Urteil des BGH vom 30.04.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 85/07
vom
30. April 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 520 Abs. 2 ZPO
Maßgeblich für den Umfang der gerichtlichen Verlängerung der Berufungsbe-
gründungsfrist, auf den sich eine Partei grundsätzlich verlassen kann, ist der
objektive Inhalt (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Januar 1999 - V ZB
31/98 - NJW 1999, 1036).
Mit einer "antragsgemäßen“ Verlängerung macht das Berufungsgericht den
Fristverlängerungsantrag zum Inhalt der Fristverlängerung selbst, auch wenn
die Frist im Antrag fehlerhaft berechnet ist. Dabei ist es unerheblich, ob die
erforderliche Einwilligung des Gegners nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO für eine
Fristverlängerung in der beantragten Weise vorgelegen hat, denn auch ohne
sie ist eine bewilligte Fristverlängerung wirksam (Anschluss an BGHZ 161, 86,
89).
BGH, Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 85/07 - LG München
AG
München
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. April 2008 durch die
Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den
Richter Hucke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der
34. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 12. November
2007 - 34 S 20173/06 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.305,19 € fest-
gesetzt.
Gründe:
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, ZPO
statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, weil die Voraussetzun-
gen des § 574 Abs. 2 ZPO erfüllt sind. Die Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil der
angegriffene Beschluss den Anspruch der Klägerin auf wirkungsvollen Rechts-
schutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Die Berufungsbegrün-
dungsfrist ist im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts aufgrund dessen
Fristverlängerung durch Verfügung des Kammervorsitzenden vom
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13. Dezember 2006 bis zum 13. Januar 2007 verlängert und mit der beim Beru-
fungsgericht am 15. Januar 2007 (Montag) eingegangenen Begründungsschrift
gewahrt worden (§ 222 Abs. 2 ZPO).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat fristgerecht die Verlänge-
rung "der am 13. Dezember 2006 endenden Berufungsbegründungsfrist um ...
einen Monat" beantragt. Mit Verfügung des Kammervorsitzenden ist "die Frist ...
antragsgemäß“ und damit berechnet ab dem 13. Dezember 2006 um einen
Monat verlängert worden, denn maßgeblich für den Umfang der gerichtlichen
Fristverlängerung, auf den sich eine Partei grundsätzlich verlassen kann, ist
deren objektiver Inhalt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1999 - V ZB
31/98 - NJW 1999, 1036; HK-ZPO/Wöstmann, ZPO, 2. Aufl., § 520 Rn. 13). Mit
der "antragsgemäßen“ Verlängerung hat das Berufungsgericht den Antrag der
Klägerin zum Inhalt der Fristverlängerung selbst gemacht. Dieser enthielt sei-
nem objektiven Inhalt nach eine Fristverlängerung von einem Monat berechnet
ab dem 13. Dezember 2006, auch wenn das angegebene Fristende fehlerhaft
berechnet worden und das ursprüngliche Ende der 12. Dezember 2006 gewe-
sen war.
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Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Auffassung des Berufungsgerichts,
die Klägerin habe nicht auf den objektiven Inhalt der Fristverlängerung vertraut,
weil sie erkannt gehabt habe, dass tatsächlich nur eine Fristverlängerung bis
einschließlich den 12. Januar 2007 hätte gewährt werden sollen. Die hierzu ge-
troffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind nicht tragfähig. Der Um-
stand, dass die Berufungsbegründung während der laufenden Frist gefertigt
worden ist, bedeutet nicht, dass damit die Erkenntnis dokumentiert ist, dass der
Schriftsatz auch am Tag der Erstellung hätte abgesandt werden müssen.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es auch unerheblich,
ob die erforderliche Einwilligung des Gegners (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO) für
eine Fristverlängerung in der beantragten Weise vorgelegen hat, denn auch
ohne sie ist eine bewilligte Fristverlängerung wirksam (vgl. BGHZ 161, 86, 89
m.w.N.).
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Da die Berufungsbegründung bereits rechtzeitig eingegangen ist, kommt
es auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr an.
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Wurm Dörr
Wöstmann
Harsdorf-Gebhardt
Hucke
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 27.09.2006 - 233 C 26849/05 -
LG München I, Entscheidung vom 12.11.2007 - 34 S 20173/06 -