Urteil des BGH vom 06.07.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 15/10 Verkündet
am:
6.
Oktober
2010
Ermel,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
KWKG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4
Wird ein vor dem 1. Januar 2000 abgeschlossener Vertrag über die Einspei-
sung von KWK-Strom beendet und von den Vertragsparteien später erneuert,
handelt es sich, selbst wenn sie dabei eine Rückwirkung der Folgeregelung
vereinbaren, um die Einspeisung und Vergütung des Stroms auch nach Ver-
tragsende auf vertraglicher Grundlage fortzusetzen, nicht mehr um den ur-
sprünglichen, in seinem förderfähigen Bestand geschützten Vertrag im Sinne
von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG, sondern um einen erst nach dem Stichtag
neu entstandenen Vertrag (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 6. Juli 2005
- VIII ZR 152/04, WM 2005, 1916).
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 15/10 - OLG Düsseldorf
LG Dortmund
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Hermanns sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Kartellsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. November 2009 auf-
gehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 17. April 2008
abgeändert, soweit es den mit dem Hauptantrag geltend gemach-
ten Zahlungsanspruch und den mit dem ersten Hilfsantrag geltend
gemachten Anspruch auf Abschluss eines Einspeisevertrages be-
trifft. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt in K. ein Abfallentsorgungszentrum mit
einer Müllverbrennungsanlage. Der bei der Müllverbrennung erzeugte Über-
schussstrom wurde in das der Müllverbrennungsanlage am nächsten gelegene
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Stromnetz der R. AG eingespeist, die nach einer zum 1. Oktober
2000 erfolgten Aufspaltung der früheren R. AG hinsichtlich des
Netzbetriebes deren Rechtsnachfolgerin geworden war. Die Stromeinspeisung
erfolgte dabei zunächst aufgrund eines Vertrages vom 19./30. Dezember 1994
zwischen der Klägerin und der R. AG, deren Rolle als Trägerin der
allgemeinen Versorgung im Sinne von § 10 EnWG 1998 die Rechtsvorgängerin
der Beklagten (bis zum 30. September 2003 als R. P. AG firmierend) im
Zuge der zum 1. Oktober 2000 durchgeführten Entflechtung von Netzbetrieb
und Stromversorgung wahrnahm. Der Vertrag wurde durch mündliche Verein-
barung vom 27. April 1999 einvernehmlich zum 30. Juni 2000 beendet. Mit
Schreiben vom 2. und 30. Juni 2000 bestätigte die Klägerin der R.
AG die Vertragsbeendigung zum Ende des Monats Juni 2000 und erklärte ihre
Bereitschaft zur Fortsetzung der Zusammenarbeit unter der Voraussetzung,
dass die R. AG eine Vergütung nach dem am 18. Mai 2000 in Kraft
getretenen Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-
Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) vom 12. Mai 2000 (BGBl. I S. 703;
im Folgenden: KWKG) entrichte. Dies lehnte die R. AG mit Schrei-
ben vom 3. und 5. Juli 2000 ab und bot für den Zeitraum vom 1. Juli bis
30. September 2000 den Abschluss einer Interimsvereinbarung an. Danach
sollte der Klägerin der Strom für eine festgelegte Sollleistung mit 1,5 Cent/kWh,
darüber hinaus mit 0,75 Cent/kWh und zusätzlich für die gesamte gelieferte
elektrische Wirkarbeit mit einer Netzgutschrift von 0,15 Cent/kWh vergütet wer-
den. Die Klägerin wies das Angebot der R. AG mit Schreiben vom
12. Juli 2000 zurück und schlug, da sie sich aus betriebstechnischen Gründen
nicht zu einer Sollleistung verpflichten wollte, ihrerseits vor, bis zu einer juristi-
schen Klärung der Vergütungspflicht nach dem KWKG den Überschussstrom,
der aus ihrer Anlage in das Netz der R. AG eingespeist würde, vor-
läufig mit 0,75 Cent/kWh und einer Netzgutschrift von 0,15 Cent/kWh zu vergü-
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ten. Die R. AG erklärte sich durch Schreiben vom 7. August 2000
mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Die nach dem 30. Juni 2000 fortge-
setzte Einspeisung des Überschussstroms wurde daraufhin nach Maßgabe der
Schreiben vom 12. Juli/7. August 2000 vergütet. Am 6./26. April 2001 unter-
zeichneten die Klägerin und die Beklagte einen weiteren Einspeise- und Ab-
nahmevertrag, der eine rückwirkende Geltung ab dem 1. Oktober 2000 unter
Zugrundelegung der vormaligen Preisstellung vorsah. Auch hierbei erklärte die
Klägerin einseitig den Vorbehalt, dass "die vereinbarte Vergütung nach den
Grundsätzen des KWKG zu bemessen sei".
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten, gestützt auf de-
ren nach ihrer Auffassung bestehende Verpflichtungen nach dem KWKG, für
die im Zeitraum vom 1. November 2000 bis zum 31. März 2002 eingespeiste
Strommenge die Zahlung des Differenzbetrages zwischen einer Vergütung
nach dem KWKG und der tatsächlich geleisteten Vergütung in Höhe von insge-
samt 2.552.547 €. Hilfsweise begehrt die Klägerin, die Beklagte zum Abschluss
eines Einspeisevertrages über den vom 1. November 2000 bis 31. März 2002
eingespeisten Strom und zur Zustimmung zu einer darin enthaltenen Vergütung
nach dem KWKG zu verurteilen. Weiter hilfsweise beantragt sie - gestützt auf
Auskunfts- und Vergütungspflichten der Beklagten nach §§ 20, 33 GWB - im
Wege der Stufenklage, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Energie-
und Netzkosten zu erteilen, die durch den von ihr im genannten Zeitraum ein-
gespeisten Strom vermieden wurden.
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Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen
zur Zahlung von 2.549.173 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklag-
ten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
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Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein entgegen deren Auffassung
unverjährter Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen der
vertraglich vereinbarten Vergütung und der in § 4 Abs. 1 KWKG bestimmten
Vergütung für den im Zeitraum November 2000 bis März 2002 gelieferten Strom
nebst Zinsen zu. Bei der von der Klägerin betriebenen Anlage handele es sich
um eine förderfähige Anlage nach § 2 Abs. 3 KWKG. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halb-
satz 1 KWKG verpflichte den Netzbetreiber, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen im
Sinne des § 2 KWKG an sein Netz anzuschließen, den eingespeisten Strom
abzunehmen und nach § 4 KWKG zu vergüten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halb-
satz 2 KWKG blieben allerdings bereits "bestehende" vertragliche Abnahme-
verpflichtungen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG, das heißt
auf Grund eines vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Liefervertrages, unbe-
rührt. Der Vergütungsanspruch richte sich in diesem Fall gegen den Vertrags-
partner, wenn er - wie die Beklagte - ein Energieversorgungsunternehmen im
Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG sei. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG
setze dazu einen Vertrag voraus, der vor dem genannten Stichtag geschlossen
worden sei und zum Zeitpunkt des Strombezugs fortbestanden habe. Eine
nachträgliche Änderung der Höhe der Vergütung sei insoweit unschädlich, da
sie § 4 Abs. 2 KWKG entspreche, wonach die Vergütung für Strom nach § 2
Abs. 1 Satz 3 KWKG - ausgehend von der insoweit grundsätzlich geltenden
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Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG - auf der Grundlage von Lieferverträ-
gen geregelt werde.
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Die Voraussetzung eines vor dem Stichtag geschlossenen Liefervertra-
ges sei auch dann gegeben, wenn er nach diesem Stichtag übergangslos durch
einen neuen Vertrag mit einem im Wesentlichen unveränderten Inhalt ersetzt
und damit über den 31. Dezember 1999 hinaus fortgesetzt worden sei. Das sei
hier der Fall. Zwar habe der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 15. Juni
2005 (VIII ZR 74/04) auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz angenommen, dass die Klägerin und die R. AG den zwi-
schen ihnen bestehenden Liefervertrag vom 19./30. Dezember 1994 einver-
nehmlich zum 30. Juni 2000 "beendet" und nicht durch einen neuen Vertrag mit
im Wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt hätten, so dass die ab dem
1. Juli 2000 bis zum 30. September 2000 erfolgte Stromeinspeisung in einem
"vertragslosen" Zustand fortgesetzt worden sei. In einem weiteren Urteil vom
6. Juli 2005 habe der Bundesgerichtshof (VIII ZR 152/04) jedoch auch ausge-
führt, dass ein vor dem 1. Januar 2000 geschlossener Liefervertrag dann noch
bestehe, wenn er nach diesem Stichtag übergangslos durch einen neuen Ver-
trag mit im Wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt und damit über den
31. Dezember 1999 hinaus fortgesetzt werde. Denn dies rechtfertige anders als
die Beendigung des Liefervertrages mit anschließender Fortsetzung des
Strombezugs im vertragslosen Zustand keine unterschiedliche Behandlung.
Der Liefervertrag vom 19./30. September 1994 habe im genannten Sinne
fortbestanden. Denn er sei durch den Interimsvertrag vom 12. Juli/7. August
2000 und den Vertrag vom 6./26. April 2001 im Wesentlichen unverändert und
wegen der jeweils vereinbarten Rückwirkung der nachfolgenden Verträge über-
gangslos fortgesetzt worden. Zwar hätten sich die Klägerin und die R.
AG ausweislich des zwischen ihnen geführten Schriftwechsels nicht über
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die zu zahlende Vergütung für die gelieferte Energie einigen können. Entgegen
der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB habe aber auch ohne eine solche
Einigung nach dem Willen der damaligen Vertragsparteien wenigstens im Übri-
gen ein Vertrag zustande kommen können, wobei die dabei verbleibende Lücke
nach den gesetzlichen Bestimmungen, also entweder nach § 315 BGB oder
aber - wie hier - nach § 4 Abs. 1 KWKG, ausgefüllt worden sei. Es entspreche
der Lebenswirklichkeit und habe hier ersichtlich auch dem Willen und den Vor-
stellungen der Vertragsparteien entsprochen, angesichts des bestehenden
Kontrahierungszwangs und des dadurch bedingten Zwangs, zueinander in dau-
ernde Beziehungen treten zu müssen, ihre Beziehungen als (kauf-)vertragliche
Abreden auszugestalten und nicht in einem vertragslosen Zustand zu handeln.
Sie hätten zwar davon gesprochen, dass der ursprüngliche Liefervertrag zum
30. Juni 2000 "enden" sollte. Von einer Beendigung der Lieferbeziehungen
könne aber keine Rede sein. Vielmehr seien die damaligen Vertragsparteien im
Juli 2000 übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich an der Einspeisung
von Energie in das der Stromerzeugungsanlage nächstgelegene und für eine
Stromeinspeisung allein in Betracht kommende Netz der R. AG
durch die Klägerin auf Dauer nichts ändern sollte. Nur die Vergütungsvereinba-
rung im ursprünglichen Liefervertrag sollte nach dem Willen der damaligen Ver-
tragsparteien nicht länger die Berechnungsbasis für die Höhe der von der Be-
klagten zu zahlenden Vergütung für die eingespeiste Energie bilden. Ansonsten
sei der Ursprungsvertrag inhaltlich im Wesentlichen unverändert fortgeführt
worden, da die vorgenommenen Änderungen lediglich den eigenen Strombezug
der Klägerin betroffen hätten oder nicht ins Gewicht fielen. Dementsprechend
habe die R. AG in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2000 erklärt, schon
ein Angebot für die Zusammenarbeit mit der Klägerin ab dem 1. Oktober 2000
vorzubereiten; auch habe man sich nach Maßgabe des Schriftwechsels vom
12. Juli/7. August 2000 auf eine "vorläufige" Vergütungsregelung geeinigt.
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II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Der Klägerin stehen gegen die Beklagte weder der in erster Linie geltend
gemachte vertragliche Anspruch auf eine erhöhte Einspeisevergütung zu noch
kann sie mit ihrem hilfsweise erhobenen Anspruch auf dahin gehenden Ab-
schluss eines Einspeisevertrages durchdringen.
1. Der streitige Vergütungsanspruch ist, wie das Berufungsgericht zutref-
fend angenommen hat, noch nach den Bestimmungen des KWKG zu beurtei-
len. Dieses Gesetz ist zwar inzwischen außer Kraft getreten. Das ist jedoch
nach § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung
und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz)
vom 19. März 2002 (BGBl. I S. 1092) erst am 1. April 2002 und damit nach dem
hier in Rede stehenden Zeitpunkt geschehen (Senatsurteile vom 13. Februar
2008 - VIII ZR 280/05, WM 2008, 1081 Rn. 11; vom 9. Januar 2008 - VIII ZR
50/07, WM 2008, 1078 Rn. 15). Die Voraussetzungen für eine (erhöhte) Vergü-
tung nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 4 KWKG liegen jedoch
nicht vor.
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a) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KWKG sind Netzbetreiber ver-
pflichtet, KWK-Anlagen nach § 2 Abs. 1 KWKG an ihr Netz anzuschließen, den
Strom aus Anlagen nach § 2 KWKG abzunehmen und den eingespeisten Strom
nach § 4 KWKG zu vergüten. Diese Verpflichtung wird durch § 3 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 KWKG dahin eingeschränkt, dass bereits bestehende vertragliche
Abnahmeverpflichtungen auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 KWKG unbe-
rührt bleiben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG gilt das KWKG auch für
Strom aus KWK-Anlagen auf der Basis von Steinkohle, Braunkohle, Erdgas, Öl
oder Abfall, der auf der Grundlage von Lieferverträgen, die vor dem 1. Januar
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2000 abgeschlossen wurden, von einem Energieversorgungsunternehmen be-
zogen wird. In solch einem Fall richtet sich der Vergütungsanspruch des Betrei-
bers der KWK-Anlage gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 KWKG gegen das Energie-
versorgungsunternehmen, das sich nach Maßgabe eines solchen, in den An-
wendungsbereich des KWKG fallenden Vertrages zur Abnahme des in der
KWK-Anlage erzeugten Stroms verpflichtet und ihn aufgrund dieser Verpflich-
tung bezogen hat (Senatsurteile vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 74/04, WM 2005,
2057 unter II 1 c, d; vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 152/04, WM 2005, 1916 unter II 2
a, b; vom 9. Januar 2008 - VIII ZR 50/07, aaO Rn. 17 ff.).
b) Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat es sich, als diese im
streitigen Zeitraum von November 2000 bis März 2002 den in der KWK-Anlage
der Klägerin erzeugten Strom auf der Grundlage des Liefervertrages vom 6./24.
April 2001 abgenommen hat, nach den unangegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts angesichts der von ihr wahrgenommenen Rolle als Träger
der allgemeinen Versorgung gemäß § 2 Abs. 3, § 10 des Energiewirtschaftsge-
setzes in der seinerzeit geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des
Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730) um ein Energie-
versorgungsunternehmen im Sinne des KWKG gehandelt (vgl. Senatsurteil vom
11. Oktober 2006 - VIII ZR 148/05, WM 2007, 700 Rn. 13). Eine Abnahme- und
Vergütungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 4 KWKG hat entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht bestanden, da der Strom-
bezug nicht auf der Grundlage eines vor dem 1. Januar 2000 abgeschlossenen
Liefervertrages erfolgt ist, wie dies von dem dabei in Bezug genommenen § 2
Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG vorausgesetzt wird.
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aa) Dazu reicht es nach der Rechtsprechung des Senats nicht aus, dass
der Strombezug nach der Beendigung des Liefervertrages vom 19./30. Dezem-
ber 1994 fortgesetzt worden ist. Denn gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
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KWKG bleiben nur bereits "bestehende" vertragliche Abnahmeverpflichtungen
auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Satz 3 KWKG unberührt. § 2 Abs. 1 Satz 3
Nr. 2 KWKG setzt wiederum voraus, dass der Strom "auf der Grundlage eines
vor dem 1. Januar 2000 geschlossenen Liefervertrages" bezogen wird. Dem-
gemäß ist nur die Stromeinspeisung aufgrund eines Liefervertrages, der vor
dem genannten Stichtag geschlossen worden ist und zum Zeitpunkt des Strom-
bezugs fortbesteht, nach Maßgabe der Bestimmungen des KWKG förderfähig.
Eine nachträgliche Änderung der Höhe der Vergütung ist dabei unschädlich; sie
entspricht vielmehr § 4 Abs. 2 KWKG, wonach die Vergütung für Strom nach
§ 2 Abs. 1 Satz 3 KWKG - ausgehend von der auch insoweit grundsätzlich gel-
tenden Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG - auf Grundlage von Liefer-
verträgen geregelt wird (Senatsurteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 74/04, aaO
unter II 2 a). Ebenso kann vom Fortbestand eines vor dem 1. Januar 2000 ge-
schlossenen Liefervertrages ausgegangen werden, wenn er nach diesem Stich-
tag übergangslos durch einen neuen Vertrag mit im Wesentlichen unveränder-
tem Inhalt ersetzt und damit im Ergebnis über den 31. Dezember 1999 hinaus
fortgesetzt worden ist (Senatsurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 152/04, aaO unter
II 2 a bb; noch offen gelassen im Senatsurteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR
74/04, aaO). Dagegen genügt es nicht, dass vor dem 1. Januar 2000 ein Liefer-
vertrag bestanden hat, der vor dem Bezug des Stroms beendet worden ist, und
zwar nach dem eindeutigen Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 2
Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG selbst dann nicht, wenn der Strombezug anschlie-
ßend im vertragslosen Zustand fortgesetzt worden ist (Senatsurteil vom 15. Juni
2005 - VIII ZR 74/04, aaO).
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Liefervertrag vom 19./30.
Dezember 1994 sei nach dem 1. Januar 2000 übergangslos durch neue Verträ-
ge mit im Wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt und damit im Ergebnis
über den 31. Dezember 1999 hinaus fortgesetzt worden, wird von den getroffe-
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nen Feststellungen nicht getragen. Es hat dabei vielmehr die Anforderungen
verkannt, die an die für eine Vertragsfortsetzung erforderliche Übergangslosig-
keit der Ersetzung eines förderfähigen Altkontrakts durch einen neuen Liefer-
vertrag zu stellen sind.
(1) Allerdings ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegan-
gen, dass zwischen den Parteien im streitigen Zeitraum von November 2000 bis
März 2002 überhaupt vertragliche Beziehungen bestanden haben. Dem steht
nicht entgegen, dass die Parteien sich für den von ihnen am 6./26. April 2001
unterzeichneten Einspeise- und Abnahmevertrag nicht über die Höhe der Ver-
gütung für den von der Klägerin gelieferten KWK-Strom einigen konnten.
Grundsätzlich gehört es zwar zu den wesentlichen Erfordernissen eines Kauf-
vertrages, dass sich die Vertragspartner über den Kaufpreis einig sind (BGH,
Urteil vom 2. April 1964 - KZR 10/62, BGHZ 41, 271, 274). Ein Vertrag kann
aber auch dann wirksam zustande kommen, wenn die Parteien bei Vertragsab-
schluss die genaue Entgelthöhe mangels Einigung hierüber bewusst offen ge-
lassen und gleichwohl eine Bindung gewollt haben, sofern - notfalls aufgrund
gerichtlicher Klärung der bestehenden Vertragslage - das zu zahlende Entgelt
über eine ergänzende Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung
einer gesetzlichen Regelung bestimmbar ist und die bestehende Lücke auf die-
se Weise geschlossen werden kann (BGH, Urteile vom 2. April 1964 - KZR
10/62, aaO S. 275 f.; vom 25. November 1964 - V ZR 169/62, BB 1965, 103;
vom 20. Juni 1997 - V ZR 39/96, NJW 1997, 2671 unter 2 a). Das ist - was auch
die Revision nicht in Zweifel zieht - nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts hier der Fall.
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Die Parteien waren sich einig, dass die Beklagte der Klägerin den einge-
speisten Strom auf jeden Fall mit den in der Vertragsurkunde vom 6./26. April
2001 bezeichneten Beträgen vergüten sollte. Lediglich dann, wenn eine gericht-
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liche Nachprüfung des Vertragsverhältnisses ergeben sollte, dass der Vertrag
den Bestimmungen des KWKG unterliegt, sollte rückwirkend eine bestimmte
andere Vergütung, nämlich die in § 4 KWKG bezeichnete Mindestvergütung
geschuldet sein. Entsprechend dieser Einigung über die zu schließende Lücke
haben die Parteien den Vertrag in der Folgezeit praktiziert.
Diese Feststellungen des Berufungsgerichts stehen zu dem Senatsurteil
vom 15. Juni 2005 (VIII ZR 74/04, aaO) nicht im Widerspruch. Dort hatte der
Senat in dem zwischen den gleichen Parteien über die Vergütungsdifferenz für
die Monate Mai bis Oktober 2000 geführten Rechtsstreit entschieden, dass zu-
mindest in den Monaten Juli bis September ein vertragsloser Zustand vorlag.
Anders als im vorliegenden Rechtsstreit war jedoch zu dem dieser Entschei-
dung zugrunde liegenden Sachverhalt tatrichterlich nicht festgestellt, dass die
Klägerin und die R. AG sich im Rahmen der Interimsvereinbarung
vom 12. Juli/7. August 2000 über eine vorläufige Vergütung unter dem Vorbe-
halt einer späteren gerichtlichen Klärung der Vergütungshöhe geeinigt hatten
(vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.12.2003 - 11 U 41/02, juris Rn. 1).
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(2) Der Einspeise- und Abnahmevertrag vom 6./26. April 2001 stellt sich
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aber nicht als Fortsetzung des
ursprünglichen Vertrages vom 19./30. Dezember 1994 dar.
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(a) Die Klägerin und die R. AG hatten sich nach den Feststel-
lungen des Berufungsgerichts bereits im April 1999 und damit lange vor Inkraft-
treten des KWKG darauf geeinigt, den ursprünglichen Liefervertrag zum
30. Juni 2000 zu beenden. Diese Beendigung hatte die Klägerin mit Schreiben
vom 2. Juni und 30. Juni 2000 noch einmal bestätigt. Angesichts unterschiedli-
cher Rechtsstandpunkte über eine Vergütungspflicht der R. AG für
den eingespeisten Strom nach dem KWKG speiste die Klägerin den in ihrer
KWK-Anlage erzeugten Strom in der Folgezeit ohne vertragliche Grundlage ein,
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bis die R. AG unter dem 7. August 2000 der von der Klägerin vorge-
schlagenen Interimsvereinbarung zugestimmt hatte. Ebenso speiste die Kläge-
rin nach dem 30. September 2000 den in ihrer KWK-Anlage erzeugten Strom
bis zur Vereinbarung der Parteien vom 6./26. April 2001 ohne vertragliche
Grundlage in das nunmehr von der früheren Beklagten zu 1 betriebene Netz
ein. Die dabei jeweils vereinbarte Rückwirkung auf den 1. Juli 2000 und den
1. Oktober 2000 war jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht geeignet, die erforderliche Vertragskontinuität herzustellen.
Das Berufungsgericht berücksichtigt hierbei nicht in ausreichendem Ma-
ße, dass der Vertrag vom 19./30. Dezember 1994 nach dem ausdrücklichen
Willen der Vertragsparteien am 30. Juni 2000 sein Ende finden sollte und - wie
die anschließende zunächst vertragslose Einspeisung zeigt - auch tatsächlich
gefunden hat. Entsprechendes gilt für die ausdrücklich nur bis zum 30. Sep-
tember 2000 befristete Interimsvereinbarung und die anschließend über einen
längeren Zeitraum zunächst wiederum vertragslos erfolgte Stromeinspeisung.
Bereits insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von der vom
Berufungsgericht herangezogenen Fallgestaltung, die dem Senatsurteil vom
6. Juli 2005 (VIII ZR 152/04, aaO) zugrunde lag und dadurch gekennzeichnet
war, dass ein noch ununterbrochen laufender Vertrag übergangslos durch einen
neuen Vertrag mit im Wesentlichen unverändertem Inhalt ersetzt worden war.
Dabei hat der Senat jedoch zugleich hervorgehoben, dass der Sinn der in § 2
Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG getroffenen Stichtagsregelung, den gemäß § 1
KWKG bezweckten Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in der allgemeinen Ver-
sorgung auf Altkontrakte nach dem Bestand vor dem 1. Januar 2000 zu be-
grenzen, seiner Sichtweise nicht entgegensteht, weil hierdurch die Förderung
der Kraft-Wärme-Kopplung nicht über den Bestand am 1. Januar 2000 hinaus
ausgeweitet wird (Senatsurteil vom 6. Juli 2005 - VIII ZR 152/04, aaO mwN).
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Diese Beschränkung der Förderfähigkeit auf bestimmte Altkontrakte
greift jedoch ein, wenn - wie hier - der Vertrag endet, ohne zuvor durch einen
neuen Vertrag ersetzt worden zu sein. Wird ein bereits beendeter Vertrag spä-
ter erneuert, handelt es sich, selbst wenn die Vertragsparteien im Verhältnis
zueinander eine Rückwirkung der Folgeregelung vereinbaren, um die Einspei-
sung und Vergütung des Stroms nach Vertragsende auf vertraglicher Grundla-
ge fortzusetzen, nicht mehr um den ursprünglichen, in seinem förderfähigen
Bestand geschützten Vertrag, sondern um einen erst nach dem Stichtag durch
Parteivereinbarung wieder neu entstandenen Vertrag. Dieser gehört aber nicht
mehr zu dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG durch einen Stichtag begrenzten
Bestand an Altkontrakten und unterfällt dadurch nicht mehr der Förderung. Die
hier eingetretene Vertragsbeendigung begründet, worauf die Revision zutref-
fend hinweist, deshalb auch für die Förderfähigkeit des von der Klägerin einge-
speisten Stroms, nämlich seine Lieferung "auf der Grundlage von Lieferverträ-
gen, die vor dem 1. Januar 2000 geschlossen wurden", einen entscheidenden
Einschnitt, so dass ein anschließend geschlossener Vertrag ungeachtet einer
dabei vereinbarten Rückwirkung als nicht mehr förderfähiger Neuvertrag anzu-
sehen ist (vgl. Herrmann, RdE 2000, 184, 194; Friedrich, RdE 2001, 9, 11). An-
dernfalls hätten die Vertragsparteien es in der Hand, allein durch Parteiverein-
barung bereits beendete Altkontrakte wieder aufleben zu lassen und damit über
die gesetzlichen Fördervoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG
hinaus einen neuen Fördertatbestand zu schaffen. Das gilt umso mehr, als dies
über das Vertragsverhältnis hinaus auch zu Lasten Dritter ginge, die in solch
einem Fall einem Belastungsausgleich nach § 5 KWKG ausgesetzt wären (vgl.
Senatsurteil vom 22. Februar 2006 - VIII ZR 91/05, WM 2006, 1448 Rn. 13
mwN).
(b) Dem steht die Erwägung des Berufungsgerichts nicht entgegen, die
Beklagte habe einem Anschluss- und Kontrahierungszwang nach § 3 KWKG
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unterlegen und hätte zwangsläufig zur Klägerin in dauernde (kauf-)vertragliche
Beziehungen treten müssen. Die Beklagte hätte sich dabei nicht auf eine ihr
nachteilige Vertragsgestaltung nach den Vorgaben des KWKG einlassen müs-
sen. Sie war nicht Adressatin einer Abnahme- und Vergütungspflicht nach § 3
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KWKG, weil weder die Voraussetzungen des § 2
Abs. 1 Satz 1 KWKG noch die des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWKG vorlagen.
Insbesondere handelt es sich bei der Klägerin nicht um ein Energieversor-
gungsunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KWKG, da sie kein Netz für
die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern mit Energie betreibt, sondern
nur den in ihrer KWK-Anlage erzeugten Strom in ein fremdes Netz einspeist
(vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 236/02, WM 2004, 2256 unter
II 2 b).
2. Ohne Erfolg bleibt weiter der Hilfsantrag der Klägerin, die Beklagte zu
verurteilen, mit der Klägerin einen Einspeisevertrag über den von ihr in das
Netz der Beklagten zu 1 eingespeisten Strom abzuschließen und darin einer
bestimmten Vergütung zuzustimmen. Zwar kann einem Anlagenbetreiber aus
§ 4 Abs. 2 KWKG grundsätzlich ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages
mit einer § 4 Abs. 1 KWKG entsprechenden Vergütung zustehen (Senatsurteil
vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 236/02, aaO unter II 5 c). Dies setzt jedoch vor-
aus, dass ein Vergütungsanspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KWKG in
Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG dem Grunde nach besteht. Dafür
ist wiederum gemäß den vorstehenden Ausführungen ein vor dem 1. Januar
2000 abgeschlossener und zum Zeitpunkt des Strombezugs fortbestehender
Liefervertrag erforderlich, an dem es vorliegend fehlt.
24
- 16 -
III.
25
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es
ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Hinsichtlich des mit dem Hauptantrag gel-
tend gemachten Anspruchs auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen einer
Vergütung nach dem KWKG und der tatsächlich geleisteten Vergütung sowie
des auf dem gleichen Sachverhalt beruhenden ersten Hilfsantrages auf Ab-
schluss eines Einspeisevertrages, der im Revisionsrechtszug ebenfalls angefal-
len ist (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990,
518 unter I 2 a; BGH, Urteil vom 20. September 2004 - II ZR 264/02, NJW-RR
2005, 220 unter II; jeweils mwN), entscheidet der Senat in der Sache selbst, da
weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endent-
scheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insoweit ist die Klage abzuweisen. Zu
den Voraussetzungen des weiteren Hilfsantrages auf Auskunftserteilung über
die vermiedenen Energie- und Netzkosten, dem eine von der Klägerin auf
Grund von behaupteten Besonderheiten der Marktverhältnisse angenommene
Verpflichtung der Beklagten nach §§ 20, 33 GWB zur Abnahme und zur ange-
messenen Vergütung des eingespeisten Überschussstroms zugrunde liegt, hat
das Berufungsgericht - nach seinem Standpunkt folgerichtig - bislang keine
Feststellungen getroffen. Insoweit ist der Rechtsstreit nicht zur Endentschei-
dung reif und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit
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dieses die erforderlichen Feststellungen zu den erhobenen kartellrechtlichen
Ansprüchen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Hermanns
Dr. Achilles
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bünger
Dr. Schneider ist arbeitsunfähig
erkrankt und daher gehindert
zu unterschreiben.
Ball
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 17.04.2008 - 13 O 5/04 Kart -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.11.2009 - VI-2 U (Kart) 9/08 -