Urteil des BGH vom 05.10.2000

BGH (negative feststellungsklage, berufungsschrift, reihenfolge, partei, stelle, rechtsmittel, kirchhof, beschwerde, bezirk, zpo)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 47/00
vom
5. Oktober 2000
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Kreft,
Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Raebel
am 5. Oktober 2000
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Mai 2000 wird auf Ko-
sten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beklagte ist durch das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 3. März
2000 zugestellte Urteil des Landgerichts Dresden zur Zahlung von 50.000 DM
nebst Zinsen und Mahnkosten verurteilt worden. Am 3. April 2000 ging beim
Oberlandesgericht Dresden ein Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom
selben Tage mit folgendem Wortlaut ein:
"In Sachen ...bank D. e.G. gegen H. wegen Bürgschaft wird na-
mens und in Vollmacht der Beklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Dresden ... (Aktenzeichen, Datum und Zustel-
lungstag) Berufung eingelegt".
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Das erstinstanzliche Urteil war der Berufungsschrift nicht beigefügt. Die
Prozeßakten gingen am 10. April 2000 beim Oberlandesgericht ein.
Das Berufungsgericht hat die Berufung mit der Begründung verworfen,
die Berufungsschrift lasse nicht erkennen, wer Berufungskläger und wer Beru-
fungsbeklagter sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Be-
klagten.
II.
Das gemäß § 519 b Abs. 2 Halbs. 2, § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel
ist nicht begründet.
Eine Berufungsschrift muß entweder aus sich heraus oder mit Hilfe wei-
terer Unterlagen, etwa des ihr beigefügten erstinstanzlichen Urteils, bis zum
Ablauf der Rechtsmittelfrist zweifelsfrei erkennen lassen, für und gegen wen
das Rechtsmittel eingelegt werden soll (ständige höchstrichterliche Rechtspre-
chung, vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juni 1997 - VIII ZB 9/97, NJW 1997, 3383
m.w.N.; BAG NJW 1973, 1949, 1950).
Diese Voraussetzung erfüllte die Berufungsschrift vom 3. April 2000
nicht; bei den Namen der Prozeßparteien waren deren Parteirollen nicht ange-
geben. Die Reihenfolge, in der die Parteien aufgeführt sind, ist allerdings dann
zur Identifizierung des Berufungsklägers ausreichend, wenn es im Bezirk des
betreffenden Berufungsgerichts allgemein üblich ist, im Eingang von Schriftsät-
zen und gerichtlichen Entscheidungen in allen Instanzen unabhängig von den
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Parteirollen in der Rechtsmittelinstanz den Kläger stets an erster und den Be-
klagten an zweiter Stelle zu nennen (BGHZ 65, 114, 115; BGH, Urteil vom
19. November 1993 - V ZR 269/92, NJW 1994, 387). Der Präsident des Ober-
landesgerichts Dresden hat auf Anfrage mitgeteilt, daß eine solche Übung im
dortigen Bezirk zwar bestehe, soweit es um gerichtliche Entscheidungen und
Verfügungen gehe. Bei der beim Oberlandesgericht Dresden zugelassenen
Anwaltschaft gibt es danach jedoch keine einheitliche Übung hinsichtlich der
Reihenfolge der Parteibezeichnungen im Berufungsrechtszug; insbesondere
bei Berufungsschriften, so heißt es in der Auskunft, werde ein als Berufungs-
führer auftretender Beklagter nicht selten zuerst benannt. Von einer allgemei-
nen Übung kann somit insoweit hier nicht gesprochen werden.
Unabhängig von einer solchen Übung ist zur Klarstellung der Parteirol-
len die Reihenfolge, in der die Parteien aufgeführt worden sind, nur dann als
genügend angesehen worden, wenn Berufungsführer der Kläger ist; denn der
Kläger als Rechtsmittelführer pflegt niemals erst an zweiter Stelle genannt zu
werden (BGH, Beschluß vom 19. Mai 1983 - V ZB 14/83, VersR 1983, 778;
BVerfGE 71, 202, 204 f). Im vorliegenden Fall ist indessen die Berufung für die
verklagte Partei eingelegt worden; dafür gibt es, wo keine Übung im oben er-
örterten Sinn besteht, eine entsprechende Regel nicht (vgl. BGH, Beschluß
vom 15. Juli 1999 - IX ZB 45/99, BGHR ZPO § 518 Abs. 2 - Parteibezeich-
nung 17).
Die von der Beklagten geäußerte Ansicht, aus der Angabe des Prozeß-
gegenstands ("wegen Bürgschaft") ergebe sich, wer die klagende Partei sei, ist
nicht richtig. Entgegen der Meinung der Beklagten gehören Bürgschaften für
natürliche Personen zu den üblichen Bankgeschäften. Im übrigen kann auch
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ein Bürge in der Rolle des Klägers auftreten, wenn er beispielsweise eine ne-
gative Feststellungsklage erhebt.
Kreft Stodolkowitz Kirchhof
Fischer Raebel