Urteil des BGH vom 25.06.2014
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 169/13
Verkündet am:
25. Juni 2014
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
EEG § 37 Abs. 2
Die EEG-Umlage nach § 37 Abs. 2 EEG 2012 ist keine verfassungswidrige Sonder-
abgabe.
BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 - VIII ZR 169/13 - OLG Hamm
LG Bochum
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juni 2014 durch den Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die
Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Mai 2013 wird zurückgewie-
sen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließ-
lich der Kosten der Streithelferin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, ein mittelständisches Textilunternehmen, betreibt am
Standort S. Textilveredelung. Sie bezog von der Beklagten auf der Grundlage
des Stromlieferungsvertrags vom 23./25. Mai 2010 den für die Produktion benö-
tigten Strom. Ziffer 6 der Anlage 2 zum Vertrag ("Preisblatt") sieht vor, dass die
Klägerin den Nettopreis zuzüglich (unter anderem) der auf den Vertragsgegen-
stand entfallenden Steuern sowie der "aus § 14 EEG folgenden Belastungen"
zu zahlen hat.
Die Beklagte berechnete der Klägerin mit jeder Stromrechnung auch die
EEG-Umlage, die sich im Jahr 2012 auf 3,59 Cent/kWh belief. Die Klägerin
zahlte die für den Monat April 2012 zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung ge-
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stellte EEG-Umlage
in Höhe von 9.990,31 € brutto unter dem Vorbehalt der
Rückforderung. Sie hält die gesetzlichen Bestimmungen über die EEG-Umlage
für verfassungswidrig und ist der Ansicht, mit der Feststellung der Verfas-
sungswidrigkeit entfalle auch ihre vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der
EEG-Umlage; jedenfalls sei insoweit von einem Wegfall der Geschäftsgrundla-
ge auszugehen.
Das Landgericht hat die Klage auf Rückzahlung der für den Monat April
2012 gezahlten
9.990,31 € abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beru-
fung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht (OLG Hamm, RdE 2013, 337 ff.) hat zur Begrün-
dung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf
Rückzahlung von 9.990,31 € nicht zu, denn ihre Leistung sei mit Rechtsgrund
erfolgt. Der Rechtsgrund liege in der vertraglichen Verpflichtung der Klägerin
zur Zahlung der EEG-Umlage gemäß § 37 Abs. 2 des Gesetzes für den Vor-
rang Erneuerbarer Energien in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des
Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien vom 28. Juli 2011 (BGBl. I S. 1634, im Folgenden: EEG 2012). Zwar
würde, wenn die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der EEG-Umlage an
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den Übertragungsnetzbetreiber wegfiele, auch die vertragliche Verpflichtung der
Klägerin zur Zahlung der EEG-Umlage an die Beklagte wegfallen. Die Verfas-
sungswidrigkeit der EEG-Umlage hätte daher unmittelbare Auswirkungen auf
die Zahlungsverpflichtung der Klägerin. Das EEG 2012, insbesondere die Ver-
pflichtung der Elektrizitätsunternehmen zur Zahlung der EEG-Umlage nach § 37
Abs. 2 EEG 2012, sei jedoch nicht verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen die
Finanzverfassung liege nicht vor. Auch eine Verfassungswidrigkeit aus anderen
Gründen, insbesondere wegen Verletzung von Grundrechten, sei nicht ersicht-
lich.
Ein Verstoß gegen die Finanzverfassung würde voraussetzen, dass es
sich bei der EEG-Umlage nach § 37 Abs. 2 EEG 2012 um eine Sonderabgabe
handeln würde. Das sei entgegen der Auffassung der Klägerin aber nicht der
Fall. Es fehle an der für eine öffentliche Abgabe erforderlichen Aufkommenswir-
kung für die öffentliche Hand. Sämtliche Geldmittel, die durch das EEG 2012
geschaffen und gesteuert würden, bewegten sich ausschließlich zwischen juris-
tischen Personen des Privatrechts. Die öffentliche Hand werde hiervon weder
unmittelbar noch mittelbar berührt; ihr flössen keine Gelder zu. Das werde auch
von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Entgegen ihrer Ansicht genüge es für
eine Aufkommenswirkung nicht, wenn der Geldfluss auf der Einnahmen- und
auf der Ausgabenseite durch den Gesetzgeber gesteuert und hiermit ein Fi-
nanzbedarf für allgemeine öffentliche Zwecke gedeckt werde.
Zwar sei nicht zu verkennen, dass es sich bei dem Förderungsmecha-
nismus nicht um eine bloß punktuell eingreifende Preisregelung handele, son-
dern um ein autarkes System, durch welches ein öffentliches Ziel, nämlich die
Förderung der erneuerbaren Energien, vollständig durch die Schaffung von
Leistungsbeziehungen zwischen Personen des Privatrechts verfolgt und somit
von der öffentlichen Hand gewissermaßen "ausgelagert" werde. Verkannt wer-
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de auch nicht, dass es für den Stromkunden, der zwar nicht gesetzlich, aber
aufgrund der vertraglichen "Weitergabe" der EEG-Umlage durch sein Elektrizi-
tätsversorgungsunternehmen die Kosten der Förderung trage, keinen signifi-
kanten Unterschied ausmache, ob die Belastung aufgrund einer Abgabepflicht
gegenüber der öffentlichen Hand oder gegenüber juristischen Personen beste-
he. Gleichwohl bleibe es dabei, dass eine Aufkommenswirkung nur dann vorlie-
ge, wenn Einnahmen der öffentlichen Hand generiert würden oder diese we-
nigstens mittelbar Zugriff auf die Geldmittel erhalte. Nur dann erhalte die öffent-
liche Hand die Verfügungsgewalt über die Geldmittel und könne diese steuern
und einsetzen. Das sei bei den Geldmitteln, die für die Förderung erneuerbarer
Energien generiert würden, nicht der Fall.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung der EEG-Umlage für
den Monat April 2012 in Höhe
von 9.990,31 € brutto aus § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 1 BGB nicht zu. Rechtsgrund für die Zahlung ist die in Ziffer 6 der Anlage 2
zum Stromlieferungsvertrag der Parteien getroffene Vereinbarung. Diese er-
streckt sich auch auf die EEG-Umlage gemäß § 37 Abs. 2 EEG 2012, welche
die Beklagte in der Rechnung für April 2012 an die Klägerin weitergegeben hat.
Die von der Revision gegen § 37 EEG 2012 geltend gemachten verfassungs-
rechtlichen Bedenken greifen nicht durch.
1. Das Berufungsgericht hat die noch auf das EEG 2004 bezogene Be-
stimmung in Ziffer 6 der Anlage 2 zum Vertrag, nach der die Klägerin die "aus
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§ 14 EEG folgenden Belastungen" zu zahlen hat, ergänzend dahin ausgelegt,
dass sie die Beklagte berechtigt, auch die nach Vertragsschluss durch § 37
Abs. 2 EEG 2012 neu geregelte EEG-Umlage auf die Klägerin abzuwälzen.
Diese Auslegung ist frei von Rechtsfehlern und wird von der Revision auch
nicht angegriffen.
2. Die geltend gemachten Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit
der EEG-Umlage nach § 37 Abs. 2 EEG 2012 sind nicht begründet. Insbeson-
dere liegt ein Verstoß gegen die in Art. 105 ff. GG niedergelegten Grundsätze
der Finanzverfassung nicht vor. Die EEG-Umlage stellt keine Sonderabgabe mit
Finanzierungsfunktion dar. Vielmehr enthält § 37 Abs. 2 EEG 2012 eine gesetz-
liche Preisregelung. Hierauf sind die für Sonderabgaben entwickelten Maßstäbe
nicht - auch nicht entsprechend - anzuwenden. Ein "Formenmissbrauch" des
Gesetzgebers ist ebenso wenig ersichtlich wie eine Verletzung von Grundrech-
ten der Netzbetreiber, Elektrizitätsversorgungsunternehmen oder Endkunden.
a) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich bei der Verpflich-
tung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen gemäß § 37 Abs. 2 EEG 2012,
den Übertragungsnetzbetreibern mit der EEG-Umlage die Differenz zwischen
den Kosten aufgrund der abzunehmenden EEG-Strommengen und den Ein-
nahmen aus der Vermarktung zu erstatten, nicht um eine Sonderabgabe mit
Finanzierungsfunktion, an deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit das Bun-
desverfassungsgericht strenge Anforderungen stellt (vgl. hierzu zuletzt BVerfG,
Urteil vom 28. Januar 2014, NVwZ 2014, 646, 650 ff., zu §§ 66 ff. FFG).
aa) Wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, fehlt es bei
der in § 37 Abs. 2 EEG 2012 geregelten EEG-Umlage bereits an der Grundvo-
raussetzung für eine Sonderabgabe, der Aufkommenswirkung zugunsten der
öffentlichen Hand (ebenso LG Chemnitz, ZNER 2013, 185 f.; LG Stuttgart,
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ZNER 2013, 417, 418; Sailer/Kantenwein in Reshöft/Schäfermeier, EEG,
4. Aufl., Einl. Rn. 126 ff.; Altrock/Oschmann in Altrock/Oschmann/Theobald,
EEG, 4. Aufl., Einf. Rn. 50 ff.; Bösche, IR 2013, 180 f.; Dalibor, EnWZ 2013,
419, 420 ff.; Gawel, DVBl. 2013, 409, 411; Brandt, ER 2013, 91, 93 ff.; Bayer,
Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2013, 104, 108 f.; aA Manssen, DÖV 2012,
499, 502 f.; Salje, EEG 2012, 6. Aufl., § 37 Rn. 10).
Eine Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand hat der Bun-
desgerichtshof bereits für die erhöhten Beschaffungskosten verneint, welche
die Energieversorgungsunternehmen aufgrund der Regelungen des EEG 2000
und - davor - des Stromeinspeisungsgesetzes zu tragen hatten (zum Stromein-
speisungsgesetz 1998 und zum EEG 2000: Senatsurteile vom 11. Juni 2003
- VIII ZR 160/02, BGHZ 155, 141, 148 ff.; vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR
90/02, WM 2004, 748 unter II 3; jeweils mwN; ebenso zum Stromeinspeisungs-
gesetz 1990: BGH, Urteil vom 22. Oktober 1996 - KZR 19/95, BGHZ 134, 1,
13 ff.; vgl. auch BVerfG, NJW 1997, 573; aA Büdenbender, NVwZ 2004, 823,
825; Kube/Palm/Seiler, NJW 2003, 927, 930 f.). Für die EEG-Umlage gemäß
§ 37 Abs. 2 EEG 2012 gilt entgegen der Auffassung der Revision nichts ande-
res. An der fehlenden Aufkommenswirkung für die öffentliche Hand hat sich
durch den neuen Abwälzungsmechanismus des § 37 EEG 2012 nichts geän-
dert.
Anders als im Fall des sogenannten "Kohlepfennigs" (hierzu BVerfGE 91,
186 ff.) fließt die EEG-Umlage, mit der die Förderung des Stroms aus erneuer-
baren Energien finanziert wird, nicht der öffentlichen Hand zu - weder einem
von der öffentlichen Hand verwalteten Sonderfonds noch einer anderen staatli-
chen Institution. Vielmehr statuiert das EEG 2012 - nicht anders als frühere
Fassungen des EEG oder das Stromeinspeisungsgesetz - ausschließlich Leis-
tungs-, Abnahme- und Zahlungspflichten zwischen Rechtssubjekten des Privat-
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rechts (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. Juni 2003 - VIII ZR 160/02, aaO
S. 153 f., 157; BGH, Urteil vom 22. Oktober 1996 - KZR 19/95, aaO S. 27 f.).
Dass zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und den Elektrizitätsversor-
gungsunternehmen auf der letzten Stufe des gesetzlich vorgeschriebenen Ab-
wälzungsmechanismus keine "physische" Weitergabe der EEG-Strommengen
mehr erfolgt, sondern mit der EEG-Umlage nur noch eine Weitergabe der Wei-
terverkaufsverluste nebst Transaktionskosten, führt nicht dazu, dass die den
Übertragungsnetzbetreibern zufließenden Gelder der öffentlichen Hand unmit-
telbar oder mittelbar zur Verfügung stünden. Vielmehr bleibt die EEG-Umlage in
der Hand autonomer Privatrechtssubjekte (vgl. Riedel/Weiss, EnWZ 2013, 402,
406; Brandt, aaO S. 94 f.).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Verfügungsgewalt der
öffentlichen Hand über die mit der EEG-Umlage generierten Geldmittel und
damit die für eine Sonderabgabe erforderliche Aufkommenswirkung zugunsten
der öffentliche Hand auch nicht aus der Ausnahmeregelung für stromintensive
Unternehmen und Schienenbahnen (§ 40 Abs. 1 EEG) herzuleiten.
Dieser Ausnahmeregelung ist für die rechtliche Qualifizierung der EEG-
Umlage nach § 37 Abs. 2 EEG 2012 nichts zu entnehmen. Denn der Gesetzge-
ber verfolgt mit der EEG-Umlage einerseits und der Ausnahmeregelung für
stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen andererseits unterschiedli-
che Zwecke. Die EEG-Umlage dient der in § 1 Abs. 1 EEG 2012 gesetzlich ver-
ankerten Zielsetzung, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschut-
zes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die
volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbezie-
hung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu
schonen und die Weiterentwicklung von Technologien für die Erzeugung von
Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern. Die Ausnahmeregelung in § 40
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Abs. 1 EEG und den nachfolgenden Bestimmungen - eine entsprechende Aus-
nahmeregelung war bereits in § 40 Abs. 1 EEG 2009 und § 16 Abs. 1 EEG
2004 enthalten - bezweckt dagegen nicht die Förderung der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energien, sondern hat eine Senkung der Stromkosten strom-
intensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes zum Ziel, um die inter-
nationale und intermodale Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Unternehmen
zu erhalten (§ 40 Abs. 1 Satz 2 EEG 2012; BT-Drucksache 16/8148, S. 64 zu
§ 40 EEG 2009). Diese wirtschaftspolitische Zielsetzung ergänzt den umweltpo-
litischen Förderzweck des § 1 Abs. 1 EEG 2012.
Das Verfolgen unterschiedlicher Ziele innerhalb des EEG 2012 ist auf-
grund des politischen und rechtlichen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers
verfassungsrechtlich unbedenklich. Am Fehlen einer Aufkommenswirkung der
EEG-Umlage zugunsten der öffentlichen Hand ändert die Ausnahmeregelung
des § 40 Abs. 1 EEG 2012 nichts. Sie führt nicht dazu, dass die öffentliche
Hand Verfügungsgewalt über die mit der EEG-Umlage generierten Geldmittel
erlangte. Auch der Hinweis der Revision auf das beträchtliche finanzielle Volu-
men dieser Art der Förderung der Anlagenbetreiber einerseits und der stromin-
tensiven Unternehmen andererseits rechtfertigt keine andere Beurteilung.
b) Deshalb handelt es sich bei den gesetzlichen Vorgaben zur Höhe der
auf den jeweiligen Stufen des Abwälzungsmechanismus gezahlten Vergütun-
gen beziehungsweise Kostenerstattungen nach wie vor um (mehrstufige) ge-
setzliche Preisregelungen für Rechtsbeziehungen zwischen Privaten (vgl. hier-
zu Gawel, aaO S. 413 ff.), deren Einhaltung die Bundesnetzagentur lediglich als
Aufsichtsbehörde überwacht, ohne jedoch Zugriff auf die Finanzströme nehmen
zu können (Brandt, aaO, S. 93 f.; zur Maßgeblichkeit dieses Gesichtspunkts:
BVerfGE 75, 108, 147 f.). Auf solche gesetzlichen Preisregelungen finden die
verfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben keine Anwendung.
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Auch eine entsprechende Heranziehung dieser Voraussetzungen kommt nicht
in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2003 - VIII ZR 160/02, aaO; BGH,
Urteil vom 22. Oktober 1996 - KZR 19/95, aaO S. 28 f.).
aa) Sinn und Zweck der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts zu den Sonderabgaben ist es zu verhindern, dass der Gesetzgeber die
Finanzverfassung des Grundgesetzes unter Rückgriff auf seine Kompetenzen
aus Art. 70 ff. GG aushöhlt, indem er den Bürger jenseits der finanzverfas-
sungsrechtlichen Verteilungsregeln und jenseits des Haushaltsrechts des Par-
laments mit nichtsteuerlichen Abgaben belegt. Preisregelungen des Staates
sind dagegen zulässig. Derartige Interventionen in den Marktmechanismus wir-
ken sich nur im Bereich privatautonom vereinbarter Leistungsbeziehungen aus;
der Schutzzweck der verfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabga-
ben greift hier nicht ein (BVerfGE 114, 196, 249 f.; vgl. auch BVerfGE 77, 308,
339; BVerfGE 75, aaO).
Eine Preisregelung, wie sie in § 37 Abs. 2 EEG 2012 enthalten ist, be-
rührt die Budgethoheit des Parlaments sowie die Kompetenzregelungen der
Finanzverfassung nicht. Daher ist eine solche Preisregelung in den allgemei-
nen, durch die Grundrechte gesetzten Schranken und begrenzt durch die Sach-
kompetenz des Gesetzgebers zulässig (vgl. BVerfGE 114, aaO). Dadurch wer-
den die von den Preisregelungen belasteten Privatrechtssubjekte hinreichend
vor einer unzulässigen Ungleichbehandlung oder einer übermäßigen Ein-
schränkung ihrer Freiheitsrechte geschützt.
Dass die Klägerin durch die Belastung mit der EEG-Umlage in ihren
Grundrechten - etwa aus Art. 3 Abs. 1 GG - verletzt wäre, wird von der Revisi-
on nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Das gleiche gilt für eine
Verletzung von Grundrechten der Elektrizitätsversorgungsunternehmen oder
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der Netzbetreiber.Insbesondere liegt eine sachwidrige Ungleichbehandlung der
Stromkunden durch die Ausnahmeregelung der §§ 40 ff. EEG 2012 angesichts
des in § 40 Abs. 1 Satz 1 EEG 2012 normierten Gesetzeszwecks nicht vor.
Dementsprechend wird in dem von der Klägerin in erster Instanz vorgelegten
Rechtsgutachten ein Grundrechtsverstoß mit Recht verneint.
bb) Ein "Umschlagen" einer zulässigen Preisregelung in eine unzulässige
Sonderabgabe liegt auch bei erheblicher Durchnormierung der privatrechtlichen
Beziehungen nicht vor (Riedel/Weiss, EnWZ 2013, aaO; vgl. auch BVerfGE
105, 185, 194 f.). Denn dem Gesetzgeber steht ein weiter Gestaltungsspielraum
bei der Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben zu.
Bei der rechtlichen Beurteilung staatlichen Handelns ist zwischen dem
Ziel - vorliegend dem in § 1 Abs. 1 EEG 2012 umschriebenen und in der Geset-
zesbegründung näher erläuterten Förderzweck (BT-Drucks. 17/6071, S. 1,
43 f.) - und der Form einer gesetzgeberischen Maßnahme, hier dem Mittel der
Preisregulierung anstelle einer Sonderabgabe oder Steuer, zu unterscheiden.
So mögen das Ziel und die Belastungswirkung der beiden möglichen Hand-
lungsformen - Sonderabgabe und Preisregelung - ähnlich oder sogar identisch
sein, ohne dass aber allein deshalb die für das Abgabenrecht geltenden Maß-
stäbe unbesehen auf eine Preisregelung anzuwenden wären (BVerfG, NJW
1997, 573 f.; vgl. auch BVerfGE 75, aaO; Dalibor, aaO S. 420; Riedel/Weiss,
aaO; Gawel, aaO S. 412 f.).
Aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt in
der Wahl einer Preisregulierung im Verhältnis zwischen privaten Rechtssubjek-
ten anstelle einer Sonderabgabe oder einer Erhöhung der Stromsteuer, ver-
bunden mit einer öffentlich-rechtlich verwalteten Subventionsregelung zuguns-
ten der Erzeuger erneuerbarer Energien, schließlich auch kein "Formenmiss-
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brauch" (Bösche, aaO, S. 181; Dalibor, aaO S. 421; ebenso BGH, Urteil vom
22. Oktober 1995 - KZR 19/95, aaO; vgl. zum Formenmissbrauch allgemein:
BVerfGE 24, 367, 398 ff.; BVerGE 38, 61, 80; BVerfG NVwZ-RR 1999, 376,
377).
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 06.11.2012 - I-12 O 138/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 14.05.2013 - I-19 U 180/12 -