Urteil des BGH vom 23.06.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 197/03
Verkündet am:
23. Juni 2005
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
GesO § 2 Abs. 4, § 7 Abs. 5; VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 1; BGB § 389
a) Stehen sich in einem Werkvertrag Ansprüche aufrechenbar gegenüber, können Aufrech-
nungsverbote nicht dadurch umgangen werden, daß ein Verrechnungsverhältnis ange-
nommen wird. Allerdings ist stets sorgfältig zu prüfen, inwieweit Aufrechnungsverbote den
zur Entscheidung stehenden Fall erfassen, einschränkend nach Sinn und Zweck der je-
weils getroffenen Regelung ausgelegt werden müssen oder, z. B. mit Rücksicht auf § 11
Nr. 3 AGBG, § 309 Nr. 3 BGB n.F. oder auf § 9 Abs. 1 AGBG, 307 Abs. 1 BGB n.F., wirk-
sam vereinbart sind.
b) Nach Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B stehen sich der Werklohnanspruch des
Auftragnehmers für erbrachte Leistungen und der Schadensersatzanspruch in Höhe der
Mehrkosten der Fertigstellung aufrechenbar gegenüber. Die Ansprüche werden nicht ver-
rechnet.
c) Der Auftraggeber kann gegenüber dem Werklohnanspruch des Auftragnehmers für er-
brachte Leistungen mit dem Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehrkosten der Fertig-
stellung auch im Gesamtvollstreckungsverfahren aufrechnen, wenn die Kündigung vor der
Eröffnung des Verfahrens erfolgt ist.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03 - OLG Dresden
LG Leipzig
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 26. Juni 2003 wird zurückge-
wiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das
Vermögen der F. GmbH. Er verlangt restlichen Werklohn von dem Beklagten.
Der Beklagte beansprucht von dem Kläger Schadensersatz in Höhe der Fertig-
stellungskosten nach einer Kündigung des Vertrages.
Der Beklagte beauftragte die F. GmbH mit Fassadenarbeiten an einem
Studentenwohnheim in L. Die VOB/B war vereinbart. Nachdem die F. GmbH die
Arbeiten teilweise ausgeführt hatte, stellte ein Gläubiger am 23. Dezember
1998 einen Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das
Vermögen der F. GmbH. Zu diesem Zeitpunkt hatte die F. GmbH ihren Betrieb
eingestellt. Am 18. Februar 1999 kündigte der Beklagte den Werkvertrag mit
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der F. GmbH unter Berufung auf § 8 Nr. 2 VOB/B und verlangte Schadenser-
satz wegen der nicht erbrachten Leistungen. Er beauftragte am 17. März 1999
einen Drittunternehmer mit den Fertigstellungsarbeiten.
Mit Beschluß des Amtsgerichts L. vom 25. März 1999 wurde das Ge-
samtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der F. GmbH eröffnet und der
Kläger zum Verwalter bestellt.
Der Kläger verlangt für das bis zur Kündigung erbrachte Teilgewerk
35.451,74 € nebst Zinsen. Der Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begrün-
dung, die Mehrkosten für die Fertigstellung würden die Vergütungsforderung
übersteigen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teilbetrag mit folgender Be-
gründung stattgegeben: Da die Vergütungsforderung des Klägers gemäß § 8
Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOB/B und der Schadensersatzanspruch des Beklagten
gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B zwei selbständige Forderungen seien,
komme nur eine Aufrechnung und keine Verrechnung in Betracht. Eine Auf-
rechnung sei ausgeschlossen, weil die Aufrechnungslage erst nach der Antrag-
stellung auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entstanden sei.
Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der
Vergütungsanspruch und der Schadensersatzanspruch seien keine selbständi-
gen Forderungen, sondern Verrechnungsposten. Der Schadensersatzanspruch
bestehe in Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers.
Hinsichtlich der Frage, ob ein Vergütungsanspruch nach § 8 Nr. 2 Abs. 2
Satz 1 VOB/B mit einem Schadensersatzanspruch nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2
VOB/B verrechnet werden könne, hat das Berufungsgericht die Revision zuge-
lassen (Urteil vom 26. Juni 2003 - 19 U 2278/02, BauR 2003, 1736).
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Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landge-
richtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Aufgrund der Revision des Klägers ist der gesamte Streitgegenstand des
Berufungsverfahrens Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung. Die
Beschränkung der Zulassung durch das Berufungsgericht auf die genannte
Rechtsfrage ist unwirksam.
II.
Der Werklohnanspruch des Klägers ist durch die von dem Beklagten er-
klärte Aufrechnung erloschen.
1. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten, die er für
die Fertigstellung des Werks durch einen Drittunternehmer aufwenden mußte,
nachdem er den Vertrag mit der F. GmbH gekündigt hat. Es kommt nicht darauf
an, ob sich dieser Anspruch, wovon die Vorinstanzen ausgehen, aus § 8 Nr. 2
Abs. 2 Satz 2 VOB/B ergibt. Denn jedenfalls hat der Beklagte aus positiver Ver-
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tragsverletzung einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehrkosten der
Fertigstellung, nachdem er gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B wirksam gekündigt
hat.
a) Ein Schadensersatzanspruch aus § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B ist
zweifelhaft. Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen dieser Regelung in
der für den Vertrag zwischen der F. GmbH und dem Beklagten gültigen Fas-
sung 1996 nicht festgestellt. Daß die F. GmbH im Zeitpunkt der Kündigung die
Zahlungen eingestellt hat, steht nicht fest. Das Verfahren auf Gesamtvollstrek-
kung ist noch nicht eröffnet gewesen. Nicht ausreichend ist, daß ein Antrag auf
Eröffnung des Verfahrens gestellt worden ist. Diese Regelung ist erst in eine
spätere Fassung der VOB/B aufgenommen worden.
b) Jedenfalls kann der Beklagte die Fertigstellungsmehrkosten als Scha-
densersatz aus positiver Vertragsverletzung fordern. Die Kündigung des Ver-
trages war unabhängig von den Voraussetzungen des § 8 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B
wirksam, weil die F. GmbH die Arbeiten bereits endgültig eingestellt hatte. Das
rechtfertigte die Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Nr. 4
VOB/B. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedurfte es nicht, weil
diese offenbar zwecklos war. Dieser Kündigungsgrund kann nachträglich gel-
tend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1981 - VII ZR 310/79,
BauR 1982, 79, 82 = ZfBR 1982, 15; Urteil vom 6. Februar 1975 - VII ZR
244/73, BauR 1975, 280). Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon
aus, daß der Beklagte unter den gegebenen Umständen berechtigt war, sich
von dem Vertrag zu lösen.
c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Anspruchs
lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
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2. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der
Anspruch des Auftraggebers auf Zahlung der Mehrkosten der Fertigstellung mit
dem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers verrechnet wird, so daß es nicht
darauf ankäme, ob die Gesamtvollstreckungsordnung ein Aufrechnungsverbot
vorsieht.
a) Der Vergütungsanspruch des Klägers und die Schadensersatzforde-
rung des Beklagten sind jeweils selbständige Forderungen. Sie stehen sich auf-
rechenbar gegenüber und unterliegen den vertraglichen oder gesetzlichen Re-
gelungen zur Aufrechnung. Die Klage kann deshalb nicht allein mit der Begrün-
dung abgewiesen werden, es bestehe ein Abrechnungs- oder Verrechnungs-
verhältnis.
aa) Ein Abrechnungsverhältnis wird begründet, wenn der Auftragnehmer
einen Vergütungsanspruch hat und dem Auftraggeber allein auf Geldzahlung
gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstel-
lung des Werkes zustehen. In diesem Fall ist die Abnahme der Werkleistung
keine Voraussetzung für die Fälligkeit der Vergütungsforderung (BGH, Urteil
vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98, BauR 2000, 98, 99 = NJW 1999,
3710; Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 164/99, BauR 2000, 1479, 1480
= NZBau 2000, 421 = ZfBR 2000, 479; Urteil vom 10. Oktober 2002 - VII ZR
315/01, BauR 2003, 88, 89 = NZBau 2003, 35 = ZfBR 2003, 140). Mit dem Be-
griff "Abrechnungsverhältnis" ist nicht zum Ausdruck gebracht, daß Forderung
und Gegenforderung nicht den Regeln zur Aufrechnung unterliegen.
bb) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Aufrechnungsverbote
der Gesamtvollstreckungsordnung fänden schon deshalb keine Anwendung,
weil Vergütung und Gegenforderung verrechnet würden. Die Verrechnung ist
kein gesetzlich vorgesehenes Rechtsinstitut in den Fällen, in denen sich nach
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der Gesetzeslage Werklohn und Anspruch wegen Nichterfüllung oder andere
Ansprüche wegen Schlechterfüllung des Vertrages aufrechenbar gegenüber
stehen. In diesen Fällen sind die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen
zur Aufrechnung und zu etwaigen Aufrechnungsverboten anwendbar. Es ist
unzulässig, Aufrechnungsverbote dadurch zu umgehen, daß diese Ansprüche
einer vom Gesetz nicht anerkannten Verrechnung unterstellt werden (kritisch
zur Verrechnung u.a. MünchKomm-Soergel, BGB, 3. Aufl., § 635 Rdn. 3;
Koeble, Festschrift für Craushaar, S. 259 ff.; Peters, JZ 1986, 669 ff.; Koenen,
BauR 2005, 202, 215 ff.). Allerdings ist stets sorgfältig zu prüfen, inwieweit Auf-
rechnungsverbote den zur Entscheidung stehenden Fall erfassen, einschrän-
kend nach Sinn und Zweck der jeweils getroffenen Regelung ausgelegt werden
müssen oder, z. B. mit Rücksicht auf § 11 Nr. 3 AGBG, § 309 Nr. 3 BGB n. F.
oder auf § 9 Abs. 1 AGBG, 307 Abs. 1 BGB n. F., wirksam vereinbart sind.
Der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers und der Anspruch des
Auftraggebers wegen der teilweisen Nichterfüllung des Vertrages stehen sich
aufrechenbar gegenüber. Das hat der Bundesgerichtshof in vergleichbaren Fäl-
len bereits entschieden (BGH, Urteil vom 1. Februar 1962 - VII ZR 213/60,
BGHZ 36, 316, 318; Urteil vom 26. September 1985 - VII ZR 19/85, BGHZ 96,
34, 39; Urteil vom 15. Juli 1997 - XI ZR 154/96, BGHZ 136, 254, 259). Soweit
sich aus anderen Entscheidungen zum sogenannten kleinen Schadensersatz-
anspruch wegen Nichterfüllung aus § 635 BGB ergibt, daß eine Verrechnung
von Werklohn und Gegenforderung in der Weise stattfindet, daß Aufrechnungs-
verbote keine Bedeutung haben (vgl. BGH, Beschluß vom 5. April 2001 - VII ZR
161/00, BauR 2001, 1928 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 19. Januar 1978
- VII ZR 175/75, BGHZ 70, 240, 247), hält der Senat daran nicht fest. Diese
Entscheidungen werden im Ergebnis vom Senat weiter getragen. Ihnen liegt
zugrunde, daß Aufrechnungsverbote in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
des Auftragnehmers dann nicht zur Geltung kommen können, wenn sie den
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Auftraggeber in einem Abrechnungsverhältnis zwängen, eine mangelhafte oder
unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche
in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen. Ein der-
artiges Ergebnis wäre unangemessen.
3. Die danach erforderliche Aufrechnung wird im Rahmen einer Gesamt-
abrechnung des Vertrages vorgenommen, die infolge der Kündigung notwendig
wird. Aus der Gesamtvollstreckungsordnung ergibt sich entgegen der Auffas-
sung des Landgerichts kein Verbot der Aufrechnung.
a) Nach § 7 Abs. 5 GesO ist eine Aufrechnung im Gesamtvollsteckungs-
verfahren möglich, wenn die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der Eröffnung des
Verfahrens bestand. Ein solcher Fall liegt vor. Der Anspruch des Beklagten auf
Ersatz des durch Fertigstellungsmehrkosten entstandenen Schadens ist bereits
mit der vor Eröffnung des Verfahrens erfolgten Kündigung des Vertrages ent-
standen und fällig geworden. Der Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehr-
kosten der Fertigstellung wird im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung
fällig. Insoweit gilt nichts anderes als für einen Schadensersatzanspruch aus
§ 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B. Der Schaden ist im Zeitpunkt der Kündigung
eingetreten und kann zu diesem Zeitpunkt in Geld berechnet werden. Er be-
steht darin, daß der Auftraggeber durch die Kündigung gezwungen ist, einen
Drittunternehmer mit der Vollendung des Werks zu beauftragen und dafür höhe-
re Kosten aufzuwenden, als es bei ordnungsmäßiger Vertragserfüllung durch
den Auftragnehmer der Fall gewesen wäre (BGH, Urteil vom 22. November
1979 - VII ZR 322/78, BauR 1980, 182, 184). Für die Fälligkeit unerheblich ist,
daß dieser Schaden nach Fertigstellung durch einen Drittunternehmer nach
dessen Kosten abgerechnet wird.
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Unerheblich ist, ob die Forderung des Klägers erst nach der Eröffnung
des Verfahrens fällig geworden ist, weil erst dann eine prüfbare Schlußrech-
nung erteilt worden ist. Denn die Aufrechnungslage setzt nicht voraus, daß die
Forderung, gegen die aufgerechnet wird, fällig ist.
b) § 7 Abs. 5 GesO trifft nach der Rechtsprechung allerdings keine ab-
schließende Regelung. Vielmehr kann sich ein Aufrechnungsverbot aus § 2
Abs. 4 GesO in Verbindung mit § 394 BGB ergeben, wenn die Aufrechnungsla-
ge bereits vor der Eröffnung des Verfahrens, jedoch nach Antragstellung ent-
standen ist (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1997 - IX ZR 341/95, BGHZ 137,
267, 290 f.). Diese Rechtsprechung beruht einmal auf der besonderen Vor-
schrift des § 2 Abs. 4 GesO, wonach gegen den Schuldner eingeleitete, bei An-
tragstellung noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsmaßnahmen gerichtlich
sofort einzustellen sind. Sie erklärt sich zudem daraus, daß der IX. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs zunächst Bedenken hatte, die Anfechtungsvorschrift
des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO auf Rechtshandlungen anzuwenden, an denen der
Schuldner nicht beteiligt war, und daß bei einem engen Verständnis dieser An-
fechtungsnorm ohne gleichzeitige Ausdehnung des Aufrechnungverbots der
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Gesamtvollstreckungsverfahren
nur unzureichend hätte durchgesetzt werden können (BGH, Urteil vom 29. Juni
2004 - IX ZR 195/03, ZIP 2004, 1558, 1559).
Auf dieser Grundlage besteht kein Grund, dem Beklagten die Aufrech-
nung mit dem Anspruch auf Ersatz des durch die Fertigstellungsmehrkosten
entstandenen Schadens zu versagen. Es ist mittlerweile geklärt, daß nach § 10
Abs. 1 Nr. 4 GesO auch Rechtshandlungen des Gläubigers angefochten wer-
den können (BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332,
335 ff.). Dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung wird durch die Rege-
lungen zur Anfechtung von Rechtshandlungen ausreichend Rechnung getra-
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gen. Es besteht kein Anlaß für den Fall, daß eine Gläubigerbenachteiligung
nicht festgestellt werden kann, den Schutz der Gläubiger durch ein Aufrech-
nungsverbot zu erweitern.
Der Kläger kann die Aufrechnung und die Schaffung der Aufrechnungs-
lage nicht anfechten. Es fehlt schon an einer objektiven Gläubigerbenachteili-
gung. Die Aufrechnungslage wurde durch die Kündigung des Beklagten herbei-
geführt. Diese führte dazu, daß der Schadensersatzanspruch durchsetzbar ent-
stand. Zugleich ist sie auch die notwendige Voraussetzung dafür, daß die Werk-
lohnforderung des Schuldners fällig werden kann. Da im Anfechtungsrecht im-
mer auf die realen Gegebenheiten abzustellen ist, die durch die maßgebliche
Rechtshandlung entstanden sind, ist hier eine objektive Gläubigerbenachteili-
gung nicht erkennbar.
c) Dieses Ergebnis kollidiert nicht mit den bei der Auslegung der Rege-
lungen der Gesamtvollstreckungsordnung heranzuziehenden Regelungen der
Konkursordnung oder der Insolvenzordnung (vgl. zu deren Bedeutung BGH,
Urteil vom 20. Januar 2000 - IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332, 334 f. m.w.N.).
Schon nach der Konkursordnung ist eine Aufrechnung nach § 54 KO nicht aus-
geschlossen, wenn die Aufrechnungslage vor Eröffnung des Konkursverfahrens
entstanden ist. Gleiches gilt grundsätzlich nach der Insolvenzordnung, § 94
InsO. Wenn die Werklohnforderung zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch
nicht fällig ist, kann die Aufrechnung erfolgen, sobald sie fällig wird, § 95 Abs. 1
Satz 1 InsO. Die Aufrechnung ist nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 1 Satz 3
InsO jedoch ausgeschlossen, wenn die Werklohnforderung, gegen die aufge-
rechnet werden soll, fällig wird, bevor die Schadensersatzforderung fällig wird.
Ein solcher Fall liegt nicht vor, denn der Schadensersatzanspruch wird jeden-
falls nicht nach dem Werklohnanspruch fällig. Weder nach der Konkurs- noch
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nach der Insolvenzordnung besteht für den Kläger eine Anfechtungsmöglich-
keit.
d) Nach allem kann dahin stehen, ob ein etwaiges Aufrechnungsverbot
aus § 2 Nr. 4 GesO i.V.m. § 394 BGB auch daran scheitern würde, daß der An-
spruch auf Zahlung des Werklohns und der Anspruch auf Ersatz des durch die
Fertigstellungsmehrkosten entstandenen Schadens in einer so engen synal-
lagmatischen Verbundenheit stehen, daß nach Sinn und Zweck des vollstrek-
kungsrechtlichen Aufrechnungsverbots eine Aufrechnung nicht ausgeschlossen
werden kann (vgl. dazu Schmitz, Die Bauinsolvenz, 3. Aufl., Rdn. 98; Koenen,
BauR 2005, 202, 217).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dressler Kuffer Kniffka
Bauner Safari Chabestari