Urteil des BGH vom 04.05.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
IX ZR 189/03
Verkündet
am:
4. Mai 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 256
Wird auf eine wiederholte Teilklage wegen des auch über die neue Klageforderung
hinausgehenden behaupteten weiteren Anspruchs negative Feststellungswiderklage
erhoben, entfällt das Feststellungsinteresse auch dann nicht, wenn der Kläger eine
materiellrechtlich bindende Verzichts- oder Beschränkungserklärung hinsichtlich sei-
nes weitergehenden Anspruchs abgibt.
BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die
Richter Dr. Ganter, Kayser, Vill und Dr. Detlev Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 2003
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um weiteres Anwaltshonorar.
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Die Beklagte ist die Zentralbank der Türkischen Republik. Im Rahmen
staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen Kunden der Beklagten wurden am
27. Juni 2000 die Geschäftsräume ihrer deutschen Repräsentanz durchsucht.
Die Beklagte beauftragte tags darauf den Kläger mit der Wahrnehmung ihrer
Interessen. Der Umfang des Auftrags ist zwischen den Parteien streitig. Der
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Kläger wurde tätig, indem er Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss
einlegte, an einer Besprechung mit Vertretern der Steuerfahndung teilnahm und
am 9. Juli 2000 zwei Interviews gab. Am 25. Juli 2000 beendete die Beklagte
das Mandat.
Am 16. August 2000 erteilte der Kläger eine Kostenrechnung über insge-
samt 1.931.867,60 DM, auf welche die Beklagte 5.810 DM bezahlte. Darauf
erhob der Kläger eine auf Zahlung von 20.000 DM gerichtete Teilklage, in der er
sich einer Gesamthonorarforderung in Höhe von 3.249.755 DM berühmte. Die
Klage war in Höhe von 6.386,04 € erfolgreich. Dabei stützte das Berufungsge-
richt seine Berechnung auf den Höchstwert von 1 Million DM gemäß § 8 Abs. 2
Satz 2 Halbsatz 2 BRAGO, weil es keine ausreichende Grundlage für eine
Schätzung des Gegenstandswertes sah. Die Beklagte zahlte in der Folge den
zuerkannten Betrag.
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Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger einen weiteren Teilbetrag in
Höhe von 10.000 € geltend. Er hat sich mit Kostenrechnung vom 17. April 2002
eines Gesamthonorars von 303.012 € (ohne Umsatzsteuer) und mit der Klage
eines Gesamthonoraranspruchs von 351.493,92 € (mit Umsatzsteuer) berühmt.
Die Beklagte hat die Klageforderung bestritten und widerklagend die Feststel-
lung begehrt, dass dem Kläger auch über den geltend gemachten Teilbetrag
hinaus keine weiteren Gebührenansprüche zustehen. Mit seiner während des
Berufungsverfahrens erteilten weiteren Rechnung vom 17. Juli 2003 hat dieser
zuletzt insgesamt 31.516 € geltend gemacht.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Feststellungswider-
klage weitgehend stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Beru-
fungsgericht der Klage vollen Umfangs stattgegeben und die Widerklage abge-
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wiesen. Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Da der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungs-
gemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entschei-
den. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfas-
senden Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).
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II.
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe das in seiner Rechnung
vom 17.
Juli 2003 bezifferte Honorar abzüglich der bereits erhaltenen
6.386,04 €, also insgesamt noch ein Betrag von 25.129,96 € zu. Nach den Um-
ständen des Falles sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht lediglich be-
auftragt gewesen sei, Rechtsmittel gegen den Durchsuchungsbeschluss einzu-
legen. Der Auftrag sei vielmehr auch darauf gerichtet gewesen, mit den Steuer-
behörden zu verhandeln und pressewirksam zu agieren, um wirtschaftlichen
Nachteilen, die der Beklagten durch die Entnahme von Kundengeldern drohten,
entgegenzuwirken. Nachdem der Kläger seinen Vortrag im Vergleich zur ersten
Teilklage ergänzt habe, bestünden ausreichende Anhaltspunkte, den Gegen-
standswert auf 10 Millionen € zu schätzen. Die negative Feststellungswiderkla-
ge sei wegen Wegfalls des Feststellungsinteresses unzulässig geworden. In-
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dem der Kläger seine Honoraransprüche im Sinne der Rechnung vom 17. Juli
2003 beschränkt habe, seien darüber hinaus gehende Forderungen erloschen.
III.
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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A.
Klage
Soweit das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat, hält es rechtli-
cher Nachprüfung nicht stand.
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1. Die Revision rügt allerdings zu Unrecht, das Berufungsgericht habe
bereits verkannt, dass der Inhalt des Auftrags nicht vom Gericht gemäß § 8
Abs. 2 BRAGO geschätzt werden darf.
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Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist das Recht oder Rechtsverhält-
nis, auf das sich die Tätigkeit eines Anwalts bezieht. Dabei wird der Gegen-
stand durch den Auftrag des Auftraggebers bestimmt (BGH, Urt. v. 5. April 1976
- III ZR 95/74, WM 1976, 594; v. 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW
2004, 1043, 1045; v. 17. Juni 2004 - IX ZR 56/03, JurBüro 2005, 141; Ge-
rold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl. § 7 Rn. 2).
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Darlegungs- und beweisbelastet für den Umfang des Auftrags ist der
Anwalt, der hieraus einen Anspruch auf Vergütung ableitet (Zugehör/Sieg,
Handbuch der Anwaltshaftung, Rn. 102). Beweismaßstab ist § 286 ZPO. Das
angefochtene Urteil lässt mit noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass
das Berufungsgericht gemäß § 286 ZPO seine Überzeugung vom Umfang des
Auftrags aus den äußeren tatsächlichen Umständen (Vollmacht; Ermächti-
gungsschreiben; Hinnahme der Tätigkeit) gewonnen und nur in Bezug auf den
Wert des Auftrags eine Schätzung vorgenommen hat.
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2. Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass die Würdigung der erteilten
Vollmacht vom 28. Juni 2000 und der Ermächtigung der Zentralbank der Repu-
blik Türkei vom selben Tag die gezogenen Rückschlüsse auf den Umfang des
Auftrags nicht tragen. Das Berufungsgericht unterscheidet nicht ausreichend
zwischen der abstrakten Vollmacht und dem erteilten Mandat. Die Formular-
vollmacht enthält im Außenverhältnis eine umfassende Bevollmächtigung, die
über den konkreten Auftrag weit hinausgeht. Die Ermächtigung der Zentralbank
richtet sich selbst nicht unmittelbar an den Kläger, sondern an die Frankfurter
Repräsentanz der Beklagten. Sie bevollmächtigt diese umfassend, die für erfor-
derlich gehaltenen Aufträge an den Kläger zu erteilen. Zum Umfang des von
dieser tatsächlich erteilten Auftrags lässt sich daraus nichts ableiten. Es kann
zwar davon ausgegangen werden, dass ein Mandant, der dem Anwalt eine um-
fassende Formularvollmacht erteilt, auch einen Auftrag erteilt hat. Über dessen
Inhalt ist damit aber noch nichts gesagt; er ist unter Berücksichtigung der Um-
stände des Einzelfalls vom Tatrichter festzustellen.
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3. Das Berufungsgericht stützt seine Würdigung außerdem darauf, dass
die Beklagte die Aktivitäten des Klägers entgegengenommen und ihnen nicht
widersprochen habe. Unstreitig sollte der Kläger Beschwerde gegen den
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Durchsuchungsbeschluss einlegen und an der Besprechung mit den Vertretern
der Steuerfahndung teilnehmen. Soweit das Berufungsgericht jedoch annimmt,
der Kläger sei beauftragt gewesen, pressewirksam zu agieren, hat es das
Bestreiten der Beklagten übergangen. Diese hatte vorgetragen, die Interviews
seien mit ihr nicht abgestimmt gewesen; der Auftrag habe sich nur auf das Ver-
fahren bezogen, das zur Durchsuchung geführt habe.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Bestreiten der Beklagten sei be-
reits durch die widerspruchslose Entgegennahme der Leistung widerlegt, ist
nicht tragfähig. Ein Vertrag könnte durch die widerspruchslose Entgegennahme
der mit den Interviews erbrachten Leistung allenfalls dann geschlossen worden
sein, wenn die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, die Entgegennahme zu
verhindern. Diese hat jedoch geltend gemacht, sie sei nicht rechtzeitig über die
bevorstehenden Interviews informiert worden. Das Berufungsgericht hat dazu
keine Feststellungen getroffen. Außerdem kann ein konkludenter Auftrag nicht
allein in der Entgegennahme der Leistung gesehen werden. Erforderlich sind
vielmehr weitere Umstände, die eindeutig und zweifelsfrei auf einen entspre-
chenden Vertragswillen schließen lassen (BGH, Urt. v. 21. März 1991 - IX ZR
186/90, NJW 1991, 2084, 2085 f; v. 24. Juni 1999 - VII ZR 196/98, NJW 1999,
3554, 3555; Zugehör/Sieg, aaO, Rn. 11 ff). Solche hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt. Die vom Berufungsgericht unterstellte widerspruchslose Ent-
gegennahme der Leistungen des Klägers schließt es deshalb weder tatsächlich
noch rechtlich aus, dass der Auftrag auf das Verfahren beschränkt gewesen ist,
welches zur Durchsuchung geführt hat. Bei dieser Sachlage hätte das Beru-
fungsgericht außerdem, selbst wenn der dem Kläger obliegenden Beweis er-
bracht gewesen wäre, den von der Beklagten angebotenen Gegenbeweis erhe-
ben müssen.
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4. Auch die Ermittlung des Gegenstandswerts ist rechtsfehlerhaft. Ge-
mäß § 7 Abs. 1 BRAGO werden die Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich
nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat.
Wie dieser Wert zu bestimmen ist, regelt für Angelegenheiten außerhalb von
gerichtlichen Verfahren § 8 Abs. 2 BRAGO. Danach ist der Gegenstandswert,
soweit er sich nicht aus den dort genannten Vorschriften der Kostenordnung
ergibt und auch sonst etwa nach dem Inhalt des Auftrags nicht feststeht, nach
billigem Ermessen zu bestimmen (BGH, Urt. v. 24. November 1994 - IX ZR
222/93, ZIP 1995, 118, 119; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO 8. Aufl. § 8
Rn. 46). Dabei ist auf den objektiven Wert des Rechts oder Rechtsverhältnisses
abzustellen, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit nach dem erteilten Auftrag
bezieht.
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Nach der Annahme des Berufungsgerichts war das Mandat darauf ge-
richtet, wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, die der Beklagten dadurch ent-
stehen konnten, dass Kunden ihre Geldanlagen infolge der Durchsuchung zu-
rückziehen. Maßgeblich wäre danach der objektive Geldwert, den die Kunden-
einlagen, deren Auflösung zu erwarten war, für die Beklagte hatten.
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Das Berufungsgericht hat die an die Schätzgrundlage zu stellenden An-
forderungen grundsätzlich zutreffend bestimmt, indem es für ausreichend
gehalten hat, dass wenigstens genügende Anhaltspunkte vorliegen, die eine
zumindest annähernde Schätzung erlauben (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert,
aaO, § 8 Rn. 23; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, aaO § 8 Rn. 46 ff; zu § 30 Abs. 1
KostO vgl. BayObLG DB 1983, 2621, 2622). Im vorliegenden Fall sind solche
tatsächlichen Anhaltspunkte indessen nicht festgestellt. Das Fehlen einer ge-
eigneten Schätzgrundlage ist revisibel (BGHZ 102, 322, 330; BGH, Urt. v.
30. Mai 1995 - X ZR 54/93, BGHR ZPO § 287 Lizenzgebühr 1).
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Das Berufungsgericht stellt auf den Nennwert der reduzierten angelegten
Kundengelder ab, ohne darzulegen, wie es hieraus den Gegenstandswert ablei-
tet. Maßgeblich kann nur sein, welchen Ertrag die Beklagte mit den Einlagen für
die Dauer ihrer Restanlagezeit voraussichtlich erwirtschaftet hätte. Es sind aber
keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt, die eine Einschätzung des wirt-
schaftlichen Ausmaßes der Bedrohung erlauben.
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5. Das Berufungsgericht hat schließlich bei der Berechnung des Restho-
noraranspruchs außer Acht gelassen, dass die Beklagte unstreitig bereits vor
Erhebung der ersten Klage 5.810 DM (2.970,61 €) an den Kläger bezahlt hat.
Selbst auf der Grundlage der Rechnung des Klägers vom 17. Juli 2003 stünden
ihm daher allenfalls noch 22.159,35 €, nicht 25.129,96 € zu.
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B.
Widerklage
Soweit
die
Feststellungswiderklage als unzulässig abgewiesen worden
ist, hat das Berufungsgericht die rechtlichen Voraussetzungen verkannt, unter
denen ein Wegfall des Feststellungsinteresses in Betracht kommt.
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1. Eine negative Feststellungswiderklage ist zulässig, wenn ein rechtli-
ches Interesse an der baldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts-
verhältnisses besteht, weil die Rechtsposition des Widerklägers an einer ge-
genwärtigen Ungewissheit leidet, die durch das Feststellungsurteil beseitigt
werden kann. Diese Ungewissheit entsteht regelmäßig, wenn sich die Gegen-
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seite eines über die Klageforderung hinausgehenden Anspruchs berühmt
(BGH, Urt. v. 10. Oktober 1991 - IX ZR 38/91, NJW 1992, 436, 437; Zöller/
Greger, ZPO 25. Aufl. § 256 Rn. 14a; Musielak/Foerste, ZPO 4. Aufl. § 256
Rn. 9 f). Im vorliegenden Fall ergibt sich dieses Interesse aus dem Umstand,
dass der Kläger seiner weiteren Teilklage eine behauptete Gesamthonorarfor-
derung in Höhe von 351.493,92 € zugrunde gelegt hat, nachdem er diese be-
reits zuvor mehrfach in unterschiedlicher Höhe beziffert hatte.
a) Wer eine zulässige negative Feststellungswiderklage erhoben hat, hat
grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einer der Rechtskraft fähigen Ent-
scheidung, durch die festgestellt wird, dass die Forderung, deren sich die Ge-
genseite berühmt, nicht besteht. Damit wird ausgeschlossen, dass diese Forde-
rung zum Gegenstand eines neuerlichen Rechtsstreits gemacht wird (BGH, Urt.
v. 1. Februar 1988 - II ZR 152/87, WM 1988, 402, 403; v. 5. Juli 1993
- II ZR 114/92, WM 1993, 1683, 1685). Nur so wird dem Schuldner der behaup-
teten Forderung ein Mittel an die Hand gegeben, um schnell Klarheit über die
zu erwartenden wirtschaftlichen Lasten zu erhalten und um im Falle günstiger
Entscheidung den Forderungsprätendenten wie auch etwaige Rechtsnachfolger
dauerhaft an der Durchsetzung der behaupteten Restforderung zu hindern, oh-
ne sich auf einen neuen Rechtsstreit in der Sache einlassen zu müssen.
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b) Das Feststellungsinteresse muss zwar noch bei Schluss der mündli-
chen Verhandlung vorliegen (BGHZ 18, 98, 106; Zöller/Greger, aaO § 256
Rn. 7c). Es entfällt aber nicht schon durch eine einseitige Erklärung des Geg-
ners, er werde keine weiteren Ansprüche geltend machen, wenn er mit seiner
erhobenen Teilklage rechtskräftig unterliege. Auch eine nicht bindende Ver-
zichts- oder Beschränkungserklärung des Forderungsprätendenten bewirkt
nicht den Wegfall des Feststellungsinteresses (BGH, Urt. v. 1. Februar 1988
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aaO; v. 18. Mai 1989 - III ZR 204/88, BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Negative Fest-
stellung 3; v. 5. Juli 1993 aaO). Der vom Berufungsgericht hieraus offenbar ge-
zogene Umkehrschluss, eine materiellrechtliche Bindung an die Honorarrech-
nung vom 17. Juli 2003 führe zum Wegfall des Feststellungsinteresses, kann
aus dieser Rechtsprechung aber nicht entnommen werden.
Vielmehr kann offen bleiben, ob eine solche Bindung wirklich vorliegt;
denn auch dann besteht das Feststellungsinteresse fort. Gegenüber einer auf
einen weiteren Teil desselben Honoraranspruchs gerichtete zulässige Klage
müsste die Beklagte sich erneut zur Sache einlassen. Sie hätte im Streitfall zu
beweisen, dass der Kläger auf seine (Rest-)forderung verzichtet hat. Das Risiko
von Unklarheiten und Zweifeln ginge insoweit zu ihren Lasten.
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Dies würde die Rechte der im Wege der Teilklage in Anspruch genom-
menen Partei verkürzen. Die Beklagte wäre schon nicht verpflichtet, ein in der
Erklärung des Klägers liegendes Angebot auf Abschluss eines bedingten Er-
lassvertrages anzunehmen (BGH, Urt. v. 5. Juli 1993 aaO). Erst recht kann eine
einseitige, wenngleich materiellrechtlich bindende Erklärung das Feststellungs-
interesse nicht beseitigen. Dies zeigt sich hier auch daran, dass der Kläger die
Auffassung des Berufungsgerichts, seine weitergehende Forderung sei auf-
grund der Rechnung vom 17. Juli 2003 erloschen, nach Erlass des Berufungs-
urteils bestritten und sich nunmehr eines Gesamthonorars von 153.012 € be-
rühmt hat.
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c) Dass die Beklagte gestützt auf die Rechnung vom 17. Juli 2003 einer
späteren Ausweitung der Honorarforderung womöglich die Einrede aus § 242
BGB entgegenhalten könnte, hat auf das Feststellungsinteresse ebenfalls kei-
nen Einfluss. Eine lediglich auf Treu und Glauben gebaute Rechtsposition bietet
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nicht dieselbe Rechtssicherheit, wie sie ein der negativen Feststellungswider-
klage stattgebendes Urteil zur Folge hat.
2. Das Berufungsurteil ist außerdem insoweit unrichtig, als es denjenigen
Teil des Feststellungsinteresses, der durch die Rechnung vom 17. Juli 2003
nicht beseitigt werden konnte, unberücksichtigt gelassen hat.
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Das Berufungsgericht hat, entsprechend der Rechnung vom 17. Juli
2003, einen Gesamthonoraranspruch in Höhe von 31.516 € errechnet. Selbst
unter der Annahme des Berufungsgerichts, dass ein über diesen Betrag
hinausgehendes Feststellungsinteresse durch die Neuberechnung weggefallen
sei, existiert es doch zumindest insoweit fort, wie über einen Honoraranspruch
in dieser Höhe noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Die beiden Teilklagen
decken aber nur 10.225,84 € (Vorprozess) und 10.000 € (vorliegendes Verfah-
ren) ab. Die von der Beklagten unstreitig bereits vor dem Vorprozess bezahlten
2.970,61 € hat der Kläger bei der Rechnung vom 17. Juli 2003 nicht berücksich-
tigt; auch hierauf bezieht sich deshalb, wie auf den Rest der Differenz, das
Feststellungsinteresse.
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IV.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weil die
Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, muss sie an das Berufungsgericht
zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Dr. Gero Fischer Dr. Ganter Kayser
Vill Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Frankfurt, Entscheidung vom 28.08.2002 - 2/21 O 172/02 -
OLG Frankfurt, Entscheidung vom 05.08.2003 - 8 U 202/02 -