Urteil des BGH vom 14.02.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 112/06
vom
14. Februar 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 126
Die Verstrickungswirkung des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO entfällt erst dann, wenn
der beigeordnete Rechtsanwalt die Kostenforderung nicht mehr nach § 126
Abs. 1 ZPO im eigenen Namen geltend machen kann. Erst dann kann der Geg-
ner gegen die Kostenforderung Einwendungen oder Einreden aus der Person
der berechtigten Prozesspartei erheben.
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2007 - XII ZB 112/06 - Kammergericht Berlin
AG
Pankow/Weißensee
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als Senat für Famili-
ensachen vom 23. Mai 2006 wird auf seine Kosten zurückgewie-
sen.
Beschwerdewert: 2.758 €.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Kostenfestsetzung aus einem rechtskräftig
abgeschlossenen Rechtsstreit.
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Mit Urteil vom 15. Juni 2005 wies das Amtsgericht die Klage auf Rück-
zahlung überzahlten Ehegattenunterhalts ab. Die Berufung wurde durch Urteil
des Kammergerichts vom 3. November 2005 zurückgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits wurden in beiden Instanzen dem Kläger auferlegt. Zuvor war der
Beklagten mit Beschluss vom 28. April 2004 für die erste Instanz und mit Be-
schluss vom 20. Oktober 2005 für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe be-
willigt worden. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 rechnete der Kläger gegenüber
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der Kostenforderung mit einem titulierten Anspruch auf Nutzungsentschädigung
gegen die Beklagte auf.
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Mit Beschluss vom 2. Februar 2006 setzte das Amtsgericht auf Antrag
des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die aufgrund der rechtskräftigen
Urteile vom Kläger an ihn zu erstattenden Kosten auf 2.757,67 € fest. Der
- unter Hinweis auf die zuvor ausgesprochene Aufrechnung - eingelegten sofor-
tigen Beschwerde half die Rechtspflegerin nicht ab. Das Kammergericht wies
die sofortige Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Dagegen
richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, die vom Beschwerdegericht
zugelassen wurde, weil streitig und bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt
sei, ob die Sperrwirkung des § 126 Abs. 2 ZPO auch dann gelte, wenn der Kos-
tenschuldner die Aufrechnung erklärt habe, bevor der gegnerische Rechtsan-
walt die Forderung nach § 126 ZPO im eigenen Namen geltend mache.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO),
aber nicht begründet.
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Das Amtsgericht hat die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten
zu erstattenden Kosten zu Recht antragsgemäß festgesetzt, weil die gegen die
- nach Grund und Höhe unstreitige - Kostenforderung erklärte Aufrechnung des
Klägers wegen eines Aufrechnungsverbots nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO un-
wirksam ist.
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1. Unstreitig steht der Beklagten gegen den Kläger in Folge der rechts-
kräftigen Urteile des Amtsgerichts und des Kammergerichts eine Kostenforde-
rung in Höhe von 2.757,67 € zu.
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Nach § 126 Abs. 1 ZPO war der beigeordnete Rechtsanwalt auch be-
rechtigt, diese Forderung - wie geschehen - im eigenen Namen beizutreiben.
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2. Die Kostenforderung ist nicht durch die vom Kläger erklärte Aufrech-
nung mit einer titulierten Gegenforderung erloschen.
a) Nach § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann der Gegner gegen einen Kosten-
erstattungsanspruch nur mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben
Rechtsstreit ergangenen Kostenentscheidung vom Antragsteller zu erstatten
sind. Wechselseitige Kostenerstattungsansprüche aus demselben Rechtsstreit,
die regelmäßig auf teilweises Obsiegen und Unterliegen zurückzuführen sind,
können deswegen schon im Rahmen der Kostenfestsetzung im Wege des Kos-
tenausgleichs verrechnet werden. Solche Gegenforderungen hat der Kläger
hier aber nicht geltend gemacht.
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b) Im Übrigen ist eine Einrede aus der Person der Partei nach § 126
Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen den Kostenerstattungsanspruch ihres beigeordneten
Rechtsanwalts nicht zulässig. Der Kostenschuldner ist deswegen zunächst
auch an der Einrede gehindert, dass er die Kosten bereits an die bedürftige
Partei bezahlt habe, dass diese ihm die Kosten erlassen habe oder dass er der
Partei gegenüber (oder diese ihm gegenüber) aufgerechnet habe.
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Diese Vorschrift findet ihren Grund in § 126 Abs. 1 ZPO, wonach ein der
Partei im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt seine
Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im
eigenen Namen beitreiben kann. Die Vorschrift will dem beigeordneten Rechts-
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anwalt - über die Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe hinaus - seinen
Vergütungsanspruch sichern, zumal er nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Vergütungsansprüche mehr gegen
die eigene Partei geltend machen darf. Allerdings werden die berechtigte Partei
und der ihr beigeordnete Rechtsanwalt dadurch nicht zu Gesamtgläubigern im
Sinne des § 428 BGB; auch im Innenverhältnis sind sie nicht nach § 430 BGB
zu gleichen Anteilen berechtigt. Vielmehr steht die Kostenforderung auch dann
weiterhin der Partei zu, während § 126 Abs. 1 ZPO eine gesetzliche Pro-
zessstandschaft für den beigeordneten Rechtsanwalt - oder im Falle des An-
spruchsübergangs nach § 59 RVG für die Staatskasse - betrifft (vgl. Senatsbe-
schluss vom 11. Juni 1997 - XII ZR 254/94 - FamRZ 1997, 1141).
Bei der Auslegung des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB ist deswegen auch zu
berücksichtigen, dass die Vorschrift die Vergütungsansprüche des beigeordne-
ten Rechtsanwalts sichern will. Der Ausschluss von Einreden aus der Person
der Partei (sog. Verstrickung) ist deswegen so lange gerechtfertigt, wie der bei-
geordnete Rechtsanwalt die Kostenforderung noch im eigenen Namen geltend
machen kann. Unerheblich ist demgegenüber - wie das Beschwerdegericht zu
Recht ausführt -, ob der beigeordnete Rechtsanwalt sein Beitreibungsrecht
nach § 126 Abs. 1 ZPO im Zeitpunkt der Aufrechnung bereits ausgeübt hatte
(so inzwischen einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. OLG
Stuttgart Rpfleger 1987, 218, OLG Koblenz Rpfleger 1994, 422, OLG Frankfurt
Rpfleger 1990, 468 und jetzt auch OLGR Schleswig 1996, 335; MünchKomm/
Wax ZPO 2. Aufl. § 126 Rdn. 18; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 126 Rdn. 7;
Zöller/Philippi 26. Aufl. § 126 Rdn. 16).
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c) Die sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende Verstrickung des
Kostenerstattungsanspruchs entfällt nach dem Sinn und Zweck dieser Vor-
schrift erst dann, wenn - z.B. durch den Erlass eines Kostenfestsetzungsbe-
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schlusses für die Partei - eindeutig feststeht, dass der Anspruch nicht mehr von
dem beigeordneten Rechtsanwalt geltend gemacht werden kann. Erst dann
bedarf es einer Sicherung der Vergütungsansprüche des beigeordneten
Rechtsanwalts nicht mehr, so dass auch Einwendungen allein aus der Person
der Partei den Kostenerstattungsanspruch zum Erlöschen bringen können (vgl.
Senatsurteil vom 22. Juni 1994 - XII ZR 39/93 - NJW 1994, 3292; OLG Schles-
wig NJW-RR 2004, 717; KGR 2004, 556; KGR 2003, 245 und OLG München
NJW-RR 1998, 214). Unabhängig davon sind Abreden der Parteien nur wirk-
sam, wenn sie dazu führen, dass ein Kostenerstattungsanspruch erst gar nicht
entsteht, und die deshalb ein Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts aus
§
126 Abs.
1 ZPO von vornherein ausschließen (Senatsbeschluss vom
11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02 - FamRZ 2007, 123). Nur solches muss sich
der beigeordnete Rechtsanwalt und ggf. in seiner Rechtsnachfolge die Staats-
kasse stets entgegenhalten lassen (Senatsbeschluss vom 15. März 2006
- XII ZR 209/05 - FamRZ 2006, 853).
d) Umgekehrt tritt eine dauerhafte Verstrickung ein, wenn der beigeord-
nete Rechtsanwalt einen noch bestehenden Kostenerstattungsanspruch im ei-
genen Namen beitreibt. Dann können Einreden, die allein in der Person der
Partei begründet sind, die Forderung nicht mehr zu Fall bringen. So liegt der
Fall hier, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den noch "verstrickten"
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Kostenerstattungsanspruch mit dem in eigenem Namen gestellten Kostenfest-
setzungsantrag vom 3. November 2005 beigetrieben hat.
Hahne
Sprick
Weber-Monecke
Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 02.02.2006 - 20 F 6277/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 23.05.2006 - 19 WF 56/06 -