Urteil des BGH vom 26.08.2009

BGH (stgb, stpo, strafkammer, nachprüfung, unterbringung, verletzung, anordnung, vergewaltigung, ergebnis, nachteil)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 274/09
vom
26. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Vergewaltigung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. August 2009 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Bonn vom 21. Januar 2009 mit den Fest-
stellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über
die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in ei-
ner Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, ver-
suchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen gefähr-
licher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision,
mit der er allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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1. Soweit der Angeklagte die Verletzung formellen Rechts beanstandet,
ist die Rüge mangels Begründung unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
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2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat zum Schuld-
spruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfeh-
ler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Gesamtstrafenausspruch
hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Der Senat braucht nicht zu ent-
scheiden, ob das Landgericht eine von der Vorverurteilung vom 21. Juni 2007
ausgehende Zäsurwirkung übergangen hat. Dies kommt in Betracht, weil die
unter Ziffer III. 1 der Urteilsgründe abgeurteilte Tat "im Sommer 2007" began-
gen worden ist. Durch einen Verstoß gegen § 55 Abs. 1 StGB wäre der Ange-
klagte nicht beschwert. Denn neben die Einzelstrafe von einem Jahr und neun
Monaten für die genannte Tat träte eine aus den beiden weiteren Einzelstrafen
von je zwei Jahren zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe.
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Die Revision hat jedoch insoweit Erfolg, als das Landgericht es unterlas-
sen hat zu prüfen, ob der Angeklagte gemäß § 64 StGB in einer Entziehungs-
anstalt unterzubringen ist.
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Nach den Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte wiederholt wegen Be-
täubungsmitteldelikten vorbestraft. Bei einer sich unmittelbar an eine Gewalttat
anschließenden Trunkenheitsfahrt im September 2006 wies der Angeklagte ei-
ne Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,16 ‰ auf. Auch bei Begehung
der vorliegenden Taten war der Angeklagte erheblich alkoholisiert, so dass die
Strafkammer bei allen drei Taten zu Gunsten des Angeklagten von einer erheb-
lichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB aus-
gegangen ist; das Landgericht spricht selbst von einer "festgestellten Neigung
zu erheblichem Alkoholkonsum" (UA 28).
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Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausge-
führt hat, drängt sich im Hinblick auf diese Feststellungen die Frage auf, ob bei
dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB vorliegt.
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Dies wird das Landgericht - sachverständig beraten (§ 246 a StPO) -
zu prüfen haben, bejahendenfalls auch die weiteren Voraussetzungen des § 64
StGB, insbesondere das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs.
Insoweit weist der Senat darauf hin, dass ein solcher Zusammenhang auch
dann zu bejahen ist, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu bei-
getragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen
hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besor-
gen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78 f.; Beschlüsse vom 19. Mai 2009 – 3 StR
191/09 und 9. Juni 2009 – 4 StR 164/09).
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Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung
der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGHSt 37, 5, 7;
BGH NStZ-RR 2009, 59). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht
vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
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Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Un-
terbringung auf niedrigere Strafen erkannt hätte.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Cierniak Schmitt