Urteil des BGH vom 07.12.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 161/04
Verkündet
am:
7. Dezember 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO § 85 Abs. 2; BGB § 401
a) Die Abtretung eines Kaufpreisanspruchs führt entsprechend § 401 BGB auch zum
Übergang des Anspruchs aus § 667 BGB gegen den von den Vertragsparteien mit
der Abwicklung des Vertrages beauftragten Treuhänder.
b) Die Freigabe des Kaufpreisanspruchs bewirkt entsprechend § 401 BGB auch die
Freigabe des Anspruchs aus § 667 BGB gegen den von den Vertragsparteien be-
auftragten Treuhänder.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 161/04 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. August 2004 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 30. März 2004 wird zurückgewie-
sen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Klägerin. Die Klägerin verlangt gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB Freigabe
eines (Teil-)Betrages von 30.000 Euro, der im Verlauf eines früheren, durch die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits zwischen ihr
und der M. GmbH (fortan: Fa. M. ) hinterlegt worden ist.
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Die Fa. M. hatte mit Vertrag vom 1. Juni 1994 von der Klägerin ein im
Beitrittsgebiet belegenes Grundstück gekauft. Zahlstelle für den Kaufpreis war
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die Kreissparkasse B. , die Grundpfandrechte ablösen und den Restbe-
trag an die Klägerin auskehren sollte. Mit Schreiben vom 24. Januar 1996 er-
klärte die Kreissparkasse B. , sie nehme "den von den vertragsschlie-
ßenden Parteien des notariellen Kaufvertrages … beurkundeten Treuhandauf-
trag" an. Die Fa. M. zahlte den Kaufpreis nicht. Sie klagte auf Wandelung
des Kaufvertrages. Die Klägerin erhob Widerklage auf Zahlung des Kaufprei-
ses. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage wurde
die Fa. M. zur Zahlung von 3.811.271,74 DM an die Klägerin verurteilt.
Nachdem diese Sicherheit durch eine Prozessbürgschaft der Kreissparkasse
W. geleistet hatte, betrieb sie die Zwangsvollstreckung gegen die
Fa. M. . Es gelang ihr, etwa 3.000.000
DM zur Zahlung an die
Kreissparkasse B. beizutreiben; den Restbetrag von etwa 800.000 DM zahl-
te die Fa. M. schließlich zur Abwendung der weiteren Zwangsvollstreckung
an die Kreissparkasse B. . Diese leitete das Geld an die Kreissparkasse
W. weiter, ohne die Grundpfandrechte abzulösen. Auf eine Klage der
Fa. M. wurde die Kreissparkasse B. deshalb durch Urteil des Land-
gerichts Stuttgart vom 1. Dezember 1999 verurteilt, den gesamten Betrag von
3.811.271,74 DM zugunsten der Klägerin und der Fa. M. zu hinterlegen.
Zwischenzeitlich, am 11. Januar/17. Februar 1998, hatte die Klägerin den Kauf-
preisanspruch an die Kreissparkasse W. abgetreten.
Die Berufung der Fa. M. gegen die Abweisung der Klage auf Wande-
lung des Kaufvertrages und gegen ihre Verurteilung zur Zahlung des Kaufprei-
ses hatte Erfolg. Die jetzige Klägerin wurde zur Zustimmung zur Wandelung
sowie gemäß §
717 Abs.
2 ZPO zu Schadensersatz in Höhe von
3.811.271,74 DM Zug um Zug gegen Freigabe des hinterlegten Betrages verur-
teilt; die Kaufpreisklage wurde abgewiesen. Nachdem die Klägerin Revision
zum Bundesgerichtshof eingelegt hatte, wurde am 7. Februar 2001 das Insol-
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venzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Gläubigerversammlung be-
schloss, den Rechtsstreit nicht aufzunehmen. Daraufhin versuchte die Klägerin
selbst, den Rechtsstreit fortzusetzen. Mit Beschluss vom 12. Februar 2004 stell-
te der Bundesgerichtshof jedoch fest, dass der Rechtsstreit nach wie vor unter-
brochen sei, weil ein Aktivprozess gemäß § 85 Abs. 2 InsO nicht vorliege (BGH,
Beschl. v. 12. Februar 2004 - V ZR 288/03, ZIP 2004, 769, 770).
In der Zwischenzeit hatte die Fa. M. die Kreissparkasse W.
aus der von der Klägerin beigebrachten Prozessbürgschaft in Anspruch ge-
nommen. Im Gegenzug hatte sie am 21. September 2001 sämtliche ihr zuste-
henden Ansprüche auf Auszahlung und Freigabe des beim Amtsgericht Stutt-
gart hinterlegten Betrages von 3.964.781,30 DM nebst Zinsen an die Kreis-
sparkasse W. abgetreten und die Auszahlung und Freigabe des hinter-
legten Betrages an diese bewilligt.
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Die Klägerin verlangt nunmehr aus abgetretenem Recht der
Kreissparkasse W. Zustimmung zur Freigabe eines Teilbetrages von
30.000 Euro. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das
Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtli-
chen Urteils.
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I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der von der Kreissparkasse B.
hinterlegte Geldbetrag stehe der Kreissparkasse W. weder aus
eigenem noch aus abgetretenem oder übergegangenem Recht der Klägerin
oder der Fa. M. zu. Es komme darauf an, wer im Verhältnis zur Kreis-
sparkasse B. - der hinterlegenden Schuldnerin - Gläubiger gewesen sei.
Die Kreissparkasse B. habe nicht den Kaufpreis hinterlegt, sondern
denjenigen Betrag, den sie wegen Verletzung des Treuhandauftrages als
Schadensersatz habe erstatten müssen. Ihren Schadensersatzanspruch gegen
die Kreissparkasse B. habe die Klägerin nicht an die Kreissparkasse
W. abgetreten. Aus abgetretenem oder übergegangenem Recht der
Fa. M. stehe der Kreissparkasse W. der hinterlegte Geldbetrag
ebenfalls nicht zu; denn die Fa. M. habe die Bürgschaft nur Zug um Zug
gegen Freigabe der Hinterlegungssumme in Anspruch nehmen dürfen. Ob die
Fa. M. einen Anspruch auf Wandelung des Kaufvertrages und Rückzahlung
des Kaufpreises habe, sei derzeit offen. Im Vorprozess der Fa. M. gegen
die Klägerin sei nur der Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO aus-
geurteilt worden.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1. Grundlage des Anspruchs der Kreissparkasse W. , aus deren
Recht die Klägerin klagt, gegen den Beklagten auf Zustimmung zur Auszahlung
der 30.000 Euro ist § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB. Bei einem Streit über die
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Auszahlung von hinterlegten Geldbeträgen steht dem wirklichen Rechtsinhaber
gegen die übrigen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf
Einwilligung in die Auszahlung zu; denn diese haben durch das vom Schuldner
gewählte Vorgehen auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Stel-
lung von Hinterlegungsbeteiligten erlangt (BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244;
BGH, Urt. v. 15. Oktober 1999 - V ZR 141/98, NJW 2000, 291, 294). Für die
Frage der Freigabepflicht ist die Gläubigerstellung gegenüber dem hinterlegen-
den Schuldner und nicht das Innenverhältnis zwischen den Prätendenten maß-
gebend (BGH, Urt. v. 13. November 1996 - VIII ZR 210/95, WM 1997, 513, 514;
Urt. v. 15. Oktober 1999, aaO). Der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2
BGB setzt auch nicht voraus, dass der klagende Prätendent bei der Hinterle-
gung als Berechtigter benannt worden ist (BGH, Urt. v. 26. April 1994 - XI ZR
97/93, NJW-RR 1994, 847). Maßgeblich ist allein, ob dem klagenden Präten-
denten die Forderung gegen den Schuldner zustand oder zusteht.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kaufpreisanspruch der Klägerin
berechtigt ist oder ob die Fa. M. die Wandelung des Kaufvertrages und da-
mit die Rückzahlung des Kaufpreises beanspruchen kann. Da die Kreis-
sparkasse W. sämtliche Ansprüche im Wege der Abtretung erworben
hat und die Klägerin aus dem Recht der Kreissparkasse W. vorgeht, ist
der geltend gemachte Anspruch in jedem Fall begründet.
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a) Steht der Klägerin der Kaufpreisanspruch zu, so ist die Kreissparkasse
W. durch die Abtretung dieses Anspruchs der Klägerin am 11. Janu-
ar/17. Februar 1998 entsprechend § 401 BGB auch Inhaberin des Anspruchs
aus § 667 BGB gegen die im Vertrag bestimmte Treuhänderin, die Kreis-
sparkasse B. , geworden.
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aa) Die Abtretung des Kaufpreisanspruchs an die Kreissparkasse W.
war wirksam. Insbesondere war der Anspruch nicht zuvor infolge der
teils im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkten, teils zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung erfolgten Zahlungen an die Kreissparkasse B.
durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen. Nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs (BGHZ 87, 157, 162; BGH, Urt. v. 17. Februar 1994
- IX ZR 158/93, NJW 1994, 1403, 1404; v. 20. November 1997 - IX ZR 152/96,
NJW 1998, 746, 747) haben Zahlungen auf ein Notaranderkonto in der Regel
- wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben - keine Erfül-
lungswirkung. Gleiches gilt für Zahlungen an ein Kreditinstitut, das als Treuhän-
der beider Vertragsparteien eingeschaltet wird.
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bb) Nach § 401 Abs. 1 BGB gehen auch die unselbständigen Neben-
rechte der abgetretenen Forderung auf den Abtretungsempfänger über. Dabei
ist die Aufzählung in § 401 Abs. 1 BGB nicht abschließend. Die analoge An-
wendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte Nebenrechte wurde im
Gesetzgebungsverfahren als selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. BGH, Urt. v.
24. November 1971 - IV ZR 71/70, NJW 1972, 437, 439). Nach Sinn und Zweck
der Vorschrift erfasst sie auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie
Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind (BGHZ 46,
14, 15; 138, 179, 184). Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass
der Anspruch des Verkäufers gegen den Notar auf Auszahlung eines bei ihm
vom Käufer hinterlegten Kaufpreises als ein unselbständiges Nebenrecht zur
Kaufpreisforderung anzusehen ist, das nicht ohne diese gepfändet (BGHZ 105,
60, 64) oder abgetreten werden kann (BGHZ 138, 179, 184 mit zust. Anm.
Henckel, WuB VI G § 9 GesO 1.99).
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Im vorliegenden Fall hatten die Parteien des Kaufvertrages vom 1. Juni
1994 nicht einen Notar, sondern die Kreissparkasse B. als Treuhänder
beauftragt, den Kaufpreis entgegen zu nehmen und entsprechend den Bestim-
mungen des Kaufvertrages vor Auskehrung an die Klägerin - die Verkäuferin -
vorrangig zur Ablösung von Grundpfandrechten zu verwenden. Die Gründe, die
zur Anwendung des § 401 BGB geführt haben, gelten jedoch auch in diesem
Fall. Die Einschaltung der Treuhänderin diente hier ebenfalls dazu sicherzustel-
len, dass die Ansprüche der Vertragsparteien Zug um Zug erfüllt wurden. Die
gesonderte Abtretung des einen oder des anderen Anspruchs - des Anspruchs
gegen die Käuferin auf Zahlung des Kaufpreises oder des Anspruchs gegen die
Treuhänderin auf Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten - wäre
mit diesem Ziel unvereinbar gewesen. Ob der Vertrag über die Forderungsab-
tretung, der ausdrücklich "alle Nebenansprüche" einschloss, den Anspruch aus
§ 667 BGB erfasste, was die Vorinstanzen nicht geprüft haben, kann im Hin-
blick auf die Vorschrift des § 401 BGB offen bleiben.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Kreissparkasse
B. - wie sich auch aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. De-
zember 1999 ergibt - die Hinterlegung zur Erfüllung des gegen sie gerichteten
Anspruchs aus § 667 BGB vorgenommen. Ihr war die zweckwidrige Verwen-
dung der ihr zur Ablösung von Grundpfandrechten zur Verfügung gestellten Be-
träge vorgeworfen worden. Bei zweckwidriger Verwendung folgt der
- verschuldensunabhängige - Herausgabeanspruch des Beauftragten nach wie
vor aus § 667 BGB (BGH, Urt. v. 13. Dezember 1990 - III ZR 336/89, NJW-RR
1991, 575; v. 10. Oktober 1996 - III ZR 205/95, NJW 1997, 47, 48).
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cc) Der Anspruch der Klägerin gegen die Kreissparkasse B. aus
§ 667 BGB auf Herausgabe des aus der Ausführung des Auftrags Erlangten
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war - aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises und die Ablö-
sung der Grundpfandrechte - bereits mit der Annahme des Treuhandauftrages
durch die Kreissparkasse B. gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom
24. Januar 1996 entstanden. Dass der Kaufpreis erst nach der Abtretung vom
11. Januar/17. Februar 1999, nämlich am 28. Mai und am 26. Oktober 1999 an
die Kreissparkasse B. gelangt war, ist für die Anwendung des § 401
BGB also ohne Bedeutung.
dd) Die Masse hat an diesen Ansprüchen - dem Kaufpreisanspruch und
dem Hilfsanspruch aus § 667 BGB - keine Rechte mehr. Der Beklagte hat den
Kaufpreisanspruch und damit zugleich den Anspruch aus § 667 BGB gegen die
Treuhänderin freigegeben.
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(1) Auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen
Person kann der Insolvenzverwalter einen zur Masse gehörenden Vermögens-
gegenstand freigeben (BGHZ 163, 32, 34; BGH, Urt. v. 26. Januar 2006 - IX ZR
282/03, ZInsO 2006, 260, 261; v. 2. Februar 2006 - IX ZR 46/05, ZIP 2006, 583,
584; Henckel, Festschrift für Gerhart Kreft S. 291, 300 ff). Die Ablehnung, einen
Rechtsstreit für die Masse aufzunehmen (§ 85 Abs. 2 InsO), ist notwendig mit
der Freigabe des im Streit befindlichen Massegegenstandes verbunden; denn
der Schuldner erhält die gesetzliche Prozessführungsbefugnis nur zurück, wenn
der Streitgegenstand wieder zum massefreien Vermögen gehört (BGHZ 163,
32, 36). Die Ablehnung nach § 85 Abs. 2 InsO ist gegenüber dem Schuldner
oder der Gegenpartei zu erklären. Sie ist nicht an eine bestimmte Form gebun-
den und kann deshalb auch durch schlüssiges Verhalten wirksam erfolgen
(BGH, Urt. v. 24. Juli 2003 - IX ZR 333/00, WM 2003, 1948, 1949). Lehnt der
Insolvenzverwalter es ab, einen Passivprozess aufzunehmen, findet § 85 Abs. 2
InsO dagegen keine Anwendung (BGH, Beschl. v. 12. Februar 2004 - V ZR
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288/03, ZIP 2004, 769 f; v. 14. April 2005 - IX ZR 221/04, ZIP 2005, 952, 953).
Der Rechtsstreit bleibt - von den Ausnahmefällen des § 86 Abs. 1 InsO abge-
sehen, in denen auch der Gegner den Rechtsstreit fortsetzen kann - gemäß
§ 240 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Die Erklärung, einen Passivprozess nicht auf-
nehmen zu wollen, kann in der Regel schon deshalb keine "Freigabe" des
streitbefangenen Gegenstandes bedeuten, weil es um die Abwehr eines gegen
die Masse gerichteten Anspruchs geht, die Masse also nicht Inhaberin des An-
spruchs, sondern Anspruchsgegnerin ist.
(2) Die Erklärung des Beklagten, den beim Bundesgerichtshof anhängi-
gen Rechtsstreit über die Wandelung des Kaufvertrages vom 1. Juni 1994 nicht
aufnehmen zu wollen, hatte im Hinblick auf den gegen die Masse geltend ge-
machten Anspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO nicht die Wirkung des § 85 Abs. 2
InsO (BGH, Beschl. v. 12. Februar 2004, aaO). Sie enthielt deshalb nicht not-
wendig die Freigabe des Kaufpreisanspruchs. Auf der anderen Seite ist es je-
doch nicht ausgeschlossen, die im Zusammenhang mit diesem Vorgang abge-
gebenen Erklärungen des Beklagten als Freigabe des Kaufpreisanspruchs zu
verstehen.
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Die Freigabe eines zur Masse gehörenden Vermögensgegenstandes
bedeutet deren Überführung in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners
(Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 13.14; vgl. auch BGHZ 163, 32, 35;
Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 6 Rn. 19, 21). Sie erfolgt durch empfangsbedürf-
tige Willenserklärung gegenüber dem Schuldner (RGZ 94, 55, 56; Häsemeyer,
aaO Rn. 13.15) und muss den Willen dauernden Verzichts auf die Massezuge-
hörigkeit bekunden (Jaeger/Henckel, aaO Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind
im vorliegenden Fall erfüllt. Der Beklagte hat nicht nur im Rechtsstreit um die
Wandelung des Kaufvertrages mitgeteilt, der Prozess werde nicht aufgenom-
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men. In der ersten Instanz des vorliegenden Prozesses hat er die von ihm ab-
gegebenen Erklärungen dahingehend erläutert, er habe entsprechend dem Be-
schluss der Gläubigerversammlung vom 11. April 2001 den etwaigen Kauf-
preisanspruch der Schuldnerin freigegeben, weil dieser abgetreten gewesen sei
und die Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe.
Aufgrund des Beschlusses der Gläubigerversammlung, das Revisionsverfahren
nicht aufzunehmen, könne die Klägerin (die Schuldnerin) den streitgegenständ-
lichen Kaufpreisanspruch auf eigenes Kostenrisiko weiter verfolgen. Im Falle
des Obsiegens der Schuldnerin müsse die Fa. M. den Kaufpreis an diese
oder an die Kreissparkasse W. als die Abtretungsempfängerin zahlen.
Spätestens mit diesen auch gegenüber der Schuldnerin abgegebenen Erklä-
rungen ist der Kaufpreisanspruch aus der Masse freigegeben worden. Der Be-
klagte hat hier mit großer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass der fragli-
che Anspruch nicht mehr der Masse, sondern der Schuldnerin zustehen soll.
Seine Ausführungen in der Berufungsinstanz, die Ablehnung der Aufnahme des
Prozesses um die Wandelung des Kaufvertrages sei rechtlich bedeutungslos
gewesen, änderten daran nichts; denn eine einmal erklärte Freigabe kann nicht
einseitig widerrufen werden (RGZ 60, 107, 109; Jaeger/Henckel, aaO Rn. 28).
(3) Mit dem Kaufpreisanspruch hat der Beklagte zugleich den unselb-
ständigen Hilfsanspruch aus § 667 BGB gegen die Treuhänderin, die Kreis-
sparkasse B. , freigegeben. Dies folgt ebenfalls aus einer entsprechen-
den Anwendung des § 401 BGB. Die Freigabe eines Anspruchs aus der Insol-
venzmasse stellt zwar keine Abtretung dar (Jaeger/Henckel, aaO Rn. 21). Der
Insolvenzschuldner ist schon vor der Freigabe Inhaber der fraglichen Forde-
rung; die Freigabe bewirkt lediglich deren Übergang in sein insolvenzfreies
Vermögen. Die Überlegungen, die zu einer entsprechenden Anwendung des
§ 401 BGB auf den Hilfsanspruch aus § 667 BGB gegen den Treuhänder führ-
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ten, treffen jedoch auch hier zu. Der Treuhandauftrag wurde zur sicheren
Durchführung des Kaufvertrages erteilt, nicht dazu, den Wert des Kaufpreisan-
spruchs von diesem zu lösen und eigenständig zu verkörpern. Gehört der Kauf-
preisanspruch also nicht mehr zur Masse, muss gleiches auch für den An-
spruch aus § 667 BGB gegen den Treuhänder gelten.
(4) Der Beschluss des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom
12. Februar 2004 (aaO) stellt bindend fest, dass der Rechtsstreit über die Wan-
delung des Kaufvertrages nach wie vor unterbrochen ist, steht der hier getroffe-
nen Entscheidung über die Frage der (materiell-rechtlichen) Freigabe jedoch
nicht entgegen.
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b) Hat die Fa. M. Anspruch auf Wandelung des Kaufvertrages, kann
sie die Rückzahlung des Kaufpreises und damit die Auskehrung des Hinterle-
gungsbetrages verlangen (§§ 462, 465, 467, 346 ff BGB a.F.). Die Fa. M.
hat einer Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Kreissparkasse W.
, aus deren Recht die Klägerin vorgeht, zugestimmt.
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III.
Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzu-
heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei
Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach
letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene
Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung des Beklagten
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gegen das Urteil des Landgerichts, das ihn zur Freigabe eines Teilbetrages von
30.000 Euro verurteilt hat, ist zurückzuweisen.
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 30.03.2004 - 9 O 461/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 04.08.2004 - 3 U 83/04 -