Urteil des BGH vom 09.05.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 131/07
vom
25. September 2008
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
InsO §§ 6, 7, 34 Abs. 2; ZPO §§ 91a, 99 Abs. 1
Erklärt der Antragsteller seinen Eröffnungsantrag einseitig für erledigt, findet
gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, welche die Erledigung des An-
trags feststellt und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt, die
sofortige Beschwerde nach §§ 6, 34 Abs. 2 InsO statt; § 91a ZPO ist nicht an-
wendbar.
BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZB 131/07 - LG Hamburg
AG
Hamburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Pape
am 25. September 2008
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 26
des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2007 wird auf Kosten der
Schuldnerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige
Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg
vom 19. März 2007 als unzulässig verworfen wird.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.804 € fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) hat die Eröffnung des Insol-
venzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin
hat die Forderung der Gläubigerin sowie das Vorliegen der Eröffnungsvoraus-
setzungen bestritten. Nach Einholung eines Gutachtens hat das Insolvenzge-
richt den Eröffnungsantrag abgewiesen und die Verfahrenskosten der Gläubige-
rin auferlegt. Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwer-
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de eingelegt. Sie hat sodann ihren Antrag für erledigt erklärt, weil die Eröff-
nungsvoraussetzungen durch während des Beschwerdeverfahrens getroffene
Stundungsvereinbarungen entfallen seien. Die Schuldnerin hat der Erledigung
widersprochen. Mit Beschluss vom 19. März 2007 hat das Insolvenzgericht den
Beschluss über die Abweisung des Eröffnungsantrags aufgehoben, die Erledi-
gung des Antrags festgestellt und die Verfahrenskosten der Schuldnerin aufer-
legt.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die in diesem Be-
schluss getroffene Kostenentscheidung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom
Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die
Abweisung des Eröffnungsantrags sowie eine Kostenentscheidung zum Nach-
teil der Gläubigerin erreichen.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 91a
Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist sie nicht
durch § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht hat formal
eine Entscheidung nach "§ 4 InsO i.V.m. §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2, 567 ff ZPO"
getroffen. Gegen Entscheidungen gemäß § 91a Abs. 2 ZPO ist die Rechtsbe-
schwerde gegeben, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Dies ist
im vorliegenden Fall geschehen. Ob die Heranziehung des § 91a Abs. 2 ZPO in
der Sache zutreffend war, ist eine Frage der Begründetheit der Rechtsbe-
schwerde.
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III.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die sofortige Beschwerde der
Schuldnerin war nach §§ 4 InsO, 99 Abs. 1 ZPO unzulässig.
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1. Im streitigen Zivilprozess gilt § 99 Abs. 1 ZPO, nicht § 91a Abs. 2
ZPO, wenn nach einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers
die Klage abgewiesen wird und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufer-
legt werden. Der Kläger kann dann nicht gemäß § 91a Abs. 2 ZPO sofortige
Beschwerde gegen die Kostenentscheidung einlegen, sondern muss das Urteil
insgesamt mit dem Rechtsmittel der Berufung angreifen (vgl. BGHZ 57, 224,
226; BGH, Urt. v. 9. März 1993 - VI ZR 249/92, NJW-RR 1993, 765, 766). In der
Berufungsinstanz werden Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsan-
trags erneut geprüft. Erforderlichenfalls wird über die erledigenden Tatsachen
sowie über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erle-
digung Beweis erhoben (BGH, Urt. v. 27. Februar 1992 - I ZR 35/90, NJW
1992, 2235, 2236).
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2. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann vom antrag-
stellenden Gläubiger ebenfalls für erledigt erklärt werden (BGHZ 149, 178,
181).
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a) Schließt sich der Schuldner der Erledigung an, ist damit das Eröff-
nungsbegehren nicht mehr anhängig. Es ist nur noch eine Kostenentscheidung
zu treffen (§§ 4 InsO, 91a ZPO; vgl. etwa MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl.
§ 4 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 13 Rn. 135; FK-InsO/
Schmerbach, 4. Aufl. § 13 Rn. 101). Die Kostenentscheidung kann gemäß
§ 91a Abs. 2 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden; die
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Rechtsbeschwerde ist nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statt-
haft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
b) Widerspricht der Schuldner, ist dagegen weiterhin über den durch die
Erledigungserklärung geänderten Eröffnungsantrag zu entscheiden, darüber
also, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich
eingetretenes Ereignis erledigt hat (BGHZ 149, 178, 182; MünchKomm-InsO/
Ganter, aaO). Im Insolvenzeröffnungsverfahren gelten die allgemeinen Grund-
sätze, die zur einseitig gebliebenen Erledigungserklärung im streitigen Zivilpro-
zess entwickelt worden sind, zwar nur in modifizierter Form. Insbesondere fin-
den keine weiteren Ermittlungen mehr dazu statt, ob ein Eröffnungsgrund ge-
geben war. Grundlage der vom Insolvenzgericht zu treffenden Entscheidung ist
vielmehr der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung
(BGH, Beschl. v. 11. November 2004 - IX ZB 258/03, NZI 2005, 108; OLG Köln
NZI 2002, 157, 158). Ein reiner Parteienstreit über die Kostentragungspflicht ist
mit § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht vereinbar (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14
Rn. 48); Amtsermittlungen (§ 5 Abs. 1 InsO) sind nicht mehr veranlasst, sobald
feststeht, dass das Insolvenzverfahren wegen des geänderten Antrags nicht
mehr eröffnet werden kann (dazu BGHZ 149, 178, 182; BGH, Beschl. v. 2. März
2006 -
IX
ZB 192/04, ZIP 2006, 767; vgl. auch MünchKomm-InsO/
Ganter, aaO). Gleichwohl bleibt der durch die Erledigungserklärung geänderte
Eröffnungsantrag anhängig und muss beschieden werden. Stellt das Insolvenz-
gericht die Erledigung fest, kann der Schuldner den Beschluss gemäß §§ 6, 34
Abs. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechten; weist das Insolvenzge-
richt den Antrag ab, gelten §§ 6, 34 Abs. 1 InsO. Gegen die Entscheidung des
Beschwerdegerichts findet nach § 7 InsO die Rechtsbeschwerde statt (§ 574
Abs. 1 Nr. 1 ZPO). § 91a ZPO ist dagegen weder unmittelbar noch entspre-
chend anwendbar (OLG Köln NZI 2002, 157, 158; MünchKomm-InsO/
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Ganter, aaO; Jaeger/Gerhardt, InsO § 13 Rn. 69; aA AG Göttingen ZInsO 2007,
48; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 7.06; wohl auch Uhlenbruck, InsO
10. Aufl. § 14 Rn. 84 f).
3. Mit Beschluss vom 19. März 2007 hat das Insolvenzgericht die Erledi-
gung des Eröffnungsantrags festgestellt und die Verfahrenskosten unter Hin-
weis auf §§ 4 InsO, 91 ZPO der Schuldnerin auferlegt. Gegen diesen Beschluss
hätte die Schuldnerin gemäß §§ 6, 34 Abs. 2 InsO sofortige Beschwerde mit
dem Ziel der Abweisung des Insolvenzantrags einlegen können. Die Schuldne-
rin hat jedoch nur beantragt, die Kostenentscheidung zum Nachteil der Gläubi-
gerin zu ändern. Es handelte sich also um eine sofortige Beschwerde nach §§ 4
InsO, 91a Abs. 2 ZPO, die nicht statthaft war, weil das Insolvenzgericht (zutref-
fend) nicht nur über die Kosten des Eröffnungsverfahrens, sondern auch über
den Eröffnungsantrag selbst entschieden hatte. Die Anfechtung nur der Kos-
tenentscheidung, nicht aber der Entscheidung über den Eröffnungsantrag war
nach §§ 4 InsO, 99 Abs. 1 ZPO unzulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juli 2006
- IX ZB 27/04, n.v.; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO § 4 Rn. 30).
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IV.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Kosteninte-
resse der Parteien. § 58 Abs. 3 GKG findet keine Anwendung.
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Ganter Raebel Kayser
Lohmann Pape
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 19.03.2007 - 67B IN 265/05 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.05.2007 - 326 T 22/07 -