Urteil des BGH vom 28.04.2010
BGH (heilbehandlung, zpo, versorgung, klausel, anwendungsbereich, auslegung, therapie, umsetzung, sache, stellungnahme)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 205/09
vom
28. April 2010
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf,
die Richter Felsch und Lehmann
am 28. April 2010
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen
das Urteil des 9. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. September 2009
durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis
zum
28. Mai 2010
Gründe:
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung liegen nicht vor.
1
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dafür genügt es nicht, dass eine Ent-
scheidung von der Auslegung einer Klausel eines Rahmen-
Teilungsabkommens (TA) als einer privatrechtlichen Vereinbarung zwi-
schen dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung des Geschä-
2
- 3 -
digten und dem privaten Haftpflichtversicherer des Schädigers abhängt.
Erforderlich ist vielmehr, dass deren Auslegung über den konkreten
Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den be-
teiligten Verkehrskreisen umstritten ist (vgl. zu Klauseln in Allgemeinen
Versicherungsbedingungen Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003
- IV ZR 319/02 - r+s 2004, 166 unter II 2 b) und die Rechtssache damit
eine Rechtsfrage im konkreten Fall als entscheidungserheblich, klä-
rungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Inte-
resse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handha-
bung des Rechts berührt (BGHZ 154, 288, 291; 152, 182, 191).
Dass diese Voraussetzungen bei dem allein noch im Streit befind-
lichen § 1 (5) TA, der das Heilwesenrisiko vom Anwendungsbereich des
Abkommens ausnimmt, erfüllt sein könnten, wird weder im Berufungsur-
teil noch in der Revisionsbegründung dargelegt. Auch der Senat konnte
nicht feststellen, dass zu der angefochtenen Entscheidung und den sie
tragenden Gründen andere Auffassungen vertreten werden.
3
Die in Absatz 1 der Klausel enthaltene allgemein verständliche Be-
schreibung des ausgeschlossenen Anwendungsbereichs "Heilwesenrisi-
ko - Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser -" in Verbindung mit der in Ab-
satz 2 definitorisch vorgenommenen engen Begrenzung auf "die medizi-
nische Heilbehandlung" bei ausdrücklichem Einschluss der "allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht" in das Abkommen wirft Verständnisfragen
oder für die Entscheidung erhebliche klärungsfähige und klärungsbedürf-
tige Abgrenzungsfragen nicht auf.
4
Ein
darüber
hinausgehender abstrakt genereller Klärungsbedarf ist
weder dargetan noch sonst ersichtlich.
5
- 4 -
6
2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das Beru-
fungsgericht hat richtig entschieden.
Die pflegerische Betreuung in der Fachpflegeeinrichtung obliegt
dem Heimpersonal. Dazu gehört auch die Umsetzung einer von Ärzten
und Psychologen vorgegebenen Pflegetherapeutik wie die nach der hier
in Rede stehenden Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Die tägli-
che Versorgung unter Einschluss dieses DBT-Konzeptes wird damit nicht
selbst zu einer medizinischen Heilbehandlung und auch nicht zu einer
Maßnahme auf dem Gebiet des Heilwesens durch Ärzte, Zahnärzte,
Krankenhäuser, an die § 1 (5) Abs. 1 und 2 TA den Anwendungsaus-
schluss knüpfen.
7
Das von der Revision herangezogene Urteil des OLG Düsseldorf
(VersR 2007, 77) betrifft den - hier nicht einschlägigen - Sachverhalt des
Sturzes eines pflegebedürftigen Patienten aus einem Krankenhausbett.
Auf die weiteren, bedenklichen Ausführungen zu der davon nicht berühr-
ten allgemeinen Verkehrssicherungspflicht kommt es nicht an. Insoweit
ist allgemein anerkannt, dass neben den Heimträgern erwachsenden
Obhutspflichten zum Schutz körperlicher Unversehrtheit inhaltsgleiche
allgemeine Verkehrssicherungspflichten zum Schutz der Bewohner vor
Schädigungen bestehen, die diesen insbesondere infolge geistiger Er-
krankung durch sie selbst drohen; eine schuldhafte Verletzung dieser
Pflichten führt zu Schadensersatzansprüchen aus positiver Vertragsver-
letzung des Heimvertrages wie auch zu konkurrierenden Ansprüchen aus
§§ 823, 831 BGB (BGHZ 163, 53, 55; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867).
Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht wird indes in § 1 (5) Abs. 2 TA
8
- 5 -
ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Abkommens eingeschlos-
sen.
Der durch ärztliche, therapeutische Verhaltensvorgaben geprägte
Umgang mit Heiminsassen lässt ihre Pflege und Versorgung nicht zu ei-
ner medizinischen Heilbehandlung werden, auf die sich der Heilwesen-
ausschluss ausdrücklich ("lediglich") beschränkt.
9
Auf alle weiteren von der Revision aufgeworfenen Fragen kommt
es dann nicht mehr an.
10
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Felsch Lehmann
Hinweis:
erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 15.10.2008 - 11 O 268/07 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 23.09.2009 - 9 U 72/08 -