Urteil des BGH vom 28.05.2009
BGH (schwerer fall, stgb, strafkammer, fahrzeug, stpo, auto, lasten, opfer, ermittlungsverfahren, straftat)
5 StR 375/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 22. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. September 2009
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Braunschweig vom 28. Mai 2009 nach
§ 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren
Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verur-
teilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat zum Straf-
ausspruch Erfolg, zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Ange-
klagte einen Taxifahrer am Tatabend unter Vorhalt eines mit einer Messer-
klinge versehenen Mehrzweckwerkzeugs sein Fahrzeug zu verlassen. In der
Absicht, in dem Fahrzeug Selbstmord zu begehen, lenkte er es zunächst an
eine einsame Stelle in einem Feldweg am Ortsrand von Hannover, leitete
über einen mitgeführten Gartenschlauch die Abgase in das Auto und setzte
sich bei laufendem Motor mehrere Stunden den Auspuffabgasen aus. Nach
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einigen Stunden, als es allmählich hell wurde, entschloss sich der Angeklag-
te, seinen Standort zu wechseln und stellte das Fahrzeug an einem Wald-
rand, verdeckt von Büschen und Bäumen ab. Das Auto war dort von der
Hauptstraße aus nicht zu sehen. Der Angeklagte setzte sich erneut den ins
Fahrzeuginnere geleiteten Abgasen aus und verlor in der Folgezeit mehrfach
das Bewusstsein, bevor er am Nachmittag entdeckt wurde.
Der Angeklagte leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung,
die durch chronische Suizidalität gekennzeichnet ist. Das sachverständig
beratene Landgericht vermochte nicht auszuschließen, dass diese Suizidali-
tät im Zeitpunkt der Tatbegehung das Denken und Handeln des Angeklagten
derart einengte, dass eine erheblich herabgesetzte Steuerungsfähigkeit im
Sinne des § 21 StGB vorlag.
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2. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden Bedenken.
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a) Das Landgericht hat den Strafrahmen des minder schweren Falles
im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Im Rahmen der Gesamt-
würdigung hat es zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er „in der Ver-
gangenheit mehrfach erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und
bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde, die er teilweise auch verbüßte,
ohne dass ihn dies von der hiesigen Straftat abgehalten hätte“. Auch seien
an dem geraubten Taxi Schäden entstanden. Mildernd hat es gewertet, dass
der Angeklagte bislang nicht durch Gewaltdelikte in Erscheinung getreten
sei, bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben zum Sachverhalt
gemacht habe, schuldeinsichtig und reuig sei und das zufällig ausgewählte
Opfer keine erheblichen Schäden davongetragen habe; außerdem habe der
Angeklagte nicht aus finanziellen Interessen gehandelt. Ohne Heranziehung
des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 21 StGB hätte indes ein minder
schwerer Fall nach Überzeugung der Strafkammer nicht bejaht werden kön-
nen. Denn andererseits falle zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht, „dass
er zum Tatzeitpunkt bereits eine Ladung zum Strafantritt wegen einer Frei-
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heitsstrafe, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war,
erhalten hatte, was ihn dennoch nicht von der Tatbegehung abhielt“. So be-
gründet hat die Strafkammer eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt.
b) Diese Erwägungen lassen besorgen, dass das Landgericht wesent-
liche strafmildernde Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung, die es der
Annahme eines minder schweren Falles zugrunde legt, nicht berücksichtigt
hat. Es ist nicht auszuschließen, dass es andernfalls bereits ohne Heranzie-
hung des Strafmilderungsgrundes gemäß § 21 StGB zu einer Bejahung des
minder schweren Falles gelangt wäre, so dass eine weitere Strafmilderung
nach § 49 Abs. 1 StGB möglich gewesen wäre. Dies betrifft insbesondere die
unterbliebene Wertung des Tatgeschehens als Verzweiflungstat, was die
strafschärfende Anlastung von Vorverurteilungen relativiert. Zudem bezieht
das Landgericht nicht ausreichend in seine Erwägungen ein, dass die ver-
wirklichte Eigentumsverletzung im Grenzbereich zum unbefugten Fahrzeug-
gebrauch liegt.
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c) Da der Strafausspruch wegen Begründungs- und Wertungsfehlern
keinen Bestand hat, können die hierzu gehörenden Feststellungen bestehen
bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, weitergehende Feststellun-
gen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
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