Urteil des BGH vom 13.07.2004
Sparberaterin Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 17/03
Verkündet am:
13. Juli 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Sparberaterin
GWB § 20 Abs. 2
Eine unterschiedliche Behandlung von Nachfragern durch einen Normadressa-
ten ist dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie zugunsten der Gewinninter-
essen des Normadressaten darauf abzielt, die Nachfrager zu einer Verletzung
ihrer vertraglichen Verpflichtungen den eigenen Kunden gegenüber zu veran-
lassen.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - KZR 17/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 13. Juli 2004 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und
Dr. Raum
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Juni 2003 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens; die Streit-
helferinnen haben die durch ihre Streithilfe verursachten Kosten
zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, gibt
zusammen mit regionalen Telefonbuchverlagen Telefonverzeichnisse heraus.
Mit diesen Verlagen, zu denen auch die Streithelferinnen zählen, hat die Be-
klagte zum Zwecke der Herausgabe der einzelnen Telefonbücher jeweils soge-
nannte Objektgesellschaften (im folgenden: Herausgeber) in der Rechtsform
von Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebildet. Bei den von den Herausge-
bern verlegten Telefonverzeichnissen handelt es sich um "Das Telefonbuch",
ein mit 124 Bänden deutschlandweit flächendeckendes und überregionales
Telefonverzeichnis, "Das Örtliche", das den jeweiligen Regionalbereich abdeckt
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und in einheitlicher Aufmachung erscheint, sowie die "Gelben Seiten", ein nach
Branchen gegliedertes überregionales Telefonbuch.
Nach dem Vertriebskonzept der Herausgeber bestehen drei Möglichkei-
ten, um Inserate in den Telefonbüchern zu schalten. Neben dem direkten Weg
über die Herausgeber kann der Werbekunde seine Anzeigen auch über deren
Handelsvertreter in Auftrag geben. In beiden Fällen hat er hierfür den Grund-
preis zu entrichten, wobei die Handelsvertreter, soweit sie die Inserate akqui-
riert haben, eine vom Verlag getragene Provision in Höhe von 10 bis 12 % des
Anzeigenumsatzes erhalten. Beauftragt der Kunde eine externe Werbeagentur,
erhöht sich der Grundpreis für die Inserate um 15 %. Diesen Aufschlag zahlen
die Herausgeber an die Werbeagentur als Vergütung aus.
Die Klägerin ist eine auf die Betreuung von Anzeigenkunden spezialisier-
te Werbeagentur. Sie berät diese und gibt für ihre Kunden Inserate in den Tele-
fonverzeichnissen der Beklagten auf. Die Klägerin arbeitet dabei mit einer Wer-
be- und Sparberatungsgesellschaft mbH (im folgenden: WSG) zusammen, mit
der auch personelle Verflechtungen bestehen. Die WSG berät als sogenannte
Sparberaterin Inserenten, die bereits aufwendige Anzeigen in den Telefonbü-
chern geschaltet haben. Ziel der Beratungstätigkeit der WSG ist nach
ihren eigenen Werbeaussagen, eine "signifikante Kosteneinsparung und eine
erhebliche Verbesserung des Werbeeffekts" vornehmlich bei Altkunden zu er-
reichen. Hierfür verlangt die WSG ein vom Kunden zu leistendes einmaliges
Erfolgshonorar in Höhe von zwei Drittel der erreichten Einsparung. Die Werbe-
anzeigen werden dann von der Klägerin auf eigene Rechnung und im eigenen
Namen bei den Verlagsgesellschaften in Auftrag gegeben, wobei die Klägerin
auch für die Abwicklung des Auftrags (etwa Korrekturen, Datentransfer) verant-
wortlich ist. Hierfür beansprucht die Klägerin die von den Herausgebern ande-
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ren externen Werbeagenturen eingeräumte Vermittlungsprovision in Höhe von
15 %.
In mehreren Schreiben im Jahr 2000 hat die Beklagte der Klägerin mitge-
teilt, daß sie im Hinblick auf deren Zusammenarbeit mit der "Sparberaterin" kei-
ne weiteren Anzeigen mehr entgegennehmen werde. Die "Sparberaterin" werbe
keine Kunden, sondern nutze nur die von ihren Handelsvertretern geschaffenen
Kundenkontakte aus. Hiergegen wendet sich die Klägerin und begehrt die Fest-
stellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, die in eigenem Namen und auf eige-
ne Rechnung der Klägerin aufgegebenen Insertionsbestellungen hinsichtlich
bestimmter konkret bezeichneter Telefonbücher zu den jeweils geltenden Be-
stimmungen anzunehmen und der Klägerin den durch die Ablehnung der An-
träge entstandenen Schaden zu ersetzen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil keine Pflicht der Beklag-
ten zur Annahme solcher Inserate bestehe und deshalb eine unbillige Behinde-
rung im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB ausscheide. Das Oberlandesgericht hat
zunächst die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Der Bundesge-
richtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhand-
lung und Entscheidung zurückverwiesen (Urt. v. 9.7.2002 - KZR 13/01). Nun-
mehr hat das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten zur Annahme der In-
sertionsbestellungen festgestellt. Es hat weiterhin die im Berufungsrechtszug
von der Beklagten erhobene Widerklage abgewiesen, wonach sie auch hin-
sichtlich der übrigen - nicht vom Klageantrag und auch nicht von anderweitigen
Prozessen erfaßten - Telefonbücher "Das Telefonbuch", die "Gelben Seiten"
und den "Örtlichen Telefonbüchern" nicht verpflichtet sei, Insertionsbestellun-
gen der Klägerin anzunehmen (OLG Stuttgart WuW/E DE-R 1191). Hiergegen
richtet sich die Revision der Beklagten. Die Streithelferinnen der Beklagten ha-
ben sich deren Anträgen angeschlossen.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat eine Pflicht der Beklagten angenommen, die
von der Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eingereichten
Anzeigenaufträge anzunehmen. Der Klägerin stehe gemäß §§ 33, 20 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 GWB i.V. mit § 1004 BGB analog ein kartellrechtlicher Anspruch
auf Vertragsschluß zu. Die Beklagte sei als jedenfalls marktstarkes Unterneh-
men Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB. Selbst wenn in einigen Regionalbe-
reichen weitere Telefonverzeichnisse herausgegeben würden, komme den
Telefonverzeichnissen der Beklagten eine Sonderstellung zu, weil sie - als
Nachfolger der amtlichen Telefonbücher - deutschlandweit in der gleichen Auf-
machung kostenlos vertrieben würden. Der werbetreibende Kunde erwarte
deshalb von einer Werbeagentur, daß sie gerade dort Anzeigen schalten kön-
ne. Die Beklagte behandle die Klägerin im Vergleich zu anderen externen Wer-
beagenturen unterschiedlich. Hierfür bestehe keine sachliche Rechtfertigung,
weil das Verhalten der Klägerin, als Werbeagentur für ihre Kunden eine mög-
lichst kostengünstige Telefonbuchwerbung zu erzielen, nicht wettbewerbswidrig
sei. Angesichts ihrer Marktmacht könne deshalb die Beklagte, auch wenn da-
durch ihre eigenen Gewinnchancen beeinträchtigt würden, die Zusammenarbeit
der Klägerin mit der Sparberaterin nicht zum Anlaß nehmen, gegenüber der
Klägerin die Annahme von Inseraten zu verweigern.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Herausgeber als
Normadressaten des § 20 Abs. 2 GWB angesehen. Es ist dabei mit Recht und
von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte als Ge-
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sellschafterin sämtlicher Herausgebergesellschaften analog § 128 HGB die An-
nahme und Ausführung der Anzeigenaufträge schuldet.
Den von der Beklagten durch ihre Objektgesellschaften herausgegebe-
nen Telefonbüchern, die über die Postfilialen kostenlos verteilt werden, kommt
am Markt eine besondere Stellung zu (BGH, Urt. v. 24.9.2002 - KZR 38/99,
WuW/E DE-R 1051, 1052 - Vorleistungspflicht). Die aus den sogenannten amt-
lichen Telefonbüchern hervorgegangenen Verzeichnisse werden in den einzel-
nen Haushalten aufbewahrt und für den Bedarfsfall griffbereit gehalten und die-
nen damit für potentielle Interessenten als erstes wichtiges Orientierungsmittel.
Unabhängig davon, ob mittlerweile in einigen regionalen Märkten andere
Telefonverzeichnisse verlegt werden, kommt den klassischen Telefonbüchern
aus Sicht der Werbewirtschaft eine herausragende Bedeutung zu. Deshalb hat
das Berufungsgericht zutreffend jedenfalls eine relative Marktmacht der Her-
ausgeber im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB angenommen, weil die Klägerin als
Werbeagentur ihren Kunden auch den Zugang zu den von der Beklagten mit-
herausgegebenen Telefonbüchern ermöglichen muß. Wegen ihrer überragen-
den Bedeutung als Werbemedium ist die Anzeigenschaltung in diesen Telefon-
büchern für Werbekunden von erheblicher Relevanz. Dies wirkt sich auch auf
die Klägerin aus, die Kunden nur gewinnen wird, wenn sie für diese dort auch
Inserate schalten kann. Für die Klägerin ist deshalb keine Ausweichmöglichkeit
gegeben, so daß sie von den Herausgebern im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1
GWB abhängig ist.
2. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin hat das Berufungsgericht zu
Recht darin erblickt, daß die Herausgeber Inserate anderer Werbeagenturen
annehmen. Jedenfalls die anderen externen Werbeagenturen, die im eigenen
Namen und auf eigene Rechnung Inserate schalten, bilden insoweit die maß-
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gebliche Vergleichsgruppe. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob auch eine
unterschiedliche Behandlung gegenüber den über die eigenen Handelsvertreter
geworbenen Kunden in Betracht kommt.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten und ihrer Streithelferinnen
besteht kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine unterschiedliche Behand-
lung der Klägerin nach § 20 Abs. 1, 2 GWB. Die vom Berufungsgericht hierzu
vorgenommene umfassende Interessenabwägung läßt keinen Rechtsfehler er-
kennen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hindert das
Diskriminierungsverbot den Normadressaten grundsätzlich allerdings nicht dar-
an, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermes-
sen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet
(BGH WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht; Urt. v. 17.3.1998
- KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 - Bahnhofsbuchhandel; Beschl. v.
25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2539 f. - Lüsterbehangsteine). Dies um-
faßt grundsätzlich das Recht des Normadressaten, seinen Vertrieb auch über
unternehmenseigene Tochtergesellschaften zu organisieren. Entschließt sich
der Normadressat jedoch prinzipiell, seine Leistungen nicht nur durch von ihm
beherrschte Tochterunternehmen anzubieten, trifft ihn grundsätzlich die Pflicht
zur Gleichbehandlung gleichartiger Unternehmen. Eine Benachteiligung einzel-
ner Abnehmer ist dann nur bei Vorliegen besonderer rechtfertigender Umstände
möglich (BGH WuW/E DE-R 1051, 1053 - Vorleistungspflicht). Dabei sind im
Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung an den Normadressaten
verschärfte Anforderungen zu stellen, wenn er als Anbieter von Waren oder
gewerblichen Leistungen den Vertragsabschluß mit potentiellen Abnehmern
- im Sinne einer Liefersperre - gänzlich verweigert und den betreffenden Unter-
nehmen hierdurch den Zutritt zum Markt praktisch verwehrt (vgl. Markert in
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Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 151; vgl. auch BGHZ 49, 90,
99 - Jägermeister).
b) Eine Rechtfertigung für den vollständigen Abbruch der Geschäftsbe-
ziehungen mit der Klägerin kann insbesondere nicht darin erblickt werden, daß
diese mit der "Sparberaterin" zusammenarbeitet und damit bei der Schaltung
der Inserate auf eine Kostensenkung für ihre Kunden besonderen Wert legt.
Eine solche Zielrichtung ihrer Beratungstätigkeit verlangt schon das Vertrags-
verhältnis, in dem die Klägerin zu ihren jeweiligen Werbekunden steht. Diesen
gegenüber ist sie nämlich verpflichtet, sie im Sinne einer größtmöglichen Wer-
beeffizienz bei möglichst geringen Kosten zu beraten (BGHSt 23, 246, 250 f.
= GRUR 1970, 572, 573 - context). Dabei ist es unerheblich, ob sich die Kläge-
rin und die mit ihr verbundene WSG ihre Beratungstätigkeit durch ein Zeit- oder
ein Erfolgshonorar vergüten lassen. Schon diese Pflichtenstellung, die aus dem
Vertragsverhältnis herrührt, kollidiert zwangsläufig mit kaufmännischen Gewinn-
interessen der Beklagten. Insoweit geht es auch nicht mehr darum, daß die Be-
klagte ihr eigenes Absatzsystem wirtschaftlich sinnvoll gestaltet. Die Wirkung
der Beeinflussung, welche die Beklagte durch ihre Annahmeverweigerung zu
erzielen versucht, strahlt in die Vertragsverhältnisse der vorgelagerten Markt-
stufe aus. Letztlich will sie nämlich ein bestimmtes Beratungsverhalten unter-
binden, das ihren eigenen Geschäftsinteressen abträglich ist.
Dieses Vorgehen der Herausgeber ist unter Berücksichtigung der auf die
Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wett-
bewerbsbeschränkungen, die im Rahmen der Interessenabwägung zu beach-
ten ist (BGH, Urt. v. 27.4.1999 - KZR 35/97, WuW/E DE-R 357, 359 - Feuer-
wehrgeräte), nicht schützenswert. Ein solches Verhalten berührt die ordnungs-
gemäße Vertragserfüllung der Werbeagentur ihrem Kunden gegenüber. Durch
seine Marktmacht könnte der Normadressat zugleich die wettbewerbliche Betä-
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tigung auf einer vorgelagerten Marktstufe dergestalt bestimmen oder beeinflus-
sen, daß dort nicht mehr das an einer optimalen Kosten/Nutzen-Relation orien-
tierte Beratungsergebnis, sondern die Gewinninteressen der Beklagten im Vor-
dergrund stehen. Dies beeinträchtigt nicht nur die berechtigte Erwartung des
Kunden an einer auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Beratung, sondern ist
zugleich geeignet, den Marktzutritt weiterer werblicher Berater insgesamt zu
erschweren (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1991 - KZR 26/89, WuW/E 2707, 2716
- Krankentransportunternehmen II); denn die Beeinträchtigung einer interes-
sengerechten Beratung macht die Betätigung auf diesem Markt unattraktiv.
c) Ohne Erfolg berufen sich die Beklagte und ihre Streithelferinnen als
Rechtfertigung für ihre Abschlußverweigerung darauf, daß eine weitere Tätig-
keit der mit der Klägerin verbundenen "Sparberaterin" die Funktionsfähigkeit
ihres Handelsvertretersystems beeinträchtige. Sie verweist darauf, daß ihre
Handelsvertreter erhebliche Anstrengungen unternähmen, um Neukunden zu
gewinnen, ihnen aber das lukrative Folgegeschäft mit Altkunden verloren gehe.
Daß die Handelsvertreter der Herausgeber anders als die Klägerin auch Neu-
kunden akquirieren, ist für die Interessenbewertung - wie das Berufungsgericht
zutreffend feststellt - schon deshalb ohne Belang, weil die Herausgeber bei an-
deren Werbeagenturen auch nicht danach differenzieren, ob diese nur Alt- oder
auch Neukunden betreuen. In der unterschiedlichen Behandlung gegenüber
anderen freien Werbeagenturen liegt aber die Ungleichbehandlung im Sinne
des § 20 Abs. 1 GWB. Diese bildet auch im Rahmen der Prüfung eines sachli-
chen Rechtfertigungsgrundes den maßgeblichen Bezugspunkt.
Entgegen der Auffassung der Revision kann eine sachliche Rechtferti-
gung für die Ablehnung der über die Klägerin eingereichten Inserate auch nicht
in der Stützung des von den Herausgebern eingerichteten Handelsvertretersy-
stems gesehen werden. Die Beklagte hat insoweit behauptet, es bestehe die
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Gefahr, daß die Handelsvertreter ihre Tätigkeit für die Herausgeber aufgrund
eines Rückgangs des lukrativen Geschäfts mit den Altkunden einstellen könn-
ten. Das Berufungsgericht hat eine solche Auswirkung auf das Handelsvertre-
tersystem auch festgestellt. Gleichwohl vermag dieser Gesichtspunkt das Er-
gebnis der Interessenabwägung nicht zu beeinflussen. Eine an sich legitime
Stärkung der eigenen Vertriebsstruktur darf nämlich nicht dazu führen, daß in
die Beratungsverhältnisse auf dem vorgelagerten Markt eingegriffen wird. Dies
bewirkt aber die Praxis der Herausgeber, zwar generell die über externe Wer-
beagenturen eingereichten Anzeigen entgegenzunehmen, nicht jedoch solche,
die über die Klägerin geschaltet werden sollen. Damit differenzieren die Her-
ausgeber nach dem Inhalt der Beratung durch die Werbeagenturen und da-
nach, ob diese ihren kaufmännischen Interessen entspricht. Letztlich zielt der
von der Beklagten angeführte Gesichtspunkt des Erhalts des eigenen Handels-
vertretersystems nur darauf ab, daß durch die "Sparberatung" Umsatzrückgän-
ge zu verzeichnen sind, die sich zwangsläufig auch auf die mit den Herausge-
bern zusammenarbeitenden Handelsvertreter auswirken müssen. Abgesehen
davon, daß die Beklagte und ihre Streithelferinnen nicht aufgezeigt haben, in-
wieweit eine Beeinträchtigung des Handelsvertretersystems unumgänglich wäre
und nicht durch andere Maßnahmen aufgefangen werden könnte, vermögen
deshalb auch mögliche Provisionseinbußen bei ihren Handelsvertretern keine
so weitreichende Maßnahme wie die generelle Ablehnung der von der Klägerin
akquirierten Inserate zu rechtfertigen.
d) Schließlich beanstandet die Revision ohne Erfolg, daß die Interessen-
bewertung schon deshalb zu einem ihnen günstigen Ergebnis hätte führen
müssen, weil die Klägerin lukrative Altkunden "abwerbe". Eine solche Abwer-
bung von Kunden ist aber nach den Urteilsfeststellungen nicht ersichtlich. Viel-
mehr inserieren die von der Klägerin betreuten Werbekunden weiter in den von
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den Verlagsgesellschaften herausgegebenen Telefonbüchern; verringert hat
sich lediglich der mit den einzelnen Inseraten erzielte Umsatz.
Entgegen der Auffassung der Revision nutzt die Klägerin dabei auch kei-
ne geschäftliche Leistung der Handelsvertreter der Herausgeber in unerlaubter
Weise (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG) aus (zum unlauteren Ausnutzen fremder Werbung
vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 3. Aufl., § 4 Rdn. 9.22 und 10.74
m.w.N.). Die Betreiber von Telefonnetzen sind zu einer Veröffentlichung der
wesentlichen Daten der Anschlußnehmer - jedenfalls soweit diese nicht wider-
sprechen - gesetzlich verpflichtet (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 104 Telekommu-
nikationsgesetz - TKG). Insofern handelt es sich um frei zugängliche Daten, auf
deren Grundlage die Klägerin dann ihre Beratung durchführt. Ein solches Ver-
halten ist lauterkeitsrechtlich unbedenklich.
Hirsch
Goette
Ball
Bornkamm
Raum