das ebenfalls an die
fehlende Arzneimittelzulassung im Inland anknüpfende Werbeverbot nach § 3a
HWG sind, soweit sie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder gleichwirken-
de Maßnahmen im Sinne des Art. 28 EG darstellen, nach § 30 EG gerechtfertigt.
f) Der in § 312c Abs. 4 BGB enthaltenen Regelung ist zu entnehmen, daß im Inter-
esse des Schutzes der Verbraucher bestehende anderweitige Beschränkungen
der Unternehmer - wie hier nach § 1 UWG i.V. mit §§ 2, 21, 73 AMG sowie § 3a
HWG - aufrechterhalten bleiben.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2002 - I ZR 34/01 - Kammergericht
LG Berlin
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 2. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Kammer-
gerichts vom 20. Oktober 2000 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die in E. in den Niederlanden geschäftsansässige Beklagte vertreibt im
Fernabsatz die Produkte "H.", "C." und "V.". Diese gelten in den Niederlanden
als Lebensmittel bzw. "Nahrungsergänzungen" und dürfen dort als solche in
den Verkehr gebracht werden. In Deutschland sind sie nicht als Arzneimittel
zugelassen.
Die Beklagte warb in der Zeitschrift "S." (Ausgabe) für die drei Produkte
in der nachstehend wiedergegebenen Weise:
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Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. Er ist der Auffassung,
daß die beworbenen Produkte Arzneimittel seien. Er hält daher ihre Bewerbung
und ihren Vertrieb in Deutschland wegen ihrer fehlenden arzneimittelrechtli-
chen Zulassung für wettbewerbswidrig.
Vor dem Landgericht hat der Kläger beantragt, der Beklagten unter An-
drohung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr
a) "H.",
b) "C.",
c) "V."
ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben
und/oder zu vertreiben,
hilfsweise,
im geschäftlichen Verkehr die nachfolgend wiedergegebenen Mittel
ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben
und/oder zu vertreiben, sofern die Mittel wie folgt gekennzeichnet
werden:
a)
"H.
Anti-Kataboler Muskelzellschutz
Wissenschaftliche Studien belegen, Bodybuilder können mit H.
in drei Wochen 300 % mehr Muskelmasse und 295 % mehr Kraft
aufbauen als ohne!
Sensationeller Durchbruch bei der Suche nach einem Ersatz für
anabole Steroide!
Was ist H.?
Die Bezeichnung H. steht für ß-Hydroxy ß-Methylbutyrat. H. ist
ein Abkömmling der Aminosäure Leucin und ist in geringen
Mengen in der Nahrung enthalten. Bei H. handelt es sich um
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kein Arzneimittel, sondern um eine natürliche, körpereigene
Substanz ohne schädliche Nebenwirkungen. Lange Zeit war H.
aufgrund des komplizierten Herstellungsverfahrens kaum erhält-
lich. Erst vor kurzem ist es gelungen, H. in einer solch großen
Quantität zu produzieren, daß es endlich für alle Bodybuilder
verfügbar geworden ist.
Wie wirkt H. im Körper?
H. wirkt anti-proteolytisch. Eine kurze Erklärung: Bei sämtlichen
Formen einer körperlichen Belastung (intensives Training, Streß
usw.) werden im Organismus verschiedene Enzyme aktiviert, die
die Ausschüttung von Cortison bewirken. Cortison ist ein Hor-
mon, das Muskelgewebe zu Aminosäuren abbaut, die dann in
der Leber zu Energie verstoffwechselt werden. In 99 % aller
Fälle ist dies der Grund, weshalb Bodybuilder keine Fortschritte
machen und auf Steroide zurückgreifen, denn Steroide blockie-
ren die Wirkung von Cortison. H. wirkt in dieser Hinsicht ähnlich
wie Steroide, da es die Enzyme CPK, 3-MH und LDH hemmt.
Die Cortisonausschüttung wird reduziert und das Muskelgewebe
bleibt intakt. H. entfaltet quasi ein Schutzschild um Ihre Muskeln.
Kein Wunder, daß lnsider die Wirksamkeit von H. mit dem
Steroid Nandrolondecanoat vergleichen. Testen Sie H. und Sie
werden sehen, was für einen gewaltigen Unterschied dieses
Produkt in Ihrem Training machen kann!
Wie wird H. eingenommen?
Nicht anders als in den Studien. Nehmen Sie dreimal täglich je-
weils 4 Kapseln à 250 mg, ernähren Sie sich vernünftig und be-
folgen Sie ein intensives Trainingsprogramm. Übrigens, in Ver-
bindung mit C. und V. läßt sich eine supereffektive muskelauf-
bauende Kombination zusammenstellen. Wer immer noch der
Meinung ist, es gäbe keinen wirksamen Steroidersatz, den wird
ein Eigenversuch schnell eines besseren belehren."
b)
"C.
High Performance C. Transportsystem
- 100% reines C.
- C. Transportsystem Matrix
- Orangengeschmack".
c)
"V.
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Insulinaktivator
Die lnsulinalternative
V. ist ein Mineral, das, wie eine Reihe von wissenschaftlichen
Studien nachgewiesen haben, eine insulinähnliche Wirkung be-
sitzt. lnsulin selbst ist das stärkste anabole Hormon im menschli-
chen Körper und wird daher von zahlreichen Profibodybuildern
eingesetzt. Da die Gabe von lnsulin mit potentiellen Nebenwir-
kungen verbunden ist, kommt es für die meisten Athleten jedoch
nicht in Frage. Mit V. verfügen Bodybuilder endlich über ein na-
türliches Präparat, das, ähnlich wie lnsulin, das Muskelwachstum
fördert. In den USA zählt V. bereits zu den begehrtesten Auf-
bauprodukten überhaupt.
Wirkungen auf die Muskelzelle
V. ermöglicht einen deutlichen Muskelzuwachs, indem es die
Nährstoffaufnahme der Muskelzellen extrem steigert. Der ent-
scheidende Punkt ist, daß V. die lnsulinrezeptoren an der Mus-
kelzellmembran stimuliert, bis zu 200 % mehr Aminosäuren und
Glucose in die Muskelzellen zu schleusen. Während die zusätz-
lichen Aminosäuren direkt in das Muskelgewebe eingebaut wer-
den können und dadurch ein Wachstum der Muskelzelle auslö-
sen, dient die Glucose zur Auffüllung der Muskelglykogenspei-
cher. Prall gefüllte Glykogenspeicher erhöhen das Energieni-
veau und beschleunigen die Regeneration nach dem Training.
Darüber hinaus bindet Glykogen in der Muskelzelle Flüssigkei-
ten und vergrößert so das Muskelzellvolumen.
Hemmung des Fettaufbaus
Wissenschaftliche Studien haben eindrucksvoll aufgezeigt, daß
V. den Fettaufbau hemmt. Es kommt unter V. zu einer Umver-
teilung der Nährstoffe, d. h. der Körper baut Proteine und Koh-
lenhydrate verstärkt in die Muskelzellen ein und nicht in das
Fettgewebe.
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Was Sie erwarten können
Bereits nach 5-6 Einnahmetagen erlangt die Muskulatur ein vol-
leres, härteres und kompakteres Aussehen. Im Training verfü-
gen Sie über deutlich mehr Energie und es kommt zu einem
wahrhaft gigantischen Aufpumpeffekt. Die volle Wirkung von V.
tritt erfahrungsgemäß nach 2-3 Wochen ein. Der Körper gewinnt
sichtbar an Muskelmasse und hat gleichzeitig an Fett verloren.
Auffallend ist hierbei die extrem gesteigerte Muskelhärte und
das plastischere Hervortreten des unter der Haut liegenden
Adernetzes.
Die Einnahme
Alles, was Sie tun müssen, ist dreimal täglich jeweils 2 Kapseln
zu den Mahlzeiten einzunehmen. Um eine schnelle und voll-
ständige Verwertung von V. zu gewährleisten, liefern wir diesen
Wirkstoff selbstverständlich in Kapseln und nicht in der nur lang-
sam resorbierbaren Tablettenform. Neben 10 mg V. enthält jede
Kapsel außerdem 800 mg Taurin sowie 33 mcg Selenium, zwei
Substanzen, die, wie Untersuchungen gezeigt haben, eine
v.ähnliche Wirkung besitzen und die Effektivität von herkömmli-
chen V. steigern. V. ist im übrigen kein Arzneimittel.
Tip
Kombinieren Sie V. mit C.. Da C. von dem Hormon lnsulin in die
Muskelzellen transportiert wird, verstärkt V. durch seine insuli-
nähnliche Wirkung diesen Vorgang. Der Kraft- und Muskelzu-
wachs mit C. wird noch größer."
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Nach ihrer Auffas-
sung stellen die in Rede stehenden Produkte keine Arzneimittel, sondern
Lebensmittel dar. Außerdem verstieße das beantragte Werbe- und Ver-
triebsverbot unter anderem gegen die Fernabsatzrichtlinie.
Das Landgericht hat der Klage nach dem Hauptantrag stattgegeben. Im
Berufungsverfahren hat der Kläger die Zurückweisung der Berufung mit der
Maßgabe beantragt, daß die Bestätigung des angefochtenen Urteils nur hi n-
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sichtlich des erstinstanzlich gestellten Hilfsantrags begehrt werde; außerdem
hat er einen weiteren Hilfsantrag gestellt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe
zurückgewiesen, daß unter den Buchstaben a) bis c) nicht nur die Namen der
drei Mittel aufgeführt, sondern auch deren Beschreibungen gemäß dem vom
Kläger in erster Instanz gestellten Hilfsantrag enthalten waren (KG ZLR 2001,
576).
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die
Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1
UWG i.V. mit §§ 2, 21 AMG, § 3a HWG für begründet erachtet. Hierzu hat es
ausgeführt:
Die Beklagte sei verpflichtet, es zu unterlassen, ihre Produkte "H.", "C."
und "V." zu bewerben und zu vertreiben, weil diese zulassungspflichtige Ferti-
garzneimittel seien und deshalb ohne die entsprechende Zulassung, über die
sie nicht verfügten, weder vertrieben noch beworben werden dürften. Die für
die Einordnung der Produkte als Arzneimittel oder Lebensmittel entscheidende
überwiegende Zweckbestimmung könne der Senat grundsätzlich ohne Sach-
verständigen selbst feststellen, weil es insoweit auf die Verkehrsanschauung
der Verbraucher und insbesondere der Sporttreibenden ankomme, zu denen
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auch die Mitglieder des Senats gehörten. Die Produkte stellten nach den für sie
gemachten Werbeaussagen, deren Richtigkeit die Beklagte nicht in Abrede
gestellt habe, Arzneimittel dar. Sie beeinflußten insbesondere durch den ge-
zielten und beschleunigten Muskel- und Kraftaufbau die Beschaffenheit, den
Zustand und die Funktion des Körpers ganz erheblich. Ein gleichwertiger oder
überwiegender Ernährungszweck liege nicht vor. Die Einnahme der Produkte
solle nicht Mangelzustände nach körperlichen Kraftanstrengungen ausglei-
chen, sondern Höchstleistungen erst ermöglichen. Die selbst bei optimaler Er-
nährung bestehenden natürlichen Leistungsgrenzen sollten damit überschritten
werden. Dies gelte für das Produkt "C." auch deshalb, weil die Werbung der
Beklagten für dieses entgegen der Mitteilung des Bundesinstituts für gesund-
heitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin vom 21. April 1998 keine
restriktive Verzehrempfehlung enthalte und die Verzehrangaben auf dem Pro-
dukt selbst weit über die Verzehrempfehlungen in jener Mitteilung hinausgin-
gen. Die in der Werbung der Beklagten für das Produkt "V." empfohlene Ta-
gesdosis sei mehr als doppelt so hoch wie die nach dem gegenwärtigen Stand
der wissenschaftlichen Erkenntnis als sinnvoll anzusehende Dosis. Damit
drohten bei allen drei Präparaten Gesundheitsgefahren. Deren Wirkungen sei-
en auch nicht Teil des natürlichen Stoffwechsels, der durch eine optimal mögli-
che Aufnahme natürlicher Nahrungsmittel begrenzt werde. Die Bestimmung
des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG setze anders als die des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG nicht
voraus, daß die Mittel zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung von Krank-
heiten dienten.
Der vorgenommenen Beurteilung stünden auch weder die gemein-
schaftsrechtliche Ausgestaltung des Arzneimittelbegriffs noch die Fernabsatz-
richtlinie noch auch die Richtlinie 89/398/EWG zur Angleichung der Rechtsvor-
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schriften der Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernäh-
rung bestimmt seien, entgegen.
Die Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen die wertbezogenen, auf
den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung als besonders wichtiges Gemein-
schaftsgut gerichteten Vorschriften der § 21 AMG, § 3a HWG begründeten zu-
gleich den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG und
seien auch geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt wesentlich zu beein-
trächtigen. Das in zweiter Instanz ausgesprochene Verbot beziehe sich auf die
Produkte in ihrer konkreten Aufmachung durch die Werbeangaben und reiche
daher nicht zu weit.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe gegen
§ 308 ZPO verstoßen, weil es den in der Berufungsinstanz als Hauptanträgen
weiterverfolgten erstinstanzlichen Hilfsanträgen ohne die dort verwendeten
Worte "sofern die Mittel wie folgt gekennzeichnet werden:" stattgegeben habe.
Allerdings gibt die insoweit in der Tat gegebene Abweichung Anlaß zu
entsprechenden Zweifeln. Diese lassen sich jedoch dadurch überwinden, daß
die im Berufungsurteil enthaltene Urteilsformel unter Heranziehung der Urteils-
gründe ausgelegt wird (vgl. BGHZ 122, 16, 18; 142, 388, 391 - Musical-Gala;
Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 704 Rdn. 5 m.w.N.). Dort ist nämlich ausge-
sprochen, daß das Verbot die Produkte (allein) "in ihrer konkreten Aufmachung
durch die Werbeangaben" und damit "in ihrer konkreten Verletzungsform um-
faßt". Diese Verletzungsform ist im Tenor des angefochtenen Urteils und, was
das Mittel "C." anbelangt, zusätzlich in dem vom Kläger in zweiter Instanz ge-
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stellten und im Urteilstatbestand wiedergegebenen Hilfsantrag auch hinrei-
chend bestimmt; denn dieser Hilfsantrag enthält den Text, der auf den von der
Beklagten vertriebenen Dosen des betreffenden Mittels aufgedruckt ist.
2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß
sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 1 UWG i.V. mit
§§ 2, 21 AMG, § 3a HWG ergeben.
a) Es ist dabei in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen,
daß für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel seine an
objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung entschei-
dend ist, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (BGH, Urt. v. 10.2.2000
- I ZR 97/98, GRUR 2000, 528, 529 = WRP 2000, 510 - L-Carnitin; für die Ab-
grenzung Arzneimittel/Kosmetikum: Urt. v. 7.12.2000 - I ZR 158/98, GRUR
2001, 450, 451 = WRP 2001, 542 - Franzbranntwein-Gel). Die Verkehrsauffas-
sung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck
vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt,
welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vor-
stellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter
durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft
beeinflußt sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbepro-
spekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie
die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt
(vgl. BGH GRUR 2000, 528, 529 - L-Carnitin; BGH, Urt. v. 19.1.1995
- I ZR 209/92, GRUR 1995, 419, 420 = WRP 1995, 386 - Knoblauchkapseln;
BGHSt 46, 380, 387 = NJW 2001, 2812; BGH, Urt. v. 3.12.1997 - 2 StR 270/97,
NJW 1998, 836, 837). Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im all-
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gemeinen nicht annehmen, daß ein als Nahrungsergänzungsmittel angebote-
nes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn es in der empfohlenen Do-
sierung keine pharmakologischen Wirkungen hat.
Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung, wie auch die Revision
nicht in Zweifel zieht, von den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof vor al-
lem in der Entscheidung "L-Carnitin" aufgestellt hat (BGH GRUR 2000, 528)
ausgegangen. Die dort vorgenommene Abgrenzung der Arznei- von den Le-
bensmitteln steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbe-
griff (BGHSt 46, 380, 385-387). Namentlich entspricht die im Streitfall in Rede
stehende Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG dem Begriff des Funktionsarz-
neimittels nach Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates zur An-
gleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten
vom 26. Januar 1965 (ABl. Nr. 22, S. 369) und ebenso nach der insoweit in-
haltsgleichen Bestimmung des Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemein-
schaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl. Nr. L 311,
S. 67), gemäß deren Art. 128 Abs. 1 die Richtlinie 65/65/EWG aufgehoben
worden ist (vgl. BGHSt 46, 380, 387). Insoweit werden Erzeugnisse erfaßt, die
sich tatsächlich oder nach ihren angekündigten Wirkungen derart auf die Kör-
perfunktionen auswirken können, daß sie deren Funktionsbedingungen nen-
nenswert beeinflussen (EuGH, Urt. v. 16.4.1991 - Rs. C-112/89, Slg. 1991,
I-1703, 1742 Tz. 22 f. = LRE 28, 19, 22 f. - Upjohn). Nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften obliegt die Feststellung,
ob es sich bei einem bestimmten Erzeugnis um ein Funktionsarzneimittel han-
delt, den nationalen Behörden und Gerichten. Diese haben dabei alle Merk-
male des Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine beim
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jeweiligen Stand der Wissenschaft festzustellenden pharmakologischen Eigen-
schaften, die Modalitäten seiner Anwendung, den Umfang seiner Verbreitung,
seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Gefahren aufgrund von Ne-
benwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch zu berücksichtigen (EuGH,
Urt. v. 21.3.1991 - Rs. C-60/89, Slg. 1991, I-1547, 1568 Tz. 29 - Monteil und
Samanni; Urt. v. 21.3.1991 - Rs. C-369/88, Slg. 1991, I-1487, 1535 Tz. 35
= LRE 28, 3 - Delattre; Urt. v. 20.5.1992 - Rs. C-290/90, Slg. 1992, I-3317,
3347 Tz. 17 = NVwZ 1993, 53 - Kommission gegen Bundesrepublik Deutsch-
land).
An diesem Rechtszustand hat sich auch durch die Verordnung (EG)
Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der
allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Er-
richtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festle-
gung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28. Januar 2002 (ABl.
Nr. L 31, S. 1) nichts geändert. Deren Art. 2 Abs. 3 Buchst. d bestimmt, daß
Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG - und damit
gemäß Art. 128 Abs. 2 der diese aufhebenden Richtlinie 2001/83/EG auch im
Sinne der zuletzt genannten Richtlinie (vgl. dort Art. 1 Nr. 2) - nicht zu den Le-
bensmitteln im Sinne der Verordnung gehören. Durch diesen konkreten Ver-
weis auf den Arzneimittelbegriff in den in Bezug genommenen Bestimmungen
hat der Verordnungsgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß dieser Be-
griff in der Form, in der er bisher schon im europäischen Arzneimittelrecht galt,
nunmehr auch im neuen europäischen Lebensmittelrecht gelten soll. Dement-
sprechend besteht auch kein Anlaß, das Verfahren auszusetzen und die Sache
gemäß Art. 234 Abs. 1 und 3 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemein-
schaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung zutreffend berück-
sichtigt, daß Mittel zur Verhinderung eines Muskelabbaus und zur Förderung
der Regeneration nach Trainingsphasen grundsätzlich auch diätetische Le-
bensmittel sein können, wenn und soweit sie den besonderen physiologischen
Bedürfnissen einer Personengruppe gerecht werden und nicht überwiegend
anderen Zwecken als der Ernährung dienen (vgl. BayObLG LRE 28, 37, 41 =
ZLR 1992, 623, 626 f.; Schmidt-Felzmann, ZLR 2000, 859, 872; Stellungnahme
der Arbeitsgruppe "Sportlernahrung" im Bundesgesundheitsamt v. 8.12.1993,
Bundesgesundheitsblatt 1994, 269). Es ist mit Recht auch davon ausgegan-
gen, daß Dopingmittel wie insbesondere Steroide und Anabolika sowie diesen
in den Wirkungen gleichstehende Präparate wegen ihrer überwiegenden Be-
stimmung, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt
zu werden, als Mittel zur Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des
Körpers grundsätzlich unter den Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG
fallen (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 2 AMG Anm. 44 und § 6a AMG
Anm. 5; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, D 520, § 2 AMG Rdn. 50; Doepner,
Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 1 Rdn. 85 s. v. "Doping-Mittel" und "Sportler-
nahrung"; Gröning, Heilmittelwerberecht, Bd. 1, § 1 HWG Rdn. 144).
c) Das Berufungsgericht hat die vorstehend unter II. 1. a) und b) darge-
stellten Grundsätze zutreffend auf den Streitfall angewendet und die drei in
Rede stehenden Produkte zu Recht als Arzneimittel angesehen.
aa) Mit Blick auf das Produkt der Beklagten "H." hat das Berufungsge-
richt unter Hinweis auf die entsprechenden Werbeaussagen der Beklagten,
deren Richtigkeit diese nicht in Abrede gestellt hat, festgestellt, daß das Pro-
dukt wie ein Steroid die bei körperlicher Belastung im Organismus durch ver-
schiedene aktivierte Enzyme an sich bewirkte Cortisonausschüttung blockiere
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und, da Cortison Muskelgewebe abbaue, muskelaufbauend wirke. Es ist weiter
davon ausgegangen, daß das Mittel bei der empfohlenen Tagesdosis von
3000 mg gemäß diesen Werbeangaben 300 % mehr Muskelmasse und 250 %
- richtig ist: 295 % - mehr Kraft aufbaue als ohne seinen Einsatz.
Das Berufungsgericht hat weiterhin unangegriffen festgestellt, daß der
damit ganz erheblichen Beeinflussung der Beschaffenheit, des Zustands und
der Funktion des Körpers kein gleichwertiger oder überwiegender Ernährungs-
zweck gegenüberstehe. Durch die Einnahme sollten nicht Mangelzustände
nach einer körperlichen Kraftanstrengung ausgeglichen, sondern Höchstlei-
stungen erst ermöglicht werden. Da die natürlichen Leistungsgrenzen deutlich
und auf Dauer überschritten werden sollten, drohten auch Gesundheitsgefah-
ren. Unter diesen vom Berufungsgericht festgestellten Umständen ist - unge-
achtet dessen, daß auch Lebensmittel grundsätzlich zur Beeinflussung des
Körperzustandes und seiner Funktionen geeignet und bestimmt sind - die Ein-
ordnung des Mittels "H." als Arzneimittel gerechtfertigt (vgl. BGHSt 46, 380,
387 m.w.N.).
bb) In bezug auf das Mittel "C." hat das Berufungsgericht ausgeführt,
dieses habe nach den insoweit unstreitigen Werbeaussagen kraftsteigernde
und muskelaufbauende Wirkung und sei ebenfalls unstreitig ein Energieliefe-
rant für eine kurzzeitige anaerobe Muskelleistung. Nach der Mitteilung des
Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin
vom 21. April 1998 solle es als Sportlernahrung in Betracht kommen, wenn es
mit einer präzisen, restriktiven Verzehrempfehlung von maximal 10 g pro Tag
als Initialdosis in der ersten Woche und danach maximal 2 g pro Tag als Er-
haltungsdosis für insgesamt nur wenige Wochen in den Verkehr gebracht wer-
de. Das Produkt der Beklagten enthalte in der Werbung schon keine restriktive
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Verzehrempfehlung und nehme damit allein Bezug auf die allgemeine Ver-
braucherhaltung, nach der in nicht wenigen Fällen Sportler Tagesdosen von
30 g und damit in einem pharmakologisch relevanten Umfang zu sich nähmen.
Nach den Verzehrangaben auf dem Produkt der Beklagten selbst sollten sogar
in den ersten fünf Einnahmetagen rund 160 g pro Tag und danach dauerhaft
über mehrere Monate je nach Körpergewicht 40 bis 80 g pro Tag eingenommen
werden.
Nach diesen von der Revision unangegriffenen Feststellungen ist die
vom Berufungsgericht vorgenommene Einordnung des Mittels "C." aus Rechts-
gründen nicht zu beanstanden. Zwar weist eine muskelaufbauende Wirkung
nicht stets und zwangsläufig auf einen arzneilichen Anwendungszweck hin;
denn es kann sich auch um ein Mittel zur Befriedigung besonderer, die phy-
siologischen Bedürfnisse einer speziellen Personengruppe berücksichtigenden
Ernährungserfordernisse und damit um ein diätetisches Lebensmittel handeln.
Nach den von der Beklagten auf ihrem Produkt gemachten Verzehrangaben
geht es jedoch, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht mehr
um einen Ausgleich der durch Körperanstrengung verbrauchten Nährstoffe und
Stoffwechselprodukte, sondern allein um eine mit Gesundheitsgefahren ver-
bundene pharmakologische Manipulation des Stoffwechsels zur Leistungsstei-
gerung.
cc) Hinsichtlich des Produkts "V." hat das Berufungsgericht festgestellt,
dieses solle nach den insoweit unstreitigen Werbeangaben der Beklagten in
einer empfohlenen Wirkstoffdosis von 60 mg pro Tag wie Insulin das Muskel-
wachstum deutlich fördern, indem es die Nährstoffaufnahme der Muskeln durch
Stimulierung der Insulinrezeptoren extrem (bis zu 200 %) steigere. Nach dem
Vortrag der Beklagten selbst könne jedoch gemäß dem gegenwärtigen Stand
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der wissenschaftlichen Erkenntnis nur eine Zufuhr dieses Wirkstoffs von bis zu
26 mg täglich als sinnvoll angesehen werden; daher gehe die Verzehrempfeh-
lung der Beklagten um über 100 % über das allenfalls physiologisch Sinnvolle
hinaus. Damit bleibe als überwiegender Zweck eine pharmakologische Mani-
pulation des menschlichen Körpers in Form der extremen Steigerung der Nähr-
stoffaufnahme der Muskelzellen, wobei auch insoweit Gesundheitsgefahren
drohten.
Nach diesen - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststel-
lungen des Berufungsgerichts stellt sich auch die vom Berufungsgericht vorge-
nommene Einordnung des Mittels "V." als Arzneimittel i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 5
AMG als rechtlich zutreffend dar.
d) Das Berufungsgericht ist ferner ohne Rechtsfehler davon ausgegan-
gen, daß die in Rede stehenden drei Produkte der Beklagten in den von dieser
für ihre Anwendung jeweils vorgeschlagenen Dosierungen, die auch Gegen-
stand des Klageantrags bzw. - bei dem Mittel "C." - Hilfsantrags sind, pharma-
kologische Wirkungen haben. Es ist dabei von zutreffenden rechtlichen Grund-
sätzen ausgegangen. Ebensowenig läßt die Beurteilung, eine pharmakologi-
sche Wirkung liege vor, wenn die Wirkungen eines Produkts über dasjenige
hinausgingen, was physiologisch auch mit der Nahrungsaufnahme im mensch-
lichen Körper ausgelöst werde, sowie die maßgeblich auf die von der Revision
nicht angegriffene Annahme, daß die Wirkungen der Produkte der Beklagten
deren Werbeaussagen entsprachen, gestützte Anwendung dieser Grundsätze
Rechtsfehler erkennen.
e) Das Berufungsgericht war entgegen der Auffassung der Revision
nicht gehalten, sich zur Feststellung der für die Einordnung als Arzneimittel
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oder Lebensmittel maßgeblichen überwiegenden Zweckbestimmung sachver-
ständiger Hilfe zu bedienen, sondern konnte die erforderlichen Feststellungen
aus eigener Sachkunde treffen.
Das Berufungsgericht hat - von der Revision unbeanstandet - festge-
stellt, daß die Zeitschrift "S." sich nach Aufmachung und Inhalt an Fitneß- und
Kraftsportler vom Freizeit- bis zum Hochleistungsbereich wende. Es hat weiter-
hin ausgeführt, daß auch seine Mitglieder zu den Verbrauchern und insbeson-
dere den Sporttreibenden gehörten, auf deren Verkehrsanschauung es bei der
Zweckbestimmung ankomme. Damit hat das Berufungsgericht auch ohne Dar-
legungen dazu, daß mindestens eines seiner Mitglieder Bodybuilding oder Fit-
neß- bzw. Kraftsport zumindest im Freizeitbereich betreibt, hinreichend darge-
stellt, daß es die für die Zweckbestimmung der Produkte und damit für deren
Einordnung als Arznei- oder Lebensmittel maßgebliche Verkehrsanschauung
aufgrund eigener Sachkunde beurteilen konnte. Soweit die Revision dem ent-
gegenhält, die Beklagte habe mit der Berufung unter Beweisantritt vorgetragen,
daß Sportler und insbesondere Kraftsportler als angesprochene Verkehrskreise
über detaillierteres und anspruchsvolleres Ernährungswissen verfügten als der
durchschnittliche Verbraucher, führt sie nicht aus, inwiefern sich daraus eine
unterschiedliche Zweckbestimmung der Produkte ergeben sollte.
Das Berufungsgericht konnte, anders als die Revision meint, die phar-
makologischen Eigenschaften der in Rede stehenden Produkte, wie sie sich
aufgrund ihrer Präsentation durch die Beklagte darstellten, auch ohne Hinzu-
ziehung eines Sachverständigen beurteilen. Die Produkte wiesen, wie vorste-
hend dargestellt ist, nach den an unstreitige Sachverhalte anknüpfenden und
von der Revision im übrigen auch unangegriffenen Feststellungen des Beru-
fungsgerichts die ihnen zugeschriebenen Wirkungen tatsächlich auf. Danach
- 23 -
erscheint es ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, zu denen die Revisi-
on indes nichts geltend gemacht hat, als ausgeschlossen, daß die Auffassung
der Fachkreise oder der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft
die Verkehrsanschauung derart prägen konnte, daß sich die Mittel entgegen
ihrer ihren Eigenschaften entsprechenden Präsentation als Lebensmittel dar-
stellten.
3. Der im Streitfall aufgrund des Sitzes der Beklagten in den Niederlan-
den und des grenzüberschreitenden Versandhandels gegebene Auslandsbe-
zug macht die weitere Prüfung erforderlich, ob das Vertriebs- und Werbeverbot
auch die aus einem Mitgliedstaat der EU eingeführten Präparate erfaßt, wenn
diese im Herkunftsland keiner Zulassung (als Arzneimittel) unterliegen bzw.
dort als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig und frei verkäuflich sind. Die
Frage ist zu bejahen.
Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur
Zulassung oder zur Registrierung unterliegen, in den Geltungsbereich dieses
Gesetzes nur verbracht werden, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen
(vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AMG - zum Verkehr im Geltungsbereich
dieses Gesetzes zugelassen oder registriert oder entsprechend freigestellt
sind. Diese Regelung entspricht im Ausgangspunkt der Zulassungspflicht in
§ 21 AMG für inländische Arzneimittel und dient dem Zweck, grundsätzlich be-
reits die Einfuhr von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln zu ver-
hindern (vgl. Ratzel in: Deutsch/Lippert, AMG 2001 § 73 Rdn. 1).
Die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG greift hier nicht ein.
Danach gilt das in § 73 Abs. 1 Satz 1 AMG für zulassungs- oder registrie-
rungspflichtige ausländische Arzneimittel enthaltene grundsätzliche Verbrin-
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gungsverbot nicht für solche Arzneimittel, die im Herkunftsland in Verkehr ge-
bracht werden dürfen und ohne gewerbs- oder berufsmäßige Vermittlung in
einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge aus einem
Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem anderen Vertrags-
staat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum bezogen wer-
den. Die Bestimmung will - entgegen ihrem scheinbar weiterreichenden und
insoweit auf den Umstand, daß in manchen Vertragsstaaten des europäischen
Wirtschaftsraums für Arzneimittel kein Zulassungs-, sondern lediglich ein Regi-
strierungsverfahren besteht, zurückzuführenden Wortlaut (vgl. Klados, WRP
2001, 1058, 1059) - nur solche Mittel vom Verbringungsverbot nach § 73
Abs. 1 Satz 1 AMG ausnehmen, die im Ausland als Arzneimittel in Verkehr ge-
bracht werden dürfen (OLG Karlsruhe OLG-Rep 1999, 325, 326 = ZLR 1999,
630; Lüder, EuZW 1995, 87; Ernst, WRP 2001, 893, 894; Klados aaO; Kloe-
sel/Cyran aaO § 73 AMG Anm. 17a). Das folgt namentlich aus der Entste-
hungsgeschichte der Vorschrift, die im Hinblick auf die Entscheidungen des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen "Schu-
macher" (Urt. v. 7.3.1989 - Rs. 215/87, Slg. 1989, 617, 640 Tz. 20 = NJW
1989, 2185) und "Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland" (Urt. v.
8.4.1992 - Rs. C-62/90, Slg. 1992, I-2575, 2607 f. Tz. 17, 18) nachträglich in
das Arzneimittelgesetz eingefügt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften hat die in diesen beiden Entscheidungen jeweils getroffene
Feststellung der Unvereinbarkeit der innerstaatlichen Maßnahmen mit dem
Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß Art. 28, 30 EG maßgeblich damit
begründet, daß der Kauf eines Arzneimittels in einer Apotheke eines anderen
Mitgliedstaates bzw. die Verschreibung eines Arzneimittels durch einen Arzt in
einem anderen Mitgliedstaat eine Garantie bilde, die aufgrund des bislang er-
reichten Harmonisierungsstandes derjenigen gleichwertig sei, die auf der Ab-
gabe des Arzneimittels durch eine Apotheke bzw. der Verschreibung des Mit-
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tels durch einen Arzt im Einfuhrstaat beruhe. Handelt es sich dagegen - wie im
Streitfall - nicht um in einem anderen Mitgliedstaat verkehrsfähige Arzneimittel,
sondern um dort frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel, die keiner arz-
neimittelrechtlichen Zulassung oder Registrierung bedürfen, fehlt es an einer
tragfähigen Grundlage, die Mittel, die im Ausland kein entsprechendes Prü-
fungsverfahren durchlaufen haben, als gleichwertig mit im Inland zugelassenen
Arzneimitteln anzusehen.
Das damit eingreifende Verbringungsverbot nach § 73 Abs. 1 Satz 1
AMG sowie das ebenfalls an die fehlende Arzneimittelzulassung im Inland an-
knüpfende Werbeverbot nach § 3a HWG sind, soweit sie mengenmäßige Ein-
fuhrbeschränkungen oder gleichwirkende Maßnahmen im Sinne des Art. 28 EG
darstellen, nach § 30 EG gerechtfertigt, weil sie zum Schutze der Gesundheit
und des Lebens von Menschen notwendig sind. Nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften liegt es beim gegenwärtigen
Stand der Harmonisierung grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Mit-
gliedstaaten, in den Grenzen des EG-Vertrages zu bestimmen, in welchem
Umfang sie diesen Schutz gewähren wollen; dabei steht ihnen ein relativ weiter
Ermessensspielraum zu (EuGH, Urt. v. 30.11.1983 - Rs. 227/82, Slg. 1983,
3883, 3905 Tz. 37 - van Bennekom; EuGH Slg. 1991, I-1487, 1534 Tz. 29, 35,
43 - Delattre; Slg. 1991, I-1547, 1568 Tz. 28 - Monteil und Samanni; Slg. 1991,
I-1703, 1742 Tz. 23 - Upjohn).
4. Die Revision rügt schließlich ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe
verkannt, daß der Bundesgesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie
97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über
den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. Nr.
L 144, S. 19 - Fernabsatzrichtlinie) keinen Gebrauch von der dort in Art. 14
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vorgesehenen Möglichkeit gemacht habe, den grenzüberschreitenden Fernab-
satz durch den Erlaß oder die Aufrechterhaltung strengerer nationaler Bestim-
mungen weiteren Anforderungen zu unterwerfen, um so für die Verbraucher ein
höheres Schutzniveau sicherzustellen. Sie läßt hierbei die in § 2 Abs. 1 Satz 3
FernAbsG a.F. und entsprechend - für nach dem 1. Januar 2002 entstandene
Schuldverhältnisse - nunmehr in § 312c Abs. 4 BGB enthaltene Regelung au-
ßer Betracht. Danach bleiben weitergehende Beschränkungen bei der Verwen-
dung von Fernkommunikationsmitteln aufgrund anderer Vorschriften unberührt.
Hieraus ist zu entnehmen, daß im Interesse des Schutzes der Verbraucher be-
stehende anderweitige Beschränkungen der Unternehmer - wie hier nach § 1
UWG i.V. mit §§ 2, 21, 73 AMG sowie § 3a HWG - aufrechterhalten bleiben
(vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Fernabsatzgesetzes, BT-
Drucks. 14/2658, S. 25-26 und S. 37-38). Dies entspricht im übrigen dem
Grundsatz im deutschen Recht, daß ein spezielleres Gesetz einem allgemeine-
ren regelmäßig auch dann vorgeht, wenn es zeitlich vor diesem erlassen wor-
den ist (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/2658, S. 29).
5. Der Verstoß gegen die wertbezogenen Bestimmungen der §§ 2, 21
AMG, § 3a HWG, die dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dienen,
begründet grundsätzlich zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG, wobei der
Eingriff auch als wesentliche Beeinträchtigung i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG
zu werten ist.
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III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann
Starck
Bornkamm
Büscher
Schaffert