Urteil des BGH vom 18.10.2004

BGH (antragsteller, vermögensverfall, gefährdung, zulassung, zpo, beschwerde, rechtsanwaltschaft, stgb, ehefrau, bargeld)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 70/03
vom
18. Oktober 2004
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Dr. Ernemann, die
Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt und Dr. Kieserling sowie die Rechtsanwältin
Kappelhoff am 18. Oktober 2004 nach mündlicher Verhandlung
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom
7. August 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-
nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
Gründe:
1. Der Antragsteller ist seit 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sei-
ne Zulassung ist mit Beschluß der Antragsgegnerin vom 26. August 2002 we-
gen Vermögensverfalls widerrufen worden. Den Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen dessen Be-
schluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
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2. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO), bleibt jedoch in
der Sache ohne Erfolg.
a) Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof die Voraussetzungen des Wider-
rufsgrundes des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bejaht. Der Antragsteller war zum
maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung wegen Haftanordnungen nach
§ 901 ZPO im Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen; die Eintragung
besteht fort. Der danach gesetzlich vermutete Vermögensverfall wird vom An-
tragsteller nicht in Abrede gestellt. Nachdem sich seine bei Stellung des An-
trags auf gerichtliche Entscheidung noch geäußerten Hoffnungen auf Erholung
der bestehenden - nach seinen Angaben durch Insolvenz wesentlicher Mandan-
ten verursachten - wirtschaftlichen Schwierigkeiten eingestandenermaßen nicht
erfüllt haben, macht er eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nicht
geltend. Von einer vollständigen Offenbarung seiner gesamten Vermögenssi-
tuation hat er danach selbst ansatzweise abgesehen.
b) Bei der gegebenen Sachlage ist aber auch der Versuch des Antragstel-
lers zum Scheitern verurteilt, einen - nur bei Vorliegen seltener Gegebenheiten
anzunehmenden (vgl. die gleichfalls ablehnenden Senatsbeschlüsse vom
14. Juli 2003 - AnwZ(B) 61/02 - und vom 12. Januar 2004 -AnwZ(B) 17/03) -
Ausnahmefall zu belegen, in dem eine Gefährdung der Rechtsuchenden durch
den Vermögensverfall nicht eingetreten wäre. Der Anwaltsgerichtshof hat in
dem angefochtenen Beschluß zutreffend ausgeführt, daß eine Tätigkeitsaus-
richtung auf Mandate ohne Fremdgeldzugriff als nicht kontrollierbare, jederzeit
aufgebbare - zudem eingestandenermaßen nicht einmal ausnahmslos durch-
gehaltene - Selbstbeschränkung hierfür nicht ausreicht. Angesichts der nicht
ausschließbaren Möglichkeit der Hereinnahme von Schecks oder Bargeld be-
seitigt selbst die jetzt vorgetragene Nichtunterhaltung jeglicher eigener Konten
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(vgl. i.ü. § 4 Abs. 1 BORA) und die für sich nicht unbedenkliche Nutzung von
Konten seiner Ehefrau im Rahmen der Anwaltstätigkeit eine Gefährdung der
Rechtsuchenden nicht hinreichend sicher.
Bei dieser Ausgangssituation kommt ein Ausschluß der Gefährdung der
Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers nicht in Be-
tracht. Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch
die krisenbedingte rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers wegen eines
Vergehens nach § 266a StGB nicht aus dem Blick verloren, welche die Annah-
me eines ganz besonders günstig zu beurteilenden Ausnahmefalles nicht eben
nahelegt. Es kommt hinzu, daß das Unterlassen einer Gesamtdarstellung der
Vermögenssituation des Antragstellers einem vollständigen Überblick über den
Umfang seiner derzeitigen Anwaltstätigkeit entgegensteht, der eine zuverlässi-
gere Einschätzung der damit einhergehenden Gefährdungssignale erlauben
würde. Auch jenseits davon kann angesichts dessen, daß der Widerrufsgrund
des Vermögensverfalls schuldunabhängig ist, und vor dem Hintergrund der
hierbei generell gegebenen Gefährdungsmomente aus dem Hinweis auf eine
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bislang untadelige Berufsausübung des Antragstellers und aus seiner Zusiche-
rung bester Absichten beim künftigen Umgang mit Fremdgeldern kein tragfähi-
ger Grund für ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Zulassung ent-
nommen werden.
Deppert Basdof Ganter Ernemann
Salditt Kieserling Kappelhoff