Urteil des BGH vom 07.11.2007

BGH (staatsanwaltschaft, stpo, antrag, strafanzeige, einlassung, sanierung, verkäuferin, strafkammer, auszahlung, onkel)

5 StR 325/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Novem-
ber 2007, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt
als
Vorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als
beisitzende
Richter,
Staatsanwalt
als
Vertreter
der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als
Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Görlitz vom 4. April 2006 wird verworfen; die
sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die dort
getroffene Entschädigungsanordnung wird zurückgewiesen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel und die
dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Aus-
lagen.
– Von Rechts wegen –
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs frei-
gesprochen und ihm Entschädigung zugebilligt. Hiergegen wendet sich die
Staatsanwaltschaft. Ihr vom Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel
bleibt ohne Erfolg.
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I.
Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten zur Last gelegt, als fakti-
scher Geschäftsführer der VBG
(künftig: VBG) gemeinsam mit seinem Onkel durch die Vorla-
ge unrichtiger Bautenstandsmitteilungen betrügerisch die Auszahlung von
etwa 300.000 DM aus kreditfinanzierten Kaufpreisen für Eigentumswohnun-
gen erlangt zu haben.
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Hierzu hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
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Die VBG befasste sich mit dem Ankauf von Altbauten. Sie sanierte
diese Gebäude, teilte sie in Eigentumswohnungen auf und verkaufte die Ei-
gentumswohnungen an Dritte. Dabei übernahm sie auch die Verhandlungen
mit den Banken, die den Erwerb der Eigentumswohnung finanzierten. Der
Verkauf der Wohnungen erfolgte vor ihrer Sanierung. Die VBG als Verkäufe-
rin verwendete im Wesentlichen gleichlautende notarielle Musterverträge.
Danach wurde der Kaufpreis entsprechend dem Fortschritt der Bauarbeiten
fällig gestellt. Zudem räumten die Käufer der Eigentumswohnungen der VBG
eine Finanzierungsvollmacht ein. Hierzu traten die Käufer ihren Anspruch auf
Auszahlung der Darlehensvaluta gegenüber der Bank an die VBG als Ver-
käuferin ab.
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Die VBG schaltete für die Durchführung der Sanierung zunächst
Fremdfirmen ein. Ab 1997 übernahm der Onkel des Angeklagten, F.
T. , die Bauleitung. Dieser gründete – auf Anraten des Angeklag-
ten – die TBG (künftig: TBG). Der
Angeklagte schloss namens der VBG im Jahr 1998 einen Generalunterneh-
mervertrag, der die Sanierung von fünf Objekten der VBG zu einem Festpreis
von 4,6 Mio. DM zum Gegenstand hatte. Später kam es dann zu Erweiterun-
gen dieses Vertrages. Hierunter fielen auch die Sanierungsvorhaben Kri-
schelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die von der TBG zu einem Pauschal-
preis von 1.200 DM bzw. 1.300 DM je Quadratmeter saniert werden sollten.
F. T. , dem auch hier die Bauleitung oblag, wurde vom Ange-
klagten mit der Überwachung der Bautenstände beauftragt. Hinsichtlich der
Objekte Krischelstraße 6/7 und Teichstraße 19/20, die in Eigentumswohnun-
gen aufgeteilt und jeweils an fünf Käufer veräußert worden waren, beschei-
nigte F. T. einen Bautenstand von 96,5 %. Er erstellte die Bau-
tenstandsanzeigen jeweils am 12. November 1998 unter dem Briefkopf
„B. T. P. “ in seiner Eigenschaft als bauleitender
Architekt. Gleichzeitig unterzeichnete er am selben Tag Wohnungsüberga-
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beprotokolle als Vertreter von sieben Käufern, die dann auch vom Angeklag-
ten als dem Vertreter der VBG als Verkäuferin unterschrieben wurden.
Aufgrund der Bautenstandsmitteilungen und der Wohnungsübergabe-
protokolle, die der finanzierenden A. P. zugeleitet
wurden, kam es zur Auszahlung der Darlehensvaluta, die aufgrund der Fi-
nanzierungsvollmacht an die VBG ausbezahlt wurde.
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Tatsächlich waren die Bautenstandsanzeigen unrichtig, weil die Arbei-
ten nicht beendet waren. Das Haus Krischelstraße 6/7 hat der Angeklagte
– weitgehend mit Fremdunternehmen – bis Anfang 2000 fertig gestellt, am
Anwesen Teichstraße 19/20 wurden die Arbeiten nicht mehr aufgenommen.
Die TBG geriet Ende 1998 in wirtschaftliche Schwierigkeiten; am
19. März 1999 stellte F. T. für die TBG Insolvenzantrag.
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Das Landgericht sah bezüglich des Angeklagten einen gemeinschaft-
lich mit F. T. begangenen Betrug nicht als erwiesen an. Die
Einlassung des Angeklagten, er habe auf seinen Onkel vertraut und mithin
nicht gewusst, dass die Bautenstände tatsächlich nicht erreicht worden sei-
en, lasse sich nicht widerlegen. Zwar werde der Angeklagte durch F.
T. massiv belastet. Dies reiche jedoch der Strafkammer nicht aus,
um sich von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten zu überzeu-
gen.
II.
Das von der Staatsanwaltschaft mit formellen und materiellen Rügen
angegriffene Urteil des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.
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1. Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
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a) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landge-
richt den „zum Beweis der Tatsache, dass der Zeuge H. unglaubwürdig
und seine Aussage unglaubhaft ist“ gestellten Antrag zu Recht nicht als förm-
lichen Beweisantrag behandelt (vgl. BGHSt 39, 251; 43, 321, 327 ff.). Dass
hier nur ein Beweisziel beschrieben ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Im
Übrigen begegnet die Rüge auch in formeller Hinsicht Bedenken, weil der auf
den Antrag ergangene landgerichtliche Beschluss nur auszugsweise mitge-
teilt wird (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
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b) Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge ist unzu-
lässig. Die Staatsanwaltschaft, die meint, eine Vernehmung des damaligen
Staatsanwalts D. und des leitenden Kriminalbeamten M. seien unter
Aufklärungsgesichtspunkten erforderlich gewesen, legt nicht dar, welche Tat-
sachen damit hätten bewiesen werden sollen. Zudem teilt sie nicht mit, was
der zur Durchsuchung vernommene sachbearbeitende Kriminalbeamte aus-
gesagt hat. Dies wäre jedoch für die Prüfung der weiteren Aufklärungsbedürf-
tigkeit von Bedeutung gewesen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
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c) Das Landgericht hat ebenfalls rechtsfehlerfrei den Antrag der
Staatsanwaltschaft auf Verlesung der Strafanzeige des M. T. abge-
lehnt. Auch dieser Antrag war „zum Beweis der Unglaubwürdigkeit des Zeu-
gen H. “ gestellt und mithin gleichfalls kein förmlicher Beweisantrag. Die
Rüge ist zudem unvollständig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil auf eine poli-
zeiliche Vernehmung des M. T. Bezug genommen wird, deren In-
halt nicht mitgeteilt wird.
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d) Die auf die abgelehnte Verlesung der Strafanzeige gestützte Aufklä-
rungsrüge ist unzulässig. Sie enthält keine bestimmte Tatsachenbehauptung,
was mit der unterlassenen Beweiserhebung hätte bewiesen werden sollen.
Sie verhält sich im Übrigen nicht dazu, ob dem als Zeugen vernommenen
M. T. die von ihm verfasste Strafanzeige vorgehalten und auf die-
sem Weg in die Hauptverhandlung eingeführt wurde, ohne dass ein solcher
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Vorhalt nach § 273 StPO zu protokollieren gewesen wäre (Meyer-Goßner,
StPO 50. Aufl. § 273 Rdn. 9). Dies liegt nahe, zumal die Urteilsgründe sich
auf diese Strafanzeige beziehen.
2. Die Sachrüge ist unbegründet.
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a) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts liegt kein
Darstellungsmangel vor. Die Einlassung des Angeklagten wurde zusammen-
hängend wiedergegeben. Die Bautenstandsmitteilungen sowie die Überga-
beprotokolle sind inhaltlich ebenfalls in einem für die revisionsgerichtliche
Überprüfung ausreichenden Umfang beschrieben. Hinsichtlich der Bauten-
standsmitteilungen, die nicht vom Angeklagten verfasst wurden und unrichtig
waren, genügte eine allgemeine Umschreibung. Es ist nicht erkennbar, inwie-
fern einzelne Details des tatsächlich nicht erreichten Bautenstands für die
subjektive Tatseite beim Angeklagten Bedeutung gewinnen könnten. Der
wesentliche Inhalt der vom Angeklagten umschriebenen Übergabeprotokolle
lässt sich den Urteilsgründen entnehmen. Danach hat der Angeklagte
– wahrheitswidrig – seine Anwesenheit bei der Wohnungsübergabe an ein-
zelne Käufer durch seine Unterschrift bestätigt. Inwiefern der genaue Wort-
laut dieser – im Übrigen auch vom Angeklagten eingeräumten – unrichtigen
Übergabeprotokolle für die revisionsgerichtliche Kontrolle von Bedeutung
sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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b) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand.
Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter
einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu
überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die re-
visionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler
unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die
Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen
Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH wistra 2007,
18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht
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abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob das Landgericht über-
spannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit
gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH
wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin lie-
gen, dass der Tatrichter eine nach den Feststellungen nicht naheliegende
Schlussfolgerung gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen, die die-
ses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zwei-
felssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu
unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhan-
den sind (vgl. BGH NStZ 2004, 35, 36).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne zeigt die Revision nicht auf.
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aa) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist – entgegen der Auffas-
sung des Generalbundesanwalts – nicht lückenhaft. Sie enthält eine Ausein-
andersetzung mit dem Motiv, warum F. T. für die TBG falsche
Bautenstandsmitteilungen verfasst haben könnte. Das Landgericht verweist
auf die schlechte wirtschaftliche Situation der TBG, die kurze Zeit später ei-
nen Insolvenzantrag stellen musste. Damit liegt das Motiv auf der Hand. Na-
heliegend hat der nach außen dokumentierte Bautenstand auch im Innen-
verhältnis die Abrechnungsgrundlage gebildet. Angesichts seiner finanziellen
Bedrängung könnte dann F. T. , der an eine Überwindung sei-
ner Liquiditätskrise geglaubt haben kann, auch das Risiko auf sich genom-
men haben, vom Angeklagten oder seinen Mitarbeitern entdeckt zu werden.
Zu weitergehenden Erörterungen hierzu, die überdies zwangsläufig spekula-
tiv bleiben würden, musste sich das Landgericht nicht gedrängt sehen.
bb) Das Landgericht hat die Indizien auch nicht in ihrem Beweiswert
rechtsfehlerhaft falsch bewertet. Dies gilt auch für die vom Angeklagten un-
terzeichneten falschen Übergabeprotokolle. Abgesehen davon, dass die
Übergabe nicht fälligkeitsbegründend war (sondern nur die Fertigstellung),
musste das Landgericht aus der – auch dem Angeklagten bewussten – fal-
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schen Erklärung, bei der Übergabe der Wohnung anwesend gewesen zu
sein, nicht den Schluss ziehen, wonach er auch wusste oder damit rechnete,
dass ein entsprechender Baufortschritt noch nicht erreicht sei. Ohne dass es
hierdurch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung über-
spannt hätte, durfte das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als
nicht widerlegt ansehen, man habe die Übergabeprotokolle im Büro der VBG
ausgedruckt und dort unterschrieben, weil vor dem Auslaufen der Sonderab-
schreibung für Immobilien in den neuen Bundesländern ein sehr starker
Termindruck geherrscht habe. Zumal da der letztgenannte Gesichtspunkt
auch durch den als Zeugen vernommenen Bankangestellten Hi.
bestätigt wurde, brauchte das Landgericht diesem Indiz kein noch größeres
Gewicht im Rahmen der Beweiswürdigung einzuräumen.
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Allerdings ist die Formulierung missverständlich, dass die Unterzeich-
nung der Wohnungsübergabeprotokolle kein „zwingendes“ Indiz für den Vor-
satz des Angeklagten darstelle. Der Senat besorgt jedoch aufgrund des Ge-
samtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht, dass die Strafkammer der Auf-
fassung gewesen sein könnte, nur „zwingende“ Indizien könnten belastend
wirken. Dies wäre unzutreffend. Der weitere Gang der Darstellung belegt,
dass die Strafkammer dies auch nicht verkannt hat. Kaum eine Seite weiter
würdigt sie nämlich die belastende Aussage des F. T. im Zu-
sammenhang mit den übrigen festgestellten Indizien, wozu die vorher abge-
handelten falschen Übergabeprotokolle zählten.
cc) Hierin liegt auch die von der Beschwerdeführerin vermisste Ge-
samtwürdigung. Das Landgericht musste die jeweiligen Indizien nicht noch-
mals einzeln benennen. Dabei gab es auch Indizien, die geeignet waren, die
Einlassung des Angeklagten zu stützen, wie der erhebliche Umfang der Ge-
schäftstätigkeit, wobei in einer Vielzahl von Fällen die Sanierungsvorhaben
beanstandungsfrei abgewickelt worden sind. Wenn das Landgericht bei die-
ser Sachlage letzte Zweifel nicht überwinden konnte und nicht auszuschlie-
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ßen vermochte, dass der Angeklagte selbst durch F. T. ge-
täuscht wurde, ist dies vom Revisionsgericht hinzunehmen.
III.
Die nicht näher ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft ge-
gen die Feststellung der Entschädigungspflicht weist der Senat zurück. Auch
insoweit hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler ergeben.
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Gerhardt Raum Brause
Schaal Jäger