Urteil des BGH vom 20.06.2007

BGH (gesellschaft, gesellschafter, zpo, vertretungsmacht, beschränkung, haftung, lasten, umwandlung, verletzung, ergebnis)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 288/06
vom
20. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seif-
fert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des 15. Zivilsenats des Ober-
landesgerichts Köln vom 7. November 2006 wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
(§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 958.507,99 €
Gründe:
Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.
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I. Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung nach § 597 Abs. 1
ZPO getroffen und ein Sachurteil erlassen. Auf die besonderen Verfah-
rensvoraussetzungen des § 597 Abs. 2 ZPO und die hierauf bezogenen
Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es mithin nicht an.
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Eine Verletzung von Hinweispflichten durch das Berufungsgericht
ist nicht erkennbar. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein-
gegangene Schriftsatz der Klägerin vom 29. September 2006 zeigt, dass
seitens des Berufungsgerichts zutreffende Hinweise (§ 139 Abs. 1 ZPO)
gegeben worden sind, auf die die Klägerin mit entsprechendem Vortrag
reagiert hat, den das Berufungsgericht berücksichtigt, indes als nicht
entscheidungserheblich angesehen hat. Die weiteren verfahrensrechtli-
chen Beanstandungen hat der Senat - auch unter dem Gesichtspunkt
des Art. 103 Abs. 1 GG - geprüft und als nicht durchgreifend erachtet.
II. Auch im Übrigen erweist sich das Berufungsurteil jedenfalls im
Ergebnis als richtig. Die Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts ist durch die Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bun-
desgerichtshofs geklärt. Die Gesellschafter der beschränkt rechtsfähigen
Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften kraft Gesetzes für die Verbind-
lichkeiten der Gesellschaft auch persönlich und mit ihrem gesamten Pri-
vatvermögen (BGHZ 142, 315, 318; 146, 341, 350). Ein einseitiger Aus-
schluss oder eine einseitige Beschränkung dieser gesetzlichen Haftung
durch eine dahingehende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag ist - auch
wenn damit eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht des
Gesellschafter-Geschäftsführers verbunden sein soll - grundsätzlich aus-
geschlossen; es bedarf vielmehr einer ausdrücklichen individualvertragli-
chen Vereinbarung mit dem Gläubiger (BGHZ 150, 1, 3; 142 aaO,
319 ff.), an der es hier ersichtlich fehlt. Fragen der Anscheins- oder Dul-
dungsvollmacht stellen sich somit nicht, da der Gesellschafter B. in
Ausübung seiner organschaftlichen (Allein-)Vertretungsmacht gehandelt
hat, die auf die Gesellschaft zugeschnitten und zu der die Haftung der
Gesellschafter entsprechend § 128 HGB lediglich Annex ist. Jedoch sind
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die Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht gegeben,
deren Grundsätze auch für die organschaftliche Vertretung gelten (vgl.
nur PWW/Frensch, BGB 2. Aufl. § 164 Rdn. 68). Da der für die Zedentin
handelnde Geschäftsführer unstreitig den Inhalt des Gesellschaftsvertra-
ges und insbesondere die Regelungen unter § 8 kannte, waren ihm
- ebenso wie dem für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelnden
Gesellschafter B. - die für das Innenverhältnis geltenden Einschrän-
kungen positiv bekannt, der Missbrauch der Vollmacht durch den Ab-
schluss des Darlehensvertrages, ohne zugleich eine Beschränkung der
Haftung auf das Gesellschaftsvermögen herbeizuführen, mithin evident.
III. Ein zustimmender Gesellschafterbeschluss, der die erforderli-
che Genehmigung des schwebend unwirksamen Geschäftes (§ 177
Abs. 1 BGB; BGHZ 141, 357, 364) beinhalten könnte, ist nicht vorgetra-
gen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Vortrag der Klägerin,
der Beklagte habe den Darlehensvertrag gekannt und - in Ersetzung ei-
nes ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses - gebilligt, sei unsubstan-
tiiert, ist nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang gerügte
Verletzung von Hinweispflichten kann dahinstehen, weil kein erheblicher
Vortrag dargetan wird, den die Klägerin auf einen unterstellten gerichtli-
chen Hinweis hin nachgeschoben hätte. Eine konkludente Billigung durch
den Beklagten ist schließlich nicht in der Unterzeichnung der Jahresab-
schlüsse der Gesellschaft zu sehen, in denen zwar Verbindlichkeiten der
Zedentin gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgewiesen sind,
aber nicht als (umgewandelte) Darlehensverbindlichkeiten erkennbar
werden. Die Klägerin kann auch nicht damit argumentieren, der Beklagte
habe die Geschäfte über Jahre "laufen lassen" und alles dem Gesell-
schafter B. überantwortet. Das bedeutet zwar, dass der Beklagte sei-
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ne Alleinvertretungsbefugnis, wie sie für ihn gemäß § 8 des Gesell-
schaftsvertrages bestand, nicht ausgeübt hat, lässt aber nicht zugleich
den Schluss zu, der Beklagte habe sich der in § 8 enthaltenen, für das
Innenverhältnis geltenden Schutzmechanismen begeben wollen.
Weiter ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, dass sich der Vor-
trag der Klägerin zu den umgewandelten Verbindlichkeiten nicht ansatz-
weise nachvollziehen lässt. Er erlaubt keine Feststellungen darüber, der
Beklagte habe dem Gesellschafter B. - in einer die Evidenz des Voll-
machtsmissbrauchs ausräumenden Weise - zugestanden, über die aus
§ 8 des Gesellschaftsvertrages ersichtlichen Beschränkungen hinaus
Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und
- vor allem - zu Lasten seines privaten Vermögens zu begründen.
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IV. Nicht zuzustimmen ist der Nichtzulassungsbeschwerde zudem
darin, das Berufungsgericht habe sich "in unhaltbarer Weise" einer Prü-
fung bereicherungsrechtlicher Ansprüche entzogen. Das streitbefangene
Darlehen ist der Klägerin zufolge das Ergebnis einer Umwandlung be-
stehender Verbindlichkeiten gemäß den §§ 488 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB.
Ist die Umwandlung unwirksam, leben die umgewandelten Verbindlich-
keiten wieder auf. Das Vorbringen der Klägerin unterstellt, resultieren
diese aus "Finanzspritzen" und Ablösungen anderweit bestehender Ver-
bindlichkeiten. Im Innenverhältnis der Zedentin zur Gesellschaft bürgerli-
chen Rechts liegt dem ein Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung zu-
grunde, denn die Klägerin behauptet nicht, die Zedentin habe sich unge-
fragt in Angelegenheiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemischt.
Die daraus folgenden Aufwendungsersatzansprüche könnten nur Erfolg
haben, wenn nachvollziehbarer Vortrag zu den "Finanzspritzen" bzw. den
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abgelösten Verbindlichkeiten vorläge. Davon ist jedoch - wie dargelegt -
nicht auszugehen. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544
Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 31.03.2006 - 16 O 772/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 07.11.2006 - 15 U 70/06 -