Urteil des BGH vom 22.04.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 15/09
vom
22. April 2010
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 857 Abs. 1
Stehen einem Wohnungseigentümer Sondernutzungsrechte an Parkplätzen zu, die
er treuhänderisch für den aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschie-
denen Bauträger verwaltet, sind die sich aus dem Treuhandverhältnis ergebenden
Ansprüche des Bauträgers grundsätzlich pfändbar.
BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - VII ZB 15/09 - LG Potsdam
AG
Potsdam
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Kuffer, Bauner,
Halfmeier und Leupertz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der
5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 7. Januar 2009
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-
rückverwiesen.
Gründe:
I.
1
Die Gläubigerin betreibt wegen einer titulierten Forderung von 14.000 €
zuzüglich Kosten die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin.
2
Die Gläubigerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Dritt-
schuldner sind Erwerber von Wohnungseigentum in der Gemeinschaftsanlage.
Ursprüngliche Eigentümerin und Teilerin des gemeinschaftlichen Grundstücks
war die Schuldnerin. In der Teilungserklärung vom 15. Oktober 1996 ordnete
sie die Sondernutzungsrechte an 33 Kraftfahrzeugstellplätzen dem von ihr ge-
haltenen Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 1 zu und veräußerte sie in
der Folgezeit großenteils an verschiedene Erwerber. Mit notariellem Vertrag
vom 17. Dezember 1996 verkaufte die Schuldnerin die Wohnung Nr. 1 nebst
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den Sondernutzungsrechten an den Stellplätzen Nr. 2 und 3 an die Drittschuld-
ner. Die zu dieser Zeit von der Schuldnerin noch nicht veräußerten Sondernut-
zungsrechte an den Stellplätzen Nr. 4, 17, 18, 19, 22, 23, 24, 25, 32 und 33
blieben weiterhin der Wohnung Nr. 1 zugeordnet. Mit Nachtrag zur Teilungser-
klärung vom 19. Juli 1999 bevollmächtigte die Drittschuldnerin zu 2) die Schuld-
nerin, in ihrem - der Drittschuldnerin - Namen diese zuletzt genannten, bei der
Wohnung Nr. 1 verbliebenen Sondernutzungsrechte zu veräußern und einer der
anderen Wohneinheiten zuzuordnen sowie die entsprechenden Erklärungen
zum Grundbuch abzugeben.
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Am 8.
Oktober
2008 hat die Gläubigerin beim Amtsgericht
- Vollstreckungsgericht - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbe-
schlusses beantragt, mit dem die angeblichen gegenwärtigen und künftigen
Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldner aus dieser Rechtsbezie-
hung gepfändet werden sollten. Die zu pfändenden Forderungen hat sie in ih-
rem Antrag wie folgt beschrieben:
"…Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis oder einem sonstigen
Rechtsverhältnis betreffend die Sondernutzungsrechte an den Parkplät-
zen Nr. 4, 17,18, 19, 22, 23, 24, 25, 32, 33 (…) auf
a)
Herausgabe oder Übertragung der Sondernutzungsrechte bzw.
Neuzuordnung zu einer anderen Wohnungseinheit der Woh-
nungseigentumsanlage, oder Zustimmung hierzu,
b)
Verwaltung der Sondernutzungsrechte, insbesondere auf Vermie-
tung, Verpachtung oder sonstige Nutzungsüberlassung an Dritte,
Einzug der Miete oder sonstigen Entgelts für die Nutzungsüber-
lassung,
c)
Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftigen
Überschüsse (Guthaben), die der Schuldnerin aus der Verwaltung
jeweils gebühren,
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d)
Abtretung von Miet- und sonstigen Entgeltansprüchen gegen Mie-
ter und Nutzer der Parkplätze,
e)
Das Recht des Schuldners auf Kündigung des Treuhandvertrages.
Die Kündigung des Treuhandvertrages wird hiermit ausgespro-
chen.“
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Weiter hat die Gläubigerin beantragt, die Verwertung der zu pfändenden
Rechte im Wege einer Versteigerung anzuordnen.
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Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die hiergegen gerichtete so-
fortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet
sich die Gläubigerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie wei-
terhin den Erlass des begehrten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
begehrt.
II.
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Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthaf-
te und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Be-
schwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat sich zur Begründung seiner Entscheidung
der Erwägung des Amtsgerichts angeschlossen, wonach die Sondernutzungs-
rechte in der begehrten Form nicht pfändbar seien. Im Übrigen hat es ausge-
führt, dass die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Beschlusses
nicht vorlägen. Soweit die Gläubigerin nämlich Ansprüche aus einem Treu-
handverhältnis zwischen der Schuldnerin als Treugeberin und den Drittschuld-
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nern als Treuhändern hinsichtlich der der Wohnung Nr. 1 zugeordneten Stell-
plätze pfänden wolle, reiche der Titel gegen die Schuldnerin nicht aus. Gegen-
stand der Zwangsvollstreckung könne nur das Vermögen des im Vollstre-
ckungstitel bezeichneten Schuldners sein. Das Treugut sei aber rechtlich den
Drittschuldnern zugeordnet. Zum Treugut gehörige Forderungen könnten daher
aufgrund eines Vollstreckungstitels gegen den Treugeber nicht gepfändet wer-
den. Die Gläubigerin könne lediglich den Anspruch der Schuldnerin gegen die
Drittschuldner pfänden lassen, habe dies aber nicht geltend gemacht.
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2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der gegen die
Schuldnerin gerichtete Titel der Gläubigerin ist ausreichende Grundlage für den
Erlass des begehrten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Die im An-
trag der Gläubigerin bezeichneten Ansprüche zu a) bis d) sind pfändbar.
a) Die Gläubigerin hat in der Beschwerdebegründung klargestellt, dass
Gegenstand der Pfändung nicht die Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen
sein sollen, sondern allein die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen
die Drittschuldner aus dem mit diesen bestehenden Treuhandverhältnis. Die zu
pfändenden Ansprüche sind damit hinreichend bestimmt bezeichnet (vgl. zu
den insoweit zu stellenden Anforderungen BGH, Urteile vom 28. Februar 1975
- V ZR 146/73, NJW 1975, 980, 981 und vom 28. April 1988 - IX ZR 151/87,
NJW 1988, 2543, 2544 jeweils m.w.N.). Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist da-
von auszugehen, dass zwischen der Schuldnerin und den Drittschuldnern ein
Treuhandverhältnis besteht.
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b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht dem Erlass
eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht entgegen, dass die
Gläubigerin keinen Titel gegen die Drittschuldner hat. Zwar ist es richtig, dass
es zur Vollstreckung in Rechte, die zu einem Treuhandvermögen gehören, ei-
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nes Titels bedarf, in dem der Treuhänder als Vollstreckungsschuldner bezeich-
net ist. Denn diese Rechte sind bei der treuhänderischen Rechtsbegründung
mit voller dinglicher Wirkung auf den Treuhänder übergegangen (BGH, Urteil
vom 5. November 1953 - IV ZR 95/53, BGHZ 11, 37, 43). Die Notwendigkeit
eines Titels gegen den Treuhänder besteht aber nicht, wenn nicht das Treugut
selbst, sondern ein Anspruch des Treugebers gegen den Treuhänder aus dem
Treuhandverhältnis, etwa auf Rückübertragung des Treuguts (BGH, Urteile vom
5. November 1953 - IV ZR 95/53, aaO und vom 26. Juni 1958 - VII ZR 56/57,
WM 1958, 1222, 1223) oder auf Herausgabe des Erlangten (BGH, Urteil vom
9. Dezember 1993 - IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298, 300) gepfändet werden soll.
Dann genügt ein Titel allein gegen den Treugeber, zu dessen Vermögen diese
Ansprüche gehören.
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So ist es hier. Das Beschwerdegericht verkennt, dass die Gläubigerin
nicht Ansprüche pfänden will, die aufgrund einer treuhänderischen Übertragung
in das Vermögen der Drittschuldner gelangt sind. Der Pfändungsantrag bezieht
sich vielmehr auf angebliche Ansprüche der Schuldnerin, die ihr gegen die
Drittschuldner zustehen sollen. Für diese Pfändung ist der Vollstreckungstitel
gegen die Schuldnerin erforderlich und ausreichend.
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c) Der Pfändung unterliegen demnach die angeblichen Ansprüche auf
Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftigen Überschüsse aus
der Verwaltung der Stellplätze (Pfändungsantrag lit. c) sowie auf Abtretung von
Entgeltforderungen gegen die Stellplatzmieter (Pfändungsantrag lit. d). Bei die-
sen Ansprüchen handelt es sich um Geldforderungen, § 829 ZPO, beziehungs-
weise um andere Vermögensrechte im Sinne von § 857 Abs. 1 ZPO. Die künfti-
gen Zahlungsansprüche sind pfändbar, weil der Rechtsgrund für die Abführung
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der Überschüsse mit der Treuhandabrede bereits gelegt ist (vgl. BGH, Urteil
vom 29. März 2001 - IX ZR 34/00, BGHZ 147, 193, 195 f.).
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d) Auch die im Pfändungsantrag lit. a und b bezeichneten Ansprüche
sind als andere Vermögensrechte pfändbar, § 857 Abs. 1 ZPO. Es handelt sich
nicht um bloße Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten, die einer isolierten
Pfändung nicht zugänglich sind (vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 3. Aufl.,
§ 857 Rdn. 18 f.; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 857 Rdn. 2).
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aa) Der in der Treuhandabrede begründete Anspruch auf Verwaltung der
Sondernutzungsrechte besteht darin, dass die Drittschuldner verpflichtet sind,
mit den treuhänderisch gehaltenen Sondernutzungsrechten nach näherer Wei-
sung der Schuldnerin zu verfahren. Er ist verwertbar und hat einen Vermö-
genswert, § 857 Abs. 1 ZPO, weil seine Ausübung dazu führt, dass mit dem
Treugut etwa durch Vermietung Einnahmen erzielt werden, auf die zugegriffen
werden kann. Entsprechendes gilt für die Ansprüche aus dem Treuhandverhält-
nis auf Herausgabe oder Übertragung der Sondernutzungsrechte bzw. deren
Neuzuordnung oder die Zustimmung hierzu. Diese sind ebenso verwertbar und
vermögenswert und damit pfändbar.
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bb) Die Regelungen über die Immobiliarvollstreckung hindern die Pfänd-
barkeit dieser aus dem Treuhandverhältnis begründeten Ansprüche nicht. Un-
beschadet des Streits darüber, ob die Sondernutzungsrechte beziehungsweise
das Zuweisungsrecht der Mobiliar- oder der Immobiliarvollstreckung unterwor-
fen sind (vgl. OLG Stuttgart, Rpfleger 2002, 576; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl.,
§ 857 Rdn. 12 b; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rdn. 1792;
Schuschke, NZM 1999, 830, 831), handelt es sich bei den in der Treuhand be-
gründeten Ansprüchen selbst weder um grundstücksgleiche Rechte, § 864
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Abs. 1 ZPO, noch um solche, die in den Haftungsverband der Hypothek fallen,
§ 865 Abs. 1 ZPO.
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cc) Die Pfändbarkeit dieser Ansprüche ist nicht nach § 851 Abs. 1 ZPO
i.V.m. § 857 Abs. 1 ZPO wegen einer Einschränkung ihrer Übertragbarkeit aus-
geschlossen. Denn der Umstand, dass ein Sondernutzungsrecht selbst nur in-
nerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft übertragbar (BGH, Beschluss
vom 24. November 1978 - V ZB 11/77, BGHZ 73, 145, 147 f.) und das Zuwei-
sungsrecht nur in diesem Rahmen verkehrsfähig ist (OLG Stuttgart, Rpfleger
2002, 576; MünchKommBGB/Commichau, 5. Aufl., § 10 WEG Rdn. 44), ist für
die zu pfändenden schuldrechtlichen Ansprüche gegen die zuweisungsberech-
tigten Drittschuldner unerheblich.
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dd) Der Pfändbarkeit beider Ansprüche steht auch § 851 Abs. 1 ZPO
i.V.m. § 664 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach ist der Anspruch auf Ausfüh-
rung des Auftrags im Zweifel nicht übertragbar und damit unpfändbar; im Rah-
men der Geschäftsbesorgung gilt Entsprechendes (vgl. nur Staudinger/Martinek
[2006], § 675 Rdn. A 52). Die Regelung des § 664 Abs. 2 BGB besteht, weil
einem Auftragsverhältnis häufig ein persönliches Vertrauensverhältnis zugrunde
liegt (vgl. Staudinger/Martinek [2006], § 664 Rdn. 3; Palandt/Sprau, BGB,
69. Aufl., § 664 Rdn. 7). Ein Anspruch aus einem Treuhandverhältnis ist über-
tragbar, wenn die Treuhand nicht auf einem solchen Vertrauensverhältnis be-
ruht. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Bauträger kraft des Treuhandver-
hältnisses noch die Möglichkeit hat, Sondernutzungsrechte wirtschaftlich zu
nutzen.
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III.
18
Der Senat kann nicht abschließend selbst entscheiden, § 577 Abs. 5
Satz 1 ZPO. Die Anordnung der beantragten Verwertungsart der Versteigerung
setzt eine Abwägung der schutzwürdigen Gläubiger- und Schuldnerinteressen
voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 2000, 400; OLG Stuttgart, Rpfleger
1964, 179, 180 f.; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rdn. 1466). Zudem
müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 844 Abs. 1 ZPO vorlie-
gen. Feststellungen zu beiden Punkten sind nicht getroffen. Der bisherige Vor-
trag der Gläubigerin in der Begründung der sofortigen Beschwerde (dort unter
II. 3) reicht nicht aus, um die Anordnung einer anderen Art der Verwertung zu
tragen. Es ist auch nicht ersichtlich, was etwa der Überweisung und Einziehung
der zu pfändenden Geldforderungen im Wege stünde. Das Beschwerdegericht
wird daher vor der Entscheidung über den Antrag auf Erlass des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses der Gläubigerin Gelegenheit zu ergänzendem
Vortrag zu geben und die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.
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Über den Antrag auf Pfändung des Kündigungsrechts (lit. e) kann der
Senat ebenfalls nicht abschließend entscheiden. Die mit der Pfändung ausge-
sprochene Kündigung würde der Gläubigerin die Grundlage für die durch die
Pfändung der übrigen Ansprüche erlangten Rechte entziehen. Das ist ersicht-
lich, wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, nicht gewollt. Das Be-
schwerdegericht wird aufzuklären haben, ob der Antrag aufrechterhalten bleibt
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und gegebenenfalls darüber zu befinden haben, ob die beantragte Pfändung
möglich ist.
Kniffka Kuffer Bauner
Halfmeier
Leupertz
Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 19.11.2008 - 48 M 4532/08 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 07.01.2009 - 5 T 868/08 -