Urteil des BGH vom 28.05.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 125/12
Verkündet am:
28. Mai 2013
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; MRK Art. 8, 10; KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11-jährigen
Kindes an einer Sportveranstaltung.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12 - KG Berlin
LG Berlin
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2013 durch die Richter Zoll, Wellner, Pauge und Stöhr und die
Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden der Beschluss des
10. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 8. März 2012 teil-
weise aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8.
Dezember 2011 teilweise abgeändert.
Die Klage wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechts-
mittel hinsichtlich des Klageantrags zu 1 insgesamt und hinsicht-
lich des Klageantrags zu 2 insoweit abgewiesen, als die Beklagte
zur Zahlung von mehr als 1.034,11 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2011
verurteilt worden ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover, nimmt
die Beklagte auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung von drei Fotos
nebst Bilduntertext in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift
FREIZEIT REVUE. In deren Ausgabe vom 16. Februar 2011 erschien unter der
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Überschrift "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für Tochter Alexandra schon wie
ein Papa" ein Beitrag, der sich u.a. mit der Teilnahme der Klägerin an einem
Eiskunstlauf-Wettbewerb befasst. Der Bericht ist mit mehreren Fotos, darunter
auch mit drei Bildern der Klägerin illustriert, die sie als Eiskunstläuferin zeigen
und mit folgendem Bild-Untertext versehen sind: "Mit ihrer tollen Leistung be-
eindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury
überzeugt?"
Der darunter befindliche Textbeitrag lautet:
Beim Eiskunstlauf-Turnier um den "III. Pokal von La Garde"
verzauberte die 11-jährige Tochter von Caroline und
Ernst August nicht nur das Publikum, sondern
auch einen Italiener, der kaum von Mamas Seite wich.
Fast schwerelos glitt sie über die Bahn, drehte anmutig ihre Pirouetten.
Die Zuschauer im Eisstadion der französischen Kleinstadt Toulon waren
entzückt. Eine echte Prinzessin trat bei ihrem Tournier, dem "III. Pokal
von La Garde", an und stellte sich den Konkurrentinnen: Alexandra von
Hannover (11). In ihrem glitzernden dunkelvioletten Kostüm machte das
Mädchen eine fabelhafte Figur - bei der Bewegung ging ein bewundern-
des Raunen durch das Publikum. Mitten unter den Gästen: Prinzessin
Caroline von Hannover (54), die Mutter der Eisprinzessin.
Hingabe.
schen Einlagen ihrer Tochter für das Familienalbum fest. Rührend. Als
das Mädchen vorbeifuhr, warf die stolze Mama einen Blumenstrauß auf
die Eisbahn. Einziger Wermutstropfen für Alexandra: Vater Ernst August
(56) war nicht im Stadion, um sich den Auftritt seiner Tochter anzu-
schauen. Doch ein anderer Mann erfüllte seine Rolle als Ersatz mit Bra-
vour: Gerard Faggionato (50).
Einsatz.
lenden Caroline und sah sich auch die zauberhafte Kür von Alexandra
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mit Begeisterung an. Wie ein stolzer Papa stand er auf der Tribüne und
bewunderte das große Talent der kleinen Eisprinzessin. Aber wie würde
das Urteil der Punktrichter ausfallen?
Skandal.
gert. Am Ende sprang mit 9,37 Punkten nur Platz 11 heraus - von 13
Teilnehmerinnen. Gewonnen hat A. S. mit 16,43 Punkten.
Nachvollziehen konnte Alexandras schlechte Platzierung niemand. Woll-
te die strenge Jury mit ihrem fragwürdigen Urteil demonstrieren, dass sie
keine Promi-Punkte verteilt? Wurde Alexandra womöglich ihre Berühmt-
heit zum Verhängnis?
Alexandra war die Siegerin der Herzen
Zum Glück zählte am Schluss der olympische Gedanke: "Dabei sein
ist alles." Und für Mama Caroline und Ersatz-Papa Gerard war sie ja die
Siegerin der Herzen …"
Der Beitrag ist mit weiteren Bildern illustriert, die u.a. Caroline Prinzessin
von Hannover, Gerard Faggionato und Ernst August von Hannover zeigen.
Auf Betreiben der Klägerin gab die Beklagte eine strafbewehrte Erklä-
rung ab, mit der sie sich verpflichtete, es künftig zu unterlassen, unter Bezug-
nahme auf die Klägerin zu verbreiten: "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für
Tochter Alexandra schon wie ein Papa."
Die Klägerin hat die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der von
ihr beanstandeten drei Fotos mit der Bildunterschrift "Mit ihrer tollen Leistung
beeindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury
überzeugt?" sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt, und zwar so-
wohl hinsichtlich der Abmahnung wegen der Textveröffentlichung (1.034,11
€)
als auch hinsichtlich der Abmahnung wegen der Veröffentlichung der Bilder
(700,32 €) sowie für ein Abschlussschreiben (384,61 €).
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Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen hinsichtlich
des Unterlassungsantrags in vollem Umfang und hinsichtlich des Zahlungsan-
trags in Höhe von 1.559,38 € nebst Zinsen stattgegeben, wobei es die Kosten
zugrunde gelegt hat, die angefallen wären, wenn die Klägerin die Unterlas-
sungsansprüche wegen der Text- und der Bildberichterstattung in einem einzi-
gen Abmahnschreiben geltend gemacht hätte. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der
vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Kla-
geabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung
der beanstandeten Fotoveröffentlichung für begründet. Es geht zu Gunsten der
Beklagten davon aus, dass es sich bei dem am 5. und 6. Februar 2011 in
Toulon ausgerichteten Eislaufturnier um ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sin-
ne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gehandelt habe. Im Rahmen der danach vorzu-
nehmenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit
und dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei aber davon auszugehen, dass
Letzteres überwiege. Zu berücksichtigen sei, dass die zum Zeitpunkt der Auf-
nahmen 11 Jahre alte Klägerin ein Recht auf ungestörte kindgerechte Entwick-
lung habe. Dieses Recht umfasse neben der Privatsphäre auch die kindgemä-
ße Entwicklung außerhalb der Privatsphäre in öffentlichen Räumen. Zur Ent-
wicklung der Persönlichkeit eines Kindes gehöre es auch, sich in der Öffentlich-
keit zu bewegen. Das Schutzbedürfnis entfalle auch nicht bei einem kindgemä-
ßen Verhalten, das üblicherweise in der Öffentlichkeit geschehe, wie zum Bei-
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spiel beim Baden, beim Sport oder in der Schule. Auch wenn es sich bei dem
Eislaufturnier um einen Wettbewerb gehandelt habe, bei dem interessiertes
Publikum zugegen gewesen sei, sei angesichts der Umstände (regionaler Cha-
rakter, begrenzte Teilnehmerzahl und geringfügige Dauer des Wettbewerbs)
davon auszugehen, dass es sich um einen für eine sportliche Betätigung in die-
ser Altersgruppe nicht ungewöhnlichen Leistungsvergleich gehandelt habe, der
zwar in der Öffentlichkeit geschehen sei, die Schutzbedürftigkeit der Klägerin
aber nicht entfallen lasse.
II.
Die Revision hat Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin ge-
gen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1,
Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlas-
sung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.
a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten
Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkon-
zept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom
6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff. und zuletzt vom 18. Okto-
ber 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011
- VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f. und vom 18. September 2012 - VI ZR
291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. jeweils mwN), das sowohl mit verfassungs-
rechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang
steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und
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1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Ein-
willigung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings ge-
mäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus
dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für
eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt
werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bild-
berichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
aa) Bei den beanstandeten Fotos der Klägerin handelt es sich um Bild-
nisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildun-
gen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus
Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der
Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (Senatsurteil
vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 12). Der für die Frage,
ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßge-
bende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem ge-
sellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftli-
chen Ereignissen wie die Amtseinführung von Prinz Albert, der Rosenball in
Monaco, das Gala-Diner der Stiftung Claude Pompidou anlässlich der Ausstel-
lung eines bekannten Künstlers im Pariser Centre Pompidou auch Sportveran-
staltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - nur regionale
Bedeutung haben. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schran-
kenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten
durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom
1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411, 1412 und - VI ZR 243/06, VersR
2008, 1506 f., jeweils mwN).
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Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem
Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen
(vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 20 und vom
13. April 2010 - VI ZR 125/08, aaO Rn. 14; BVerfGE 120, 180, 205). Die Belan-
ge der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Per-
sönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, ins-
besondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre (vgl. Senatsurteile
vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337 f. und vom 9. De-
zember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523), der in Form der Gewähr-
leistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teil-
weise auch verfassungsrechtlich fundiert ist (vgl. BVerfGE 101, 361, 381 ff.;
120, 180, 214). Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Me-
dien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft
und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums er-
füllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne
Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser
oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedi-
gen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 21; BVerfGE
34, 269, 283; 101, 361, 391; 120, 180, 205, 214; BVerfG, NJW 2006, 3406,
3407). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext,
in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Be-
rücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.
bb) Der Artikel der Zeitschrift FREIZEIT REVUE befasst sich mit der
Teilnahme der Klägerin an dem Eislaufturnier um den "III. Pokal von La Garde",
welches am 5. und 6. Februar 2011 in Toulon stattfand. Dieser Wettbewerb ist,
wovon das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin zutreffend ausgegangen
ist, ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das berichtet werden darf. Der Text
informiert über Einzelheiten des Eiskunstlauf-Wettbewerbs und nennt außer der
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Klägerin auch die Siegerin des Turniers und die von beiden jeweils erreichten
Punktwerte. Eine solche Berichterstattung über ein Sportereignis ist grundsätz-
lich erlaubt. Das Recht, über Sportveranstaltungen zu berichten, ist auch nicht
auf bestimmte Medien, wie etwa auf solche, die üblicherweise über das Sport-
geschehen informieren, beschränkt, sondern besteht - wie auch sonst bei der
Berichterstattung über Ereignisse des Zeitgeschehens (vgl. BVerfG NJW 2000,
1021, 1024; NJW 2008, 1793, 1794, jeweils mwN) - für alle Medien und somit
auch für die von der Beklagten verlegte Illustrierte.
Die Wortberichterstattung wird durch die veröffentlichten Fotos illustriert.
Diese sind kontextbezogen und zeigen die Klägerin während ihres Eiskunst-
laufs bei dem betreffenden Turnier.
cc) Der Zulässigkeit der Berichterstattung steht vorliegend nicht entge-
gen, dass der Artikel auch Informationen enthält, die nicht das Turnier als sol-
ches betreffen. Der Artikel verliert nicht allein deshalb seinen Charakter als Be-
richt über ein Sportereignis, weil auch über die Anwesenheit eines Begleiters
berichtet wird, der angeblich der "Neue" der Mutter der Klägerin sei. Auch wenn
diese Information den Aufmacher darstellt, auf dem Titelblatt wiedergegeben
und Gegenstand der Titelzeile ist, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Be-
richterstattung über den Wettbewerb. Die Art und Weise der Berichterstattung
und ihre Aufmachung sind Sache der Medien. Sie haben das Recht, Art und
Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsorgans frei zu bestimmen (vgl.
BVerfG, aaO). Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Es
könnte nur verneint werden, wenn der beanstandete Artikel als solcher nicht als
Berichterstattung über das Eiskunstlaufturnier als zeitgeschichtliches Ereignis
einzustufen wäre, sondern dieser lediglich als äußerer Anlass für die Berichter-
stattung über die Klägerin und die Veröffentlichung der sie zeigenden Fotos zu
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bewerten wäre (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 190/08, VersR
2011, 127, Rn. 22 mwN).
Dies ist indes nicht der Fall. Zwar konzentriert sich die Berichterstattung
auf die Person der Klägerin, die schon auf der Titelseite und in der Artikelüber-
schrift herausgestellt wird. Es ist indes unzulässig, Medienprodukte, die das
Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven
Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich
der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich der veröffentlichten Fotos einen
noch ausreichenden Bezug zu dem Turnier als zeitgeschichtliches Ereignis hat
(vgl. Senatsurteil vom 26.Oktober 2010 - VI ZR 190/08, aaO Rn. 23). Davon ist
hier auszugehen.
dd) Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien
grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren. Zu der gemäß Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich geschützten Pressefreiheit zählt auch die Ent-
scheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Bildaussagen neh-
men an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilde-
rung sie dienen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3271, 3272). Der Schutz der Presse-
freiheit umfasst dabei auch die Abbildung von Personen (vgl. BVerfG, NJW
2000, 1021, 1024; NJW 2001, 1921, 1923). Von der Eigenart oder dem Niveau
des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab.
Die Presse darf nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des
öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (BVerfGE 120, 180, 196 f.).
Von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des
Druckerzeugnisses darf der Schutz der Pressefreiheit nicht abhängig gemacht
werden.
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ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Zulässigkeit
der Veröffentlichung der Fotos auch nicht entgegen, dass die auf ihnen abge-
bildete Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Bilder erst 11 Jahre alt war.
(1) Allerdings ist anerkannt, dass Kinder eines besonderen Schutzes be-
dürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen
und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die
von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern
ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört wer-
den kann als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei
von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen um-
fassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen (BVerfGE 101,
361, 385; 119, 1, 24; 120, 180, 199). Grundsätzlich fällt auch die spezifisch el-
terliche Hinwendung zu den Kindern in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persön-
lichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der
den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für
sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die
elterliche Fürsorge gehört. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persön-
lichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in
öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der
Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer
Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen. Dies gilt auch
für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 386;
BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; 2005, 1857, 1858; Senatsurteil vom 5. Oktober
2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 304 f.).
Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 GG
im Einzelnen auswirkt, lässt sich aber nicht generell und abstrakt bestimmen.
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Zwar kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten spezi-
fischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich auch dann eingreifen, wenn sich
Eltern und Kinder in der Öffentlichkeit bewegen. Doch wird es regelmäßig an
einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der
Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teil-
nehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen; insoweit liefern sie sich den Be-
dingungen öffentlicher Auftritte aus (BVerfGE 101, 361, 386). Der erkennende
Senat hat deshalb auch in Fällen, in denen es um die Abbildung von Kindern im
Rahmen der Presseberichterstattung ging, eine einzelfallbezogene Abwägung
zwischen dem beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht und der Meinungs- und
Pressefreiheit unter Berücksichtigung des Informationsinteresses nicht für ent-
behrlich gehalten (vgl. Senatsurteile vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03, BGHZ
158, 218, 222 ff.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 305
und vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 10; vgl. auch
BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; 2003, 3262, 3263; ZUM-RD 2007, 1, 2 f.).
(2) Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Bildberichterstattung
nicht zu beanstanden. Die hier veröffentlichten Fotos, auf denen die Klägerin
als Eiskunstläuferin während des betreffenden Turniers abgebildet ist, hatten
nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung keinen eigenständigen Verlet-
zungsgehalt. Die Fotos sind während des Turniers aufgenommen worden, bei
dem nach den getroffenen Feststellungen interessiertes Publikum zugegen war.
Bei sportlichen Wettkämpfen sind Foto- und Videoaufnahmen heute weitgehend
üblich, und zwar auch dann, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, die nur
in einer begrenzten Öffentlichkeit stattfinden. Dies gilt unabhängig davon, ob an
dem Wettbewerb Erwachsene, Kinder oder Jugendliche teilnehmen. Auf Foto-
und Videoaufnahmen müssen sich Teilnehmer einer Sportveranstaltung grund-
sätzlich auch dann einstellen, wenn keine Pressefotografen zugegen sind. Ent-
gegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es dabei weder auf die
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Anzahl der Teilnehmer noch auf die Dauer der gesamten Veranstaltung oder
derjenigen der konkreten sportlichen Darbietung des einzelnen Teilnehmers an.
Die Veröffentlichung der während eines Turniers gefertigten Fotos wäre nur
dann unzulässig, wenn durch ihre Verbreitung die berechtigten Interessen der
abgebildeten Person verletzt würden (vgl. Senatsurteil vom 28. September
2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 Rn. 18). Das ist vorliegend nicht der Fall,
denn die Fotos weisen einen ausreichenden Bezug auf das konkrete Ereignis
auf und illustrieren einen Begleittext, der zumindest auch eine Berichterstattung
über dieses Ereignis selbst liefert. Durch diese Art der Verwendung der Bildnis-
se werden die berechtigten Interessen der Klägerin nicht nennenswert beein-
trächtigt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die beanstandeten Fotos die
kindgerechte Entwicklung der Klägerin stören könnten. Bei dieser Sachlage
verdient das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten Vorrang vor dem Per-
sönlichkeitsschutz der Klägerin.
2. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Bildberichter-
stattung hat, kann sie insoweit auch nicht Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten
verlangen. Die Verurteilung der Beklagten wegen des hinsichtlich der bean-
standeten Textveröffentlichung geltend gemachten Betrages von 1.034,11
nebst Zinsen wird mit der Revision nicht angegriffen.
3. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, kann der erken-
nende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Zoll
Wellner
Pauge
Stöhr
von Pentz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.12.2011 - 27 O 407/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2012 - 10 U 178/11 -
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