Urteil des BGH vom 23.01.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 185/07
vom
23. Januar 2008
in der Unterbringungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1906
Das Vormundschaftsgericht darf die Unterbringung des Betroffenen in einer
geschlossenen Einrichtung nicht genehmigen, wenn die Freiheitsentziehung
als solche nicht notwendig ist und die Genehmigung letztlich nur eine Rechts-
grundlage abgeben soll, den Betroffenen in einer offenen Abteilung der Ein-
richtung einer erforderlichen - auch zwangsweisen - Behandlung mit Medika-
menten zu unterziehen.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - OLG Dresden
LG
Dresden
AG
Pirna
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2008 durch den
Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen werden
der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden
vom 21. September 2007 im Verfahren 2 T 848/07 aufgehoben
und der Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 30. August
2007 wie folgt abgeändert:
Der Antrag der Betreuerin vom 9. August 2007, die geschlos-
sene Unterbringung des Betroffenen zu genehmigen, wird zu-
rückgewiesen.
Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde gegen den
vorgenannten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Dresden verworfen.
2. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird
festgestellt, dass der Beschluss der 2. Zivilkammer des Land-
gerichts Dresden vom 21. September 2007 im Verfahren 2 T
835/07 und der Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom
23. August 2007 rechtswidrig sind.
3. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Auslagen des Be-
troffenen hat die Staatskasse zu tragen.
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Gründe:
I.
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Die Beteiligte zu 1 ist Betreuerin des (1960 geborenen) Betroffenen mit
den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Sie hat
die Genehmigung beantragt, den Betroffenen in einer geschlossenen Einrich-
tung unterzubringen, um die regelmäßige Einnahme der ihm ärztlich verordne-
ten Psychopharmaka sicherzustellen. Der Betroffene, der seit 2 ½ Jahren in der
Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N. lebt und sich in dieser Zeit bereits
mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung befand, lehnt die Einnahme
der Medikamente ab.
Nach einem vom Amtsgericht eingeholten nervenärztlichen Gutachten
leidet der Betroffene an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie mit Ver-
änderungen der Persönlichkeit im Sinne eines schizophrenen Defekts. Er ver-
weigere die normale Körperhygiene, werde zunehmend inkontinent und sei in
hohem Maße aggressiv; seine Steuerungsfähigkeit sei erheblich gestört. Die
Einnahme der Psychopharmaka sei erforderlich, um zu verhindern, dass sich
die Symptome der Krankheit und die sich daraus für den Betroffenen und für
seine Umgebung ergebenden Gefahren verstärken. Zur Notwendigkeit der Un-
terbringung des Betroffenen K. ist in dem Gutachten ausgeführt:
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"Trotz der angeordneten geschlossenen Unterbringung war eine solche
im engeren Sinne nicht notwendig. Das heißt, Herr K. befand sich nicht
in einem abgeschlossenen Bereich der Psychiatrischen Klinik. Die [Ge-
nehmigung der] geschlossene[n] Unterbringung diente allein dem Zweck,
ihm Medikamente gegen seinen Willen verabreichen zu können. … Die
Unterbringung wird für … erforderlich gehalten …, um ihn kontinuierlich
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gegen seinen Willen mit einem Neuroleptikum behandeln zu können und
gleichzeitig seine Umwelt dadurch vor ihm zu schützen. Herr K. muss
nicht in einem geschlossenen Bereich einer Psychiatrischen Klinik unter-
gebracht sein, da Weglauftendenzen seinerseits nicht bestehen und er
sich selbst in der Wohnstätte wohl fühlt. Der Antrag auf geschlossene
Unterbringung dient in erster Linie der Sicherung einer neuroleptischen
und spannungslösenden Medikation … ."
Das Amtsgericht hat eine Unterbringung des Betroffenen "in einer ge-
schlossenen Einrichtung" zum Zweck der - auch zwangsweisen - Behandlung
mit Neuroleptika und Beruhigungsmitteln wiederholt genehmigt, zuletzt - im
Wege der einstweiligen Anordnung - mit Beschluss vom 23. August 2007 für die
Zeit bis zum 20. September 2007 sowie - unter Ersetzung dieses Beschlusses
und als Entscheidung in der Hauptsache - mit Beschluss vom 30. August 2007
für die Zeit bis zum 22. August 2008. Im Beschluss vom 30. August 2007 hat
das Amtsgericht ausgeführt, dass "zumindest im Moment nicht beabsichtigt"
sei, "den Betroffenen entweder im geschlossenen Bereich der Wohnstätte oder
im geschlossenen Bereich einer psychiatrischen Klinik tatsächlich unterzubrin-
gen". Eine vom Vormundschaftsgericht genehmigte Unterbringung eines Betrof-
fenen könne auch offen vollzogen werden, wenn der Zustand des Betroffenen
dies erlaube. Im vorliegenden Fall erfordere das Wohl des Betroffenen die Ge-
nehmigung der Unterbringung mit der damit verbundenen Möglichkeit der Be-
handlung gegen seinen Willen; andererseits könne dessen Unterbringung aber
- zumindest im Moment - offen vollzogen werden. Es wäre schwer verständlich,
wenn dem kranken Betroffenen nur dadurch geholfen werden könnte, dass man
ihn auch faktisch seiner Freiheit beraubte oder ihn - ohne eine solche mit der
offenen Unterbringung einhergehende Zwangsbehandlung
- aufgrund der
Nichteinnahme der Medikamente innerhalb kürzester Zeit, voraussichtlich unter
Gewaltanwendung, wieder in die Klinik verbringen müsste.
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- 5 -
Gegen beide Beschlüsse hat die Verfahrenspflegerin für den Betroffenen
sofortige Beschwerde eingelegt und hinsichtlich des - inzwischen durch die spä-
tere Entscheidung des Amtsgerichts ersetzten - Beschlusses vom 23. August
2007 beantragt festzustellen, dass die in diesem Beschluss erteilte Genehmi-
gung einer geschlossenen Unterbringung rechtswidrig war. Das Landgericht hat
beide sofortigen Beschwerden mit Beschlüssen vom 21. September 2007 zu-
rückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Verfahrenspflegerin namens des Be-
troffenen mit der sofortigen weiteren Beschwerde. Sie beantragt, den in der
Hauptsache ergangenen Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August 2007 und
den ihre hiergegen gerichtete Beschwerde zurückweisenden Beschluss des
Landgerichts vom 21. September 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass
die gerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des Betroffe-
nen in der Zeit vom 4. September 2007 [Einlegung der sofortigen Beschwerde]
bis in die jüngste Vergangenheit rechtswidrig waren. Hinsichtlich des im einst-
weiligen Anordnungsverfahren ergangenen Beschlusses des Amtsgerichts vom
23. August 2007 und des ihre hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zu-
rückweisenden Beschlusses des Landgerichts vom 21. September 2007 be-
gehrt sie die Feststellung, dass diese Beschlüsse rechtswidrig waren.
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Der Betroffene befindet sich inzwischen wieder in der Sozialtherapeuti-
schen Wohnstätte in N., die er als sein Zuhause ansieht.
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2. Das Oberlandesgericht hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Ent-
scheidung über die sofortigen weiteren Beschwerden vorgelegt.
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Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sind die angefochtenen Ent-
scheidungen nicht, wie die Verfahrenspflegerin meint, deshalb rechtswidrig und
die sofortigen weiteren Beschwerden begründet, weil eine genehmigungsfähige
Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung nicht vorliege und auch nicht
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- 6 -
erforderlich sei. Zwar werde der Betroffene weder in einem räumlich abgegrenz-
ten Bereich eines geschlossenen Krankenhauses festgehalten noch werde sein
Aufenthalt ständig überwacht; dies sei nach Einschätzung des vom Amtsgericht
eingeholten Sachverständigengutachtens auch nicht erforderlich. Eine Frei-
heitsentziehung könne indes auch dann vorliegen, wenn diese Voraussetzun-
gen nicht erfüllt seien. Beziehe man die besondere Situation des psychisch
kranken Menschen ein, so hänge die freiheitsentziehende Wirkung einer Maß-
nahme nicht davon ab, wie sie erzeugt werde; vielmehr könne hier die Be-
schränkung auf einen bestimmten Lebensraum auch anders hergestellt werden.
Dies sei vorliegend der Fall, weil der Betroffene zum Zwecke der Zwangsmedi-
kation an einen Ort verbracht und dort belassen worden sei, den er wegen sei-
ner psychischen Verfassung und im Hinblick auf den von außen - durch Betreu-
er, Klinikpersonal oder Gericht - durch die Verbringung in die Klinik auf ihn aus-
geübten Druck nicht verlassen habe, obwohl er sich gegen seinen Willen dort
befunden habe. Dass sich der Betroffene gegen seinen Willen dort befunden
habe, könne dabei auch dann angenommen werden, wenn der Betroffene nur
die dort vorgenommene Behandlung ablehne, weil diese nur durch den aufge-
zwungenen Aufenthalt ermöglicht werde.
Das Oberlandesgericht hält die sofortigen weiteren Beschwerden aller-
dings deshalb für begründet, weil Amts- und Landgericht keine Entscheidung
darüber getroffen hätten, welche Behandlung der Betroffene im Einzelnen zu
dulden habe. Deshalb müsse jedenfalls die im Hauptsacheverfahren ergangene
Entscheidung des Landgerichts, mit der die gegen den Beschluss des Amtsge-
richts vom 30. August 2007 gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen
worden sei, aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen
werden. Für die Beurteilung der Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG könne
diese Frage allerdings offen bleiben; denn der dargestellte Verfahrensfehler
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könne jedenfalls nicht dazu führen, die Rechtswidrigkeit der Unterbringung als
solche festzustellen, wie dies von der Verfahrenspflegerin beantragt sei.
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Auch der Umstand, dass der Betroffene mittlerweile, wie von ihm ge-
wünscht, wieder in die Sozialtherapeutische Wohnstätte in N. verbracht worden
sei, lasse eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angefochten Be-
schlüsse nicht entbehrlich werden. Er führe insbesondere nicht dazu, die vom
Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung schon wegen inzwischen einge-
tretener Wirkungslosigkeit klarstellend aufzuheben. Denn nach der im Vorlage-
beschluss vertretenen Begriffsbestimmung werde dem Betroffenen auch in der
Wohnstätte, die er als sein Zuhause ansehe, die Freiheit entzogen, weil er auch
dort zur Medikamenteneinnahme gezwungen werden müsse. Im Übrigen würde
auch eine zwischenzeitlich eingetretene Wirkungslosigkeit der im Hauptsache-
verfahren ergangenen Beschlüsse das Oberlandesgericht nicht der Notwendig-
keit entheben, über die von der Verfahrenpflegerin begehrte Feststellung der
Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse zu entscheiden.
Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung
durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. Oktober 2002
(FamRZ 2003, 255) gehindert. Nach dieser Entscheidung kann die zwangswei-
se Unterbringung eines anderenfalls durch seine Verwahrlosung gefährdeten
Betroffenen in einer offenen Alten- und Pflegeeinrichtung vormundschaftsge-
richtlich nicht genehmigt werden. § 1906 Abs. 1 BGB geht, wie das Oberlan-
desgericht Hamm unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss BGHZ 145, 297
= FamRZ 2001, 149 darlegt, von einem engen Unterbringungsbegriff aus. Eine
mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung setze eine Beeinträchtigung
der körperlichen Bewegungsfreiheit voraus, die das Oberlandesgericht Hamm
in dem von ihm entschiedenen Fall verneint hat. Die in diesem Falle geplante
Zwangsmaßnahme beschränke sich auf die Verbringung des Betroffenen in die
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offene Einrichtung und sei deshalb nicht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB geneh-
migungsfähig. Dabei könne außer Betracht bleiben, dass diese Maßnahme
praktisch nur durchsetzbar wäre, wenn gleichzeitig das bestehende Mietver-
hältnis über die Wohnung des Betroffenen gekündigt und die hierzu erforderli-
che Genehmigung nach § 1907 BGB erteilt würde, weil nur auf diese Weise
eine Rückkehr des Betroffenen in sein bisheriges verwahrlostes Umfeld ausge-
schlossen werden könnte.
II.
1. Die Vorlage ist zulässig.
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Eine Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 FGG nur zulässig, wenn das vorlegen-
de Oberlandesgericht von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entschei-
dung eines anderen Oberlandesgerichts - oder, falls über die Frage bereits eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen ist, von dieser - abweichen
will. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des anderen Oberlandes-
gerichts muss dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser
Rechtsfrage muss für beide Entscheidungen erheblich sein (vgl. Senatsbe-
schluss vom 23. Juli 2003 - XII ZB 87/03 - FamRZ 2003, 1653 m.w.N.). Nach
diesen Maßstäben ist die Vorlage im Ergebnis zulässig.
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a) Die Frage, ob die Verbringung eines psychisch kranken Betroffenen in
eine offene Einrichtung sich unter besonderen Umständen als eine Unterbrin-
gung darstellen kann, die mit Freiheitsentziehung verbunden und deshalb einer
Genehmigung nach § 1906 Abs. 1 BGB zugänglich ist, ist für die Entscheidung
des vorlegenden Oberlandesgerichts erheblich. Würde diese Frage - entgegen
der Auffassung des Oberlandesgerichts - verneint, fehlte es für die erteilte Ge-
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nehmigung an einer Rechtsgrundlage und die sofortigen Beschwerden hätten
bereits aus diesem Grunde Erfolg. Würde diese Frage - mit der Rechtsmeinung
des Oberlandesgerichts - bejaht, wäre diese Antwort für die Entscheidung in
umgekehrter Weise von Bedeutung. Dies gilt unbeschadet der Erwägung des
Oberlandesgerichts, auch in diesem Falle zumindest den Beschluss des Amts-
gerichts vom 30. August 2007 und die ihn bestätigende Entscheidung des
Landgerichts vom 21. September 2007 deshalb aufzuheben und die Sache an
das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil Amts- und Landgericht keine Ent-
scheidung darüber getroffen hätten, welche Behandlung der Betroffene zu dul-
den habe. Denn auch bei einer Zurückverweisung ist die Vorinstanz an die tra-
gende rechtliche Beurteilung durch das Beschwerdegericht gebunden. Die un-
terschiedlichen Rechtsauffassungen zu dieser Frage hätten daher Entschei-
dungen unterschiedlicher Tragweite zur Folge, was für die Annahme einer Vor-
lagepflicht ausreicht (Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36 f. = FamRZ 1982, 44
und vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - FamRZ 2001, 149).
b) Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung des
Oberlandesgerichts Hamm, von dessen Rechtsmeinung das vorlegende Ober-
landesgericht abweichen will, rechtfertigt allerdings die Vorlage nicht.
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Dabei kann dahinstehen, ob - wie das vorlegende Oberlandesgericht
meint - dieser Entscheidung ein dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachver-
halt zugrunde lag. Das Oberlandesgericht Hamm hat einen "Druck", wie ihn das
vorlegende Oberlandesgericht aus der besonderen, sich aus der psychischen
Erkrankung ergebenden Situation des Betroffenen, seiner Verbringung in eine
Klinik und der dort erfolgenden, von ihm abgelehnten medikamentösen Behand-
lung folgert und als Freiheitsentziehung qualifizieren will, nicht festgestellt. Es
hat vielmehr darauf abgehoben, dass die im von ihm zu entscheidenden Fall
beabsichtigte Unterbringung des Betroffenen in einer offenen Alten- und Pfle-
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geeinrichtung keine genehmigungsfähige Freiheitsentziehung begründe. Zwar
sei die beabsichtigte Unterbringung nur durchsetzbar, wenn der bisherige ver-
wahrloste Hausstand des Betroffenen aufgelöst und dessen Rückkehr in sein
bisheriges Umfeld damit unmöglich gemacht würde. Dies rechtfertige jedoch
keine andere Beurteilung; denn eine solche Wohnungsauflösung sei auf einen
auf Dauer angelegten Wohnungswechsel hin ausgerichtet und stelle schon
deshalb keine notwendig befristete (vgl. § 70 f Abs. 1 Nr. 3 FGG) geschlossene
Unterbringung des Betroffenen dar.
Eine von der Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts abwei-
chende Rechtsaufassung des Oberlandesgerichts Hamm könnte eine Vorlage-
pflicht jedenfalls nur begründen, wenn die für beide Entscheidungen erhebliche
Rechtsfrage nicht bereits durch den Bundesgerichtshof beantwortet ist. Das ist
hier aber der Fall. Der Senat hat in den - insoweit tragenden - Gründen seines
Beschlusses vom 11. Oktober 2000 klargestellt, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB
von einem engen Unterbringungsbegriff ausgeht (BGHZ 145, 297, 300 f. =
FamRZ 2001, 149; bestätigend Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 147 ff. =
FamRZ 2006, 615, 616 ff.). Entscheidendes Kriterium für eine freiheitsentzie-
hende Unterbringung sei die nicht nur kurzfristige Beschränkung der persönli-
chen Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten Lebensraum. Sie sei (nur) gege-
ben, wenn der Betroffene gegen seinen Willen oder in einem Zustand der Wil-
lenlosigkeit in einem räumlich begrenzten Bereich eines geschlossenen Kran-
kenhauses, einer anderen geschlossenen Einrichtung oder dem abgeschlosse-
nen Teil einer solchen Einrichtung festgehalten, sein Aufenthalt ständig über-
wacht und die Kontaktnahme mit anderen Personen außerhalb des Bereichs
eingeschränkt werde.
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c) Das vorlegende Oberlandesgericht geht demgegenüber von einem
weiten Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung aus, der
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sich von dem engen Unterbringungsbegriff, wie ihn der Senat in seinem Be-
schluss vom 11. Oktober 2000 entwickelt hat (Senatsbeschluss BGHZ 145,
297, 300 f. = FamRZ 2001, 149; bestätigend Senatsbeschluss BGHZ 166, 141,
147 ff. = FamRZ 2006, 615, 616 ff.), unterscheidet und auf die dort genannten
Kriterien verzichtet. Da diese Kriterien nach der im Beschluss vom 11. Oktober
2000 niedergelegten Auffassung des Senats generell erfüllt sein müssen, damit
von einer freiheitsentziehenden Unterbringung ausgegangen werden kann,
weicht das vom Oberlandesgericht vertretene weitergehende Begriffsverständ-
nis von dieser Entscheidung ab. Diese Abweichung von der Senatsrechtspre-
chung begründet eine Vorlagepflicht nach § 28 Abs. 2 FGG, der das Oberlan-
desgericht - somit im Ergebnis zutreffend - Rechnung getragen hat.
2. Aufgrund der zulässigen Vorlage entscheidet der Bundesgerichtshof
anstelle des vorlegenden Oberlandesgerichts. Im Hauptsacheverfahren ist die
sofortige weitere Beschwerde im wesentlichen zulässig und auch begründet. Im
einstweiligen Anordnungsverfahren hat die sofortige weitere Beschwerde in vol-
lem Umfang Erfolg.
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a) Der Senat hält daran fest, dass § 1906 Abs. 1 BGB von einem engen
Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung ausgeht und
nur solche Maßnahmen erfasst, die die persönliche Bewegungsfreiheit des Be-
troffenen nicht nur kurzfristig auf einen bestimmten räumlichen Lebensbereich
begrenzen. Andere Unterbringungsmaßnahmen sind nicht nach § 1906 Abs. 1
BGB genehmigungsfähig.
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aa) Dabei wird nicht verkannt, dass dieser enge Unterbringungsbegriff
nicht nur für die Genehmigungsfähigkeit und -bedürftigkeit der Unterbringung
als solcher von Bedeutung ist. Er erweist sich vielmehr auch für die Reichweite
der Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen als maßgebend.
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Wie der Senat dargelegt hat (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 300 ff.
= FamRZ 2001, 149 ff. und BGHZ 166, 141, 148 ff. = FamRZ 2006, 615, 616
ff.), darf der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (§ 1902 BGB)
zwar für diesen in medizinische Behandlungen einwilligen, wenn der Betroffene
selbst zu einer solchen Einwilligung nicht in der Lage, insbesondere nicht
einsichts- oder steuerungsfähig ist. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Fra-
ge, ob der Betreuer auch befugt ist, den einer solchen medizinischen Maßnah-
me entgegenstehenden Willen des Betroffenen durch Zwang zu überwinden.
Allein aus den Vertretungsvorschriften der §§ 1901, 1902 BGB kann der Be-
treuer eine solche Zwangsbefugnis nicht herleiten, weil diese Vorschriften für
sich genommen keine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Gegenstand,
Zweck und Ausmaß der vom Betreuten unter Zwang zu duldenden Behandlung
ermöglichen. Dies wäre jedoch notwendig, da der Betreuer gegenüber dem Be-
troffenen ein öffentliches Amt wahrnimmt und Zwangsmaßnahmen des Betreu-
ers, mit denen der Widerstand des Betroffenen gegen Eingriffe in seine körper-
liche Unversehrtheit und Freiheit überwunden werden soll, einer Rechtsgrund-
lage durch ein formelles Gesetz bedürfen (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 2 GG).
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Eine solche Rechtsgrundlage bietet allerdings § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB,
der eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Betroffenen
- mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts - zulässt, solange sie zum
Wohl des Betroffen erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszu-
standes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, diese
Maßnahme ohne die freiheitsentziehende Unterbringung nicht durchgeführt
werden kann und der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder
geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung
- d.h. recht verstanden: der Untersuchung, der Heilbehandlung oder des ärztli-
chen Eingriffs - nicht zu erkennen oder nach dieser Erkenntnis zu handeln ver-
mag. Da eine medizinische Maßnahme nur dann als im Sinne des § 1906
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Abs. 1 Nr. 2 BGB notwendig angesehen werden kann, wenn sie rechtlich zuläs-
sig ist, kann der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur dann freiheitsent-
ziehend untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch be-
handelt werden darf. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Be-
handlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer
freiheitsentziehenden Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der
Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - sel-
tenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der
medizinischen Maßnahme bejaht oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungs-
einsicht keinen dieser Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen mani-
festiert, in denen er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsieht.
§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann deshalb sinnvoll nur dahin ausgelegt werden,
dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der
Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt hat und deretwegen der Betroffene - mit
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts - vom Betreuer freiheitsentziehend
untergebracht werden darf, unabhängig von seinem möglicherweise entgegen-
stehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden hat (Se-
natsbeschluss BGHZ 166, 141, 151 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.).
bb) Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen
gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Vormund-
schaftsgericht genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig ist,
darf freilich nicht - wie in der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts
vom 30. August 2007 geschehen - gefolgert werden, dass eine freiheitsentzie-
hende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer konsentiert und nach
§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden darf,
wenn eine medizinische Maßnahme notwendig ist, aber nur gegen den Wider-
stand des Betroffenen durchführt werden kann. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ver-
langt nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig ist. Die
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freiheitsentziehende Unterbringung muss vielmehr auch ihrerseits - und zwar
tatsächlich - erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt
werden kann. Sie ist in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass
der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderli-
chen medizinischen Maßnahme räumlich - also etwa durch Fernbleiben oder
"Weglaufen" - entzieht. Umgekehrt begründet die Erforderlichkeit der medizini-
schen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme ent-
gegenstehenden Willen des Betroffenen zu brechen, für sich genommen noch
keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen - also
etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch wi-
dersetzt, sich ihr aber nicht räumlich entzieht. Die gegenteilige Argumentation
würde dazu führen, bereits aus der Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung die
Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung herzuleiten. Ein solches
- offenbar der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. August
2007 zugrunde liegendes - Verständnis ist mit dem Wortlaut der Regelung, der
die Zulässigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung an ein doppeltes
Notwendigkeitskriterium knüpft (die Unterbringung muss erforderlich sein, weil
eine medizinische Maßnahme notwendig ist und ohne die Unterbringung fak-
tisch nicht durchgeführt werden kann), nicht vereinbar. Es widerspricht auch
dem Schutzzweck der Norm, die eine freiheitsentziehende Unterbringung kei-
neswegs immer schon dann eröffnen will, wenn diese - etwa mangels jeder
"Weglaufgefahr" - unnötig ist und lediglich die rechtlichen "Rahmenbedingun-
gen" für eine notwendige Zwangsbehandlung schaffen soll.
cc) Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Auffassung des vorlegenden
Oberlandesgerichts, das den Begriff der mit Freiheitsentziehung verbundenen
Unterbringung über den vom Senat gezogenen Rahmen hinaus ausweitet. Eine
solche Ausweitung kann schon begrifflich nicht überzeugen. Zum einen ist nicht
ohne weiteres ersichtlich und vom Oberlandesgericht auch nicht näher ausge-
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führt, worin ein von außen - sei es vom Betreuer, vom Klinikpersonal oder vom
Gericht - auf den Betroffenen ausgeübter "Druck" bestehen soll, der den Betrof-
fenen aufgrund seiner psychischen Verfassung bewegen könnte, eine offene
Klinik nicht mehr zu verlassen, "obwohl er sich gegen seinen Willen dort befin-
det" und einem Verlassen der Klinik weder tatsächliche Hemmnisse noch psy-
chische Drohmittel entgegengesetzt werden. Dies gilt um so mehr, als nach
dem Verständnis des vorlegenden Oberlandesgerichts ein Betroffener auch
dann mit freiheitsentziehender Wirkung untergebracht sein soll, wenn er sich in
einem Bereich (im vorliegenden Fall: in der Sozialtherapeutischen Wohnstätte)
aufhält, den er als sein Zuhause ansieht und den er jederzeit verlassen kann,
sofern er auch dort zur Medikamenteneinnahme gezwungen werden müsse.
Dies macht deutlich, dass bei einem derart weitgehenden Begriffsverständnis
bereits die erzwungene Einnahme von (im vorliegenden Fall zudem heimlich
verabreichten) Medikamenten rechtlich als eine freiheitsentziehende Unterbrin-
gung angesehen wird, und zwar losgelöst von der Frage, wo sich diese
Zwangsbehandlung vollzieht und ob der Betroffene sie überhaupt bemerkt. Eine
derart extensive Auslegung ist mit dem Wortlaut des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB
nicht vereinbar und wird vom Zweck dieser Vorschrift auch nicht gedeckt. Sie
erklärt sich aus dem Bemühen, den Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1
Nr. 2 BGB auszuweiten, um auf diese Weise der Zulässigkeit einer Zwangsme-
dikation Betroffener in deren wohlverstandenem Eigeninteresse größeren Raum
zu schaffen. Indes ist eine solche Vorgehensweise methodisch nicht akzeptabel
und als Eingriff in die durch Gesetzesvorbehalt gesicherten Grundrechte des
Betroffenen auch verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar.
dd) Der Senat verkennt nicht, dass die von ihm vertretene enge Ausle-
gung des Begriffs der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung zu
einer Begrenzung der Möglichkeit führt, einen Betroffenen gegen seinen Willen
einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Das beruht auf dem Umstand,
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dass das Gesetz dem Betreuer außerhalb einer freiheitsentziehenden Unter-
bringung keine Zwangsbefugnisse an die Hand gibt, die es ihm ermöglichen
könnten, seine Einwilligung in eine notwendige medizinische Behandlung des
Betroffenen auch gegen dessen Willen durchzusetzen. Aus § 70 g Abs. 5
Satz 2 FGG, demzufolge Gewalt nur bei Zuführung zur Unterbringung und nur
bei ausdrücklicher Anordnung durch das Gericht angewandt werden darf, ist
- im Gegenteil - der gesetzgeberische Wille zu schließen, dass der Betreuer in
anderen Fällen keinen Zwang zur Überwindung körperlichen Widerstands des
Betroffenen anwenden darf. Das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchset-
zung notwendiger medizinischer Maßnahmen außerhalb einer mit Freiheitsent-
ziehung verbundenen Unterbringung kann in der Tat dazu führen, dass ein Be-
troffener aufgrund des Unterbleibens einer von ihm verweigerten medizinischen
Maßnahme einen erneuten Krankheitsschub erleidet und dann möglicherweise
für längere Zeit untergebracht werden muss, oder dass er in sonstiger Weise
erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits früher auf diese Problematik
aufmerksam gemacht (Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001,
149, 152). Der Gesetzgeber hat es gleichwohl bei der bestehenden Regelung
belassen. Dies müssen die Gerichte respektieren.
b) Aus der dargelegten Auffassung des Senats ergibt sich für die Ent-
scheidung der vorliegenden Verfahren:
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aa) Der im Hauptsacheverfahren ergangene Beschluss des Amtsgerichts
vom 30. August 2007 und die Entscheidung des Landgerichts vom 21. Septem-
ber 2007, mit der die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsge-
richts zurückgewiesen wird - 2 T 848/07 -, können nicht bestehen bleiben.
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Diese Entscheidungen sind allerdings nicht, wie vom Oberlandesgericht
erwogen, wirkungslos und nur klarstellend aufzuheben, weil der Betroffene sich
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inzwischen nicht mehr in der Psychiatrischen Klinik, sondern in der Sozialthera-
peutischen Wohnstätte in N. aufhält, die er als sein Zuhause ansieht und die er
nach Belieben verlassen kann. Richtig ist zwar, dass mit der - auch vorzeitigen -
Beendigung einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Unterbringung die
Genehmigung gegenstandlos wird und ein Beschwerdeverfahren, mit dem der
Betroffene sich gegen die Genehmigung seiner Unterbringung wendet, damit an
sich in der Hauptsache erledigt ist. Richtig ist ferner, dass in solchen Fällen der
die freiheitsentziehende Unterbringung genehmigende Beschluss gleichwohl im
Beschwerdeverfahren aufgehoben werden kann, wenn ihm seine Wirkungslo-
sigkeit nicht zu entnehmen ist und er vielmehr nach seinem Inhalt den Anschein
erweckt, als wirke er bis zum Ablauf der in ihm genannten Unterbringungsdauer
weiter (BayObLG FamRZ 1995, 1296). Nach diesen Grundsätzen könnten die
vorliegend angefochtenen Entscheidungen aber nur dann mit der Rückkehr des
Betroffenen in die Wohnstätte gegenstandlos geworden sein, wenn die geneh-
migte Unterbringung überhaupt vollzogen worden wäre; denn nur in diesem
Falle hätte sich die erteilte Genehmigung mit der Beendigung des Vollzugs der
Unterbringung "verbraucht" und wäre für eine erneute Unterbringung eine er-
neute Genehmigung vonnöten. Das ist indes nicht der Fall. Die angefochtenen
Entscheidungen genehmigen zwar eine freiheitsentziehende Unterbringung des
Betroffenen. Der Betroffene ist jedoch aufgrund dieser Entscheidungen zu kei-
nem Zeitpunkt freiheitsentziehend untergebracht worden: In der Psychiatrischen
Klinik hielt er sich in einer offenen Abteilung auf; auch sein Aufenthalt in der
Sozialtherapeutischen Wohnstätte in N., in welcher er sich inzwischen wieder
befindet, erfüllt nicht die Kriterien, die der Senat für eine freiheitsentziehende
Unterbringung aufgestellt hat. Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb
nach wie vor wirksam und ermöglichen es, den Betroffenen jederzeit, und zwar
längstens bis zum 30. August 2008, erneut und nunmehr tatsächlich "geschlos-
sen" unterzubringen.
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Die angefochtenen Entscheidungen sind jedoch rechtsfehlerhaft, weil sie
in § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB keine Grundlage finden. Nach dem vom Amtsge-
richt in Bezug genommenen Sachverständigengutachten ist die Unterbringung
des Betroffenen in einem geschlossenen Klinikbereich nicht erforderlich. Dieser
Auffassung ist auch das Amtsgericht, nach dessen Begründung die Unterbrin-
gung des Betroffenen "zumindest im Moment offen vollzogen werden" könne
und eine geschlossene Unterbringung offenbar nur angeordnet werden sollte,
um eine Zwangsmedikation des Betroffenen rechtlich zu ermöglichen. Damit
sind die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht erfüllt. Eine et-
waige, in Zukunft notwendig werdende Unterbringung in einer geschlossenen
Abteilung der Klinik oder Wohnstätte rechtfertigt diese Entscheidungen nicht;
die Genehmigung einer Unterbringung "auf Vorrat" ist dem geltenden Recht
fremd.
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Die Entscheidung des Landgerichts ist deshalb aufzuheben, die Ent-
scheidung des Amtsgerichts abzuändern und der Antrag der Betreuerin, die
geschlossene Unterbringung zu genehmigen, zurückzuweisen.
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bb) Soweit die Verfahrenspflegerin des Betroffenen mit ihrer gegen die
vorgenannte Entscheidung des Landgerichts gerichteten sofortigen weiteren
Beschwerde zusätzlich die Feststellung begehrt, dass die "Genehmigung der
geschlossenen Unterbringung in der Zeit vom 4. September 2007 bis in die
jüngste Vergangenheit rechtswidrig war", ist ihr Antrag mangels Rechtsschutz-
interesses unzulässig und ihre sofortige weitere Beschwerde insoweit zu ver-
werfen.
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Grundsätzlich ist ein Rechtsschutzinteresse nur zu bejahen, solange der
Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel
daran noch etwas zu ändern vermag. Trotz Erledigung des ursprünglichen
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Rechtsschutzzieles kann allerdings ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entschei-
dung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der
Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Insofern entfällt das Recht-
schutzinteresse nicht, wohl aber ändert sich der - nunmehr auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit gerichtete - Verfahrensgegenstand. Ein solches trotz Erledi-
gung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse kommt in Fällen tief greifender
Grundrechtseingriffe in Betracht, so namentlich bei Eingriffen in das Recht auf
Freiheit der Person; es kann auch aus dem diskriminierenden Charakter einer
Maßnahme folgen (BVerfG NJW 1997, 2163 und NJW 2002, 206; vgl. zum
Ganzen auch Keidel/Kahl Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 19 Rdn. 86
m.w.N.).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe lässt sich dem Betroffenen zwar ein
rechtlich anzuerkennendes Interesse an einer Klärung der Frage, ob ihn die
Genehmigung einer mit Freiheitsentziehung verbunden Unterbringung in seinen
Rechten verletzt hat, nicht grundsätzlich absprechen. Ein solches Rechtschutz-
interesse des Betroffenen kann sich zum einen auf die Bedeutung des geneh-
migten Freiheitsentzugs als eines schwerwiegenden Grundsrechtseingriffs stüt-
zen; es kann sich aber auch aus dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen
herleiten, dessen Persönlichkeitsrecht durch eine rechtswidrige Genehmigung
einer geschlossenen Unterbringung nachhaltig beeinträchtigt wäre. Indes ist
diesem Rechtschutzinteresse bereits dadurch in vollem Umfang Rechnung ge-
tragen, dass der Senat dem Begehren der Verfahrenspflegerin, die angefochte-
nen Entscheidungen als rechtswidrig aufzuheben, in vollem Umfang entspro-
chen hat. Die Rechtswidrigkeit des die Genehmigung der geschlossenen Un-
terbringung aussprechenden Beschlusses des Amtsgerichts und die Begrün-
detheit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde ergibt sich bereits aus
dem Tenor der vorliegenden Entscheidung des Senats. Der Umstand, dass die
Voraussetzungen der Genehmigung von vornherein nicht erfüllt, die angefoch-
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tenen Entscheidungen also von Anfang an rechtsfehlerhaft waren, erhellt aus
der vom Senat gegebenen Begründung. Ein darüber hinausgehendes Feststel-
lungsinteresse des Betroffenen ist nicht ersichtlich.
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cc) Die sofortige weitere Beschwerde, mit der sich die Verfahrenspflege-
rin gegen den im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Beschluss
des Amtsgerichts vom 23. August 2003 und gegen den Beschluss des Landge-
richts vom 21. September 2007 - 2 T 835/07 - wendet, mit der ihre gegen die
amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewie-
sen worden ist, hat uneingeschränkt Erfolg. Ihr Antrag festzustellen, dass diese
beiden Beschlüsse rechtswidrig sind, ist zulässig.
Der Beschluss des Amtsgerichts, mit dem die geschlossene Unterbrin-
gung des Betroffenen bis längstens 20. September 2007 einstweilen genehmigt
worden ist, ist durch den späteren Beschluss des Amtsgerichts vom 30. August
2007 ersetzt worden und wäre im übrigen durch Zeitablauf gegenstandslos.
Gleichwohl besteht aus den unter bb) dargelegten Gründen ein berechtigtes
Interesse des Betroffenen an der Feststellung, dass dieser Beschluss rechts-
widrig war. Diesem Interesse durfte die Verfahrenspflegerin mit der sofortigen
Beschwerde nachgehen; nach deren Zurückweisung durch das Landgericht
kann sie dieses Interesse mit der - zulässigen - sofortigen weiteren Beschwerde
weiterverfolgen.
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Ihr Begehren, die Rechtswidrigkeit beider Beschlüsse festzustellen, ist
auch begründet. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde des Be-
troffenen zu Unrecht zurückgewiesen. Denn der Beschluss des Amtsgerichts
vom 23. August 2007 war aus den unter aa) genannten Gründen rechtsfehler-
haft: In diesem Beschluss nimmt das Amtsgericht - ebenso wie im späteren
Hauptsacheverfahren - auf das Sachverständigengutachten Bezug, das eine
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geschlossene Unterbringung - auch zum Zwecke der Zwangsmedikation - für
tatsächlich nicht erforderlich hält, deren Genehmigung aber zur rechtlichen Ab-
sicherung dieser Zwangsmedikation für geboten erachtet. Allein mit diesem Ziel
hat offenkundig das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffe-
nen genehmigt. Das ist - wie dargelegt - mit § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht ver-
einbar.
c) Notwendige Auslagen des Betroffenen waren, wie auch beantragt,
gemäß § 13 a Abs. 2 Satz 1 FGG der Staatskasse aufzuerlegen. Soweit für den
unzulässigen Feststellungsantrag der Verfahrenspflegerin Kosten angefallen
sind, rechtfertigen diese keine abweichende Entscheidung.
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Sprick Weber-Monecke Wagenitz
Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Pirna, Entscheidung vom 30.08.2007 - XVII 28/05 -
LG Dresden, Entscheidung vom 21.09.2007 - 2 T 848/07 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.11.2007 - 3 W 1169/07 + 3 W 1168/07 -