Urteil des BGH vom 17.06.2004
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 335/03
Verkündet am:
17. Juni 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VermG § 3 Abs. 3, 5, § 31 Abs. 2
a) Die Pflicht, den eingetragenen Eigentümer eines restitutionsbelasteten Grundstücks
nach § 31 Abs. 2 VermG über den Eingang eines Restitutionsantrags zu informie-
ren, will auch den Restitutionsantragsteller im Blick auf das Unterlassungsgebot
des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG vor einem Erlöschen des Rückübertragungsan-
spruchs und einer Aushöhlung der künftigen Rechtsstellung schützen (Fortführung
des Senatsurteils BGHZ 143, 18).
b) Der Verfügungsberechtigte ist nach § 3 Abs. 5 VermG verpflichtet, sich zeitnah vor
einer vorgesehenen Verfügung nach dem Vorliegen einer vermögensrechtlichen
Anmeldung zu erkundigen.
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2 E; DDR: StHG § 2
c) Wird ein Grundstück unter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot mit einem
Grundpfandrecht belastet und beruht dies sowohl auf einem schuldhaften Verstoß
des Verfügungsberechtigten gegen seine Vergewisserungspflicht (§ 3 Abs. 5
VermG) als auch auf einer Amtspflichtverletzung der Behörde, die den Verfügungs-
berechtigten nicht nach § 31 Abs. 2 VermG unterrichtet hat, kann es dem Restituti-
onsantragsteller grundsätzlich nicht zugemutet werden, den Verfügungsberechtig-
ten vor der Bestandskraft des Rückgabebescheids des Amtes zur Regelung offener
Vermögensfragen auf Beseitigung der Belastung, Schadensersatz oder Sicherstel-
lung in Anspruch zu nehmen.
BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - III ZR 335/03 -
OLG Brandenburg
LG Brandenburg
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 2. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 2003
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 meldete für sich und ihre Schwester, die ihre Rechte
später an den Kläger zu 2 abgetreten hat, mit Schreiben vom 16. September
1990 und 19. Januar 1991 bei der Beklagten vermögensrechtliche Ansprüche
wegen eines Grundstücks an, das ihrem Vater im Jahre 1954 im Zusammen-
hang mit einer strafrechtlichen Verurteilung entzogen worden war. Auf das er-
ste Schreiben fertigte die Beklagte am 8. November 1990 eine Eingangsbestä-
tigung für die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche; das zweite Schrei-
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ben ging ihr am 7. März 1991 zu. Mit Schreiben vom 11. Februar 1991 hatte
die
damalige
Verfügungsberechtigte,
die
P.
C. mbH, u.a. wegen dieses Grundstücks bei der Beklagten
nachgefragt, ob vermögensrechtliche Ansprüche angemeldet worden seien
bzw. Rückübertragungsansprüche vorlägen, was die Beklagte mit Schreiben
vom 5. März 1991 verneinte. Im Oktober 1991 und August 1992 bewilligte die
Verfügungsberechtigte die Eintragung von Gesamtgrundschulden, die im Juli
1992 und Januar 1993 u.a. zu Lasten des hier in Rede stehenden Grundstücks
im Grundbuch eingetragen wurden. Am 8. Februar 1993 hob das Bezirksgericht
Potsdam im Rehabilitierungsverfahren das gegen den Vater der Klägerin er-
gangene Urteil auf. Durch Bescheid vom 2. Mai 1996 wurde das Grundstück
den Klägern zurückübertragen. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch der Ver-
fügungsberechtigten wurde durch Bescheid des Landesamtes zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 9. Januar 1998 zurückgewiesen. Der Restituti-
onsbescheid ist seit dem 23. Februar 1998 bestandskräftig. Bereits im Mai
1997 wurde die Liquidation der Verfügungsberechtigten beschlossen, nachfol-
gend das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.
Die Kläger machen geltend, daß es zu der dinglichen Belastung des
später restituierten Grundstücks nicht gekommen wäre, wenn die Beklagte die
Verfügungsberechtigte über die Anmeldung des Restitutionsanspruchs infor-
miert hätte. Erstinstanzlich haben die Kläger beantragt, die beiden Grund-
schulden zur Löschung zu bringen, hilfsweise die für die grundbuchliche Lö-
schung erforderlichen Kosten zu zahlen, die den Grundschulden zugrundelie-
gende Hauptforderung der Gläubigerin abzulösen und die Kläger von jeglicher
Verpflichtung aus diesen Grundschulden freizustellen sowie hilfsweise an sie
zur Ablösung der Grundpfandrechte sowie der zugrundeliegenden Hauptforde-
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rung 1.089.250 DM nebst 18% Zinsen seit dem 27. Dezember 1999 zu zahlen.
Das Landgericht hat dem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag entsprochen
und die weitergehenden Klageanträge abgewiesen. Auf die Berufung der Be-
klagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die Wieder-
herstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurück-
verweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht
davon ausgegangen, die der Verfügungsberechtigten erteilte Auskunft vom
5. März 1991, es liege kein vermögensrechtlicher Antrag vor, sei in bezug auf
das später den Klägern zurückgegebene Grundstück fehlerhaft gewesen. Da-
bei haben die Vorinstanzen offengelassen, ob der Antrag der Klägerin vom
16. September 1990 auf die Restitution des Grundstücks oder lediglich auf eine
Entschädigung gerichtet gewesen sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts
habe wegen der unklaren Anspruchsrichtung für das Amt zur Regelung offener
Vermögensfragen jedenfalls die Verpflichtung bestanden, das Begehren näher
aufzuklären. Bis zu dieser Aufklärung habe der Verfügungsberechtigten nicht
geantwortet werden dürfen, es liege kein vermögensrechtlicher Antrag vor.
Darüber hinaus habe nach Eingang des Schreibens vom 19. Januar 1991 bei
der Beklagten am 7. März 1991 die Pflicht bestanden, die unmittelbar zuvor
abgegebene - im Hinblick auf das nunmehr eindeutig geäußerte Rückgabebe-
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gehren offenkundig unzureichende - Auskunft zu korrigieren. Auch unabhängig
von der am 5. März 1991 erteilten Auskunft sei die Beklagte nach § 31 Abs. 2
VermG in der Fassung des Einigungsvertrages und derjenigen vom 18. April
1991 (BGBl. I S. 957) verpflichtet gewesen, die Verfügungsberechtigte über
das Schreiben vom 19. Januar 1991 zu informieren. Gegen diese Beurteilung,
in der das Berufungsgericht zutreffend die Verletzung einer gegenüber den
Klägern bestehenden Amtspflicht erblickt, die Schadensersatzansprüche nach
§ 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG und nach § 1 des in Brandenburg fortgeltenden
Staatshaftungsgesetzes der DDR begründen kann, bestehen keine Bedenken.
2.
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, der von den Klägern gel-
tend gemachte Schaden werde auch vom Schutzzweck des § 31 Abs. 2 VermG
erfaßt. Das steht im Einklang mit dem Senatsurteil vom 21. Oktober 1999
(BGHZ 143, 18). In dieser Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, der
mit dem Unterlassungsgebot nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG bezweckte Schutz
des Anmelders hänge im praktischen Ergebnis weitgehend davon ab, daß der
Verfügungsberechtigte von der Stellung eines Rückgabeantrags Kenntnis er-
halte. Unter Bezugnahme auf die Erläuterung zu den Anlagen des Einigungs-
vertrages hat der Senat ausgeführt, § 31 Abs. 2 VermG solle sicherstellen, daß
diejenigen, die derzeit nutzungs- bzw. verfügungsberechtigt seien, schnellst-
mögliche Kenntnis von der Antragstellung erlangten. Für die Rechtsträger sei
dies deshalb erforderlich, weil der Umfang ihrer Verfügungsbefugnis gemäß
§ 3 Abs. 3 und 4 nach Ablauf der Anmeldefrist davon abhängig sei, ob ein An-
trag gestellt worden sei oder nicht (vgl. BT-Drucks. 11/7831 S. 14). Die Be-
nachrichtigung nach § 31 Abs. 2 VermG diene primär dem Anliegen, die
Rechtsposition des Restitutionsberechtigten zu stärken (BGHZ 143, 18, 23 f).
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Demgegenüber ist die Revisionserwiderung der Auffassung, für den
Schutz vor dinglichen Verfügungen bestehe ein spezieller Schutzmechanis-
mus, gegen den die Beklagte nicht verstoßen habe. Für die Auflassung und die
Bestellung von Erbbaurechten sowie die entsprechenden schuldrechtlichen
Verträge sei bei möglicherweise restitutionsbelasteten Grundstücken eine ho-
heitliche Genehmigung erforderlich, so daß das Verfügungsverbot insoweit
quasi dinglich gesichert sei. Für alle übrigen dinglichen Belastungen sei der
Verfügungsberechtigte dagegen nur schuldrechtlich verpflichtet, sich vorher
beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem Eingang von Re-
stitutionsanträgen zu erkundigen. Damit sei der Restitutionsberechtigte faktisch
auf die Redlichkeit des Verfügungsberechtigten angewiesen. Eine Haftung der
Beklagten komme nur in Betracht, wenn sie auf eine Nachfrage des Verfü-
gungsberechtigten, mit der dieser sich zeitnah vor einer Verfügung nach dem
Vorliegen einer vermögensrechtlichen Anmeldung erkundige, eine falsche
Auskunft erteile.
Diese Erwägungen vermögen an der allgemeinen Schutzrichtung der
Mitteilungspflicht nach § 31 Abs. 2 VermG jedoch nichts zu ändern. Richtig ist,
daß das Vermögensgesetz in unterschiedlichen Zusammenhängen Vorkehrun-
gen vorgesehen hat, um den Anspruch des Restitutionsberechtigten zu si-
chern. Insoweit ist neben der Mitteilungspflicht der Behörde nach § 31 Abs. 2
VermG die Pflicht des Verfügungsberechtigten nach § 3 Abs. 5 VermG zu nen-
nen, sich zeitnah vor einer Verfügung darüber zu vergewissern, daß keine An-
meldung im Sinn des § 3 Abs. 3 VermG vorliegt. Dem läßt sich indes entneh-
men, daß es dem Gesetzgeber darauf ankam, die Position eines restitutionsbe-
rechtigten Antragstellers möglichst wirkungsvoll zu schützen. Hiermit stünde es
nicht in Einklang, der Mitteilungspflicht nach § 31 Abs. 2 VermG einen geringe-
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ren Schutzumfang oder ihrer Beachtung nur deshalb geringeres Gewicht
beizumessen, weil auch den Verfügungsberechtigten eine Pflicht zur Vergewis-
serung trifft.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 10. April
2003 (III ZR 38/02 - VIZ 2003, 353). In diesem Fall, der nicht unmittelbar die
Mitteilungspflicht nach § 31 Abs. 2 VermG betraf, sondern - nach bereits voll-
zogener Restitution - die unrichtige Auskunft gegenüber einem Kaufanwärter,
bezüglich des Kaufgrundstücks seien vermögensrechtliche Ansprüche zur Zeit
nicht erkennbar, hat der Senat entschieden, daß der durch die allgemeine
Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte gewährte Schutz entsprechend
eingeschränkt werde, wenn ein Gesetz ein besonderes förmliches Verfahren
bereithalte, das dem Käufer eines Grundstücks in Gestalt einer Grundstücks-
verkehrsgenehmigung die notwendige Planungssicherheit gewähren solle (aaO
S. 354). Diese Grundsätze wirken sich im vorliegenden Fall nicht aus. Denn
zum einen unterliegt die bloße Belastung eines Grundstücks durch Bestellung
einer Grundschuld nicht der besonderen Genehmigungspflicht nach der
Grundstücksverkehrsordnung, zum anderen geht es hier auch nicht um An-
sprüche des Verfügungsberechtigten als des unmittelbaren Empfängers der
Auskunft, sondern um solche des Restitutionsberechtigten, der auf eine Erfül-
lung der Mitteilungspflicht und zutreffende Auskünfte angewiesen ist, damit
einer Gefährdung seines Restitutionsanspruchs entgegengewirkt wird.
Daß das Berufungsgericht auf dieser Grundlage angenommen hat, eine
Beachtung dieser Amtspflichten durch die Beklagte hätte den eingetretenen
Schaden verhindert, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere wird die-
se Beurteilung nicht dadurch in Frage gestellt, daß auch der Verfügungsbe-
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rechtigten vorgeworfen werden muß, sich nicht zeitnah vor der Bestellung der
Grundpfandrechte nach dem Vorliegen einer vermögensrechtlichen Anmeldung
erkundigt zu haben. Da die Anmeldefristen zu diesem Zeitpunkt noch nicht ab-
gelaufen waren, durfte sie sich nämlich auf den Fortbestand der ihr am 5. März
1991 erteilten Auskunft nicht verlassen. Dieser Pflichtverstoß räumt aber nicht
aus, daß auch die der Beklagten vorzuwerfende Amtspflichtverletzung den ein-
getretenen Schaden der Kläger verursacht hat.
3.
Das Berufungsgericht hat die Klage gleichwohl abgewiesen, weil die
Kläger in der Vergangenheit versäumt hätten, eine anderweitige Ersatzmög-
lichkeit wahrzunehmen (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 2 StHG). Bei Erhebung der
Amtshaftungsklage habe eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht bestanden,
weil Ansprüche gegen die in die Gesamtvollstreckung gefallene Verfügungsbe-
rechtigte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätten durchgesetzt werden können.
Dies gelte auch für den Anspruch nach § 16 Abs. 10 Satz 3 VermG auf Befrei-
ung von dem Grundpfandrecht. Die Kläger hätten jedoch nicht zu widerlegen
vermocht, daß sie ab Mitte 1994, als ihnen die Eintragung der Belastungen
bereits bekannt gewesen sei, bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Ver-
fügungsberechtigten Ersatzansprüche gegen diese hätten durchsetzen können.
Sie hätten ihren Anspruch zunächst auf eine Beseitigung der Belastung richten
und nachrangig den hierfür erforderlichen Geldbetrag verlangen können. Hilfs-
weise hätten sie ihren Antrag auf eine Hinterlegung des zur Ablösung der
Grundschulden erforderlichen Geldbetrages bis zum erfolgreichen Abschluß
des vermögensrechtlichen Verfahrens richten können.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hin-
sicht stand.
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a) Ist innerhalb der gesetzlichen Ausschlußfristen ein Antrag nach § 30
VermG gestellt, ist der Verfügungsberechtigte nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG
verpflichtet, den Abschluß dinglicher Rechtsgeschäfte oder die Eingehung
langfristiger vertraglicher Verpflichtungen ohne Zustimmung des Berechtigten
zu unterlassen. Mit diesem Unterlassungsgebot soll insbesondere einem Erlö-
schen des Rückübertragungsanspruchs durch Verfügungen über den Vermö-
genswert vorgebeugt und eine Aushöhlung der künftigen Rechtsstellung ver-
hindert werden (vgl. BGHZ 126, 1, 5; Senatsurteil BGHZ 136, 57, 61). Zwi-
schen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten entsteht durch die
Antragstellung ein gesetzliches Schuldverhältnis, das Züge einer gesetzlichen
Treuhand aufweist (vgl. BGHZ 128, 210, 211; Senatsurteil BGHZ 137, 183,
186). Wenn die Verfügungssperre auch nicht die Rechtsmacht des Verfü-
gungsberechtigten begrenzt, über den Vermögenswert wie ein Eigentümer zu
verfügen, so begründet sie doch eine schuldrechtliche Pflichtenbindung ge-
genüber dem Restitutionsantragsteller. Da die Verfügungssperre dem Schutz
des Berechtigten vor seinen Rückübertragungsanspruch gefährdenden oder
erschwerenden Maßnahmen des Verfügungsberechtigten dient, hat sie sich
gerade in einem Zeitraum zu bewähren, der der Rückgabeentscheidung vo-
rausgeht. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß eine abschließende Ent-
scheidung über die Berechtigung des Restitutionsantragstellers noch nicht vor-
liegt, andererseits eine solche aber auch nicht abgewartet werden kann, soll
der mögliche Restitutionsanspruch des Berechtigten nicht durch Maßnahmen
des Verfügungsberechtigten vereitelt oder ausgehöhlt werden.
Dementsprechend ist es in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Be-
rechtigte das Unterlassungsgebot auf dem Zivilrechtsweg gegen den Verfü-
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gungsberechtigten durchsetzen kann (vgl. BGHZ 124, 147; 126, 1). Im Rahmen
eines solchen Streitverfahrens - sei es im Wege einstweiliger Verfügung, sei es
in der Hauptsache - hat das Zivilgericht nicht in allen Einzelheiten zu prüfen, ob
der Rückgabeanspruch des Berechtigten begründet ist. Diese Frage ist nicht
vorgreiflich im Sinn des § 148 ZPO; eine Aussetzung eines solchen Rechts-
schutzverfahrens bis zur Entscheidung über den Rückgabeantrag vor dem Amt
zur Regelung offener Vermögensfragen würde das Unterlassungsgebot gera-
dezu unterlaufen. Nur dann, wenn ein Rückübertragungsantrag offensichtlich
unbegründet ist (vgl. die aus § 1 Abs. 2 Satz 2 GVO entnommene Wertung)
oder wenn ein Ausschlußgrund nach den §§ 4, 5 VermG offensichtlich eingreift,
gebieten es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine am Eigentums-
schutz orientierte Gesetzesauslegung, den Verfügungsberechtigten beim Ge-
brauch seines Eigentums oder seiner Verfügungsmacht von den Beschränkun-
gen des § 3 Abs. 3 Satz 1 freizuhalten (vgl. BGHZ 126, 1, 9, 10 f).
b) Daß die Verfügungsberechtigte hier nach Stellung des Rückgabean-
trags objektiv nicht berechtigt war, das Grundstück mit zwei Gesamtgrund-
schulden zu belasten, ist nicht weiter streitig. Es liegt auf der Hand, daß der
Vermögenswert durch diese beiden Grundschulden, die zunächst bis zu einem
Betrag von 13 Mio. DM bestellt worden waren, den Wert des hier in Rede ste-
henden Grundstücks aushöhlten, wenn nicht weit überschritten. Wäre den Klä-
gern eine entsprechende Belastungsabsicht der Verfügungsberechtigten recht-
zeitig bekannt geworden, hätten sie ohne weiteres Unterlassung einer solchen
Maßnahme verlangen können.
c) Verletzt der Verfügungsberechtigte das ihm auferlegte Unterlas-
sungsgebot, macht er sich, wenn ihm - wie hier - ein schuldhafter Verstoß ge-
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gen die zeitnah zur vorgesehenen Belastung des Grundstücks vorzunehmende
Erkundigung über das Vorliegen einer Anmeldung vorzuwerfen ist, wegen posi-
tiver Vertragsverletzung des gesetzlichen Schuldverhältnisses oder nach § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG, der zugunsten des Berechtigten
ein Schutzgesetz darstellt, schadensersatzpflichtig (vgl. BGHZ 128, 210, 215;
Senatsurteil vom 4. März 1999 - III ZR 29/98 - VIZ 1999, 346, 347). Hat der
Rückgabeantrag Erfolg, besteht der Schaden des Berechtigten darin, daß er
den Vermögenswert nicht, wie es bei Beachtung des Unterlassungsgebots der
Fall gewesen wäre, frei von Belastungen zurückerhält. Danach kann der Be-
rechtigte nach § 249 Satz 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 249 Abs. 1 BGB) im Wege
der Naturalrestitution Befreiung von der Belastung verlangen; es kommt auch
ein Anspruch auf Geldersatz nach Maßgabe des § 250 Satz 2 BGB in Betracht
(vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1992 - VIII ZR 77/91 - NJW 1992, 2221, 2222).
Ferner steht dem Berechtigten in einem solchen Fall der besondere verschul-
densunabhängige Anspruch nach § 16 Abs. 10 Satz 3 VermG zur Verfügung,
der den Besteller des Grundpfandrechts verpflichtet, den Berechtigten in dem
Umfang von dem Grundpfandrecht zu befreien, in dem es gemäß den Absätzen
5 bis 9 nicht zu übernehmen wäre. Hier käme wohl eine vollständige Befreiung
von der Belastung in Betracht, weil der durch die Grundschulden gesicherte
Kredit nicht dem Grundstück der Kläger zugute gekommen ist (vgl. § 16 Abs. 5
Satz 4 VermG). Darüber hinaus wird durch § 16 Abs. 10 Satz 4 VermG die Mit-
wirkung der kreditgebenden Bank sichergestellt.
d) Daß den Klägern die vorbeschriebenen Rechte - vom Anspruch nach
§ 16 Abs. 10 Satz 3 VermG abgesehen - bereits vor der Rückgabeentschei-
dung gegen den Verfügungsberechtigten mit der Aussicht auf eine erfolgreiche
Durchsetzung zustanden, wird vom Berufungsgericht hingegen zu Unrecht an-
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genommen. Jedenfalls waren die Kläger nicht gehalten, weitläufige, unsichere
oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens gegen die Verfügungsbe-
rechtigte einzuschlagen (vgl. Senatsurteil BGHZ 120, 124, 126).
aa) Betrachtet man den für die Kläger nach der Belastung des Grund-
stücks eingetretenen Schaden nach dem vom Berufungsgericht offenbar ins
Auge gefaßten Ziel, noch vor Rückgabe des Grundstücks die Belastung wieder
zu beseitigen, liegt das Verlangen nach Naturalrestitution prinzipiell nahe. Es
würde auch dem Interesse des Restitutionsantragstellers entsprechen, einen
solchen Anspruch alsbald durchzusetzen. Das beruht vor allem auf der Erwä-
gung, daß die Durchsetzung eines solchen Anspruchs letztlich von der Bonität
des Bestellers des Grundpfandrechts abhängt, auch soweit der Anspruch erst
nach der Rückgabe des Vermögenswerts nach § 16 Abs. 10 Satz 3 VermG
durchgesetzt werden soll. Es kommt hier hinzu, daß aus der damaligen Sicht
der Kläger, die seit Mitte 1994 über die Belastung informiert waren, Ersatz nur
beim Verfügungsberechtigten gesucht werden konnte, weil ihnen die Amts-
pflichtverletzungen der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt wa-
ren.
Läßt man einmal außer Betracht, daß die Kläger vor der Restitution nur
eine Aussicht darauf hatten, das Grundstück wieder zurückzuerhalten, hätte
der Anspruch auf Naturalrestitution überhaupt nur Erfolg haben können, wenn
die kreditgebende Bank an einer solchen Lösung mitgewirkt hätte. In diesem
Zusammenhang weist die Revision zu Recht darauf hin, daß die Kreditgeberin
die Grundschulden wirksam erworben hat und nicht ohne weiteres verpflichtet
war, an einer Enthaftung des Grundstücks mitzuwirken. Eine entsprechende
gesetzlich ausgestaltete Mitwirkungspflicht traf sie erst im Anschluß an die Re-
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stitution nach § 16 Abs. 10 Satz 4 VermG. Es kommt hinzu, was das Beru-
fungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung nicht hinreichend beachtet, daß
sich die Verfügungsberechtigte, wie sich aus den Gründen des Restitutions-
und des Widerspruchsbescheids ergibt, gegen eine Restitution auch aus dem
Gesichtspunkt gewandt hat, die Enthaftung des Grundstücks nicht bewirken zu
können.
bb) Hätten die Kläger wegen der daher anzunehmenden Weigerung der
Verfügungsberechtigten, das Grundstück von der Belastung zu befreien, nach
§ 250 Satz 2 BGB Ersatz in Geld verlangt, erscheint die rechtliche Begründet-
heit eines solchen Anspruchs ebenfalls nicht unzweifelhaft. Wie das Beru-
fungsgericht nicht verkennt, war vor der Bestandskraft der Restitutionsent-
scheidung, soweit es um die Kläger geht, nur deren vermögensrechtlicher An-
spruch, dessen Abtretbarkeit und Verpfändbarkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VermG)
vielfach spekulativer Charakter zukommt (vgl. BGHZ 132, 306, 310), durch die
Belastung in seinem Wert gemindert. Zwar traf die Belastung auch das Grund-
stück; dieses stand aber noch im Eigentum der Verfügungsberechtigten. Mag
man auch die Belastung als solche in dem einen wie in dem anderen Fall
gleich bewerten, liefe eine Geldzahlungspflicht des Verfügungsberechtigten an
den Berechtigten in gewisser Weise - anders als das bloße Unterlassungsge-
bot des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG in seiner sichernden Funktion - auf eine Vor-
wegnahme der Restitutionsentscheidung hinaus; denn würde der Rückgabean-
trag abgelehnt, erwiese sich, daß den Restitutionsantragsteller ungeachtet der
Belastung in Wirklichkeit kein Schaden getroffen hat. Die Grenzlinie zwischen
dem nur den Restitutionsanspruch sichernden Unterlassungsgebot und der erst
durch die bestandskräftige Rückgabeentscheidung bewirkten Zuweisung des
Vermögenswerts (vgl. hierzu BGHZ 128, 210, 215; Senatsurteile BGHZ 137,
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183, 186; 140, 355, 359 f) würde bei einer solchen Beurteilung möglicherweise
überschritten. Es dürfte daher naheliegen, daß ein mit einem solchen Anspruch
befaßtes Zivilgericht das Verfahren nach § 148 ZPO aussetzen würde, um
nicht eine weittragende Entscheidung zu treffen, die sich im Falle eines erfolg-
losen Rückgabeantrags als unzutreffend erwiese. Ist zudem die Mitwirkung der
kreditierenden Bank nicht gesichert, verfügte der Restitutionsberechtigte bei
Annahme und Durchsetzung eines Anspruchs nach § 250 Satz 2 BGB über
erhebliche Geldmittel, ohne daß damit die Rückführung der Belastung sicher-
gestellt wäre. Eine solche Lösung wäre daher auch aus der Sicht des Verfü-
gungsberechtigten Bedenken ausgesetzt.
cc) Unter diesen Umständen würden für eine Pflicht der Verfügungsbe-
rechtigten, den Klägern durch Hinterlegung, Stellung einer Bürgschaft, wie die
Revisionserwiderung meint, oder in anderer Weise Sicherheit zu leisten, um
die Enthaftung des Grundstücks nach der Restitution unter Mitwirkung der kre-
ditgebenden Bank (§ 16 Abs. 10 Satz 4 VermG) vorzunehmen, sachliche
Gründe sprechen. Geht man nämlich von der den Restitutionsanspruch si-
chernden Funktion der Verfügungssperre aus, würde eine solche Lösung den
Interessen beider Seiten gerecht: Der Verfügungsberechtigte, der die Verfü-
gungssperre nicht beachtet hat, müßte die notwendige Sicherheit durch sein
freies Vermögen stellen; hätte der Restitutionsantrag keinen Erfolg, fiele die
Sicherheit wieder an ihn zurück. Im anderen Fall könnte sich der Restitutions-
berechtigte aus der Sicherheit befriedigen. Es fehlt indes an einer entspre-
chenden rechtlichen Grundlage. Wollte man entsprechende Grundsätze aus
der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG für das Schuldverhältnis zwischen
dem Restitutionsantragsteller und dem Verfügungsberechtigten entwickeln,
handelte es sich um einen Akt richterlicher Rechtsfortbildung, von dem die Klä-
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ger bei ihrer Entscheidung, den Ausgang des vermögensrechtlichen Verfah-
rens abzuwarten, nicht ausgehen konnten. Auch der in der mündlichen Revisi-
onsverhandlung erörterte Versuch, im Wege einstweiliger Verfügung eine vor-
läufige Sicherstellung zu erreichen, war den Klägern nicht zumutbar.
Angesichts dieser Unsicherheiten kann den Klägern nicht vorgeworfen
werden, sie hätten vor der Restitutionsentscheidung eine anderweitige Ersatz-
möglichkeit nicht in Anspruch genommen.
4.
Nach allem kann die Abweisung der Klage nicht bestehen bleiben. Das
Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren zu prüfen haben, in welcher Höhe
die nach der Neuordnung der Belastungen vom 29. März 2001 hier streitge-
genständliche Grundschuld in Abt. III lfd. Nr. 1a über 1.089.250,00 DM valu-
tiert. Dabei besteht Gelegenheit, sich mit dem Einwand der Revisionserwide-
rung auseinanderzusetzen, angesichts der nur dinglichen Belastung des Ei-
gentums könne der Schaden nicht über den Wert des Grundstücks ohne die
schadensstiftende Belastung hinausgehen.
Schlick
Wurm
Streck
Dörr
Herrmann