Urteil des BGH vom 09.06.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 120/08
vom
9. Juni 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 115 Abs. 3; SGB XII § 90 Abs. 3
a) Die Prozesspartei hat eine Kapital-Lebensversicherung grundsätzlich vor
Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe für die Prozesskosten einzuset-
zen. Hierfür kommt auch eine - teilweise - Verwertung durch Beleihung in Be-
tracht.
b) Der Prozesskostenhilfe-Antragsteller hat die Umstände dafür darzulegen,
dass der Einsatz der Lebensversicherung ausnahmsweise unzumutbar ist.
c) Zu den Voraussetzungen einer Unzumutbarkeit wegen unzureichender Al-
tersvorsorge.
BGH, Beschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZB 120/08 - OLG Nürnberg
AG Nürnberg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2010 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr.
Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilse-
nats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Nürnberg vom
6. Juni 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Der Klägerin wird die beantragte Prozesskostenhilfe für das
Rechtsbeschwerdeverfahren versagt, weil die wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
nicht vorliegen.
3. Beschwerdewert: bis 3.500 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung in
zweiter Instanz.
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Die Parteien streiten in zweiter Instanz um die Höhe des Trennungsun-
terhalts der Klägerin. Das Berufungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf
Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren abgelehnt
und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin ihre Lebensversicherung mit
einem Rückkaufswert von 10.731 € als Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3
ZPO für die Kosten der Prozessführung einzusetzen habe.
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Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbe-
schwerde, für die die Klägerin ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis En-
de August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor
diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Senatsurteil vom 16. Dezember 2009
- XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Tz. 7).
1. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Dar-
an ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Dass Gegenstand des
Verfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist, stand der Zulassung der
Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Denn die Rechtsbeschwerde wirft Fragen
auf, die das Verfahren der Prozesskostenhilfe betreffen (Senatsbeschluss vom
18. Juli 2007 - XII ZA 11/07 - FamRZ 2007, 1720 Tz. 6) und höchstrichterlich
noch nicht entschieden sind.
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2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, dass auch die Lebensversi-
cherung der Klägerin für die Prozesskostenhilfe einzusetzen sei, da ihr Rück-
kaufswert das zu belassende Schonvermögen übersteige und die Verwertung
nicht unzumutbar sei. Die Klägerin müsse die Lebensversicherung nicht zwin-
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gend verkaufen oder vorzeitig auflösen, sie könne auch ein sogenanntes Poli-
cendarlehen aufnehmen.
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Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Überprü-
fung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die begehrte
Prozesskostenhilfe zu Recht versagt, weil sie nach ihren persönlichen und wirt-
schaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen
kann.
a) Die Frage, ob, in welcher Form und inwieweit eine Lebensversiche-
rung als Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO für die Kosten der Prozess-
führung einzusetzen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
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aa) Teilweise wird vertreten, dass der Hilfsbedürftige generell nicht auf
die Kündigung bzw. den Verkauf einer Lebensversicherung und die Verwen-
dung des Rückkaufswerts für die Prozesskosten verwiesen werden darf (OLG
Naumburg OLGR 2007, 43; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 115 Rdn. 59; Bork in
Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 115 Rdn. 131; Groß in Schoreit/Groß Beratungshil-
fe Prozesskostenhilfe 9. Aufl. § 115 Rdn. 84; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 5. Aufl. Rdn. 327; für kleine
Lebensversicherungen auch Zimmermann Prozesskostenhilfe 3.
Aufl.
Rdn. 149). In Betracht komme in diesen Fällen jedoch gegebenenfalls eine Be-
leihung der Versicherungspolice.
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bb) Nach anderer Auffassung ist eine Lebensversicherung unabhängig
davon, ob sie der Altersversorgung dienen soll, zur Deckung der Prozesskosten
einzusetzen. Dies könne entweder im Wege der Beleihung oder durch die Rea-
lisierung des Rückkaufswerts geschehen (OLG Brandenburg FamRZ 2006,
1045; KG FamRZ 2003, 1394; OLG Braunschweig FamRZ 2006, 135; LSG
Sachsen SAR 2008, 52).
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cc) Nach einer weiteren Auffassung ist die Frage, ob der Einsatz einer
Lebensversicherung unzumutbar ist und eine Härte im Sinne von § 115 Abs. 3
ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII darstellt, jeweils anhand der Umstände des
konkreten Einzelfalls zu beantworten (OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1917; OLG
Stuttgart FamRZ 2008, 2290; FamRZ 2009, 1850; OLG Köln FamRZ 2004, 382;
OLG Frankfurt FamRZ 2006, 135; OLG Zweibrücken FamRZ 2008, 524; Han-
seatisches OLG Hamburg FamRZ 2001, 925; OLG Celle FamRZ 2007, 913;
OLG Koblenz OLGR 2005, 887; MünchKomm/Motzer ZPO 3. Aufl. § 115
Rdn. 65; Pukall in Saenger Handkommentar ZPO 3. Aufl. § 115 Rdn. 36 u. 40;
Völker/Zempel in Prütting/Gehrlein ZPO 2.
Aufl. §
115 Rdn.
41; Baum-
bach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. § 115 Rdn. 60; so auch BSG
VersR 2010, 233 Tz. 20 zum Begriff der Härte in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Al-
ternative SGB II).
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dd) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
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Die beiden erstgenannten Meinungen widersprechen sowohl dem Ge-
setzeswortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelungen. Abgesehen von be-
reits nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII geschütz-
tem Kapital und seiner Erträge ("Riester-Rente") ist eine Lebensversicherung
grundsätzlich für die Prozesskosten zu verwerten, soweit ihr durch Kündigung,
Verkauf oder Beleihung erzielbarer Wert das Schonvermögen nach § 90 Abs. 2
Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b der Verordnung zu § 90 Abs. 2
Nr. 9 SGB XII übersteigt.
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(1) Der generelle Ausschluss der Verwertung von Lebensversicherungen
wird schon solchen Fällen nicht gerecht, in denen bereits eine anderweitige an-
gemessene Altersvorsorge vorhanden ist.
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Die Rechtsprechung des Senats zur unterhaltsrechtlichen Berücksichti-
gung von Beiträgen zur Altersvorsorge (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 27. Mai
2009 - XII ZR 111/07 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 30 m.w.N.) findet im Prozesskos-
tenhilferecht keine Anwendung (entgegen OLG Celle 12. Senat für Familiensa-
chen FamRZ 2007, 913 und OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1850, s. aber auch
OLG Celle 6. Zivilsenat NJW-RR 2009, 1520 und OLG Nürnberg FamRZ 2006,
1284), so dass auch daraus gebildetes Kapital einzusetzen ist. Denn die Ver-
pflichtung zur Unterhaltsleistung und die Pflicht zur Vermögensverwertung im
Rahmen der Prozesskostenhilfe sind nicht vergleichbar. Der Unterhalt ist als
privatrechtliches Schuldverhältnis wesentlich verschieden von der Prozesskos-
tenhilfe, die eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (vgl.
Senatsbeschluss vom 26. Januar 2005 - XII ZB 234/03 - FamRZ 2005, 605,
606). Daher ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskosten-
hilfe entsprechend der gesetzlichen Anordnung in § 115 Abs. 3 ZPO von den
- strengeren - sozialrechtlichen Maßstäben des § 90 SGB XII auszugehen. Der
Bedürftige hat zunächst alle verfügbaren eigenen Mittel einzusetzen, bevor ihm
staatliche Hilfe auf Kosten der Allgemeinheit bewilligt werden kann (OLG Stutt-
gart FamRZ 2008, 2290).
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Überdies entspricht es durchaus der gesetzgeberischen Wertung, dass
Lebensversicherungen auch dann als Vermögensbestandteil für die Prozess-
kosten herangezogen werden können, wenn deren Beiträge nach Maßgabe des
§ 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII vom Einkommen ab-
ziehbar sind. Der Gesetzgeber hat diese Fallgruppen gesehen und in engen
Grenzen im Rahmen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII geregelt. Die Aufzählung in
§ 90 Abs. 2 SGB XII ist abschließend (Schellhorn/Schellhorn/Hohm SGB XII
17. Aufl. § 90 Rdn. 27). Für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII ist die
Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich (Schell-
horn/Schellhorn/Hohm SGB XII 17. Aufl. § 90 Rdn. 77; Zeitler in Mergler/Zink
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SGB XII Stand: Januar 2005 § 90 Rdn. 76). Zwar kann in Einzelfällen die Her-
kunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte dar-
stellen würde (vgl. z.B. BSG FEVS 59, 441 "Blindengeld"; BVerwG NJW 1998,
397 "Erziehungsgeld"; BVerwGE 45, 135 "Grundrentennachzahlung"). Dabei
handelt es sich jedoch um Fälle, in denen anrechnungsfreies Einkommen, das
in der Regel aus öffentlichen Leistungen stammt und einem bestimmten Zweck
dienen soll, angespart wurde oder entsprechende Nachzahlungen geleistet
wurden. Die eigene Vermögensbildung in Form von Lebensversicherungen ist
damit nicht vergleichbar.
Auch wird im Fall der Beleihung die Altersvorsorge nicht aufgelöst, son-
dern lediglich verringert und ist dies im Übrigen im Rahmen des § 90 Abs. 3
Satz 2 SGB XII zu berücksichtigen. Mit dieser Vorschrift können atypische Fall-
konstellationen im Einzelfall aufgefangen werden (Grube/Wahrendorf SGB XII
2. Aufl. § 90 Rdn. 41; zur Bedeutung der angemessenen Alterssicherung für die
unterschiedlichen Formen der Sozialhilfe vgl. auch BVerwG NJW 2004, 3647,
3648 zu § 88 BSHG).
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(2) Ebenso wenig ist eine pauschale Pflicht zur Verwertung von Lebens-
versicherungen zu bejahen. Diese Auffassung übersieht, dass im Einzelfall eine
Härte vorliegen kann, die es erforderlich macht, dem Hilfebedürftigen unter Zu-
mutbarkeitsgesichtspunkten seine Versicherung zu belassen (§ 90 Abs. 3
SGB XII).
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(3) Richtig ist demnach, dass der Einsatz einer Kapitallebensversiche-
rung für die Prozesskosten anhand der gesetzlichen Kriterien nach §§ 115
Abs. 3 ZPO, 90 SGB XII zu beurteilen ist, die vom Grundsatz der Einsetzbarkeit
des gesamten Vermögens ausgehen und den Schutz einzelner Vermögensbe-
standteile als Ausnahme besonders regeln. Wenn der einzelne Vermögensge-
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genstand nicht ausdrücklich vom Einsatz ausgenommen wird, kann sich eine
Unverwertbarkeit ergeben, wenn die Verwertung eine Härte darstellen würde
(§ 90 Abs. 3 SGB XII).
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b) Ob der Einsatz des Vermögens für die Prozesskosten nach § 115
Abs. 3 Satz 1 ZPO zumutbar ist, ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO in ent-
sprechender Anwendung von § 90 SGB XII zu beurteilen.
§ 90 Abs. 1 SGB XII geht von dem Grundsatz aus, dass das gesamte
Vermögen einzusetzen ist. Da die Lebensversicherung der Klägerin nicht zu
den nach § 90 Abs. 2 SGB XII geschützten Vermögenswerten zählt, scheidet
eine Verwertbarkeit der Lebensversicherung nur aus, soweit der Vermögens-
einsatz für den Antragsteller und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine
Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 SGB XII). Das ist nach den vom Oberlan-
desgericht ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen nicht der Fall.
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Die Verwertung der Lebensversicherung kann eine Härte begründen,
wenn diese unwirtschaftlich ist oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen
Alterssicherung wesentlich erschweren würde. Die Umstände, die eine Härte
begründen sollen, sind vom Antragsteller darzulegen.
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aa) Die Verwertung der Lebensversicherung stellt nicht deswegen eine
Härte dar, weil sie unwirtschaftlich wäre. Auf die Frage des Verhältnisses von
Rückkaufswert und eingezahlten Beiträgen (vgl. dazu BVerwG NJW 2004,
3647, 3648 zu § 88 BSHG) kommt es hier nicht an, weil das Oberlandesgericht
zutreffend auf die Möglichkeit einer Beleihung durch ein sog. Policendarlehen
hingewiesen hat.
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Bei einer Beleihung der Versicherungspolice entstehen anders als bei ei-
nem Verkauf oder der Kündigung lediglich durch die Verzinsung Verluste, da
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auch bei unterbleibender Rückzahlung bis zum Ende der Laufzeit nur die belie-
hene Summe von der Versicherungsleistung in Abzug gebracht wird. Die Zins-
last als solche ist grundsätzlich hinzunehmen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom
15. November 1989 - IVb ZR 70/89 - FamRZ 1990, 389). In der Regel ist davon
auszugehen, dass die Konditionen, zu denen eine Versicherungspolice belie-
hen wird, nicht unwirtschaftlich sind.
Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die Partei die Zinsen nicht auf-
bringen kann, weil kein im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendes Ein-
kommen zur Verfügung steht (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1998, 247; Völ-
ker/Zempel in Prütting/Gehrlein ZPO § 115 Rdn. 41) und die Beleihung die ein-
zig mögliche Form der Verwertung ist (Liceni-Kierstein FPR 2009, 397 m.w.N.).
Anders als bei zur Finanzierung der Prozesskosten aufzustockenden vorhan-
denen Krediten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 15. November 1989 - IVb ZR
70/89 - FamRZ 1990, 389), die ersichtlich laufend bedient werden können oder
die anderweitig gesichert sind, wird der Antragsteller bei der Beleihung einer
Lebensversicherung erstmalig zu einer Zinszahlung verpflichtet. In diesen Fäl-
len ist er jedoch gehalten, die Kosten für die Beleihung ebenfalls der Police zu
entnehmen oder sie damit abzusichern. Dass die Versicherungsgesellschaften
diese Möglichkeit etwa nicht anbieten und die Police auch nicht bei einem Dritt-
anbieter beliehen werden kann, ist vom Antragsteller darzulegen und auf Anfor-
derung zu belegen.
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Das Oberlandesgericht hat einen Rückkaufswert der Lebensversicherung
zum 30. Juni 2008 von 10.731 € nebst Überschussanteilen von 3.079 € zugrun-
de gelegt. Dass die Beleihung der Versicherungspolice zur Bestreitung der zu
erwartenden Prozesskosten nicht möglich oder unwirtschaftlich sei, lässt sich
nach den fehlerfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht annehmen.
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bb) Die Klägerin hat ebenfalls nicht dargelegt, dass durch die - teilweise -
Verwertung der Lebensversicherung ihre angemessene Alterssicherung we-
sentlich erschwert würde.
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(1) Dazu ist erforderlich, dass die Lebensversicherung der Alterssiche-
rung dienen soll, wozu die bloße Absicht des Antragstellers, das Kapital zur Al-
tersvorsorge bereitzuhalten, nicht genügt, da das Kapital jederzeit anderweitig
eingesetzt werden kann (vgl. Liceni-Kierstein FPR 2009, 397). Vielmehr hat der
Antragsteller darzulegen, dass das Kapital aufgrund der vertraglichen Gestal-
tung, etwa durch eine entsprechende Fälligkeit, Zweckbindung oder durch
sonstige Regelungen für die Alterssicherung bestimmt und geeignet ist. Denn
anderenfalls steht das Kapital aus der Lebensversicherung dem Antragsteller
zur freien Verfügung und unterscheidet sich insoweit nicht von sonstigem Ver-
mögen, das - soweit es das Schonvermögen übersteigt - für die Prozesskosten
heranzuziehen ist.
(2) Zudem ist aber in jedem Fall erforderlich, dass ohne das einzuset-
zende Kapital die angemessene Altersversorgung des Antragstellers nicht ge-
währleistet ist, was wiederum vom Antragsteller darzulegen ist. An einer ange-
messenen Altersvorsorge fehlt es dann, wenn der Antragsteller im Rentenalter
ohne das einzusetzende Einkommen voraussichtlich sozialleistungsbedürftig
wird (BVerwGE 85, 102).
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(3) Jedenfalls an der letztgenannten Voraussetzung fehlt es im vorlie-
genden Fall. Denn die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr ohne die um die
Prozesskosten und die aufzubringenden Beleihungszinsen verminderte Le-
bensversicherung keine angemessene Altersversicherung mehr zur Verfügung
stehen wird. Das Oberlandesgericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass
mit der Lebensversicherung verwertbares Vermögen vorhanden sei. Auf die
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eingeräumte Stellungnahmefrist ist eine nähere Begründung der Klägerin für
den Ausnahmefall der Unverwertbarkeit ausgeblieben. Allein aus den bekann-
ten Umständen folgt eine Härte nicht.
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Die Klägerin ist 50 Jahre alt und zu 40 % schwerbehindert. Das Oberlan-
desgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rentenanwartschaften
von 348 € lediglich den Ehezeitanteil im Sinne des Versorgungsausgleichs aus-
machen. Der Rüge der Rechtsbeschwerde widersprechen die eigenen Angaben
der Klägerin, die ihre bis dato erworbenen Rentenanwartschaften mit 466 €
monatlich angibt. Es ist jedoch mangels näherer Darlegungen nicht ersichtlich,
dass die Klägerin selbst bei künftiger phasenweiser Erwerbslosigkeit wegen
ihrer Behinderung oder ihres Alters Rentenanwartschaften nur in einer Höhe
erwerben wird, die sie von Sozialleistungen abhängig macht. Außerdem ist
nicht ersichtlich, ob und welche Vermögenswerte der Klägerin infolge der
Scheidung zufließen werden und ob und wie lange ihr ein Unterhaltsanspruch
zustehen wird.
Ein Verfahrensfehler ist dem Oberlandesgericht entgegen der Auffas-
sung der Rechtsbeschwerde nicht unterlaufen. Wie oben ausgeführt, ist die
Klägerin auf die Einsetzbarkeit der Lebensversicherung hingewiesen worden,
so dass für sie genügender Anlass bestand, nähere Umstände dafür darzule-
gen, dass sie die Lebensversicherung ungekürzt für ihre Alterssicherung benö-
tige. Schließlich ist aber auch wegen des nur einmaligen Bedarfs für die Pro-
zesskosten und dem ihr verbleibenden Kapital aus der Lebensversicherung ei-
ne Härte nicht zu erkennen.
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III.
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Der Klägerin war Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde zu ver-
sagen, da die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Pro-
zesskostenhilfe nicht vorliegen. Die für die Rechtsbeschwerde anfallenden wei-
teren Kosten können ebenfalls aus der Lebensversicherung finanziert werden.
Hahne Wagenitz Vézina
Dose
Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Nürnberg, Entscheidung vom 23.05.2007 - 104 F 3671/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 06.06.2008 - 7 UF 739/07 -