Urteil des BGH vom 07.11.2002
BGH (wirtschaftliche einheit, verlängerung der frist, vorkaufsrecht, vertrag, einheit, blw, antrag, abweichung, rechtssatz, genehmigung)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 24/02
vom
7. November 2002
in der Landwirtschaftssache
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 7. November
2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die
Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke - gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 LwVG ohne
Zuziehung ehrenamtlicher Richter -
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Senats für
Landwirtschaftssachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena
vom 12. Juni 2002 wird auf Kosten der Beteiligten zu 3, die der
Antragstellerin auch etwaige außergerichtliche Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, als unzulässig
verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren be-
trägt 12.800
Gründe:
I.
Mit notariellem Vertrag vom 20. Oktober 1999 kaufte die Antragstellerin
von M. Sch. drei landwirtschaftlich genutzte Flächen zum Zwecke des
Kiesabbaus. Die Urkundsnotarin reichte den Vertrag am 30. November 1999
mit dem Antrag auf verkehrsrechtliche Genehmigung bei der Beteiligten zu 2
ein, die mit Zwischenbescheid vom 2. Dezember 1999, zugestellt am
13. Dezember 1999, die Frist zur Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2
GrdstVG um zwei Monate verlängerte, um den Vertrag der Beteiligten zu 4 zur
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eventuellen Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorzulegen.
Diese übte das Vorkaufsrecht aus, um die Flächen an ein landwirtschaftliches
Unternehmen weiterzuveräußern. Dies teilte die Beteiligte zu 2 der Antragstel-
lerin mit Schreiben vom 22. Februar 2000, zugestellt am 25. Februar 2000 mit,
die daraufhin Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Ober-
landesgericht hat festgestellt, daß der notarielle Vertrag vom 20. Oktober 1999
als genehmigt gilt. Hiergegen richtet sich die
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nicht zugelassene - Rechtsbe-
schwerde der Beteiligten zu 3 (vorgesetzte Behörde der Beteiligten zu 2), mit
der sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts
erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft. Da das Beschwerdegericht sie
nicht zugelassen hat (§ 24 Abs. 1 LwVG) und ein Fall von § 24 Abs. 2 Nr. 2
LwVG nicht vorliegt, wäre sie nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2
Nr. 1 LwVG zulässig. Diese Voraussetzungen verkennt die Rechtsbeschwer-
deführerin nicht. Sie hält sie jedoch zu Unrecht für gegeben.
1. Das Beschwerdegericht geht auf der Grundlage der Senatsrechtspre-
chung (Beschl. v. 14. Februar 1974, V BLw 1/73, WM 1974, 539; BGHZ 94,
299) davon aus, daß die Genehmigungsfiktion des § 6 Abs. 2 GrdstVG ein-
greift, da der Zwischenbescheid der Beteiligten zu 2 keine Verlängerung der
Frist des § 6 Abs. 1 GrdstVG um zwei, sondern nur um einen Monat bewirkt
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habe, weil kein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht bestanden habe. Eines der
verkauften Grundstücke erreiche nämlich nicht die nach den landesrechtlichen
Vorschriften erforderliche Größe, um von dem siedlungsrechtlichen Vorkaufs-
recht erfaßt zu werden. Da das Vorkaufsrecht indes nur einheitlich ausgeübt
werden könne, schade die Mindergröße des einen Flurstücks nur dann nicht,
wenn alle drei Grundstücke zusammen eine wirtschaftliche Einheit bildeten.
Das sei jedoch nicht der Fall. Da andererseits auch die Möglichkeit einer Tei-
lung des Vertrages und des Genehmigungsantrags nach den konkreten Um-
ständen ausscheide, entfalle ein Vorkaufsrecht ganz.
2. Diese Ausführungen lassen eine Divergenz im Sinne des § 24 Abs. 2
Nr. 1 LwVG nicht erkennen.
a) Die Rechtsbeschwerdeführerin erblickt einen Abweichungsfall zu der
Senatsentscheidung vom 14. Februar 1974 (V BLw 1/73, WM 1974, 539) und
zu einer inhaltlich vergleichbaren Entscheidung des OLG Koblenz (AgrarR
1997, 226) darin, daß diese Entscheidungen den gemeinsamen Verkauf von
landwirtschaftlichen Flächen und Forstflächen (nach § 4 Abs. 1 RSG nicht vom
Vorkaufsrecht erfaßt) zum Gegenstand hätten. Das Berufungsgericht stelle ab-
weichend von diesen Entscheidungen den Rechtssatz auf, die Grundsätze je-
ner Entscheidungen gälten auch für die Veräußerung mehrerer landwirtschaft-
licher Grundstücke, von denen eines nicht dem Vorkaufsrecht unterliege.
Letzteres ist richtig. Der darin liegende Rechtssatz widerspricht aber nicht den
Entscheidungen, an die das Beschwerdegericht anknüpft. Zum einen enthalten
diese Entscheidungen zu der jetzt zu beurteilenden Konstellation gar keine
Aussage, und zum anderen befindet sich das Beschwerdegericht im Einklang
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mit den Grundsätzen, auf denen die Senatsentscheidung BGHZ 94, 299 be-
ruht.
b) Soweit die Rechtsbeschwerde gerade auch eine Abweichung zu die-
ser letzteren Entscheidung (BGHZ 94, 299) geltend macht, ist ihr ebenfalls
nicht zu folgen. Die Abweichung soll sich daraus ergeben, daß das Beschwer-
degericht annehme, das auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff gestützte
siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht bei mehreren eine wirtschaftliche Einheit
bildenden Grundstücken sei "ausnahmsweise" gewährt. Damit verschärfe das
Beschwerdegericht die Voraussetzungen gegenüber den sich aus BGHZ 94,
299 ergebenden Rechtssätzen. Das verkennt, daß es sich hierbei nur um eine
Frage der sprachlichen Darstellung handelt. Ohne, daß damit Einschränkungen
verbunden sind, hat das Beschwerdegericht die Erstreckung des Vorkaufs-
rechts auf das an sich nicht erfaßte Grundstück als Ausnahme von dem Grund-
satz behandelt, daß jedes Grundstück einzeln zu betrachten ist. Im übrigen
zeigt die Rechtsbeschwerde auch nicht auf, daß ein etwaiger Unterschied im
konkreten Fall entscheidungserheblich geworden wäre. Das ist, da das Be-
schwerdegericht eine wirtschaftliche Einheit im konkreten Fall verneint hat,
auch nicht der Fall.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Wenzel
Krüger
Lemke