Urteil des BGH vom 10.10.2002
BGH (stpo, erpressung, wegnahme, stgb, anklage, annahme, beute, gewalt, verfolgung, aufhebung)
5 StR 87/03
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2003
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2002 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tat-
einheit mit versuchter Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung zu
fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des An-
geklagten hat mit der auf Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO gestützten Ver-
fahrensrüge Erfolg.
Zutreffend beanstandet die Revision, daß das Landgericht abweichend
von der zugelassenen Anklage, welcher lediglich der – tateinheitlich zu ver-
suchter Erpressung und schwerem Raub stehende – Vorwurf vorsätzlicher
Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zugrunde lag, zu einer Verurteilung
wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung mittels einer
das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gelangt ist,
ohne dem Angeklagten zuvor den nach § 265 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen
rechtlichen Hinweis erteilt zu haben.
Abweichend von der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der
Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensverstoß nicht aus-
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schließen. Zwar hat sich der Angeklagte gegen den Anklagevorwurf mit der
„Schutzbehauptung“ (UA S. 7) der alkoholbedingten Erinnerungslosigkeit
verteidigt. Zumal da das Landgericht diese Einlassung für falsch hielt, bleibt
möglich, daß der Angeklagte bei Kenntnis von dem veränderten schwereren
Vorwurf ein anderes Verteidigungsverhalten gewählt und sich zu Einzelheiten
der von ihm verübten Körperverletzungshandlung oder seiner Vorstellung
von deren Wirkung abweichend eingelassen hätte. Ferner hätte der gebote-
ne Hinweis möglicherweise den Verteidiger veranlaßt, sich im Rahmen der
Hauptverhandlung mit maßgeblichen Umständen im Zusammenhang mit
Verletzungshandlung und Verletzungserfolg näher auseinanderzusetzen.
Die Verfahrensrüge zieht die umfassende Aufhebung des angefochte-
nen Urteils nach sich. Den Körperverletzungsvorwurf gemäß § 154a StPO
von der Verfolgung auszunehmen, schied hier aus. Denn der Unrechtsgehalt
der abgeurteilten Tat wird im Blick auf die Geringfügigkeit von Beute und
Beuteerwartung maßgeblich vom Ausmaß der konkret angewandten Gewalt
bestimmt, das für Strafrahmenwahl und Strafzumessung hier von ausschlag-
gebender Bedeutung ist. Dieser entscheidende Strafzumessungsfaktor wird
maßgeblich durch die rechtliche Bewertung des idealkonkurrierenden Kör-
perverletzungsdelikts gekennzeichnet.
Wegen der übersehenen doppelten Qualifikation der abgeurteilten ver-
suchten Erpressung verweist der Senat auf die Revisionsbegründung und die
Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Das neue Tatgericht wird auch zu
prüfen haben, inwieweit der Messereinsatz noch der Wegnahme diente.
Insoweit liegt die einen Schuldspruch wegen schweren Raubes tragende,
auch von der Verteidigung gebilligte Annahme, das Messer sei in der
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Endphase der Wegnahme eingesetzt worden, näher als die vom General-
bundesanwalt erwogene Annahme eines schweren räuberischen Diebstahls.
Insgesamt wird das neue Tatgericht auf das Erfordernis rechtlicher Hinweise
Bedacht zu nehmen haben, wenn es zu einer von der Anklage abweichen-
den rechtlichen Würdigung gelangt.
Basdorf Häger Gerhardt
Brause Schaal