Urteil des BGH vom 06.05.2014

BGH: persönlichkeitsstörung, diagnose, icd, unterbringung, erpressung, wohnung, könig, gesamtstrafe, geldstrafe, therapie

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 S t R 1 6 8 / 1 4
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2014 beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den Stand vor
Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 7. November 2013
gewährt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil
nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenaus-
spruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer
Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätz-
licher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sieben Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Be-
schlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349
Abs. 2 StPO).
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1. Nach den Feststellungen suchte der zum Tatzeitpunkt 39 Jahre alte,
vielfach auch wegen Körperverletzungsdelikten vorbestrafte Angeklagte am
27. Dezember 2011 die Wohnung seiner Eltern auf und forderte von seiner Mut-
ter u.a. die sofortige Herausgabe von 50 Euro. Als seine Mutter ihm daraufhin
mitteilte, dass sie den geforderten Betrag nicht im Hause habe, schlug er un-
vermittelt mit der Faust auf sie ein und trieb sie unter weiteren heftigen Faust-
schlägen durch die Wohnung. Dabei wiederholte er mehrfach seine Geldforde-
rung. Als der schwerbehinderte Vater des Angeklagten versuchte, seiner Ehe-
frau zu helfen, schlug der Angeklagte ihm mehrfach auf den Kopf. Die Mutter
des Angeklagten erlitt durch die Gewaltanwendungen erhebliche Verletzungen,
u.a. ein subdurales Hämatom, eine Nasenbein- und eine Rippenfraktur, wäh-
rend sein Vater keine behandlungsbedürftigen Verletzungen davontrug.
Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass
der Angeklagte an einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional
instabilen narzisstischen Anteilen (ICD-10: F 61) sowie multiplem Substanzge-
brauch (ICD-10: F 19.1)
“ leidet und zum Zeitpunkt der Taten in seiner Steue-
rungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Es hat die Prognose gestellt, dass
der Angeklagte ohne Therapie aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung auch
künftig „gewalttätige Straftaten von erheblichem Umfang“ (UA S. 13) begehen
werde, und ihn deshalb nach § 63 StGB untergebracht.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht
stand.
a) Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststel-
lungen nicht hinreichend belegt. Die Anordnung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung,
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weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des
Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Diesen Anforderungen genügt
das angefochtene Urteil nicht.
Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte an einer kombinier-
ten Persönlichkeitsstörung leide, findet in den Urteilsgründen keine Stütze. Das
Urteil teilt schon nicht mit, ob es damit der Diagnose des eher beiläufig erwähn-
ten Sachverständigen folgt. Es werden auch keinerlei Anknüpfungs- und Be-
fundtatsachen des Sachverständigen wiedergegeben, die es dem Senat ermög-
lichen würden, die gestellte Diagnose nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschluss
vom 28. Oktober 2008
– 5 StR 397/08, NStZ-RR 2009, 45; Urteil vom 19. Feb-
ruar 2008
– 5 StR 599/07). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Ange-
klagte mit ähnlichen Diagnosen bereits mehrfach stationär psychiatrisch behan-
delt wurde. Schließlich ist auch zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfeh-
lerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer kombinier-
ten Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10: F 61 führe ohne weiteres zur An-
nahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB.
Denn das Urteil nimmt insoweit keinerlei wertende Betrachtung des Schwere-
grads der Störung und ihrer Tatrelevanz vor (vgl. BGH, Beschluss vom 19. De-
zember 2012
– 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6 Rn. 9
mwN).
b) Der Senat hebt auch die Strafen einschließlich der diesen und der
Maßregelentscheidung zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen
Tatgericht eine in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.
Eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten vermag der Senat auszuschließen.
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3. Der Senat weist darauf hin, dass das neue Tatgericht auch zu prüfen
haben wird, ob mit der am 15. Februar 2013 durch das Amtsgericht Burg ver-
hängten Geldstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist; hierbei kommt
es gegebenenfalls auf den Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochte-
nen Urteils an. Bei der Strafrahmenwahl wird die gebotene Prüfungsreihenfolge
(vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013
– 4 StR 430/12, NStZ-RR 2013, 168;
Beschluss vom 21. November 2007
– 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105) ein-
zuhalten sein.
Sander
Schneider
Dölp
König
Bellay
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