Urteil des BGH vom 01.12.2005

BGH (öffentliche aufgabe, aufgabe, ddr, inkrafttreten, geltungsbereich, eintritt, ausschluss, brandenburg, sicherung, fortbildung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 257/04
vom
1. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 1. Dezember 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Beschluss des Se-
nats vom 29. September 2005 gibt keine Veranlassung zur Ände-
rung dieser Entscheidung.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
vom 11. November 2004 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewie-
sen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt
1.278.229,70 EUR.
Gründe:
1. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage,
die von grundsätzlicher Bedeutung sein soll, ob die öffentliche Nutzung an ei-
nem Deponiegrundstück mit der Stilllegung oder erst mit der Beendigung der
Rekultivierung nach § 36 Abs. 2 KrW/AbfG endet, stellt sich hier nicht. Die von
der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Beseitigung der Ablagerungen,
hilfsweise auf Schadensersatz, sind durch § 9 Abs. 2 VerkFlBerG ausgeschlos-
sen.
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a) § 9 Abs. 2 VerkFlBerG ist unmittelbar anwendbar, wenn die Nutzung
des Grundstücks der Klägerin für eine öffentliche Verwaltungsaufgabe bis zur
Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Nachsorgepflicht aus § 36 KrW/AbfG noch
fortdauert. Das hat das Berufungsgericht angenommen, dessen Auffassung
durch die Begründung zu den Deponiegrundstücken in § 1 Abs. 1 Satz 4
VerkFlBerG gestützt wird (BT-Drucks. 14/6964, S. 12; dazu auch Matthiessen in
Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 VerkFlBerG Rdn. 18).
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b) § 9 Abs. 2 VerkFlBerG schließt die vorgenannten Ansprüche jedoch
auch dann aus, wenn - wovon die Nichtzulassungsbeschwerde ausgeht - die
öffentliche Nutzung als Deponiegelände bereits mit der Stilllegung im Jahre
1992 und damit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 2001 aufge-
geben worden sein sollte. Die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs
in § 1 Abs. 1 VerkFlBerG dahin, dass die Grundstücke beim Inkrafttreten des
Gesetzes noch der öffentlichen Aufgabe dienen müssen, gilt nur für die im Ge-
setz bestimmten Bereinigungsansprüche, jedoch nicht für die Regelung der
Rechtsfolgen aus einer Aufgabe einer öffentlichen Nutzung nach § 9 Abs. 2
VerkFlBerG (Trimbach/Matthiesen, VIZ 2002, 1, 2; Eickmann/Purps, SachenR-
BerG [2002], § 1 VerkFlBerG Rdn. 12).
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Das entspricht dem Zweck der an § 82 SachenRBerG orientierten Rege-
lung in § 9 Abs. 2 VerkFlBerG, mit der die Härten der allgemeinen Ansprüche
aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch für den öffentlichen Nutzer vermieden wer-
den sollen (BT-Drucks. 14/6204, S. 22). Damit wäre es unvereinbar, den öffent-
lichen Nutzer allein deshalb schlechter zu stellen, weil die in der DDR begrün-
dete öffentliche Nutzung nicht über ein Jahrzehnt nach dem Eintritt in den Gel-
tungsbereich des Grundgesetzes fortgesetzt wurde. Eine entsprechende An-
wendung des § 9 Abs. 2 VerkFlBerG ist zudem zur Vermeidung einer mit dem
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Regelungszweck untragbaren Ungleichbehandlung der Eigentümer jener
Grundstücke geboten, die in der DDR für eine öffentliche Aufgabe in Anspruch
genommen wurden. Nur dann werden nicht die Eigentümer der Grundstücke
bevorzugt, die diese bereits vor dem 1. Oktober 2001 infolge der Aufgabe der
öffentlichen Nutzung wieder privatnützig verwenden konnten, und allein die Ei-
gentümer der Grundstücke durch den Ausschluss der allgemeinen Ansprüche
benachteiligt, die durch die über zehn Jahre nach dem 3. Oktober 1990 fort-
dauernde öffentliche Nutzung in der Ausübung ihrer Eigentümerrechte beson-
ders eingeschränkt waren.
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2. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechts-
sache hat - wie ausgeführt - keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entschei-
dung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 30.09.2003 - 6 O 506/99 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 11.11.2004 - 5 U 128/03 -