Urteil des BGH vom 18.07.2013

BGH: strafzumessung, verfall, einfluss, beweismittel, bestätigung, vollstreckung, verschlechterungsverbot, entscheidungsformel, darlehen, cannabis

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 171/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Dortmund vom 7. November 2012 im Rechtsfolgen-
ausspruch dahin geändert, dass gegen den Angeklagten
Verfall von Wertersatz in Höhe von 44.355,00
€ als Gesamt-
schuldner angeordnet wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in
23 Fällen, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge in zwölf Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von zehn Jahren verurteilt und gegen ihn Verfall von Wertersatz in Höhe von
44.355,00
€ angeordnet. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen
Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teil-
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erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der Angeklagte in
den Fällen II. 1 bis II. 12 der Urteilsgründe im mittäterschaftlichen Zusammen-
wirken mit dem gesondert verfolgten S. Betäubungsmittel aus den Nieder-
landen in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie jeweils gewinnbringend wei-
terverkauft wurden. Die Taten hatten jeweils nicht geringe Mengen von Betäu-
bungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Gegenstand. Die wei-
teren vom Landgericht abgeurteilten Taten betreffen den gewinnbringenden
Weiterverkauf jeweils großer Mengen Marihuana, das der Angeklagte zuvor
jeweils auf Cannabisplantagen geerntet hatte, zu deren Betrieb er sich mit dem
gesondert verfolgten S. sowie weiteren Tätern zusammengeschlossen
hatte.
II.
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge
hat hinsichtlich des Schuldspruchs einen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler nicht ergeben. Entgegen der Auffassung der Revision hält insbe-
sondere die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Revision weist zwar zutreffend auf die gesteigerten Anforderungen
an die tatrichterliche Beweiswürdigung in Fällen hin, in denen sich in Ermange-
lung objektiver Beweisanzeichen die gegensätzlichen Aussagen des Angeklag-
ten und des Tatopfers gegenüberstehen oder in denen ein Zeuge, auf dessen
Aussage die Verurteilung des Täters maßgeblich gestützt wird, bereits wegen
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Beteiligung an derselben Tat verurteilt wurde oder die Angaben des betreffen-
den Zeugen auf eine verfahrensbeendende Absprache in seinem eigenen
Strafverfahren zurückzuführen sind (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom
17. März 2009
– 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212). Die Urteilsgründe müssen
dann erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die
Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen,
in seine Überlegungen einbezogen und in einer Gesamtschau gewürdigt hat.
Bei einem Tatbeteiligten oder Mitangeklagten ist je nach den Umständen des
Falles in Betracht zu ziehen, dass dieser den Angeklagten um eigener Vorteile
willen zu Unrecht belasten könnte (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 261
Rn. 11a mN zur Rspr.). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision im vorliegenden
Fall damit nicht auf. Das Landgericht konnte im vorliegenden Fall
– über die in
den Urteilsgründen ausführlich behandelten Angaben früherer Mittäter hinaus
nicht nur auf geständnisähnliche Angaben des Angeklagten zurückgreifen, son-
dern hat sich rechtsfehlerfrei in erheblichem Umfang auf objektive Beweisan-
zeichen in Gestalt umfangreicher, vom Angeklagten herrührender schriftlicher
Aufzeichnungen über seine verschiedenen Betäubungsmittelstraftaten gestützt.
a) Zu den Tatvorwürfen in den Fällen II. 1 bis II. 12 hat sich der Ange-
klagte dahin eingelassen, er habe es für möglich gehalten, dass der gesondert
verfolgte S. die Garagenräumlichkeiten, die er, der Angeklagte, diesem
überlassen hatte, zur Durchführung des Cannabishandels genutzt habe.
Gleichwohl habe er S. erklärt, wie eine Buchführung zu erfolgen habe.
Finanziell sei er an dem Cannabishandel indes nicht beteiligt gewesen. Zu den
Fällen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Plantagen hat er ausgesagt,
dem gesondert verfolgten S. insgesamt 28.000,00
€ für die Anschaffung von
Containern und eines Gabelstaplers geliehen zu haben, wobei er später erfah-
ren habe, dass in den Containern Cannabis angebaut werde. Er habe dann den
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Handel mit den Betäubungsmitteln und die weitere Entwicklung durch von ihm
gefertigte Notizen buchmäßig festgehalten, um im Hinblick auf das dem S.
gewährte Darlehen einen Überblick über die von diesem erzielten Verdienste zu
erlangen.
b) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch angenommen, dass die
Angaben der früheren Mittäter des Angeklagten durch zahlreiche objektive Be-
weismittel Bestätigung gefunden haben. Grundlage der Verurteilung des Ange-
klagten waren insoweit mehrere Stehordner mit von ihm herrührenden hand-
schriftlichen Aufzeichnungen sowie maschinenschriftlich gefertigte Kassen-,
Wareneingangs- und Verkaufsberichte, aus denen die Strafkammer die Einzel-
heiten der vom Angeklagten durchgeführten Geschäfte sowie seinen maßgeb-
lichen Einfluss auf diese ohne Verstoß gegen § 261 StPO entnehmen konnte,
zumal der Angeklagte seine Urheberschaft an den handschriftlichen Schreib-
leistungen im Laufe der Hauptverhandlung eingeräumt hat.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Entgegen der Auffassung der Revision lässt die Strafzumessung nicht
besorgen, dass die Strafkammer keine wirkliche Abwägung aller relevanten
Umstände vorgenommen, sondern sich bei der Strafzumessung rechtsfehler-
haft allein an Art und Menge der Betäubungsmittel orientiert haben könnte. Das
Landgericht hat vielmehr schon bei der Wahl der anzuwendenden Strafrahmen
erkennbar eine umfassende Abwägung aller für und gegen den Angeklagten
sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines
Lebenslaufs vorgenommen. Dass das Landgericht daneben
– auch angesichts
des außergewöhnlichen Umfangs der vom Angeklagten entfalteten Handelstä-
tigkeit
– den jeweiligen Mengen sowie den Wirkstoffanteilen bestimmende Be-
deutung im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zugemessen hat, lässt einen
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Rechtsfehler nicht erkennen. Die zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwä-
gung, er habe seine Mittäter in die Taten verstrickt, wird hinsichtlich der geson-
dert verfolgten C. sowie T. von den Feststellungen getragen
(UA 22 f.).
Dass das Landgericht zu Lasten des Angeklagten erwogen hat, er habe
als Initiator die Taten mit hoher Professionalität begangen und ein
„florierendes
Wirtschaftsunternehmen
“ geschaffen, lässt vor dem Hintergrund der festgestell-
ten Aktivitäten des Angeklagten nach Art, Umfang und Zeitdauer einen Verstoß
gegen § 46 Abs. 3 StGB auch im Hinblick auf die rechtsfehlerfrei angenomme-
ne bandenmäßige Begehungsweise nicht besorgen.
3. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 44.355,00
bezogen auf die Fälle II. 1 bis II. 12 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprü-
fung jedoch nicht uneingeschränkt stand.
Die Strafkammer hat insoweit zwar festgestellt, dass der gesondert ver-
folgte S. die von ihm aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführten
Marihuanamengen an namentlich nicht bekannte Dritte gewinnbringend weiter-
verkauft hat, ohne dass die Beteiligung des Angeklagten an diesen Absatz-
geschäften hätte festgestellt werden können. Er wurde jedoch entsprechend
den vertraglichen Vereinbarungen mit S. hälftig an den erzielten Gewinnen
beteiligt. Ausweislich des vom Angeklagten geführten Kassenbuches nahmen
der Angeklagte und S. gemeinsam durch die getätigten Verkäufe
173.505,00 DM ein, die abzüglich der getätigten Aufwendungen hälftig unter-
einander aufgeteilt wurden. Danach hatten beide Mittäter die wirtschaftliche
Mitverfügungsgewalt jedenfalls über die schließlich an den Angeklagten weiter-
gegebenen Beträge; beide haften insoweit als Gesamtschuldner (BGH, Be-
schluss vom 10. September 2002
– 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198 mwN). Um
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Unklarheiten bei der Vollstreckung des angefochtenen Urteils auszuschließen,
ändert der Senat die Entscheidungsformel entsprechend (vgl. BGH, Beschluss
vom 2. Juli 2009
– 3 StR 192/09, Tz. 3). Einer weiter gehenden Anordnung ge-
samtschuldnerischer Haftung auf den vollen, von dem Angeklagten und dem
gesondert verfolgten S. gemeinsam vereinnahmten Betrag steht schon das
Verschlechterungsverbot entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
III.
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den An-
geklagten von einem Teil der Kosten zu entlasten (Meyer-Goßner, StPO,
56. Aufl., § 473 Rn. 25 f.).
Mutzbauer
Roggenbuck
Franke
RiBGH Bender ist infolge
Urlaubs abwesend und da-
her an der Unterschriftsleis-
tung gehindert.
Mutzbauer
Quentin
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