Urteil des BGH vom 08.11.2012

BGH: vertrag zu lasten dritter, rechtliches gehör, baustelle, geschäftsführer, erbe, widerklage, erheblichkeit, vertragsschluss, testament, tod

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 199/11
vom
8. November 2012
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. November 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
Richter Dr. Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion wird stattgegeben.
Das Urteil des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlan-
desgerichts vom 31. August 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO
aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klägers entschieden worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbe-
schwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 21.476,65
Gründe:
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Gewährleistungsansprüche im Zu-
sammenhang mit von der Beklagten ausgeführten Klinkerarbeiten an einem
Einfamilienhaus in F. geltend. Die Beklagte hat widerklagend Restwerklohn ge-
fordert.
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Am 29. Juli 2004 beauftragte der Kläger als Vertreter seiner Mutter die
Beklagte mit der Verklinkerung eines Einfamilienhauses. Die Mutter des Klägers
ist am 30. März 2005 verstorben. Der Kläger behauptet, Alleinerbe seiner Mut-
ter zu sein. Außerdem behauptet er, der Beklagten nach dem Tod seiner Mutter
die Verklinkerung des Hauses zu gleichen Bedingungen wie im Vertrag vom
29. Juli 2004 selbst auf eigene Rechnung in Auftrag gegeben zu haben.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an
ihn einen Betrag in Höhe von insgesamt 21.476,65
€ nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen und den
Kläger zu verurteilen, an sie 5.312,51
€ nebst Zinsen zu zahlen. Der Kläger hat
beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.300,50
nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Wider-
klage hat das Landgericht den Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.312,51
nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht
die Widerklage und auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage abge-
wiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen
richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der dieser die Zulassung der Revi-
sion erstrebt, soweit zu seinem Nachteil entschieden worden ist.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Kläger fehle die Aktiv-
legitimation. Grundsätzlich zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass
der Kläger nach §§ 1922, 1924 BGB als Erbe nach seiner Mutter in Betracht
komme. Die Erbenstellung sei indes von der Beklagten durchgehend bestritten
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worden. Weder sei bekannt, ob nicht noch weitere Erben vorhanden seien,
noch, ob ein Testament bestehe. Aus mehreren Umständen ergäben sich er-
hebliche Zweifel, ob der Kläger tatsächlich Erbe seiner Mutter geworden sei.
Diese Zweifel habe er mit seiner Erklärung, er sei der einzige Abkömmling und
es bestehe kein Testament, nicht ausgeräumt.
Der Kläger habe auch nicht substantiiert vorgetragen, dass er mit der
Beklagten selbst einen gleichlautenden Vertrag geschlossen habe und nunmehr
aus eigenem Recht zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt sei. Dies
gelte auch, soweit er vortrage, dass nach Erhalt eines Schreibens der Beklag-
ten vom 6. Juni 2005 eine Auftragserteilung durch den Kläger auf der Baustelle
erfolgt sei. Hierfür werde die Zeugin B. zum Beweis angeboten. Der Beweisan-
tritt sei jedoch unsubstantiiert, denn es fehle die zeitliche Angabe, wann diese
Begegnung auf der Baustelle erfolgt sei und welchen konkreten Inhalt sie ge-
habt habe. Daher würde die Vernehmung der angebotenen Zeugin B. auf einen
Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Im Übrigen wäre auch bei Annahme eines
solchen Vertragsschlusses kein Vertrag mit dem Kläger zustande gekommen.
Denn Rechtsnachfolger der Verstorbenen seien deren Erben. Ein Eintreten des
Klägers in diesen Vertrag und damit ein Verdrängen der Erben würde einen
Vertrag zu Lasten Dritter darstellen, der unzulässig wäre.
2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des
Klägers auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb, soweit zum
Nachteil des Klägers entschieden worden ist, aufzuheben, und die Sache ist im
Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544
Abs. 7 ZPO. Das Berufungsgericht verletzt den Anspruch des Klägers auf recht-
liches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, indem es die vom Kläger vorgetragene Be-
hauptung, er habe der Beklagten auf der Baustelle einen Auftrag zu gleichen
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Bedingungen wie im Vertrag vom 29. Juli 2004 erteilt, als unsubstantiiert einge-
stuft und die vom Kläger zum Beweis für diese Behauptung angebotene Zeugin
B. nicht vernommen hat.
a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt
gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet
(BVerfG, NJW 2009, 1585; BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11,
juris Rn. 14 m.w.N.). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Gericht die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ablehnung
eines Beweisantrags für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese
so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann
oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (vgl. BVerfG, ZIP 1996,
1761, 1762). Die der Beweiserhebung vorgeschaltete Handhabung der Sub-
stantiierungsanforderungen verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig
unrichtig ist (BGH, Beschluss vom 22. August 2012 - VII ZR 2/11, juris Rn. 14;
BGH, Beschluss vom 16. November 2010 - VIII ZR 228/08, juris Rn. 14).
b) Eine derartige Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Ge-
hör liegt hier vor.
aa) Sachvortrag ist erheblich, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die
in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, den geltend gemachten
Anspruch zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2003
- XI ZR 232/02, NJW-RR 2004, 45 m.w.N.). Die Angabe näherer Einzelheiten ist
nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Der
Sachvortrag bedarf im Hinblick auf die Erwiderung des Gegners nur dann der
Ergänzung, wenn er infolge dieser Einlassung unklar wird und nicht mehr den
Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt. Eine Be-
weisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abge-
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lehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme
des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu beurtei-
len (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, NJW 2009, 502
Rn. 32).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Vortrag des Klägers zur
Erteilung eines Auftrags auf der Baustelle zu gleichen Bedingungen wie im Ver-
trag vom 29. Juli 2004 hinreichend substantiiert. Der Kläger hat mit Schriftsatz
vom 9. Mai 2008 vorgetragen, er habe im Anschluss an das Schreiben der Be-
klagten vom 6. Juni 2005 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten auf
der Baustelle zum zweiten Mal den Auftrag erteilt. Ferner hat der Kläger mit
Schriftsatz vom 9. Mai 2008 vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Beklag-
ten daraufhin im Beisein der Zeugin B. bestätigt habe, der Kläger sei nunmehr
auf jeden Fall Auftraggeber. Zum Beweis für diesen Vortrag hat der Kläger die
Vernehmung der Zeugin B. angeboten. Außerdem hat der Kläger mit Schriftsatz
vom 30. Januar 2009 den genannten Vortrag dahingehend präzisiert, dass er
bei einem Termin auf der Baustelle Ende Juni 2005 dem Geschäftsführer der
Beklagten nochmals die telefonische Beauftragung vom 23. Mai 2005 bestätigt
habe und dass sich der Geschäftsführer der Beklagten bei dieser Gelegenheit
in Gegenwart der Zeugin B. mit dem Kläger als Auftraggeber einverstanden
erklärt habe. Zum Beweis für diesen Vortrag hat der Kläger die Vernehmung
der Zeugin B. angeboten. Mit der Nichterhebung des genannten Zeugenbewei-
ses hat das Berufungsgericht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
c) Auf dem Verfahrensverstoß kann das Urteil des Berufungsgerichts
auch beruhen; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei
Erhebung des genannten Zeugenbeweises von einem Vertragsschluss zwi-
schen den Parteien aufgrund eines vom Kläger im eigenen Namen zu gleichen
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Bedingungen wie beim Vertragsschluss vom 29. Juli 2004 erteilten Auftrags
ausgegangen wäre. Die Entscheidungserheblichkeit kann auch nicht mit der
Erwägung des Berufungsgerichts verneint werden, ein Eintreten des Klägers in
den von seiner Mutter geschlossenen Vertrag würde einen Vertrag zu Lasten
Dritter, nämlich der verdrängten Erben, darstellen, der unzulässig wäre. Denn
der Vortrag des Klägers geht nicht dahin, dass er in den von seiner Mutter ge-
schlossenen Vertrag an deren Stelle eingetreten wäre, sondern dahin, dass er
nach dem Tod seiner Mutter selbst auf eigene Rechnung die Verklinkerung des
Hauses zu gleichen Bedingungen wie im Vertrag vom 29. Juli 2004 in Auftrag
gegeben habe.
d) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich
gegebenenfalls mit den weiteren Rügen des Klägers in der Nichtzulassungsbe-
schwerde auseinanderzusetzen. Zutreffend weist dieser darauf hin, dass die
vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel an seiner Erbenstellung wegen der
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dargelegten Umstände nicht nachvollziehbar sind. Diese Umstände lassen kei-
nen Rückschluss darauf zu, dass der alleinige Sohn der Verstorbenen nicht de-
ren Erbe ist.
Kniffka
Safari Chabestari
Eick
Kosziol
Kartzke
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 26.02.2010 - 4 O 578/07 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 31.08.2011 - 13 U 32/10 -