Urteil des BGH vom 11.07.2008
BGH (fonds, gesellschafter, steuerliche vergünstigung, an erfüllung statt, wider besseres wissen, erwerb von grundstücken, vorschrift, steuerhinterziehung, notar, kenntnis)
5 StR 156/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhand-
lung vom 10. und 11. Juli 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als
beisitzende
Richter,
Bundesanwalt
als
Vertreter
der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als
Verteidiger,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle,
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am 11. Juli 2008 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 22. August 2007 mit den Feststel-
lungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinter-
ziehung in fünf Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, aus rechtlichen
Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsan-
waltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der Sachrü-
ge Erfolg.
I.
1. Dem Angeklagten liegt zur Last, in der Zeit zwischen 22. Au-
gust 1997 und 31. August 2000 im Zusammenhang mit der Einbringung von
etwa 4.000 zu sanierenden Plattenbauwohnungen in einen geschlossenen
Immobilienfonds in fünf Fällen als Geschäftsführer der I. B.
G. (im Folgenden: IBG) ge-
genüber den Finanzbehörden die erforderliche Anzeige von Verträgen unter-
lassen und dadurch in vier Fällen Grunderwerbsteuern hinterzogen sowie in
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einem weiteren Fall dieses versucht zu haben; einen weiteren gleichgelager-
ten Fall (Objekte in Görlitz) hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf einge-
tretene Verjährung nicht angeklagt. Der Angeklagte habe bei Objektübertra-
gungen zwischen Grundstücksgesellschaften die die Grunderwerbsteuer be-
gründenden Verträge mitgestaltet, habe es aber pflichtwidrig unterlassen, die
Verträge über den Beitritt einer Fondsgesellschaft in die jeweilige erwerben-
de Grundstücksgesellschaft sowie dazugehörige „Globalpauschalverträge“
zur Sanierung der Objekte den Finanzbehörden binnen zwei Wochen nach
Vertragsschluss mitzuteilen.
2. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
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a) Die beiden Partner der A. W. und
N. waren je zur Hälfte Mitgesellschafter von sieben Kommanditge-
sellschaften (im Folgenden bezeichnet als 1. Kommanditgesellschaften).
Diese Gesellschaften hatten – finanziert durch die B. –H. H.
AG (B. ) – im Zeitraum von November 1995 bis No-
vember 1996 in den neuen Bundesländern von kommunalen Wohnungsbau-
gesellschaften für insgesamt 263 Mio. DM sanierungsbedürftige Plattenbau-
wohnanlagen erworben. 40 Prozent der Wohnungen sollten nach Instandset-
zung und Modernisierung in Eigentumswohnungen umgewandelt und dann
veräußert werden; die übrigen Wohnungen sollten im Bestand der Gesell-
schaften verbleiben.
Um die Kreditverbindlichkeiten gegenüber der B. zu verringern,
die das Kreditengagement mit der A. -Gruppe auf 350 Mio. DM be-
schränken wollte, beschlossen die Gesellschafter W. und N. ,
mindestens 2.000 Wohneinheiten als Mietobjekte an einen Fonds zu verkau-
fen. Diese Einheiten sollten in einem Zwischenschritt zunächst in neue Ge-
sellschaften eingebracht werden, bis eine Einigung über den Verkauf an ei-
nen Fonds gefunden war (UA S. 31). Hierzu gründeten die Gesellschafter
W. und N. am 27. Dezember 1996 (für Objekte in Branden-
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burg an der Havel, Görlitz, Leipzig und Halle) und am 7. Mai 1997 (für Objek-
te in Cottbus und Schwerin) mit Hilfe des früheren Mitangeklagten Notar S.
jeweils sogenannte 2. Kommanditgesellschaften und übertrugen diesen
ebenfalls am 27. Dezember 1996 bzw. (bezüglich der Objekte in Cottbus und
Schwerin) erst am 7. August 1997 einen Teil der Plattenbauwohnanlagen.
Die Gesellschaftsverträge enthielten Regelungen, die auf das Vorhandensein
mehrerer Gesellschafter zugeschnitten waren (UA S. 32, 47). Gesellschafter
der neuen Gesellschaften waren allerdings zunächst wiederum nur die
„A. -Partner“ W. und N. zu je 50 Prozent mit einem Ge-
sellschaftsanteil von je 3.000 DM. Die vier im Dezember 1996 geschlossenen
notariell beurkundeten Grundstückskaufverträge zwischen den 1. und
2. Kommanditgesellschaften enthielten die Verpflichtung der Käufer, die
Grunderwerbsteuer an das zuständige Finanzamt zu zahlen und sie auch im
Innenverhältnis zu tragen (UA S. 52). Nach Abänderung dieser Verträge am
7. August 1997 im Hinblick auf eine geänderte Auswahl der in den Fonds
einzubringenden Plattenbauwohneinheiten (UA S. 49) enthielten schließlich
sämtliche Grundstückskaufverträge mit den 2. Kommanditgesellschaften die
Feststellung, dass der Erwerb gemäß § 6 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 GrEStG
grunderwerbsteuerfrei sei (UA S. 53 f.). Hintergrund war, dass ein nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an sich der Grunderwerbsteuer unterliegender Grund-
stückserwerb im Fall der Übertragung von Grundstücken von einer Gesamt-
hand auf eine andere gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer
ausgenommen war. Voraussetzung für die Nichterhebung der Steuer war
allerdings ein anteilig gleicher Gesellschafterbestand bei der veräußernden
und der erwerbenden Gesellschaft.
Entsprechend ihrem bereits bei Gründung der 2. Kommanditgesell-
schaften bestehenden Plan, Plattenbauwohneinheiten auf einen Fonds zu
übertragen, einigten sich die Gesellschafter W. und N.
schließlich mit der B. I. B.
– LBB Fonds Zwölf – (im Folgenden: LBB-Fonds Zwölf), dass
diese Fondsgesellschaft den sechs 2. Kommanditgesellschaften als weitere
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Kommanditistin beitreten und nach gleichzeitiger Kapitalerhöhung auf
100.000 DM insgesamt 94 Prozent der Gesellschaftsanteile halten sollte. Mit
der Begrenzung auf diesen Umfang einer Beteiligung sollte ein durch den
Gesellschafterbeitritt ausgelöstes Entstehen von Grunderwerbsteuer gemäß
§ 1 Abs. 2a GrEStG in der im Jahr 1997 geltenden Fassung vermieden wer-
den. Nach dieser Vorschrift gilt die wesentliche Änderung des Gesellschaf-
terbestandes einer Personengesellschaft, zu deren Vermögen ein inländi-
sches Grundstück gehört, als auf die Übereignung des Grundstücks gerichte-
tes Rechtsgeschäft. § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG (1997) bestimmt, dass eine
wesentliche Änderung in diesem Sinne stets gegeben ist, wenn 95 Prozent
der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.
Die bisherigen Gesellschafter W. und N. sollten dementspre-
chend zu sechs Prozent an den 2. Kommanditgesellschaften beteiligt blei-
ben. Bei den Übertragungen wirkten auf der Seite des beitretenden LBB-
Fonds Zwölf sowohl der Angeklagte als Geschäftsführer der IBG – mit Unter-
stützung seines Mitarbeiters Bo. – als auch Rechtsanwalt L. in
seiner Doppelfunktion als Rechtsberater der IBG und alleinvertretungsbe-
rechtigter Komplementär des Fonds mit.
Nachdem sich die Vertragsparteien auf einen zu übertragenden Be-
stand von 4.000 Plattenbauwohnungen geeinigt hatten, schloss N.
am 7. August 1997 sowohl als Vertreter der 1. als auch der 2. Kommanditge-
sellschaften Nachtragsverträge zu den Grundstückskaufverträgen vom
27. Dezember 1996 ab. Am 8. August 1997 erklärte der inzwischen aufgrund
der Nichtanzeige dieses Gesellschafterbeitritts gegenüber den Finanzbehör-
den rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilte Rechtsanwalt
L. für den LBB-Fonds Zwölf in sechs notariellen Gesellschafterbei-
trittsverträgen den jeweiligen Beitritt des Fonds zu den 2. Kommanditgesell-
schaften (UA S. 52). Ebenfalls am 8. August 1997 übernahmen diese Gesell-
schaften durch sogenannte Globalpauschalverträge Sanierungsverpflichtun-
gen in Höhe von insgesamt rund 272 Mio. DM, welche die 1. Kommanditge-
sellschaften gegenüber den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ein-
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gegangen waren. Entsprechend diesen Verpflichtungen zur Sanierung und
gemäß der Verteilung der Gesellschaftsanteile im Verhältnis 94 zu 6 erhöh-
ten die Gesellschafter der 2. Kommanditgesellschaften die Kapitalanteile für
den LBB-Fonds Zwölf auf fast 257 Mio. DM und für W. sowie für
N. auf rund 16 Mio. DM.
Da die „A. -Partner“ W. und N. nicht in der Lage
waren, eine derartige Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln zu bestreiten,
schlossen sie am 26. November 1997 mit der B. O. B.
GmbH, deren alleinige Anteilseignerin die Fondsinitiatorin IBG
war, einen Darlehensvertrag über den von ihnen zu entrichtenden Gesamt-
betrag von 16 Mio. DM. Zur Absicherung der Darlehensforderung verpfände-
ten sie ihre Gesellschaftsanteile an die B. O. B
GmbH und traten ihr die jährlichen Ausschüttungsansprüche „als Zinszah-
lung“ ab. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung konnten die Gesell-
schaftsanteile zur Tilgung der Verbindlichkeiten an die Darlehensgeberin an
Erfüllung statt und ohne Haftung der Darlehensnehmer für deren Werthaltig-
keit übertragen werden. Die B. O. B. GmbH
schloss ihrerseits Darlehensverträge mit den 2. Kommanditgesellschaften ab,
die diese Darlehen mit bei der B. aufgenommenen Krediten refinan-
zierten (UA S. 76 f.).
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b) Der Angeklagte war bis zum 31. August 2000 Geschäftsführer der
IBG. Diese Gesellschaft war alleinige Gesellschafterin der I. B.
V. der B. B. mbH (im Fol-
genden: IBV), deren Geschäftsführer bis zum 25. Juni 1997 ebenfalls der
Angeklagte war. Zwischen beiden Gesellschaften bestand ein Geschäftsbe-
sorgungsvertrag, mit dem die IBG für die IBV unter anderem die Vorberei-
tung und Abgabe von Steuererklärungen auch im Verhältnis gegenüber Drit-
ten übernommen hatte. Die IBV war geschäftsführende Kommanditistin im
LBB-Fonds Zwölf. Der Angeklagte war zudem Geschäftsführer der B.
O B. GmbH, deren Alleingesellschafterin wiederum
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die IBG war und die den „A. -Partnern“ W. und N. durch
Gewährung von Darlehen die Kapitalerhöhung in den 2. Kommanditgesell-
schaften finanzierte.
Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte als Vertreter der
IBG bereits am 4. März 1997 bei einem Treffen mit dem B.
Vorstandsmitglied N. und den „A. -Partnern“ W. und
N. die Bereitschaft erklärt, A. -Plattenbauwohnungen in LBB-
Fonds aufzunehmen (UA S. 34). Spätestens seit diesem Gespräch war ihm
auch der Plan bekannt, das „Anfallen“ von Grunderwerbsteuer bei der Über-
nahme der Plattenbauwohnungen in einen von der IBG zu lancierenden
Fonds durch Ausnutzung der seit dem 1. Januar 1997 geltenden Regelung
des § 1 Abs. 2a GrEStG zu vermeiden. In Anlehnung an die aus dieser Vor-
schrift entwickelte „94/6-Regel“ sollten die bisherigen Gesellschafter „zwecks
Einsparung der Grunderwerbsteuer“ in der jeweiligen Gesellschaft mindes-
tens 5,5 % der Anteile halten (UA S. 37). Bei den in der Folgezeit über die
möglichen Fondsobjekte geführten Gesprächen fungierte für die IBG deren
Mitarbeiter Bo. als Ansprechpartner (UA S. 39). Die wesentlichen Grund-
sätze für die im Zusammenhang mit der Einbringung der Plattenbauwohn-
einheiten in den LBB-Fonds notwendigen Kauf-, Beitritts- und Globalpau-
schalverträge wurden allerdings bei einem Treffen am 10. April 1997 mit den
„A. -Partnern“ W. und N. festgelegt, an dem der Ange-
klagte selbst teilnahm. Dabei einigten sich die Beteiligten darauf, die Fonds-
gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG zu führen, wobei in der
Kommanditgesellschaft die Altgesellschafter mit mindestens einem Anteil von
fünf Prozent als Kommanditisten verbleiben sollten, um das Entstehen von
Grunderwerbsteuer zu vermeiden (UA S. 43). Ferner einigten sich die Betei-
ligten darauf, dass die A. -Unternehmensgruppe den Generalüberneh-
mervertrag für die Sanierung der in den Fonds einzubringenden Plattenbau-
ten (bezeichnet als „Globalpauschalverträge“) erhalten und die Sanierung der
Plattenbauten bis zum Ende des Jahres 1998 sicherstellen sollte (UA S. 44).
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Dem Angeklagten war bewusst, dass trotz der gewählten Vertrags-
konstruktion wegen der bereits bei der Übertragung der Grundstücke auf die
2. Kommanditgesellschaften beabsichtigten Beteiligung eines Immobilien-
fonds Grunderwerbsteuer entstehen konnte. Dieses Wissen erlangte der An-
geklagte spätestens in der Folge eines Treffens des Steuerberaters Sch.
am 26. Mai 1997 mit den gesondert Verfolgten Bo. , N. und
L. in den Räumlichkeiten der IBG. Steuerberater Sch. erläuterte
bei diesem Treffen, dass der Beteiligungserwerb durch die Fondsgesellschaft
zwar nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerfrei sei, dies aber im Hinblick auf die
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu
einem rückwirkenden Entfallen der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6
Abs. 3 GrEStG für die Grundstückskaufverträge zwischen den 1. und
2. Kommanditgesellschaften führen dürfte (UA S. 56). Die an diesem Treffen
Beteiligten gingen allerdings davon aus, dass die Finanzbehörden die den
Wegfall der Steuerbefreiung auslösenden Umstände nicht erkennen würden
und folglich faktisch auch keine Grunderwerbsteuer nacherheben könnten,
wenn ihnen die Gesellschafterbeitrittsverträge nicht mitgeteilt würden. Sie
beschlossen daher, den „risikobehafteten Weg“ unter vermeintlicher Inan-
spruchnahme des § 1 Abs. 2a GrEStG zu beschreiten, bei dem die „A. -
Partner“ W. und N. mit insgesamt sechs Prozent als Kom-
manditisten an den 2. Kommanditgesellschaften beteiligt bleiben sollten (UA
S. 57 f.).
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In einem Schreiben vom 30. Mai 1997, von dem der Angeklagte
Kenntnis erlangte, nahm Rechtsanwalt L. auf die Besprechung
vom 26. Mai 1997 Bezug und wies nochmals ausdrücklich darauf hin, dass
das Risiko des Anfalls der Grunderwerbsteuer beträchtlich sei (UA S. 64).
Vor diesem Hintergrund entschied der Angeklagte, dass „die IBG jedenfalls
nicht die Grunderwerbsteuer tragen würde, so dass eine Vertragsgestaltung
zu wählen sei, die dieses Ergebnis sicherstellen sollte“ (UA S. 67). Der An-
geklagte hatte auch Kenntnis von einem Erlass der Berliner Senatsverwal-
tung für Finanzen vom 13. Juni 1997, in dem im Hinblick auf die Anwendung
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des § 1 Abs. 2a GrEStG auf die grundsätzliche Verpflichtung der zur Ge-
schäftsführung verpflichteten Personen zur Anzeige jedes Gesellschafter-
wechsels oder Gesellschafterbeitritts hingewiesen wurde (UA S. 74). Die
Mitglieder des Aufsichtsrats der IBG, die dem „Ankauf“ der Objektgesell-
schaften, d. h. der 2. Kommanditgesellschaften, schließlich zustimmten, wur-
den von dem Angeklagten nicht über die „Grunderwerbsteuerproblematik“ in
Kenntnis gesetzt (UA S. 69). In Kenntnis der an der Vertragsgestaltung Be-
teiligten, dass die „A. -Partner“ W. und N. nicht in der La-
ge waren, die Grunderwerbsteuerlast zu tragen, wurde auf Drängen des
Neugesellschafters LBB-Fonds Zwölf in den Kaufverträgen und Nachträgen
vom 7. August 1997 die Klausel aufgenommen, dass der vorliegende Erwerb
gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG grunderwerbsteuerfrei sei. In einer weiteren Klau-
sel wurde bestimmt, dass etwa anfallende Verkehrssteuern von der Verkäu-
ferin, d. h. der jeweiligen 1. Kommanditgesellschaft zu tragen seien (UA
S. 72 ff.). Aus der festgestellten „Vertragskaskade“ hat die Strafkammer den
Schluss gezogen, dass dem Angeklagten spätestens seit den am 26. No-
vember 1997 geschlossenen Darlehensverträgen bewusst war, dass die Alt-
gesellschafter W. und N. nicht in der Lage waren, aus eige-
nen Mitteln den auf sie entfallenden Anteil an der Kapitalerhöhung sowie den
befürchteten Anfall der Grunderwerbsteuer zu tragen (UA S. 83).
c) Notar S. zeigte im Oktober bzw. Dezember 1997 die zwischen
den 1. und 2. Kommanditgesellschaften geschlossenen Grundstückskaufver-
träge und Vertragsnachträge vom 27. Dezember 1996 und 7. August 1997
gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt an. Er verschwieg dabei ge-
mäß dem mit den Gesellschaftern N. und W. verabredeten
Plan sowohl die Änderungen im Gesellschafterbestand der 2. Kommanditge-
sellschaften als auch die „Globalpauschalverträge“ vom 8. August 1997 über
die Sanierung der Plattenbauwohnanlagen. Stattdessen behauptete er wider
besseres Wissen, nach Ansicht der Vertragsparteien sei der Kauf grunder-
werbsteuerfrei, weil bei den 2. Kommanditgesellschaften ausschließlich die
Altgesellschafter W. und N. – die in Wirklichkeit nur noch je-
13
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weils drei Prozent der Gesellschaftsanteile hielten – zu einem Anteil von je-
weils der Hälfte am Vermögen der Gesellschaften beteiligt seien. Dadurch
wurden die Finanzämter bewusst über den der Grunderwerbsteuerbefreiung
(§ 6 Abs. 3 GrEStG a.F.) entgegenstehenden von vornherein geplanten Ge-
sellschafterbeitritt im Unklaren gelassen (UA S. 78).
d) In Unkenntnis von den Gesellschafterbeitritten und den „Globalpau-
schalverträgen“ stellten die zuständigen Finanzämter mit Bescheiden vom
3. Februar, 18. Februar, 18. Dezember 1998 und 4. August 1999 die Grund-
stückserwerbe durch die 2. Kommanditgesellschaften im Hinblick auf die Ge-
sellschafteridentität bei veräußernder und erwerbender Gesellschaft gemäß
§ 6 Abs. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer frei. Tatsächlich waren im
Hinblick auf die Änderung im Gesellschafterbestand der 2. Kommanditgesell-
schaften die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben und deshalb
rund 165.000 DM (Brandenburg), 680.000 DM (Leipzig), 639.000 DM (Halle)
und 2,5 Mio. DM (Cottbus), insgesamt also rund 4 Mio. DM, an Grunder-
werbsteuer entstanden (UA S. 7 f.). Lediglich das Finanzamt Schwerin erließ
zunächst keinen Bescheid über die Grunderwerbsteuerfreiheit und verwei-
gerte die beantragte Freistellung im Herbst 2001 endgültig; es hatte auf
Nachfrage im Notariat von den Gesellschafterbeitritten erfahren (UA S. 8).
Die nachträglich festgesetzten Grunderwerbsteuern wurden von Seiten des
beigetretenen Fonds bezahlt.
14
3. Das Landgericht hat den Angeklagten aus Rechtsgründen vom Vor-
wurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen freigesprochen; nach An-
sicht der Strafkammer traf den Angeklagten keine Pflicht, den Finanzbehör-
den die Gesellschafterbeitritte und die „Globalpauschalverträge“ anzuzeigen.
„Anzeichen“ für eine Beteiligung des Angeklagten an den von den früheren
Mitangeklagten N. und S. durch aktives Tun begangenen Steu-
erhinterziehungen sah das Landgericht nicht (UA S. 110).
15
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a) Das Landgericht ist der Ansicht, dass für die zwischen den 1. und
den 2. Kommanditgesellschaften geschlossenen Grundstückskaufverträge
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO Grunderwerbsteuer entstan-
den sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei die steuerliche
Vergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG zu versagen, wenn und soweit ent-
sprechend einem vorgefassten Plan im sachlichen und zeitlichen Zusam-
menhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine
andere die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder
weitgehend aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch die Neuaufnahme wei-
terer Gesellschafter verringert (UA S. 99 mit Hinweis auf BFH BStBl II 1988,
735; 1996, 458 ff. und 534 ff. sowie 1997, 87; diese Entscheidungen stellen
allerdings allein auf den Plan ab, nicht auf dessen Vollzug). So verhalte es
sich auch hier; der „vorgefasste Plan“ der „A. -Partner“ W. und
N. der Weiterveräußerung im Wege der Aufnahme weiterer Gesell-
schafter ergebe sich insbesondere aus der gesellschaftsrechtlichen Gestal-
tung der 2. Kommanditgesellschaften, die auf mehr als zwei Gesellschafter
ausgelegt sei (UA S. 100). Der zeitliche Zusammenhang sei nach der Recht-
sprechung des Bundesfinanzhofs sowie der steuerrechtlichen Literatur anzu-
nehmen, wenn ein Ausscheiden eines Gesellschafters oder – wie hier – eine
Anteilsverringerung innerhalb eines Zeitraums von sieben bis 15 Monaten
nach Einbringung der Grundstücke in die Gesamthand vollzogen werde (UA
S. 99 mit Hinweis auf BFH BStBl II 1997, 87; Boruttau/Viskorf, Grunder-
werbsteuergesetz 15. Aufl. § 5 Rdn. 61, § 6 Rdn. 27/4).
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b) Nach Auffassung des Landgerichts bestand jedoch für den Ange-
klagten keine grunderwerbsteuerliche Pflicht, die „steuerschädlichen“ Gesell-
schafterbeitritte und die mit ihnen verbundenen „Globalpauschalverträge“
anzuzeigen. Mangels pflichtwidrigen Unterlassens habe sich der Angeklagte
daher nicht gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.
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aa) Eine Anzeigepflicht ergebe sich nicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3a GrEStG in der im Jahr 1997 geltenden Fassung.
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Aufgrund dieser Vorschrift müssen Steuerschuldner über Änderungen
des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a
GrEStG) Anzeige erstatten. Die Strafkammer vertritt die Auffassung, dass ein
anzeigepflichtiger Gesellschafterwechsel nicht stattgefunden hat. Der Bun-
desfinanzhof gebiete in seinem Urteil vom 26. Februar 2007 – II R 50/06,
BFH/NV 2007, 1535 eine formale, streng am Wortlaut orientierte Auslegung
des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG 1997, der mit seinem Klammerzusatz
auf die Vorschrift des § 1 Abs. 2a GrEStG verweise. Nach § 1 Abs. 2a
GrEStG in der im Jahr 1997 geltenden Fassung gilt es als ein grunder-
werbsteuerpflichtiges, auf die Übereignung des Grundstücks auf eine neue
Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, wenn zum Vermögen ei-
ner Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört und sich bei ihr
innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand vollständig oder we-
sentlich ändert. Eine wesentliche Änderung besteht nach Abs. 2a Satz 2 die-
ser Norm, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Übertragung des
Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft darstellt. Dies ist nach
Abs. 2a Satz 3 dieser Vorschrift stets der Fall, wenn 95 Prozent der Anteile
am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.
19
Eine anzeigepflichtige Änderung des Gesellschafterbestandes habe
nach diesen Maßstäben nicht stattgefunden, weil die Altgesellschafter W.
und N. zusammen mehr als fünf Prozent der Anteile behalten
hätten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand der voll-
ständigen Finanzierung der Kapitalerhöhung durch die B. O.
B. GmbH und der Refinanzierung mit Darlehen der 2. Komman-
ditgesellschaften in Form einer Art „Kreislauffinanzierung“ oder aus der Ver-
pfändung der Gesellschafteranteile in Verbindung mit der Abtretung der An-
sprüche auf die Ausschüttungen. Aus der Vorschrift des § 42 AO ergebe sich
zwar ein Steueranspruch, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen
angemessenen Gestaltung entsteht; eine strafbewehrte grunderwerbsteuer-
rechtliche Anzeigepflicht könne aus § 42 AO jedoch nicht abgeleitet werden.
Die insoweit bestehende Gesetzeslücke habe der Gesetzgeber erst später
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- 14 -
durch Einfügung eines Absatzes 2 Nr. 4 in § 19 GrEStG geschlossen, wo-
nach ab 1. Januar 2000 (richtig: 31. Dezember 2001, vgl. Art. 13 Nr. 6b,
Art. 39 Abs. 5 StÄndG 2001, BGBl I 3807, 3821) auch Änderungen im Ge-
sellschafterbestand einer Gesamthand bei Gewährung einer Steuervergüns-
tigung u. a. nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG anzeigepflichtig wurden.
Im Tatzeitraum habe diese gesondert geregelte Anzeigepflicht noch nicht
bestanden.
Bei der Finanzierung der Kapitalerhöhung der Altgesellschafter hande-
le es sich auch nicht um Scheinverträge im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO,
die einen Erwerbsvorgang verdeckten. Die fortbestehende Beteiligung der
Gesellschafter N. und W. in einem Umfang von mehr als fünf
Prozent sei von den Vertragsparteien gerade im Hinblick auf § 1 Abs. 2a
GrEStG gewollt gewesen (UA S. 108).
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22
bb) Auch aus der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG in der im
Jahr 1997 geltenden Fassung ergebe sich keine Anzeigepflicht des Ange-
klagten. Ein vorangehender Erwerb von Grundstücken mache den von vorn-
herein geplanten Beitritt eines weiteren Gesellschafters nicht selbst zu einem
Erwerbsvorgang (UA S. 109).
II.
Der Freispruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Im Ausgangspunkt begegnet die Annahme des Landgerichts keinen
rechtlichen Bedenken, die Voraussetzungen für die sich aus § 6 Abs. 3
GrEStG ergebende steuerliche Vergünstigung hätten bei der Übertragung
von Grundstücken auf die 2. Kommanditgesellschaften nicht vorgelegen (vgl.
BFH BStBl II 1988, 735; 1996, 458 und 533; 1997, 87). Die rechtsfehlerfrei
getroffenen Urteilsfeststellungen belegen, dass bereits bei der Grundstücks-
übertragung der vorgefasste Plan der Beteiligten bestand, die gesamthände-
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- 15 -
rische Beteiligung der Gründungsgesellschafter durch die Aufnahme eines
Immobilienfonds als weiteren Gesellschafter wesentlich zu verringern. Damit
verfügten die Gründungsgesellschafter der 2. Kommanditgesellschaften be-
reits im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung über keine vollwertige Mitbe-
rechtigung an den übertragenen Grundstücken, weil sich die mit dem Grund-
eigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen bis zum ge-
planten alsbaldigen Beitritt eines Immobilienfonds unter regelmäßigen Um-
ständen nicht verwirklichen konnten (vgl. BFH BStBl II 1997, 87, 88).
2. Auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei zur Anzei-
ge des Gesellschafterbeitritts des LBB-Fonds Zwölf in die 2. Kommanditge-
sellschaften nicht verpflichtet gewesen, ist rechtsfehlerfrei.
25
26
a) Aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG a.F. ergibt sich im vorliegen-
den Fall keine Anzeigepflicht des Angeklagten.
27
aa) Der Bundesfinanzhof hat am 26. Februar 2007 (II R 50/06,
BFH/NV 2007, 1535) entschieden, dass sich § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a
GrEStG a.F. allein auf die von § 1 Abs. 2a GrEStG erfassten Fälle bezieht.
Dieser Rechtsansicht schließt sich der Senat an. Er folgt dem Bundesfinanz-
hof auch in der Auffassung, dass es für das Entstehen der Grunder-
werbsteuer allein auf die formale Betrachtung des § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG
a.F. ankommt, die mangels eines hinreichend bestimmten Abgrenzungs-
maßstabes nicht durch eine weitergehende wirtschaftliche Betrachtung im
Sinne des § 1 Abs. 2a Sätze 1 und 2 GrEStG a.F. ergänzt werden kann (vgl.
BFH, Urteil vom 30. April 2003 – II R 79/00, BFHE 202, 387).
bb) Da im Rahmen des Gesellschafterbeitritts des LBB-Fonds Zwölf
nur 94 Prozent und damit weniger als 95 Prozent der Anteile am Gesell-
schaftsvermögen auf neue Gesellschafter übertragen wurden, sind die tat-
bestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG nicht
gegeben.
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cc) Die auf die „A. -Partner“ W. und N. lautenden
Anteile an dem jeweiligen Gesellschaftsvermögen sind nach den bisherigen
Feststellungen auch nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO der B. O.
B. GmbH zuzurechnen. Eine Zurechnung nach dieser
Vorschrift käme nur dann in Betracht, wenn die B. O. B.
GmbH die tatsächliche Herrschaft über die Gesellschaftsanteile
in der Weise ausübte, dass sie die Altgesellschafter N. und W.
im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf
das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen konnte. Hierfür genügen indes
die Verpfändung der Gesellschaftsanteile (§§ 1273 ff. BGB) und die Abtre-
tung der Gewinnanteile (§ 398 i.V.m. § 717 Satz 2 BGB) auch in deren Zu-
sammenschau nicht. Denn die weiteren Gesellschafterrechte – wie insbe-
sondere das Stimmrecht (vgl. dazu BFH BStBl II 2007, 937, 939
[= BFHE 218, 299]; 2007, 296, 298 [= BFHE 214, 326]; 2005, 46, 47
[= BFHE 205, 426]; BFH DStRE 2002, 687, 689) – sind offensichtlich bei den
Gesellschaftern N. und W. verblieben. Bei einer bloßen Ver-
pfändung wie auch bei einer Sicherungsabtretung ist das Wirtschaftsgut nach
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO aber dem Sicherungsgeber, hier also den Altge-
sellschaftern N. und W. zuzurechnen (vgl. dazu auch BFH,
Urteil vom 1. August 1984 – I R 227/80 und I R 228/80). Aus den in
BFHE 163, 246 und BFHE 155, 171 abgedruckten Entscheidungen des Bun-
desfinanzhofs ergibt sich nichts anderes; sie betreffen zudem den Befrei-
ungstatbestand des § 5 Abs. 2 GrEStG a.F.
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dd) Auch aus der Vorschrift des § 41 Abs. 2 AO ergibt sich keine an-
dere Zurechnung der Gesellschaftsanteile. Das Landgericht hat sich rechts-
fehlerfrei die Überzeugung gebildet, dass die Gesellschafterverträge, nach
denen die Altgesellschafter N. und W. mit jeweils insgesamt
sechs Prozent in den 2. Kommanditgesellschaften verblieben, keine Schein-
geschäfte im Sinne des § 41 Abs. 2 Satz 1 AO waren.
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Ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 1 AO liegt – ebenso
wie nach § 117 BGB – vor, wenn beide Parteien sich einig sind, dass die mit
den Willenserklärungen an sich verbundenen Rechtsfolgen tatsächlich nicht
eintreten sollen und damit das Erklärte in Wirklichkeit nicht gewollt ist. Ent-
scheidend ist dabei, ob die Beteiligten zur Erreichung des erstrebten Erfol-
ges, hier der Vermeidung von Grunderwerbsteuer, ein Scheingeschäft für
genügend oder ein ernst gemeintes Rechtsgeschäft für erforderlich erachtet
haben. Die Beurteilung, ob ein Geschäft nur zum Schein abgeschlossen
wurde, obliegt dabei grundsätzlich dem Tatrichter. Lässt das Urteil erkennen,
dass der Tatrichter die wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft spre-
chenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt und in
eine Gesamtwürdigung einbezogen hat, so dass die vom Gericht gezogene
Schlussfolgerung nicht nur eine Annahme oder bloße Vermutung ist, hat das
Revisionsgericht dies hinzunehmen (BGH wistra 2007, 112, 114; 2002, 221,
223). So verhält es sich hier.
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b) Aus der Vorschrift des § 42 AO ergeben sich keine eigenständigen
strafbewehrten Anzeigepflichten im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
(„pflichtwidrig“). Die Rechtsfolge eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglich-
keiten im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO ist allein, dass der Steueran-
spruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen ange-
messenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Demgegenüber bestehen steuer-
rechtliche Erklärungs- und Anzeigepflichten auch in den Fällen eines Miss-
brauchs von Gestaltungsmöglichkeiten nur dann, wenn sich solche unmittel-
bar aus den Steuergesetzen ergeben. Einer über den Wortlaut des Gesetzes
hinausgehenden Auslegung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG (1997)
unter dem Blickwinkel des § 42 AO stünde bereits das strafrechtliche Analo-
gieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) entgegen (vgl. allgemein zur Strafbarkeit in
Fällen der Steuerumgehung im Sinne des § 42 AO BGH wistra 1982, 108;
BFH wistra 1983, 202; OLG Bremen StV 1985, 282, 285; Fran-
zen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 139 m.w.N.; Pohl,
Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung, 1990, S. 377 ff.). Die vorlie-
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gende Situation ist derjenigen vor Einführung der § 18 Abs. 4a und 4b UStG
ähnlich: Mangels normierter Erklärungspflicht konnten sich die Aussteller von
Scheinrechnungen, die keine Unternehmer waren, nicht wegen Unterlassens
der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreser-
klärungen strafbar machen (vgl. dazu BGH wistra 1998, 152, 153).
3. Gleichwohl kann der Freispruch keinen Bestand haben, weil das
Landgericht seine Kognitionspflicht nicht vollständig erfüllt hat und seine Be-
weiswürdigung Lücken aufweist (vgl. BGH NJW 2006, 925, 928, insoweit
nicht in BGHSt 50, 299 abgedruckt).
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a) Die Anklage legt dem Angeklagten unter anderem zur Last, die von
dem früheren Mitangeklagten S. beurkundeten Verträge für die Objekt-
übertragungen zwischen den Grundstücksgesellschaften gestaltet zu haben,
welche die Grunderwerbsteuer begründeten. Entsprechende Feststellungen
hat das Landgericht auch getroffen. Es hätte deshalb das Verhalten des An-
geklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme an den von
N. und Notar S. begangenen Steuerhinterziehungen (Beihilfe
oder sogar Anstiftung, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 27 bzw. § 26 StGB)
näher würdigen müssen.
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aa) Hierzu bestand bereits deshalb Anlass, weil das Landgericht in
den Urteilsgründen mitteilt (UA S. 4, 7), dass Notar S. von derselben
Strafkammer bereits rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei. Er habe
trotz des bereits vollzogenen Gesellschafterbeitritts auf ausdrücklichen
Wunsch des gesondert Verfolgten N. im bewussten und gewollten
Zusammenwirken mit diesem bewusst wahrheitswidrig gegenüber den zu-
ständigen Finanzämtern behauptet, die „A. -Partner“ W. und
N. seien weiterhin jeweils zu 50 Prozent Gesellschafter der
2. Kommanditgesellschaften (UA S. 7). Das festgestellte Verhalten des An-
geklagten konnte daher zumindest eine Hilfeleistung zu den den früheren
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Mitangeklagten S. und N. zur Last liegenden Steuerhinterzie-
hungen darstellen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die in Kenntnis der
Grunderwerbsteuerproblematik in die Kaufverträge aufgenommenen mit ei-
ner unrichtigen Begründung zu den Gesellschaftsverhältnissen bei den
2. Kommanditgesellschaften ausgeführten Klauseln (UA S. 70), dass die Er-
werbe steuerfrei seien. Sie legen eine Hilfeleistung des Angeklagten zur Täu-
schung der Finanzbehörden nahe, da der Angeklagte nach den Urteilsfest-
stellungen entschieden hatte, dass die IBG die Grunderwerbsteuer nicht tra-
gen würde, und vorgegeben hatte, eine Vertragsgestaltung zu wählen, die
dieses Ergebnis sicherstellen sollte (UA S. 67). Angesichts dessen durfte
sich die Strafkammer nicht mit der vor diesem Hintergrund ersichtlich nicht
tragfähigen Erwägung begnügen, die – bereits rechtskräftig wegen Steuer-
hinterziehung verurteilten – früheren Mitangeklagten S. und L.
hätten übereinstimmend ausgesagt, zwischen ihnen, dem Angeklagten und
dem gesondert Verfolgten N. habe es keine Absprache gegeben,
Grunderwerbsteuern zu hinterziehen (UA S. 97).
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bb) Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil sich die Strafkammer mit
Beweisanzeichen für eine zumindest mit dem früheren Mitangeklagten
N. abgestimmte Vorgehensweise zur Täuschung der Finanzbehör-
den nicht auseinandergesetzt hat:
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe u. a. auf die Erfüllung
der steuerlichen Anzeigepflichten durch die IBV vertraut (UA S. 85). Diese
Einlassung hat die Strafkammer als Schutzbehauptung gewertet, weil der
Angeklagte selbst eingeräumt habe, er habe seine Nachfolger in der Ge-
schäftsführung der IBV, die Zeugen T. und R. , nicht über das Risi-
ko des Anfalls der Grunderwerbsteuer informiert (UA S. 86). Die Mitglieder
des Aufsichtsrats der IBG setzte der Angeklagte für die Entscheidung über
den Gesellschafterbeitritt ebenfalls nicht über die Problematik der Grunder-
werbsteuer in Kenntnis (UA S. 69), obwohl er spätestens nach Erhalt des
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Schreibens von Rechtsanwalt L. vom 30. Mai 1997 wusste, dass
„das Risiko des Anfalles der Grunderwerbsteuer beträchtlich“ war (UA S. 64).
Auch der von der Strafkammer aus dem Schriftwechsel zwischen den
Vertragsparteien gefolgerte Umstand, die Behauptung der Grunderwerbsteu-
erfreiheit in den Grundstückskaufverträgen habe einen Kompromiss darge-
stellt (UA S. 84), hat für die Frage einer Beteiligung des Angeklagten an der
Steuerhinterziehung der früheren Mitangeklagten S. und N. er-
hebliche Bedeutung und wäre deshalb zu erörtern gewesen. Er legt nahe,
dass die Täuschung der Finanzbehörden mit dem Einverständnis des Ange-
klagten erfolgt ist; denn an dem Kompromiss war neben dem Mitarbeiter des
Angeklagten, des Zeugen Bo. , auch der frühere Mitangeklagte N.
beteiligt (UA S. 70 ff.), auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin Notar S.
gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über den Gesellschaf-
terbestand der Kommanditgesellschaften machte (UA S. 7). Es liegt fern,
anzunehmen, dem Angeklagten könnte nicht bekannt gewesen sein, dass
der beurkundende Notar (gemäß § 18 GrEStG) verpflichtet war, dem Finanz-
amt die Grundstückskaufverträge vorzulegen, in denen die bewusst ver-
schleiernden Angaben über die Grunderwerbsteuerfreiheit enthalten waren.
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b) Sollte der Angeklagte trotz seiner Mitwirkung im Zusammenhang
mit den Vertragsabschlüssen keine Kenntnis von den falschen Angaben des
Notars S. gegenüber den Finanzbehörden gehabt haben, wäre eine
mögliche Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m.
§ 153 AO zu erörtern gewesen; denn nach § 35 AO treffen auch einen Ver-
fügungsberechtigten die Pflichten des gesetzlichen Vertreters des Steuer-
schuldners. Nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerschuldner nicht
nur eine von ihm, sondern auch eine für ihn abgegebene Erklärung zu be-
richtigen, wenn er nachträglich erkennt, dass diese Erklärung unrichtig oder
unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern
kommen kann oder bereits gekommen ist. Für den Steuerpflichtigen abgege-
ben im Sinne von § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind auch die Angaben über
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den Steuerpflichtigen betreffende steuerlich erhebliche Tatsachen im Rah-
men der Anzeige eines Notars, die der Notar aufgrund ihn selbst treffender
gesetzlicher Pflichten, z. B. aus § 18 GrEStG, dem Finanzamt mitteilt (vgl.
auch BGH wistra 2008, 22, 25 sowie BFH/NV 2002, 917, 918). Denn der No-
tar erfüllt dadurch nicht nur eigene Verpflichtungen, sondern wirkt zugleich
bei der Ermittlung des für die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuer-
pflichtigen maßgeblichen Sachverhalts mit (vgl. § 90 AO). Damit waren hier
auch die von dem Notar S. im Oktober und Dezember 1997 in Schreiben
an die jeweils zuständigen Finanzämtern gemachten Angaben über die
Grundstücksverkäufe von den 1. an die 2. Kommanditgesellschaften ein-
schließlich der unrichtigen Ausführungen zu den an diesen Gesellschaften
beteiligten Gesellschaftern (UA S. 78) für die beteiligten Gesellschaften ab-
gegeben. Diese hatten daher, wenn sie nachträglich von den falschen Anga-
ben Kenntnis erlangten, gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Richtig-
stellung vorzunehmen. Ob der Angeklagte bei der konkreten Ausgestaltung
seiner Stellung als Geschäftsführer der IBG auch Verfügungsberechtigter bei
den 2. Kommanditgesellschaften war, wird erforderlichenfalls der neue Tat-
richter zu prüfen haben. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen liegt dies
nicht fern; denn die IBG hatte in einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der
IBV auch im Außenverhältnis übernommen, deren steuerliche Erklärungs-
pflichten zu erfüllen. Da die IBV wiederum geschäftsführende Kommanditistin
des den 2. Kommanditgesellschaften beigetretenen LBB-Fonds Zwölf war,
gehörten naheliegend auch die steuerlichen Erklärungspflichten dieser Ge-
sellschaften zum Aufgabenbereich des Angeklagten. Es liegt zudem nicht
fern, dass Kopien der an die Finanzämter gerichteten Schreiben des Notars
S. , die Grundlage für die Freistellung der Erwerbsvorgänge von der
Grunderwerbsteuer gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG waren, auch den von diesen
Erwerbsvorgängen betroffenen Gesellschaften und schließlich auch dem An-
geklagten zur Kenntnis gelangt sind.
c) Der Tatvorwurf der Teilnahme des Angeklagten an den den ander-
weitig Verfolgten S. und N. zur Last liegenden Steuerhinterzie-
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hungen ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist ist auch insoweit durch die am
24. Januar 2003 getroffene Anordnung der Staatsanwaltschaft unterbrochen
worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB), dem Beschuldigten den Tatvorwurf der
Anstiftung zur Steuerhinterziehung bekanntzugeben (EA Bd. II, Bl. 81 – 83).
Das Gleiche gilt für den Tatvorwurf einer möglichen Steuerhinterziehung
durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 153 AO.
4. Im Blick darauf, dass das gegen das angefochtene Urteil gerichtete
Primärziel der Staatsanwaltschaft einer Verurteilung nach § 370 Abs. 1 AO
aufgrund einer Anzeigepflicht aus § 19 GrEStG nicht erreicht wurde, auf die
Verurteilung auch berufspflichtgebundener Beteiligter lediglich zu Bewäh-
rungsstrafen, auf die erfolgte Entrichtung der hinterzogenen Grunder-
werbsteuer und auf den weiteren beträchtlichen Zeitablauf wird das neue
Tatgericht gegen den unbestraften bejahrten Angeklagten eine Verfahrens-
weise anzustreben haben, welche den Aufwand weiterer beträchtlicher Jus-
tizressourcen tunlichst vermeidet (etwa nach § 153a StPO).
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Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger