Urteil des BGH vom 08.02.2007
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 148/06
Verkündet
am:
8. Februar 2007
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 666, 667, § 675 Abs. 1; BDSG § 28 Abs. 1
Zur Frage, inwieweit ein Geschäftsbesorger, der es übernommen hat,
eine Ferienwohnung im Namen und für Rechnung des Eigentümers an
Feriengäste zu vermieten, sich auf ein eigenes Geheimhaltungsinteresse
und auf datenschutzrechtliche Belange der Mieter berufen kann, wenn
der Eigentümer Namen und Anschriften der Mieter erfahren möchte.
BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 - III ZR 148/06 - LG Aurich
AG
Emden
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dörr
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer
des Landgerichts Aurich vom 19. Mai 2006 wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass der Kläger die durch die Anrufung des un-
zuständigen Amtsgerichts Wolgast entstandenen Mehrkosten zu
tragen hat.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer einer Ferienwohnung auf der Insel U. .
Er schloss am 4. September 1995 mit der Beklagten einen "Vermietungs-Ver-
mittlungsvertrag", in dem sich die Beklagte verpflichtete, als Vermittler "im Na-
men und für Rechnung des Vermieters" Zeitmietverträge mit Feriengästen ab-
zuschließen. Nach dem Vertrag erhält die Beklagte ein Honorar von 20 v.H. der
Bruttomiete, das sie von den an sie gezahlten Mieten einbehalten darf. Sie ist
nach dem Vertrag zu regelmäßigen Abrechnungen verpflichtet.
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Im Jahr 2003 verlangte der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum
von 2000 bis 2003 Mitteilung der Namen und Anschriften der Mieter sowie Vor-
lage der entsprechenden Mietverträge. Die Beklagte übersandte ihm daraufhin
Kopien der Mietverträge, in denen die Anschriften der Mieter unkenntlich ge-
macht waren.
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Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger sein Begehren erstinstanzlich
auf das Jahr 2004 erstreckt. Die Beklagte hat ihre Auskunfts- und Herausgabe-
pflicht für das Jahr 2004 in Bezug auf die Namen der Mieter anerkannt. Hier-
über hat das Amtsgericht durch Teilanerkenntnisurteil entschieden; in seinem
Schlussurteil hat es einen Anspruch des Klägers auf Bekanntgabe der Mieter-
anschriften und Herausgabe der Originalmietverträge verneint. Auf die Berufung
hat das Landgericht der Klage entsprochen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zu-
gelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
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1.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger nach
§ 666 BGB die begehrte Auskunft und nach § 667 BGB die Herausgabe der
Mietverträge auf der Grundlage des mit der Beklagten geschlossenen Vermie-
tungs-Vermittlungsvertrags verlangen kann. Dieser Vertrag ist - wie auch die
Revision nicht in Abrede stellt - als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag im
Sinne des § 675 Abs. 1 BGB anzusehen, auf den die genannten auftragsrecht-
lichen Vorschriften entsprechende Anwendung finden.
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2.
a) Das gilt zum einen für die Pflicht des Geschäftsbesorgers/Beauf-
tragten, dem Geschäftsherrn/Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu
geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und
nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Diese weit gefass-
ten Informationspflichten des Beauftragten, die damit zu erklären sind, dass er
seine Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers ausübt, schließen bei einem
Vertrag, der darauf gerichtet ist, dass der Beauftragte im Namen des Auftrag-
gebers und für dessen Rechnung Zeitmietverträge mit Feriengästen abschließt,
auch die Pflicht ein, den Auftraggeber im Sinne der zweiten Variante des § 666
BGB Namen und Anschriften der Gäste mitzuteilen. Dabei genügt das allge-
meine Interesse des Klägers, die Tätigkeit der Beklagten, gegebenenfalls durch
Nachfrage bei den Mietern, zu kontrollieren und gegenüber den Finanzbehör-
den belegen zu können, dass nach § 14 UStG ordnungsgemäße Rechnungen,
die unter anderem den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des
leistenden Unternehmens und des Leistungsempfängers enthalten müssen,
erteilt worden sind. In Abschnitt 183 Abs. 3 Satz 7 UStR 2005 ist nunmehr aus-
drücklich geregelt, dass der Unternehmer - wie hier der Kläger - sicherzustellen
hat, dass der von ihm eingeschaltete Dritte die Rechnungsstellung unter Beach-
tung der formalen Voraussetzungen des § 14 UStG vornimmt. Der Kläger muss
sich insoweit für sein eigenes Besteuerungsverfahren nicht darauf verweisen
lassen, dass die Finanzbehörden die erforderlichen Auskünfte von Dritten nach
§ 93 AO einholen könnten, hier der Beklagten, die im Übrigen auch insoweit nur
unter der Bedingung zu Auskünften bereit ist, dass die Finanzbehörden sie dem
Kläger vorenthalten. Die Auskunftspflicht der Beklagten setzt nicht voraus, dass
der Kläger die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benö-
tigt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 - XI ZR 183/00 - NJW 2001, 1486).
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b) Die Revision ist der Auffassung, die Beklagte habe ein legitimes Ge-
heimhaltungsinteresse, die begehrten Informationen zurückzuhalten. Denn die
Parteien könnten sehr leicht und sehr schnell in ein unmittelbares oder mittelba-
res Wettbewerbsverhältnis geraten, wenn der Kläger nach Vertragskündigung
seine Ferienwohnung selbst vermiete oder die Anschriften einem anderen Un-
ternehmen, etwa einer früheren Mitarbeiterin der Beklagten, überlasse.
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Dem ist nicht zu folgen. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass der An-
spruch auf Rechenschaftslegung nach § 259 BGB durch Geheimhaltungsinte-
ressen des Schuldners oder Dritter eingeschränkt sein kann, was insbesondere
in Betracht kommt, wenn Schuldner und Gläubiger in einem Wettbewerbs-
verhältnis zueinander stehen (vgl. Krüger, in: MünchKomm-BGB, 4. Aufl. 2003,
§ 259 Rn. 29 bis 31 m. Nachw. aus der Rspr.). Auch aus dem Grundsatz von
Treu und Glauben können sich Schranken der Auskunftspflicht ergeben. Ent-
scheidend ist jedoch, dass Inhalt und Grenzen der Auskunftspflicht auf das zwi-
schen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis bezogen werden. Insoweit
lässt der Vermietungs-Vermittlungsvertrag für das Interesse der Beklagten, dem
Kläger die begehrten Informationen vorzuenthalten, keinen Raum. Im Gegen-
teil: Der Vertrag sieht ausdrücklich vor, dass die Vermietung durch den Vermitt-
ler im Namen und für Rechnung des Vermieters erfolgt. Hält sich die Beklagte
an diese vertragliche Regelung, dann entstehen vertragliche Beziehungen des
Klägers als Vermieters zu den Feriengästen als Mieter. Deutlicher kann nicht
zum Ausdruck kommen, dass der Kläger "Herr des Geschäfts" ist. Daran ändert
sich nichts dadurch, dass die Beklagte weitgehend mit der Abwicklung der Ver-
träge beauftragt und der Kläger in diesem Umfang der Pflicht enthoben ist, sich
um die Pflege und Verfügbarkeit seiner Eigentumswohnung zum Zwecke der
Vermietung an Feriengäste zu kümmern. Dass sich die Beklagte - im Interesse
beider Vertragsparteien - auch dazu verpflichtet hat, durch Werbemaßnahmen
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die Vermietung zu fördern, berechtigt sie nicht, dem Kläger als dem nach dem
Vermietungs-Vermittlungsvertrag vorgesehenen Vertragspartner Informationen
über die Identität der Feriengäste vorzuenthalten. Da es sich nicht um ihre ei-
gene Wohnung handelt, auch nicht um eine an sie zur Weitervermietung über-
lassene Wohnung, wie sie im Verfahren vor dem unzuständigen Amtsgericht
Wolgast vorgetragen hat, steht ihr kein Recht zu, aus der für den Kläger vorzu-
nehmenden Geschäftsbesorgung ein eigenes Geschäft zu machen. Wäre es
daher für sie wichtig gewesen, die Namen und Anschriften der Feriengäste für
sich zu behalten, hätte sie dies mit dem Kläger vereinbaren müssen.
c) Es bestehen auch keine datenschutzrechtlichen Gründe, dem Kläger
die begehrten Auskünfte wegen eines Interesses der Mieter zu verweigern.
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aa) Das Berufungsgericht hat insoweit offen gelassen, ob die Mietverträ-
ge - wie nach dem Vermietungs-Vermittlungsvertrag vorgesehen - zwischen
dem Kläger und den Feriengästen oder, wie die Beklagte hauptsächlich geltend
gemacht hat, zwischen ihr und den Feriengästen zustande gekommen sind. Für
den ersten Fall hat das Berufungsgericht die Weitergabe der Daten an den Klä-
ger für bedenkenfrei gehalten. Habe sich die Beklagte demgegenüber vertrags-
untreu verhalten, wäre es unbillig, wenn sie sich hierauf gegenüber dem Kläger
berufen dürfe. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
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bb) Geht man davon aus, die Mietverträge seien zwischen dem Kläger
und den Mietern zustande gekommen, weil die Beklagte ihre Rolle als Vertreter
offen gelegt hätte, dürfte der Kläger nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG die
Namen und Anschriften der Mieter als Mittel für die Erfüllung eigener Ge-
schäftszwecke erheben und speichern, weil es der Zweckbestimmung dieser
Vertragsbeziehung zu den Mietern dienen würde. Ob dies anders zu sehen ist,
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weil die Beklagte als verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG die
hier in Rede stehenden personenbezogenen Daten im Rahmen ihrer Vertrags-
beziehung zum Kläger erhebt, kann offen bleiben. Selbst wenn hier § 28 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 BDSG nicht anwendbar sein sollte, wäre die Erhebung und Über-
mittlung der Daten jedenfalls nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG unbedenk-
lich. Denn sie ist objektiv zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen, die in der
Vermietung der Ferienwohnung und der Abwicklung der einzelnen Mietverhält-
nisse sowie in der Erfüllung der Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gegen-
über dem Kläger bestehen, erforderlich; darüber hinaus besteht, was hinzu-
kommen muss, kein Grund zu der Annahme, dass das schutzwürdige Interesse
des Mieters an einem Unterbleiben der angeführten Erhebung und Übermittlung
von Daten an den Kläger als seinen Vertragspartner überwiegt.
cc) Hat die Beklagte mit den Feriengästen Mietverträge abgeschlossen,
ohne ihre Vertreterstellung offen zu legen, ist es zu keinen vertraglichen Bezie-
hungen der Feriengäste mit dem Kläger gekommen. Hierauf deuten etwa die
mit Schriftsatz vom 21. Juni 2004 vorgelegten Buchungsbestätigungen der Be-
klagten hin, die von den Mietern gegengezeichnet worden sind und keinen Hin-
weis auf eine dritte Person als Vertragspartner enthalten. In einer solchen
Konstellation ist die Erhebung der Mieterdaten durch die Beklagte als Mittel für
die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, weil es der Zweckbestimmung
der mit den Feriengästen geschlossenen Mietverträge dient (§ 28 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BDSG). Aber auch in dieser Konstellation ist die Übermittlung, wenn sie
nicht bereits durch diese Vorschrift gedeckt sein sollte, jedenfalls im Sinne des
§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zur Wahrung der berechtigten Interessen der
Beklagten erforderlich. Denn sie ist vertraglich mit dem Kläger verbunden, und
die Revision stellt nicht in Abrede, dass die Beklagte die Daten auch deshalb
erhebt, um ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Vermietungs-Vermitt-
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lungsvertrag nachzukommen. Insoweit sind von ihr die Zwecke, für die Daten
verarbeitet oder genutzt werden sollen, bei der Erhebung konkret festgelegt,
wie dies von § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG gefordert wird. Nach Auffassung des
Senats überwiegt auch in dieser Konstellation nicht das Interesse des Mieters,
dass eine Übermittlung seiner Daten an den Kläger unterbleibt. Zwar könnte
man einwenden, der Mieter habe grundsätzlich kein Interesse daran, dass ein
Dritter, mit dem er vertraglich nicht verbunden sei, seinen Namen und seine
Anschrift erfahre. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch dann, wenn der
Mietvertrag keinen Hinweis auf einen Eigentümer enthält, sich bei einer Ferien-
wohnanlage der Umstand aufdrängt, dass die Interessen der Eigentümer bei
der Nutzung der Ferienwohnungen berührt sind. Es kommt für die erforderliche
Abwägung hinzu, dass es hier lediglich um ein Minimum von Daten geht, das
erforderlich ist, um die Person des jeweiligen Mieters zu identifizieren.
3.
Die Beklagte ist auch nach § 667 i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB zur Heraus-
gabe der entsprechenden Mietverträge verpflichtet. Zu den nach § 667 BGB
herauszugebenden Unterlagen, die der Beauftragte aus der Geschäftsbesor-
gung erlangt hat, gehört der gesamte drittgerichtete Schriftverkehr, den dieser
für seinen Auftraggeber erhalten und geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Fe-
bruar 1988 - IVa ZR 262/86 - NJW 1988, 2607; Senatsurteil BGHZ 109, 260,
264 f; Urteil vom 11. März 2004 - IX ZR 178/03 - NJW-RR 2004, 1290). Dass
hierzu gerade die mit den Feriengästen abgeschlossenen Mietverträge gehö-
ren, wird auch von der Revision, die lediglich eine Auskunftspflicht der Beklag-
ten in Frage gestellt hat, nicht bezweifelt. Gründe, die der Herausgabepflicht
entgegenstehen, sind angesichts des Bestehens der Auskunftspflicht auch nicht
ersichtlich.
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4.
Soweit das Berufungsgericht der Beklagten auch die Kosten für den Teil
des Streitstoffs auferlegt hat, der durch das Teilanerkenntnisurteil erledigt wor-
den ist, ist das Berufungsurteil einer Anfechtung entzogen. Denn gegen die im
Berufungsverfahren ergangene Entscheidung des Landgerichts ist weder die
sofortige Beschwerde zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO) noch die Rechtsbeschwerde
zugelassen worden. Insoweit gilt für die Anfechtung einer Kostenentscheidung
nach § 93 ZPO nichts anderes als in den Fällen, in denen mit der - auch unein-
geschränkt zugelassenen - Revision neben der Entscheidung zur Hauptsache
eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zur Überprüfung gestellt wird (vgl.
insoweit BGHZ 107, 315, 317 f.; BGH, Urteil vom 7. März 2001 - X ZR 176/99 -
GRUR 2001, 770, 771).
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Die Kostenentscheidung hat der Senat allerdings mit Rücksicht auf § 281
Abs. 3 Satz 2 ZPO korrigiert.
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Schlick Wurm Streck
Kapsa
Dörr
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 22.11.2005 - 5 C 795/04 II -
LG Aurich, Entscheidung vom 19.05.2006 - 1 S 325/05 -