Urteil des BGH vom 30.04.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 1 9 0 / 1 3
vom
30. April 2014
in der Kindschaftssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1684, 1836; FamFG § 277
Zur nachträglichen Feststellung berufsmäßiger Amtsführung eines Um-
gangspflegers (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014
- XII ZB 354/13 - FamRZ 2014, 468 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 372/13 -
FamRZ 2014, 653).
BGH, Beschluss vom 30. April 2014 - XII ZB 190/13 - OLG Celle
AG Hameln
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-
Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 5 (Landes-
kasse) wird der Beschluss des 12. Zivilsenats - Senat für Famili-
ensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 18. März 2013 auf-
gehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 5 wird der Be-
schluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hameln vom 13. De-
zember 2012 abgeändert.
Der Vergütungsantrag der weiteren Beteiligten zu 3 (Umgangs-
pflegerin) vom 17. Juli 2012 in der Fassung vom 15. Oktober 2012
wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außerge-
richtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Gründe:
I.
Das Verfahren betrifft die Festsetzung der Vergütung für die Umgangs-
pflegerin in einer Kindschaftssache.
Durch Beschluss vom 6. Januar 2012 hat das Amtsgericht den Umgang
mit dem betroffenen Kind geregelt, für die Dauer von sechs Monaten eine Um-
gangspflegschaft eingerichtet und die Beteiligte zu 3 zur Umgangspflegerin be-
stellt. Die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Pflegschaft wurde im
Bestellungsbeschluss nicht getroffen.
Wegen ihrer Tätigkeit im Rahmen der Pflegschaft reichte die Umgangs-
pflegerin bei dem Amtsgericht mit Schreiben vom 17. Juli 2012 eine Abrech-
nung auf Stundenbasis in einer Gesamthöhe von 4.228,96
€ ein. Im Rahmen
einer Stellungnahme zu diesem Vergütungsantrag beanstandete die Bezirksre-
visorin, dass es an einer förmlichen Bestellung der Umgangspflegerin gefehlt
habe und die Berufsmäßigkeit der Führung der Pflegschaft nicht festgestellt
worden sei. Die Rechtspflegerin legte die Akte daraufhin der Familienrichterin
vor, die am 19. August 2012 in einem handschriftlichen Aktenvermerk nieder-
legte, dass "
die Umgangspflegerin … berufsmäßig tätig geworden" sei. Nach-
dem die Umgangspflegerin ihre Abrechnung teilweise korrigiert hatte, setzte
das Amtsgericht die ihr aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf
3.460,52
€ fest.
Das Oberlandesgericht hat die für die Landeskasse erhobene Beschwer-
de der Bezirksrevisorin mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Um-
gangspflegschaft einer Verfahrenspflegschaft nach dem Gesetz über das Ver-
fahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-
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barkeit systematisch deutlich näher stehe als den sonstigen Pflegschaften des
bürgerlichen Rechts und daher das Fehlen einer förmlichen Bestellung in An-
wesenheit des Umgangspflegers seinem Vergütungsanspruch nicht entgegen-
stehen könne.
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Landes-
kasse, mit der sie ihr Ziel der vollständigen Zurückweisung des Vergütungsan-
trages der Umgangspflegerin weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Sie hat bereits deshalb Erfolg, weil es an der für den Vergütungsan-
spruch konstitutiven Feststellung im Bestellungsbeschluss fehlt, dass die Um-
gangspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Diese Feststellung konnte auch
durch den Aktenvermerk der Familienrichterin vom 19. August 2012 nicht mit
Rückwirkung für den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum von Januar bis
Juli 2012 nachgeholt werden.
1. Die Umgangspflegschaft wird gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB iVm
§ 277 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB unentgeltlich geführt.
Sie wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestel-
lung des Pflegers die berufsmäßige Führung der Umgangspflegschaft feststellt
(§ 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB iVm § 277 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 1836 Abs. 1
Satz 2 BGB). Die Frage, ob der Umgangspfleger die Pflegschaft berufsmäßig
führt, ist daher nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bereits "bei der Bestel-
lung" des Pflegers zu klären.
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Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des
Beschwerdegerichts mehrfach sowohl zur Bestellung eines Betreuers (vgl. Se-
natsbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - FamRZ 2014, 468
Rn. 11 ff. und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 372/13 - FamRZ 2014, 653
Rn. 9 ff.) als auch zur Bestellung eines Ergänzungspflegers (Senatsbeschluss
vom 12. Februar 2014 - XII ZB 46/13 - FamRZ 2014, 736 Rn. 9) ausgeführt hat,
entspricht die frühzeitige Klärung der Berufsmäßigkeit der Amtsführung den
Intentionen des Gesetzgebers. Das Verfahren über die Festsetzung der Vergü-
tung soll nicht mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit der Amtsführung belas-
tet und die Klärung von Zweifelsfragen deshalb in das Bestellungsverfahren
vorverlagert werden. Zugleich soll im Interesse der Rechtsklarheit und Kalku-
lierbarkeit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und welche Ansprüche
(Vergütung oder Aufwendungsersatz) dem Betreuer oder Pfleger aus der Füh-
rung des Amtes erwachsen können und welche Lasten daher mit der Bestellung
(gerade) dieses Betreuers oder Pflegers für den Betroffenen oder für die
Staatskasse verbunden sind. Daraus folgt auch, dass der Feststellung der Be-
rufsmäßigkeit für den Vergütungsanspruch eines Berufsbetreuers oder Berufs-
pflegers eine konstitutive Bedeutung zukommt.
Nach diesen Maßgaben kommt eine nachträgliche Feststellung der Be-
rufsmäßigkeit mit Rückwirkung grundsätzlich nicht in Betracht. Hierfür besteht
im Allgemeinen auch kein anzuerkennendes Bedürfnis, weil sich ein Betreuer
oder Pfleger, der sich gegen die unterbliebene Feststellung der berufsmäßigen
Amtsführung wenden will, insoweit eine befristete Beschwerde (§ 58 FamFG)
gegen den Bestellungsbeschluss einlegen kann. Diese ermöglicht eine Über-
prüfung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bestellungsbeschluss und
eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom
8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - FamRZ 2014, 468 Rn. 15 f. und vom 9. No-
vember 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114).
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2. Für die Umgangspflegschaft gelten unter den hier obwaltenden
Umständen keine Besonderheiten. Die Entscheidung des Familiengerichts über
die Bestellung eines Umgangspflegers nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB ist
eine Endentscheidung im Sinne von § 38 FamFG, die nach den allgemeinen
Regeln mit der befristeten Beschwerde angefochten werden kann (klarstellend
MünchKommFamFG/Ansgar Fischer 2. Aufl. § 58 Rn. 23). Weil die Bestellung
der Umgangspflegerin hier in einem Hauptsacheverfahren erfolgte, kommt es
auch auf die streitige Frage, ob die Einrichtung einer Umgangspflegschaft im
Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 57 Satz 1 FamFG grundsätzlich unan-
fechtbar ist (so OLG Celle [10. Zivilsenat] FamRZ 2011, 574, 575 f.; OLG Köln
Beschluss vom 25. November 2011 - 4 UF 238/11 - juris Rn. 3 ff.; OLG Hamm
Beschluss vom 8. Mai 2012 - 7 UF 23/12 - juris Rn. 24 ff.; MünchKommFamFG/
Ansgar Fischer 2. Aufl. § 58 Rn. 23; BeckOK FamFG/Gutjahr [Stand: 1. Januar
2014] § 58 Rn. 67 a) oder wegen eines damit verbundenen Eingriffs in die elter-
liche Sorge in den Anwendungsbereich von § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG fällt (so
OLG Celle [15. Zivilsenat] Beschluss vom 30. August 2010 - 15 UF 181/10 -
BeckRS 2012, 04365; Keidel/Giers FamFG 18. Aufl. § 57 Rn. 6; Musielak/Borth
FamFG 4. Aufl. § 57 Rn. 3; im Ergebnis auch OLG Schleswig FamRZ 2012,
151, 152), im vorliegenden Fall nicht an. Es kann deswegen auch dahinstehen,
ob ein Pfleger, der mit einer unanfechtbaren Zwischen- oder Endentscheidung
bestellt wurde, ausnahmsweise berechtigt ist, die im Bestellungsbeschluss un-
terbliebene Feststellung berufsmäßiger Amtsführung im Vergütungsfestset-
zungsverfahren nachträglich geltend zu machen (MünchKommBGB/Wagenitz
6. Aufl. § 1836 Rn. 6 mit Fn. 13; Haußleiter/Heidebach FamFG § 277 Rn. 3,
jeweils für die gemäß § 276 Abs. 6 FamFG unanfechtbare Bestellung eines
Verfahrenspflegers) oder ob es in diesen Fällen damit sein Bewenden hat, dass
der Pfleger die Übernahme des ihm angetragenen Amtes ablehnen kann, wenn
das Gericht die Berufsmäßigkeit der Amtsführung nicht feststellt oder nicht fest-
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stellen will (Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 277 Rn. 5, ebenfalls für den Ver-
fahrenspfleger).
3. Im Übrigen ist die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass ein
Pfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, auch dann unzulässig, wenn diese
Feststellung in der Bestellungsentscheidung versehentlich unterblieben ist. In-
soweit käme eine Ergänzung des Bestellungsbeschlusses ausschließlich im
Wege der Berichtigung nach § 42 FamFG und demzufolge nur dann in Be-
tracht, wenn sich die unterbliebene Feststellung der Berufsmäßigkeit der Amts-
führung als "offenbare Unrichtigkeit" im Sinne von § 42 Abs. 1 FamFG darstellt.
Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Unrichtigkeit aus dem Zusammen-
hang des Beschlusses selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung
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bzw. Bekanntgabe ergibt und der Widerspruch zwischen Beschlussformel und
Entscheidungswillen des Gerichts auch für Dritte offen zu Tage tritt (vgl. Se-
natsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 372/13 - FamRZ 2014, 653
Rn. 15). Gemessen hieran wird im vorliegenden Fall eine Berichtigung des Be-
stellungsbeschlusses vom 6. Januar 2012 nicht in Betracht kommen.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Hameln, Entscheidung vom 13.12.2012 - 31 F 180/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 18.03.2013 - 12 UF 43/13 -