Urteil des BGH vom 07.07.2008
BGH (wiederaufnahme des verfahrens, nichtigkeitsklage, ehemann, aussicht, urkunde, zwangsvollstreckung, streitgegenstand, bewilligung, zpo, antrag)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZA 2/08
vom
7. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 7. Juli 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer,
Caliebe und Dr. Drescher
beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchfüh-
rung einer Nichtigkeitsklage wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt, vertreten durch ihren Betreuer, Prozess-
kostenhilfe für eine Nichtigkeitsklage gegen den Nichtannahmebeschluss des
XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 1999 (XI ZR 98/98). Sie
macht geltend, sie sei während des gesamten Verfahrens, auch schon bei Er-
hebung der Klage, nicht geschäftsfähig und damit nicht prozessfähig gewesen
(§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Im Ausgangsverfahren hat sie gemeinsam mit ihrem
Ehemann beantragt festzustellen, dass ein mit der Antragsgegnerin geschlos-
sener Darlehensvertrag durch Erklärungen vom 9. Juli 1996, 15. August 1996
bzw. 12. September 1997 wirksam fristlos gekündigt worden sei. Die Klage
wurde vom Landgericht abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung zurück-
gewiesen.
1
Mit der angekündigten Nichtigkeitsklage will die Antragstellerin erreichen,
dass das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Zwangsvollstreckung aus
einer notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird, hilfsweise, dass festgestellt
wird, dass die Unterwerfungserklärung in der genannten Urkunde unwirksam ist
2
- 3 -
bzw. dass die Darlehensverträge, die zwischen den Parteien bestanden haben,
wirksam fristlos gekündigt wurden, sowie dass die Zwangsvollstreckung aus der
Urkunde eines anderen Notars für unzulässig erklärt wird. Die Klage sei be-
gründet, weil nunmehr nachgewiesen werden könne, dass die Antragsgegnerin
über einen erheblichen Wissensvorsprung bezüglich des zu finanzierenden
Vorhabens verfügt habe, und die Darlehensverträge deshalb angefochten wer-
den könnten. Aus den zwischenzeitlich vorgelegten Darlehensverträgen der
Antragsgegnerin mit dem Verkäufer S. , der der Antragstellerin und ihrem
Ehemann das mit dem Darlehen finanzierte Grundstück verkauft hat, sei er-
kennbar, dass die Antragsgegnerin das Objekt nur mit 1,5 Millionen DM und
nicht, wie der Antragstellerin und ihrem Ehemann vorgespiegelt, mit 4,5 Millio-
nen DM finanziert habe. Außerdem habe die Antragsgegnerin Kenntnis von er-
heblichen Baumängeln gehabt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen,
weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114
ZPO). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtigkeitsklage setzt
voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung in allen drei Verfahrensschrit-
ten Aussicht auf Erfolg hat, nicht nur die Nichtigkeitsklage zulässig ist und ein
Nichtigkeitsgrund vorliegt, sondern auch die neue Verhandlung zu einem ande-
ren Ergebnis in der Hauptsache führt (BGH, Beschl. v. 28. September 1993
- III ZA 3/93, ZIP 1993, 1729). Jedenfalls in der letzten Verfahrensstufe hat die
beabsichtigte Nichtigkeitsklage keine Aussicht auf Erfolg.
3
1. Der Senat teilt die Ansicht des XI. Zivilsenats im Beschluss vom
19. Januar 1999, dass die Revision der Antragstellerin und ihres Ehemannes
gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom
27. Februar 1998 keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache auch keine
grundsätzliche Bedeutung hatte. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon
4
- 4 -
ausgegangen, dass weder für die Kündigung des mit der Antragsgegnerin ge-
schlossenen Darlehensvertrags vom 9. Juli 1996 noch für die Kündigung vom
15. August 1996 noch für die Kündigung vom 12. September 1997 ein Kündi-
gungsgrund bestand. Die Antragstellerin greift diese Entscheidungen mit der
beabsichtigten Nichtigkeitsklage auch nicht an.
5
2. Die von der Antragstellerin mit der Nichtigkeitsklage beabsichtigte Än-
derung des Streitgegenstandes durch einen neuen Klageantrag und die Aus-
wechslung des Kündigungsgrunds ist unzulässig. Sie widerspricht dem Zweck
der Nichtigkeitsklage, grundlegende Verfahrensmängel des Vorprozesses zu
beheben. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglicht ausnahmsweise die
Anfechtung rechtskräftiger Urteile, wenn diese mit gravierenden Mängeln behaf-
tet sind. Der Vorprozess wird dazu weitergeführt (§ 590 Abs. 1 ZPO). Die Aus-
wechslung des Klagegrundes geht über das im Nichtigkeitsverfahren mögliche
Vorbringen neuer Tatsachen und Behauptungen (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juni 1983
- II ZR 211/81, WM 1983, 959) im Rahmen des Vorprozesses hinaus. Mit dem
Austausch des Klagegrundes und neuen Klageanträgen wird der Ausgang des
früheren Verfahrens nicht in Frage gestellt. Der Rechtsstreit wird nicht fortge-
führt, sondern es wird in der Gestalt einer Nichtigkeitsklage ein neues Verfahren
mit einem anderen Streitgegenstand begonnen. Ebenso wenig wie in III. Instanz
eine Klageänderung zugelassen werden kann, ist der Nichtigkeitskläger befugt,
den Streitgegenstand auszuwechseln.
Die Antragstellerin will mit der Umstellung des Hauptantrags auf Unzu-
lässigerklärung der Zwangsvollstreckung einen neuen Streitgegenstand einfüh-
ren. Gegenstand des Vorprozesses war die Feststellung, dass der Darlehens-
vertrag mit der Antragsgegnerin durch bestimmte Kündigungserklärungen der
Antragstellerin und ihres Ehemanns wirksam fristlos gekündigt wurde. Eine Ur-
kunde, in der sich die Antragstellerin und ihr Ehemann der Zwangsvollstreckung
6
- 5 -
unterworfen haben, war nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Auch mit der Be-
hauptung, nunmehr könne sie beweisen, dass die Antragsgegnerin bei der
Übernahme der Darlehen durch die Antragstellerin und ihren Ehemann über
überlegenes Wissen verfügt habe, versucht die Antragstellerin, den Klagegrund
auszuwechseln und einen neuen, bisher nicht vorgetragenen Anfechtungsgrund
bzw. einen neuen Kündigungsgrund in das Verfahren einzuführen. Dem Fest-
stellungsantrag im Vorprozess lagen Kündigungserklärungen zugrunde, die auf
einen völlig anderen Sachverhalt gestützt waren. Kündigungsgründe waren
nämlich die Weigerung der Antragsgegnerin, auf eine Bürgschaft auf erstes An-
fordern zu zahlen, eine angebliche Drohung mit Vollstreckungsmaßnahmen und
das Verlangen der Antragsgegnerin, einer vorzeitigen Darlehensablösung nur
gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung zuzustimmen.
Goette Kurzwelly
Kraemer
Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.1997 - 20 O 146/97 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.02.1998 - 19 U 221/97 -